BGH,
Beschl. v. 9.10.2001 - 5 StR 375/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 375/01
vom 9. Oktober 2001
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 10. April 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der
Angeklagte der Beihilfe zum Totschlag schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte nahm am Vorabend des 24. November 1986 als
stellvertretender Kompaniechef der in der DDR nördlich von
Berlin (West) stationierten 3. Grenzkompanie die Vergatterung von zwei
Grenzsoldaten vor, die während ihres Grenzdienstes in dieser
Nacht den unbewaffneten 25jährigen Flüchtling B
erschossen. Das Schwurgericht hat den Angeklagten deshalb wegen
Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten
unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Auch Sondernormen des Militärstrafrechts rechtfertigen nicht
die Verurteilung des für die Vergatterung verantwortlichen
Offiziers als Täter des Totschlags. Der Vergatterer ist auch
nicht der Anstiftung, sondern mit Rücksicht auf seine eigene
strikte Befehlseinbindung lediglich der Beihilfe zum Totschlag
schuldig. Dies hat der Bundesgerichtshof erst jüngst - nach
dem angefochtenen Urteil - grundsätzlich entschieden (BGH NJW
2001, 3060, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt); hiervon
abzuweichen gibt auch die beachtliche Begründung des
Schwurgerichts im angefochtenen Urteil keinen Anlaß.
Im übrigen ist die Revision des Angeklagten
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Im Einklang mit der
allgemeinkundigen Befehlslage schloß die Vergatterung der
Grenzsoldaten mit der Aufforderung zu unbedingter Verhinderung von
"Grenzdurchbrüchen" - auch für den Fall nicht
ausdrücklicher Aufforderung zur "Vernichtung" eines anders
nicht aufzuhaltenden Flüchtlings - einen mit bedingtem
Tötungsvorsatz einhergehenden Schußwaffengebrauch
zur Fluchtverhinderung ein. Zu einem derartigen
Schußwaffeneinsatz mit tödlichem Ausgang durch die
mittels Vergatterung bestärkten Grenzsoldaten ist es hier
anschließend gekommen.
Der Schuldspruch ist demnach gemäß dem Antrag des
Generalbundesanwalts auf Beihilfe zum Totschlag abzuändern.
Gegen diesen Vorwurf hätte sich der Angeklagten nicht anders
wirkungsvoller verteidigen können. Der Strafausspruch ist -
ebenfalls dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend -
aufzuheben. Aufgrund des veränderten Strafrahmens
läßt sich eine noch mildere Bestrafung des
Angeklagten nicht sicher ausschliessen.
Anders als in der erwähnten Grundsatzentscheidung, bei der
ausnahmsweise in der milderen Bestrafung der als Täter
verantwortlichen Grenzsoldaten im selben erstinstanzlichen Urteil ein
hinreichend konkreter Anhalt für einen bestimmten
Strafabschlag zu finden war, sieht der Senat hier keine rechtlich
zulässige Möglichkeit zur Durchentscheidung. Die
Strafe ist von einem neuen Tatrichter auf der Basis des abgemilderten
Schuldspruchs und der insgesamt fehlerfreien Feststellungen des
angefochtenen Urteils, die keiner Aufhebung durch den Senat nach
§ 353 Abs. 2 StPO bedürfen und bei der erneuten
Verhandlung allenfalls durch weitere nicht widersprüchliche
Feststellungen ergänzbar sind, unter Wahrung des
Verschlechterungsverbots neu zu bemessen.
Basdorf Häger Gerhardt
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