BGH,
Urt. v. 1.9.2005 - 4 StR 331/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 331/05
vom
1.09.2005
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1.
September
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovi,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom
8.03.2005 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit
der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche
gerichtliche
Entscheidung über die Gesamtstrafe nach
§§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels
der Staatsanwaltschaft bleibt dem für das Nachverfahren
nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht
vorbehalten.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen
Angriffs auf
Kraftfahrer in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer
Erpressung unter
Einbeziehung von Einzelstrafen aus drei Vorverurteilungen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte
rügt mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung
sachlichen
Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die
Sachrüge gestützten
und wirksam auf die Anfechtung des Ausspruchs über die
Gesamtstrafe beschränkten
Revision die Verhängung einer höheren Gesamtstrafe
unter Einbeziehung
weiterer drei Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts
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ziehung weiterer drei Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des
Amtsgerichts
Norden vom 17. September 2003.
Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung des Ausspruchs
über die Gesamtfreiheitsstrafe;
die weiter gehende Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Die auf die Revision des Angeklagten gebotene
Überprüfung des
Schuldspruchs und der wegen der abgeurteilten Tat verhängten
Einzelfreiheitsstrafe
von sechs Jahren hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben. Entgegen der Auffassung der Revision weist
insbesondere auch die Beweiswürdigung keinen den Angeklagten
beschwerenden Rechtsfehler auf. Insoweit wird auf die zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift
vom 21. Juli
2005 verwiesen.
2. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hält
dagegen rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat die nachträglich durch Beschluss des
Amtsgerichts
Wildeshausen vom 29. November 2004 aus sämtlichen
Einzelstrafen aus den
Verurteilungen vom 17. September 2003, 9. Oktober 2003 und 13. November
2003 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten
aufgelöst.
In die unter Erhöhung der wegen der hier abgeurteilten Tat vom
25. Dezember
2002 verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren gebildete
Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren und sechs Monaten hat es jedoch neben den
Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg vom 9. Oktober
2003 (sechs Wochen und drei Monate Freiheitsstrafe) und aus dem Urteil
des
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Amtsgerichts Wildeshausen vom 13. November 2003 (vier Monate
Freiheitsstrafe)
nur die wegen einer Tat vom 27. September 2002 verhängte
Einzelfreiheitsstrafe
von drei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Norden vom
17. September 2003 einbezogen, nicht aber die durch jenes Urteil wegen
dreier
in der Zeit von März bis Mai 2003 begangener Taten
verhängten weiteren Einzelstrafen
(zweimal je zwei sowie einmal drei Monate Freiheitsstrafe).
Dies ist rechtsfehlerhaft. Zu Unrecht hat das Landgericht für
die nachträgliche
Gesamtstrafenbildung hinsichtlich der maßgeblichen
Zäsurwirkung
auf die Tatzeit der hier abgeurteilten Tat abgestellt anstatt, wie es
der klare
Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmt, auf den
Zeitpunkt der „früheren
Verurteilung“. Früheste Verurteilung in diesem Sinne
war hier bezüglich
sämtlicher bereits rechtskräftig abgeurteilter Taten
und der verfahrensgegenständlichen
Tat das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 17. September 2003
(vgl. BGHSt 33, 367; 35, 243; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl.
§ 55 Rn. 13
m.w.N.). Demgemäß hätten auch die beiden
Freiheitsstrafen von jeweils zwei
Monaten und die Freiheitsstrafe von drei Monaten aus dem Urteil vom 17.
September
2003 in die Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden müssen.
Da sich der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowohl
zum Nachteil
aber auch zum Vorteil des Angeklagten als rechtsfehlerhaft erweist, ist
er
auf beide Revisionen aufzuheben.
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach
§ 354
Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Die nachträgliche
Gesamtstrafenbildung
aus der nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafe von sechs Jahren
und sämtlichen
Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Norden vom 17. September
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2003, des Amtsgerichts Cloppenburg vom 9. Oktober 2003 und des
Amtsgerichts
Wildeshausen vom 13. November 2003 obliegt danach dem nach §
462
a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH NJW 2005, 1205).
Dieses wird
bei der Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe zu beachten haben, dass
wegen
des Verschlechterungsverbotes das nach § 55 Abs. 1 i.V.m.
§ 54 Abs. 1
Satz 2 StGB an sich zulässige Gesamtstrafmaß dahin
begrenzt ist, dass die
neue Gesamtstrafe nicht höher als die Summe der Einsatzstrafe
von sechs
Jahren und der früheren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr
und zwei Monaten
aus dem Beschluss des Amtsgerichts Wildeshausen vom 29. November
2004 ausfallen darf (vgl. BGHSt 15, 164, 166; BGH NJW 1997, 2335; BGH,
Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 4 StR 383/02).
4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Insoweit
war die Kostenentscheidung nicht dem Nachverfahren
gemäß §§ 460, 462
StPO vorzubehalten (vgl. dazu BGH NJW 2005, 1205), weil sicher abzusehen
ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung
insgesamt
angegriffen hat, nur einen geringfügigen Teilerfolg haben
kann, so dass der
Senat die Kostenentscheidung gemäß § 473
Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen
konnte (vgl. BGH NStZ 2005, 163). Anders verhält es sich
jedoch mit den Kosten
des (auch) zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft, die hiervon getrennt zu betrachten sind (vgl. BGHSt
19,
226), weil nicht im Voraus beurteilt werden kann, ob und in welchem
Umfang
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dieses auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe
beschränkte Rechtsmittel Erfolg
hat. Die Entscheidung über die Kosten dieses Rechtsmittels war
daher
dem Nachverfahren vorzubehalten (vgl. BGH NJW 2005, 1205).
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanovi Sost-Scheible |