BGH,
Beschl. v. 9.11.2009 - 5 StR 136/09
5 StR 136/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 9. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Subventionsbetruges
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2009
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Potsdam vom 23. Oktober 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO aufgehoben und der Angeklagte freigesprochen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem
Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte ist
für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu
entschädigen. Die Feststellungen zu deren Art und Umfang
trifft das Landgericht.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Subventionsbetrugs zu einer
Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Seine hiergegen
gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg und
führt zu seinem Freispruch.
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts befasste sich der Angeklagte,
ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, mit der Entwicklung
von Softwarekonzepten, die nutzerangepasst einen umfassenden
Überblick über die wirtschaftliche Situation eines
Unternehmens ermöglichen sollten. In Umsetzung seiner
Entwicklungskonzepte hatte der Angeklagte zunächst die J. S.
P. GmbH & Co. KG (JSP) gegründet, deren alleiniger
Kommanditist er war; er hielt zugleich sämtliche Anteile
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der Komplementär GmbH. Da dem Angeklagten das nötige
Eigenkapital fehlte, bemühte er sich um Subventionsleistungen,
um die Software nach seinen Vorgaben erstellen zu lassen. Die
beantragte Subvention wurde ihm zunächst von mehreren
Landesinvestitionsbanken, u. a. der B. I. versagt. Der Angeklagte trat
dann in Verhandlungen mit der I. L. B. (ILB). Nach seinem
Geschäftskonzept sollte die JSP die Fördermittel
erhalten, um die Software von einem später beauftragten
Softwarehersteller beziehen zu können. Der Softwarehersteller
sollte wiederum seinerseits von dem Angeklagten die von ihm
entwickelten betrieblichen Vorgaben ankaufen, wobei der Angeklagte den
Ankauf zur Hälfte kreditieren wollte. Der Angeklagte, der bei
der ILB bereits im September 1997 einen Förderantrag gestellt
hatte, reduzierte nach den Feststellungen des Landgerichts auf Anraten
der ILB die von ihm beantragte Förderleistung. In seinem
(überarbeiteten) Antrag vom 25. Februar 1998 gab der
Angeklagte in der Rubrik „Anschaffungskosten immaterieller
Wirtschaftsgüter“ Kosten in Höhe von 18,5
Mio. DM an. In der Anlage 1 zu dem Antrag erklärte er unter
der Rubrik „Immaterielle
Wirtschaftsgüter“, diese würden aktiviert
und nicht von verbundenen oder sonst wirtschaftlich, rechtlich oder
personell verflochtene Unternehmen angeschafft. In den Rubriken
„Eigenleistungen zur Aktivierung vorgesehen“ oder
„nicht aktivierbar“ gab er nichts an.
Der Angeklagte wusste nach den Feststellungen des Landgerichts, dass
die eingesetzten 18,5 Mio. DM Anschaffungskosten auch seinen Aufwand
für die von ihm entwickelten betriebswirtschaftlichen Vorgaben
enthielten. Dies hatte er nicht verdeutlicht, obwohl - wie ihm
gleichfalls bekannt war - immaterielle Eigenleistungen nicht
aktivierbar und nicht förderungsfähig waren. Um
dennoch seine Entwicklungskosten im Rahmen der
Förderleistungen ansetzen zu können, ist der
Angeklagte den Weg über die S. C. gegangen, die seinen
Entwicklungsaufwand in Höhe von ca. 2,7 Mio. DM in den der JSP
berechneten Preis einbezog. Am 4. Oktober 1999 erteilte die ILB - nach
weiteren Informationen durch den Angeklagten und umfangreichen
Verhandlungen - den Zuwendungsbescheid der
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48,9 % der angegebenen Investitionen von 18,5 Mio. DM als
Förderleistung vorsah. In der Folgezeit kam es zwischen Ende
1999 und Anfang 2002 nur zu einer Auszahlung in Höhe von knapp
1,9 Mio. €, bevor im Blick auf das hiesige Strafverfahren
weitere Leistungen eingestellt wurden.
Das Landgericht sieht in der Erklärung im
Förderantrag vom 25. Februar 1998 eine unrichtige Angabe
über eine investitionserhebliche Tatsache
gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB, weil er die
von ihm erstellten betrieblichen Vorgaben nicht offen gelegt habe. Bei
den betriebswirtschaftlichen Vorgaben für die
Entwicklungsmodule handele es sich um immaterielle
Wirtschaftsgüter, die nicht förderungsfähig
seien. Der Zwischenerwerb über die S. C. stelle ein
unbeachtliches Umgehungsgeschäft dar. Letztlich habe die JSP,
die wirtschaftlich betrachtet allein dem Angeklagten gehöre,
den gesamten Betrag, also einschließlich der
betriebswirtschaftlichen Vorgaben, ansetzen sollen. Für die
Einschaltung der S. C. gebe es keinen sinnvollen wirtschaftlichen
Grund. Dies habe der Angeklagte als Wirtschaftsprüfer gewusst.
Eine Strafbarkeit sei auch nicht im Sinne des § 264 Abs. 5
StGB ausgeschlossen, weil sich der Angeklagte nicht um eine
Verhinderung der Auszahlung der Subvention bemüht habe.
4
II.
Die Revision des Angeklagten ist begründet und führt
zu seinem Freispruch.
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1. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Angeklagte in seinem
Förderantrag unrichtige Tatsachenangaben gemacht hat.
Unrichtig im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind die vom
Täter zu den subventionserheblichen Tatsachen gemachten
Angaben, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen
(BGHR StGB § 264 Abs. 1 Nr. 1 subventionserhebliche Tatsache
1). Nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmende Tatsachen sind
aber auch diejenigen, die ein unvollständiges Gesamtbild
vermitteln (BGH
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NStZ 2006, 625, 627 Tz. 8). Ein solches unvollständiges
Gesamtbild läge hier vor, wenn der Angeklagte die von ihm
gelieferten betriebswirtschaftlichen Vorgaben nicht genannt und
wertmäßig beziffert hätte, obwohl er hierzu
verpflichtet gewesen wäre, weil der
„Verkauf“ der betriebswirtschaftlichen Vorgaben ein
unwirksames Geschäft im Sinne des § 4 SubvG
darstellte. Die Annahme eines solchen Schein- bzw.
Umgehungsgeschäfts setzt - ebenso wie bei den vergleichbaren
Vorschriften der § 41 Abs. 2, § 42 AO - voraus, dass
der gewählten Gestaltungsform kein eigenständiger
Sinngehalt zukommt und sie allein um der Herbeiführung der
Subvention willen vorgenommen wird. Hierfür mag zwar sprechen,
dass der Angeklagte die betriebswirtschaftlichen Vorgaben
zunächst an die S. C. verkauft und diese dann die entwickelten
Softwaremodule an die vom Angeklagten allein beherrschte JSP
weiterveräußern sollte, wobei die JSP nach den
Feststellungen des Landgerichts die einzige Auftraggeberin der S. C.
war. Andererseits veräußerte die S. C. hierbei ein
fertiges Produkt, in dem sich die persönliche Leistung des
Angeklagten nur zu einem geringen Teil (15 %) niederschlug. Damit
stellte das veräußerte Produkt eine eigene und
selbständige Wertschöpfung dar, die weit
über die vom Angeklagten erbrachten betriebswirtschaftlichen
Vorgaben hinausging und ohne die die betriebswirtschaftlichen Vorgaben
des Angeklagten wertlos gewesen wären. Es mag zwar sein, dass
derselbe wirtschaftliche Erfolg auch dadurch hätte erreicht
werden können, dass die betriebswirtschaftlichen Vorgaben in
die JSP eingebracht und dann durch eine entsprechende
(werkvertragliche) Beauftragung in Software-Module umgesetzt worden
wären. Fraglich ist jedoch, ob aus subventionsrechtlichen
Gründen allein diese Gestaltungsform hätte
gewählt werden dürfen.
2. Letztlich bedarf diese Frage im vorliegenden Fall keiner
Entscheidung. Das Landgericht hat nämlich in seiner
Beweiswürdigung die subjektive Tatseite bei dem Angeklagten
nur lückenhaft gewürdigt. Es folgert allein aus
seiner beruflichen Stellung als Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater, dass ihm der Scheincharakter des Verkaufs der
betrieblichen Vorgaben bekannt sein
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musste. Bei der Prüfung des Täuschungsvorsatzes im
Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB lässt allerdings
das Landgericht das nachträgliche Geschehen
unberücksichtigt, das begründete Zweifel an einem
dolosen Handeln des Angeklagten hätte aufkommen lassen
können.
Nach den Urteilsfeststellungen teilte der Angeklagte nämlich
am 3. Juni 1999 - und damit weit vor der Bewilligungsentscheidung - der
ILB die beabsichtigte Vertragskonstruktion mit und machte dabei auch
ausdrücklich kenntlich, dass ein Teil hiervon auf die von ihm
persönlich gelieferten betriebswirtschaftlichen Vorgaben
entfalle. Wenige Tage später wurde zudem eine detaillierte
Aufwandsschätzung mit einer Aufteilung des Gesamtaufwands
vorgelegt. Weiterhin erhielt die ILB vom Angeklagten Entwürfe
über die Vertragsbeziehungen mit der S. C. . Hätte
der Angeklagte - wie das Landgericht meint - in
Täuschungsabsicht gehandelt, dann hätte er nicht ohne
weiteres die Rahmendaten offenbart, aus denen für die ILB der
gesamte Sachverhalt deutlich wurde. Da sich eine
Täuschungshandlung im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1
StGB nur auf Tatsachen beziehen kann, wäre es zumindest
erklärungsbedürftig gewesen, warum der Angeklagte
diese Angaben gegenüber dem Subventionsgeber mitgeteilt und
damit seinen vom Landgericht angenommenen Täuschungsabsichten
eigentlich zuwider gehandelt hat.
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Vor dem Hintergrund der vom Landgericht mitgeteilten Einlassung des
Angeklagten, er habe immer vollständige Angaben gemacht und
alles aufgedeckt, aber den vollen Verkaufspreis für
aktivierungsfähig gehalten, hätte das Landgericht die
subjektive Tatseite näher untersuchen müssen, zumal
der Angeklagte die wesentlichen Umstände vor der
Subventionsgewährung tatsächlich aufgedeckt hat. Es
reichte dabei nicht aus, allein auf seine berufliche Qualifikation und
seine sich hieraus ergebende Kenntnis von der bilanziellen Behandlung
immaterieller Vermögenswerte abzuheben. Die
Täuschungshandlung bestand nämlich nicht darin, dass
der Angeklagte über die Aktivierungsfähigkeit des
gesamten Kaufpreises täuschte. Abgesehen davon, dass eine
solche rechtliche Bewertung nicht Bestandteil einer Täuschungs-
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handlung im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB sein kann,
hätte eine Täuschung über einzelne
tatsächliche Umstände nur in Betracht gezogen werden
können, wenn der Angeklagte die Pflicht zu ihrer Offenbarung
kannte und sie dennoch verschwiegen hat. Insoweit sind die
Urteilsgründe - was die Revision zu Recht beanstandet -
jedenfalls undeutlich. So führt das Landgericht aus, dass es
nicht darauf ankomme, ob der Angeklagte angenommen habe, dass die in
der Rubrik „Anschaffungskosten immaterieller
Wirtschaftsgüter“ angegebenen Softwaremodule als
förderungsfähige Wirtschaftsgüter
einzuordnen gewesen seien. Dies lässt allerdings
außer Acht, dass der Angeklagte sich nur dann in keinem nach
§ 16 StGB relevanten Irrtum befunden hat, wenn er die
rechtlichen Folgen der Unwirksamkeit seiner Vertragskonstruktion
erkannt hätte (vgl. BGHR StGB § 16 Abs. 1 Umstand 2).
Denn nur dann hätte er subventionserhebliche Tatsachen
verschwiegen, indem er die von ihm erstellten betrieblichen Vorgaben
nicht betragsmäßig angesetzt hat. Dies verstand sich
aber - jedenfalls ohne nähere Erläuterung - nicht von
selbst, zumal da der Angeklagte die sich im Übrigen erst im
weiteren Verlauf näher konkretisierenden Umstände dem
Subventionsgeber von sich aus tatsächlich mitgeteilt hat.
3. Der Senat sieht von einer Zurückverweisung der Sache ab. In
Anbetracht der lange zurückliegenden Tatzeit sind sichere
Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht mehr zu erwarten.
Gleiches gilt weitergehend auch im Hinblick auf den
Leichtfertigkeitstatbestand nach § 264 Abs. 4 StGB.
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Hinzu kommt, dass der Angeklagte zumindest nach § 264 Abs. 5
Satz 1 StGB Straflosigkeit erlangt haben könnte. Danach wird
nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass aufgrund der Tat die
Subvention gewährt wird. Da der Subventionsbetrug
gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits
vollendet ist, wenn die unrichtigen Angaben dem Subventionsgeber
gegenüber gemacht worden sind (BGHR StGB § 264 Abs. 1
Nr. 1 vorteilhaft 1), bezieht sich Absatz 5 auf solche
Verhinderungshandlungen, die nach Vollendung der Tat vorgenommen
wurden. Da der Subventionsbetrug als Gefährdungsdelikt
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einen vorverlegten Vollendungszeitpunkt hat, ist die Vorschrift des
Absatzes 5 als tätige Reue ausgestaltet und gleicht so die
fehlende Möglichkeit eines strafbefreienden
Rücktritts aus (Lenckner/Perron in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 264 Rdn.
66 f.).
Allerdings benennt Absatz 5 als die für die tätige
Reue maßgebliche Handlung die Verhinderung der
Gewährung der Subvention. Im vorliegenden Fall ist zwar die
Subvention jedenfalls teilweise gewährt worden, weil es in
Teilbeträgen zur Auszahlung von Subventionsleistungen gekommen
ist. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber bei dem Subventionsgeber
keinerlei Unkenntnis über subventionserhebliche
Umstände mehr, weil sämtliche Tatsachen von dem
Angeklagten zu diesem Zeitpunkt bereits mitgeteilt waren. Diese
Fallkonstellation erfüllt gleichzeitig die Voraussetzungen des
Absatzes 5 Satz 1, da derjenige, der verhindert, dass die
Subventionsvergabe auf einer falschen Tatsachengrundlage erfolgt, alles
getan hat, um keinen rechtswidrigen Erfolg eintreten zu lassen. Ist es
deshalb noch nicht zur Entscheidung über die Bewilligung
gekommen, reicht es jedenfalls aus, wenn der Täter die
unrichtigen oder unvollständigen Angaben korrigiert bzw.
ergänzt. Wenn es dennoch auf der Grundlage dieser (dann
berichtigten) Angaben zur Bewilligung der Subvention kommt, bleibt der
Täter straflos, weil der Kausalzusammenhang zwischen
unvollständigen Angaben und der Bewilligung der Subvention
entfallen ist. Da die Bewilligung der Subvention dann aufgrund einer
anderen (nunmehr zutreffenden) Tatsachengrundlage erfolgte, bestand
für die Verhinderung einer Gewährung kein Anlass mehr
(vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 264 Rdn. 41; Wohlers in
MünchKomm StGB § 264 Rdn. 119).
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Hinsichtlich der Prüfung des zusätzlichen
Tatbestandsmerkmals der Freiwilligkeit nach § 264 Abs. 5 Satz
1 StGB bedarf es ebenfalls keiner Zurückverweisung der Sache
an das Landgericht. Auch insoweit lässt sich aufgrund des
erheblichen Zeitablaufs ausschließen, dass bezüglich
dieses Merkmals hinreichend tragfähige Umstände
ermittelt werden können, die der Annahme einer freiwilligen
tätigen Reue entgegenstehen könnten.
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III.
Dem freigesprochenen Angeklagten ist durch den Senat mit seiner
verfahrensabschließenden Entscheidung für erlittene
Strafverfolgungsmaßnahmen, hier insbesondere die für
den Senat ersichtliche Durchsuchung, ein
Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über die
Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen
(StrEG) zuzuerkennen. Insbesondere sind keine Ausschluss- oder
Versagungsgründe (§§ 5, 6 StrEG)
ersichtlich. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat anhand der
vorliegenden Akten und ohne besondere Anhörung der Beteiligten
indes nicht möglich. Das Landgericht wird namentlich die Art
und den Umfang möglicher entschädigungspflichtiger
Maßnahmen aufzuklären haben (vgl. BGHR StrEG
§ 8 Zuständigkeit 1; BGH StraFo 2008, 266).
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