BGH,
Urt. v. 10.4.2003 - 3 StR 420/02
3 StR 420/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
10. April 2003
in der Strafsache gegen
wegen sexueller Nötigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 10.
April 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach, von Lienen, Becker, Hubert als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Oldenburg vom 24. Juli 2002 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung
zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich
die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung materiellen
Rechts rügt und namentlich beanstandet, daß der
Angeklagte nicht wegen schwerer sexueller Nötigung nach
§ 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt wurde. Das Rechtsmittel hat
Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Geschädigte
in seinem Lkw als Anhalterin mitgenommen. Um sie zur Duldung sexueller
Handlungen zu zwingen, forderte er sie auf dem Parkplatz einer von ihm
belieferten Raststätte auf, sich auszuziehen und sich in die
Schlafkabine des Lkw zu begeben, ansonsten werde er ihr die Kehle
durchschneiden. Hierbei hielt er ihr einen
"Schraubenschlüssel" an den Hals, den die Geschädigte
als "spitzen Gegenstand" fühlte, ohne zu erkennen, um was es
sich genau handelte. Anschließend entkleidete er sie bis auf
die Unterwäsche und brachte sie in die Schlafkabine, wo er sie
mit einem Seil an den Armen fesselte, festband und am ganzen
Körper berührte. Bei einer späteren
Unterbrechung der Fahrt entkleidete er die Geschädigte dann
völlig, berührte sie an Brüsten und
Geschlechtsteil und versuchte, mit ihr den Geschlechtsverkehr zu
vollziehen. Hiervon ließ er aufgrund des Widerstands der
Geschädigten jedoch wieder ab. Schließlich gelang es
der Geschädigten zu fliehen.
Das Landgericht meint, eine Verurteilung des Angeklagten nach
§ 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB komme nicht in Betracht, weil der
Schraubenschlüssel offensichtlich zum Bordwerkzeug des Lkws
gehört habe und nicht davon auszugehen sei, daß ihn
der Angeklagte bei sich führte, um bei Bedarf den Widerstand
einer als Anhalterin mitgenommenen Frau durch Gewalt oder Drohung mit
Gewalt zu verhindern beziehungsweise zu überwinden.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit Recht. Der
Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB setzt
nicht voraus, daß der Täter das Werkzeug oder Mittel
schon von vornherein bei sich führt, um es bei der Tat zur
Verhinderung oder Überwindung des Widerstands des Opfers
einzusetzen. Vielmehr ist es ausreichend, daß der
Täter das Tatmittel zu irgendeinem Zeitpunkt der Tatbegehung
einsatzbereit bei sich hat, wofür es auch genügt,
wenn er es erst am Tatort ergreift (BGH NStZ 1999, 242, 243). Danach
hat der Angeklagte hier sowohl den Schraubenschlüssel als auch
das zur Fesselung des Opfers eingesetzte Seil im Sinne des §
177 Abs. 3 Nr. 2 StGB bei sich geführt, ohne daß es
darauf ankommt, zu welchen Zwecken diese Gegenstände sich
ursprünglich in dem Lkw befanden.
Darüber hinaus kann der Angeklagte aber durch den Einsatz des
"Schraubenschlüssels" auch den Qualifikationstatbestand des
§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwirklicht haben. Hierfür
ist es ohne Belang, ob der "Schraubenschlüssel" nach seiner
Beschaffenheit generell bestimmt und geeignet ist, erhebliche
Verletzungen zu verursachen. Denn im Rahmen des § 177 Abs. 4
Nr. 1 StGB genügt es, wenn er die Gefährlichkeit
durch die konkrete Art des Einsatzes gewinnt (vgl. BGHSt 46, 225, 228:
in die Scheide des Tatopfers eingeführte, scharfkantige
Metallfigur; BGH NStZ 2000, 419: als Schlagwerkzeug eingesetzter
Cowboystiefel; BGH NStZ-RR 2002, 108: in den Rücken des Opfers
gedrücktes rostiges Winkeleisen). Hierzu sind jedoch noch
weitere Feststellungen zu der Beschaffenheit des
"Schraubenschlüssels" erforderlich (gemeint Schraubendreher
oder tatsächlich Schraubenschlüssel, gegebenenfalls
welcher Art?). Allein die Tatsache, daß das Tatopfer das ihr
an den Hals gehaltene Instrument als "spitzen Gegenstand" empfand, ist
insoweit noch nicht hinreichend aussagekräftig. Die Sache
bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung.
Tolksdorf Miebach von Lienen Becker Hubert |