BGH,
Urt. v. 1.6.2006 - 1 StR 32/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
1.6.2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
1.06.2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 27.09.2005 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit
der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen
Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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1. Der Angeklagte, der einen stark ausgeprägten Familiensinn
hat, unterhielt zu seinem um sechs Jahre älteren, von ihm sehr
geschätzten Bruder ein sehr enges Verhältnis. Beide
lebten zur Tatzeit in Berlin. Der Angeklagte wusste, dass sein Bruder
Kokain konsumiert. Er selbst konsumiert seit seinem 15. oder 16.
Lebensjahr sporadisch Marihuana und Haschisch. Der Bruder betrieb seit
September 2004 in München einen Handel mit Marihuana im
Kilobereich. Er beschaffte das Rauschgift in Berlin und ließ
es über Kuriere per Pkw nach München bringen. Er
selbst flog nach München, um das Marihuana persönlich
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an seine Abnehmer, wie u.a. an den Mitangeklagten A. ,
weiterzuverkaufen. Das Rauschgift wurde zwischenzeitlich u.a. bei dem
Mitangeklagten P. in München gelagert.
Etwa zwei Wochen vor dem 27. März 2005, dem Tag des
Drogentransportes im Fall II. 2. 7. der Urteilsgründe,
übergab der Bruder dem Mitangeklagten P. in München
insgesamt 2.952,61 g Marihuana, das zur gewinnbringenden
Weiterveräußerung durch ihn selbst bzw. durch den
Angeklagten bestimmt war.
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2. Am 24. März 2005 flog der Angeklagte nach München,
um auf Drängen seines Bruders, der sich derzeit in den USA
aufhielt, bei dessen Schuldnern für ihn Geld einzusammeln. Der
Angeklagte ging davon aus, dass es sich um Schulden aus
Musikgeschäften seines Bruders handele. Dieser hatte ihm als
Anreiz für sein Tun die Bezahlung des Fluges nach
München und eines Mietwagens in München zugesagt,
damit er dort und im Umland Freunde besuchen konnte. Auf Initiative des
Bruders trieb der Angeklagte zunächst von einem ihm
unbekannten Mann 20.000 € Schulden ein. (Insoweit wurde nach
§ 154 Abs. 2 StPO verfahren). Noch am selben Tag traf er sich
mit dem Mitangeklagten A. , von dem er 3.750 €
übernahm. Spätestens als A. ihn fragte, ob er ihm
auch Marihuana liefern könne, war dem Angeklagten klar, dass
die Schulden aus Drogengeschäften seines Bruders stammten.
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3. Dennoch vereinbarte er bei diesem Treffen auf Initiative seines
Bruders die Lieferung von 3 kg Marihuana zum Preis von 12.000
€ an A. . Am 27. März 2005 übernahm der
Angeklagte vom Mitangeklagten P. 2.952,61 g Marihuana mit einem
Wirkstoffgehalt von 364 g THC, welches etwa zwei Wochen vorher sein
Bruder übergeben hatte. Der Angeklagte hatte vor, das
Marihuana gewinnbringend zum Preis von 4.000 € pro Kilogramm an
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A. zu verkaufen. Zur beabsichtigten Übergabe an diesem Tage
kam es jedoch nicht mehr, weil der Angeklagte vor dem Anwesen A.
festgenommen und das Marihuana sichergestellt wurde. Außerdem
wurden bei dem Angeklagten 23.590 € vorgefunden und
beschlagnahmt.
4. Die Angaben des Angeklagten zu seiner Motivlage erachtet das
Landgericht als glaubhaft. Danach hatte sein Bruder ihm
erzählt, er habe aus der Wohnung der Großmutter
heimlich 32.000 € weggenommen. Diese könne er nur
zurücklegen, bevor die Großmutter aus Israel
heimkäme und alles merken würde, wenn der Angeklagte
in München seine Schulden eintreibe. Für die
Großmutter, die sehr an ihren Enkeln hänge,
wäre es ein großer Schock gewesen, festzustellen,
dass einer ihrer Enkel sie bestohlen hatte. Damit wurde er von seinem
Bruder bedrängt, nach München zu fliegen und
für ihn Geld einzutreiben. Es herrscht in der Familie eine
starke familiäre Verbundenheit.
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II.
Das Eintreiben und Aufbewahren des Geldes von A. bewertet das
Landgericht als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die gescheiterte
Lieferung von Marihuana an A. als täterschaftliches
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge (Fall II. 2. 7. der Urteilsgründe).
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Die Revision beanstandet u.a., dass der Angeklagte in letzterem Fall
wegen täterschaftlichen Handelns statt Beihilfe verurteilt
worden ist. Der Angeklagte habe nach den Feststellungen keine
umsatzbezogenen eigennützigen Vorteile erwartet. Nur dies
bedarf der Erörterung. Im Übrigen wird auf die
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift Bezug genommen.
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III.
Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen
täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 2. 7.
der Urteilsgründe.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung sind unter Handeltreiben alle
eigennützigen Bemühungen zu verstehen, die darauf
gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu
ermöglichen oder zu fördern (BGH NJW 2005, 3790).
Täter eines unerlaubten Handelreibens mit
Betäubungsmitteln kann daher nur sein, wer selbst
eigennützig handelt. Eigennützig ist eine
Tätigkeit nur, wenn das Handeln des Täters vom
Streben nach Gewinn geleitet wird oder wenn er sich irgendeinen anderen
persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell
oder immateriell besser gestellt wird (BGHSt 34, 124, 126).
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2. Das Landgericht hat nicht hinreichend klargestellt, wem der Gewinn
aus der Lieferung Marihuana an A. zufließen sollte.
Jedenfalls wollte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen das
Marihuana gewinnbringend an A. verkaufen (UA S. 14). Das
genügt für die Annahme von Eigennutz (so schon BGHSt
28, 308 zu einem gleich gelagerten Fall). Selbst wenn der Angeklagte im
ausschließlichen Interesse seines Bruders gehandelt haben
sollte und an diesen den gesamten Verkaufserlös
abführen wollte, um ihm auch hierdurch Mittel zum Vertuschen
des Diebstahls gegenüber der Großmutter zu
verschaffen, so ist dies für das eigennützige Handeln
des Angeklagten ohne Bedeutung. Es kommt nicht darauf an, aus welchem
Grund der Täter den Gewinn erzielen will. Auch wenn er ihn an
Dritte weitergeben will, fließt er ihm zunächst
selbst zu.
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3. Hinzu kommt eine immaterielle Besserstellung im Falle der
Weiterleitung des Gewinns an den Bruder. Die sehr starke
familiäre Verbundenheit des
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Angeklagten wird mehrfach im Urteil hervorgehoben. Da er einerseits das
Beschaffen von Geld für den sehr geschätzten, ihn
stark zu dem Drogengeschäft drängenden Bruder als
familiäre Pflicht ansah (UA S. 26) und andererseits der
Großmutter einen sehr großen Schock
bezüglich des Diebstahls seines Bruders ersparen wollte, liegt
hier jedenfalls auch eine immaterielle Besserstellung des Angeklagten
vor. Bei dem hohen Stellenwert, den der Angeklagte dem Familienfrieden
beimisst, sind besondere Umstände gegeben, die für
die Annahme von Eigennutz ausreichen (BGHR BtMG § 29 Abs. 1
Nr. 1 Handeltreiben 48).
4. Das Landgericht begründet die Eigennützigkeit auch
bei der beabsichtigten Drogenlieferung an A. mit der zugesagten
Kostenübernahme durch den Bruder für Flug und
Mietwagen, um im Münchener Raum Freunde besuchen zu
können. Nach den Feststellungen hatte der Bruder des
Angeklagten dem Geldeintreiben aus Drogengeschäften ein
weiteres Drogengeschäft, die Lieferung von Marihuana,
nachgeschoben. Ob er die Kostenübernahme von der
Ausführung auch dieses Geschäfts abhängig
machte, dazu verhält sich das Urteil nicht. Jedenfalls war das
Geldeintreiben bereits am 24. März 2005
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abgeschlossen. Durch das nachgeschobene Geschäft war ein
weiterer Aufenthalt in München erforderlich, der auch zu einer
längeren Nutzung des Mietwagens führen konnte, was
einen umsatzbezogenen eigennützigen Vorteil darstellt. Ob der
Angeklagte auch insoweit eigennützige Vorteile erwartete, kann
im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu III. 2. und 3.
dahinstehen.
Nack Schluckebier Kolz
Elf Graf |