BGH,
Beschl. v. 9.9.2008 - 4 StR 368/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 368/08
vom
9.9.2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Landfriedensbruchs
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 9.9.2008
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Vincent B. und Tobias N. wird das
Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 11. März
2008 - soweit es sie betrifft - mit den Feststellungen aufgeboben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten Vincent B. und Tobias N. sowie
Clemens P. und Janine K. des Landfriedensbruchs, den Angeklagten P.
zudem der versuchten Brandstiftung und Sachbeschädigung,
schuldig gesprochen und den Angeklagten B. unter Einbeziehung eines
früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilt,
deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die
anderen Angeklagten hat es verwarnt und gegen sie Auflagen nach dem
Jugendgerichtsgesetz verhängt. Gegen dieses Urteil richten
sich die Revisionen der Angeklagten B. und N. , die die Verletzung
formellen und materiellen Rechts (Angeklagter B. ) bzw. nur des
materiellen Rechts (Angeklagter N. ) beanstanden. Die Rechtsmittel
haben mit der Sachrüge Erfolg.
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I.
Am 24. März 2005 fand in W. auf der Festwiese an der M.
Straße eine Veranstaltung („Osterfeuer“)
statt. Als diese gegen 23.00 Uhr beendet werden sollte und die
Feuerwehr vorfuhr, um das Feuer zu löschen, bildeten die
Angeklagten und mindestens sechs weitere Personen eine Menschenkette
zwischen den Mitgliedern der Feuerwehr und den Feuerwehrfahrzeugen
sowie dem von diesen etwa 15 Meter entfernten Feuer. Nach Rufen, dass
das Feuer weiterbrennen und die Feuerwehr abrücken soll, wuchs
die Menschenkette auf ca. 20 Personen an und „einige
Mitglieder der Menschenkette [begannen] in bedrohlicher Art und Weise
Flaschen, Büchsen und andere Gegenstände in Richtung
der … Feuerwehrfahrzeuge und der Mitglieder“ der
Feuerwehr zu werfen; „ob die vier Angeklagten auch selber
Gegenstände geworfen haben, kann nicht mehr festgestellt
werden, sie haben sich jedoch bewusst an der Menschenkette beteiligt
… und dabei das Werfen von Gegenständen aus ihrer
Gruppe heraus wahrgenommen und gebilligt“ (UA 13). Um eine
weitere Eskalation zu vermeiden, rückte die Feuerwehr gegen
23.30 Uhr ab, ohne das Feuer gelöscht zu haben. Daraufhin
löste sich die Menschenkette auf.
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Die Angeklagten B. und K. begaben sich nunmehr zur N. -
straße, einer Seitenstraße der M. Straße,
wo sie nach 23.45 Uhr gemeinsam zwei Papiercontainer in Brand setzten.
Deswegen wurden sie gegen 00.20 Uhr zu einem Polizeirevier gebracht, wo
beim Angeklagten B. um 01.35 Uhr eine Blutentnahme
durchgeführt wurde. Anschließend kehrten beide zur
Festwiese zurück, wo sie gegen 02.00 Uhr eintrafen.
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Dort hatte der Angeklagte P. in der Zwischenzeit mit Hilfe weiterer
Personen zwei Dixi-Toiletten in Brand gesetzt. Als die Feuerwehr diesen
Brand
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löschte, „wurden aus der immer aggressiver werdenden
Menschenmenge heraus gezielt Flaschen in Richtung der
Feuerwehrfahrzeuge geworfen“ (UA 15), wobei ein Fahrzeug
getroffen und beschädigt wurde.
Nach dem Eintreffen der Angeklagten B. und K. an der Festwiese trugen
„mehrere Personen“ die teilweise verbrannten
Dixi-Toiletten auf die M. Straße, zogen mehrere
Papiercontainer dorthin und errichteten eine Barrikade.
Anschließend wurden die Dixi-Toiletten unter Mitwirkung der
Angeklagten K. und mehrerer unbekannt gebliebener Personen erneut in
Brand gesetzt, zudem zündete der frühere
Mitangeklagte M. einen CD-Rekorder und - kurze Zeit später -
eine unbekannte Person den Reifen eines auf der Festwiese stehenden
Bierausschankwagens an. Als die Feuerwehr und die Polizei eintrafen,
„flüchteten die vier Angeklagten mit zahlreichen
weiteren Beteiligten“ (UA 16).
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Anschließend trennte sich der Angeklagte P. von den
übrigen Angeklagten und verübte an anderen Orten die
Taten, die das Landgericht als versuchte Brandstiftung und
Sachbeschädigung abgeurteilt hat.
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II.
1. Die vom Verteidiger des Angeklagten B. erhobene
Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig.
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2. Die Revisionen haben jedoch mit der Sachrüge Erfolg. Die
vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der
Angeklagten B. und N. wegen Landfriedensbruchs nicht, da sie nicht
belegen, dass diese Angeklagten an Gewalttätigkeiten oder
Bedrohungen im Sinn des § 125 Abs. 1 Nrn 1, 2 StGB
„als Täter oder Teilnehmer beteiligt [waren] oder
auf die
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Menschenmenge eingewirkt [haben], um ihre Bereitschaft zu solchen
Handlungen zu fördern“.
a) Während die Strafbarkeit wegen Landfriedensbruch
früher an die Zugehörigkeit zu einer feindseligen
Menschenmenge anknüpfte, ist nach der Umgestaltung des
§ 125 StGB durch das Dritte Strafrechtsreformgesetz - soweit
hier von Bedeutung - nur strafbar, wer sich an den aus der
Menschenmenge begangenen Gewalttätigkeiten beteiligt;
Strafgrund ist diese Beteiligung und nicht mehr der bloße
Anschluss an die unfriedliche Menge (BGHSt 32, 165, 178). Nach dem
Willen des Gesetzgebers soll nicht derjenige, der sich nach
„Gewalttätigkeiten nicht veranlasst sieht, sich zu
entfernen“, sondern nur derjenige, der sich „aktiv
an Gewalttätigkeiten“ beteiligt, nach dieser
Vorschrift strafbar sein (BTDrucks. VI/139 S. 4, VI/502 S. 9; zur
Gesetzesgeschichte: LK-von Bubnoff StGB 11. Aufl. vor § 125
Rdn. 5 ff.).
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Deshalb genügt es für eine Beteiligung im Sinn des
§ 125 Abs. 1 StGB nicht, bloßer Teil der
„Menschenmenge“ gewesen zu sein, aus der heraus die
Gewalttätigkeiten begangen wurden. Ob sich jemand an diesen
„als Täter oder Teilnehmer beteiligt“ hat
und damit Täter des Landfriedensbruchs ist, bestimmt sich
vielmehr nach den allgemeinen Teilnahmegrundsätzen der
§§ 25 ff. StGB
(Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben StGB 27.
Aufl. § 125 Rdn. 14). Danach stellt jedoch das bloß
inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe
noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise
unterstützendes Verhalten dar (vgl. BGH NStZ 1984, 549; OLG
Naumburg NJW 2001, 2034; Fischer StGB 55. Aufl. § 125 Rdn. 13;
Schäfer in Münch-Komm StGB § 125 Rdn. 31;
LK-von Bubnoff aaO § 125 Rdn. 9, 12 f., 17 ff.;
Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben aaO
jeweils m.w.N.).
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b) Eine danach strafbare Beteiligung des Angeklagten N. an den
Gewalttätigkeiten hat das Landgericht nicht festgestellt,
sondern vielmehr ausgeführt, dass dieser „lediglich
am Anfang der Ausschreitungen bei der Menschenkette beteiligt [war].
Anschließend war er zwar weiterhin anwesend, beteiligte sich
jedoch bei den immer schwerwiegender werdenden Ausschreitungen nicht
mehr aktiv selber“ (UA 26). Auch bezüglich der
Anwesenheit in der Menschenkette vermochte das Landgericht - wie
ausgeführt - nicht festzustellen, „ob die vier
Angeklagten auch selber Gegenstände geworfen“ oder
dies bzw. sonstige Gewalttätigkeiten über das
bloße Wahrnehmen und Billigen hinaus unterstützt
haben (UA 13).
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c) Entsprechendes gilt bezüglich des Angeklagten B. . Er hat
zwar (zudem) gemeinsam mit der Angeklagten K. zwei Papiercontainer in
Brand gesetzt, jedoch wurde vom Landgericht insofern nicht
festgestellt, dass diese Sachbeschädigungen - wie nach
§ 125 Abs. 1 StGB erforderlich - „aus einer
Menschenmenge“ begangen wurden.
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3. Eine Erstreckung der Entscheidung auf die nicht Revision
führenden Angeklagten K. und P. ist nicht geboten, da die
sachlich-rechtlichen Erwägungen, die zur Aufhebung des Urteils
zu Gunsten der Revisionsführer geführt haben, bei
ihnen nicht zur gleichen Entscheidung gezwungen haben (vgl.
Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 357 Rdn. 14 m.w.N.).
Beide haben nämlich aus der „Menschenmenge
heraus“ selbst „weitere
Gewalttätigkeiten“ gegen
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Sachen begangen (Anzünden der Dixi-Toiletten), die das
Landgericht - über die Anwesenheit in der Menschenkette hinaus
- als tatbestandliches „Fortsetzen“ des
Landfriedensbruch bewertet hat (UA 24 f.).
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Mutzbauer |