BGH,
Urt. v. 10.5.2000 - 3 StR 21/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 21/00
vom
10. Mai 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Mai
2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Kutzer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr.
Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach,
Winkler, von Lienen als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 28. September 1999 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit
mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts
bleibt ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte, der
sich besuchsweise in Jamaika aufhielt, mit einem Motorrad seines
Freundes F. einen Motorschaden hatte, den er später bezahlen
wollte. Am Tage vor dem Rückflug nach Deutschland bat F. ihn,
ihm einen Gefallen zu tun und auf seinem Rückflug etwas Kokain
nach Deutschland zu transportieren, das für
Großbritannien bestimmt sei. F. ging dabei davon aus,
daß der Angeklagte es ihm später nach
Großbritannien bringe. Das Kokain werde gut versteckt. F. bot
dem Angeklagten an, daß er den Motorschaden nicht zu bezahlen
brauche und außerdem noch etwas Geld in London bekomme, wenn
das Rauschgift verkauft sei. Eine bestimmte Summe nannte F. nicht. Auf
die Frage des Angeklagten, um wieviel Kokain es sich handele, teilte
ihm F.
mit, daß es nicht viel sei, lediglich eine Menge von zwei bis
drei Unzen, etwa 56 bis 85 Gramm. Der Angeklagte erklärte sich
im Hinblick auf die Entlohnung mit der Durchführung des
Rauschgifttransportes einverstanden. F. teilte weiter mit,
daß er das Kokain in drei Kosmetikflaschen des Angeklagten,
die jeweils ein Volumen von 300 bis 500 ml hatten, verstecken werde. Am
nächsten Morgen übergab F. dem Angeklagten eine
Plastiktüte, die unter anderem die drei gefüllten
Kosmetikflaschen enthielt. Der Angeklagte wußte,
daß darin nunmehr das Kokain versteckt war. Er bemerkte,
daß die Tüte, in der sich die Flaschen befanden,
sehr schwer war. Trotzdem schaute er sich die Flaschen weder genauer
an, noch fragte er bei F. nach, wieviel Kokain sich
tatsächlich darin befand, da er letztlich auch mit dem
Transport einer größeren Menge Kokain einverstanden
war. Kurz vor dem Abflug gab F. dem Angeklagten seine Telefonnummer in
Jamaika mit der Anweisung, ihn nach seiner Ankunft anzurufen. F. wollte
dem Angeklagten dann weitere Instruktionen für den
Weitertransport des Kokain nach London erteilen. Bei der Zollkontrolle
in Düsseldorf wurde das Kokain im Handgepäck des
Angeklagten entdeckt und sichergestellt. Insgesamt führte er
bei der Einreise 1.187 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 47 %
entsprechend einer Mindestmenge von 546 Gramm Kokainhydrochlorid mit
sich. Nach seiner Festnahme machte der Angeklagte gegenüber
den Ermittlungsbeamten umfangreiche Angaben zu seiner Kurierfahrt und
seinem Auftraggeber.
2. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dem Angeklagten sei zu Unrecht
die gesamte Kokainmenge zugerechnet worden. Sein Vorsatz habe sich nur
auf den Tansport von zwei bis drei Unzen Kokain bezogen, von denen F.
gesprochen habe.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte auch mit
dem Transport einer größeren Menge Kokain
einverstanden war, und diese Feststellungen rechtsfehlerfrei mit dem
umfassenden Geständnis des Angeklagten belegt. Zutreffend
weist der Generalbundesanwalt darauf hin, daß das
entgegenstehende, diese Feststellungen in Zweifel ziehende
tatsächliche Vorbringen der Revision auf die Sachrüge
hin unbeachtlich ist (vgl. BGHSt 35, 238, 241).
3. Der Auffassung des Generalbundesanwalts, der Angeklagte
hätte nach den getroffenen Feststellungen nicht wegen
täterschaftlichen Handeltreibens, sondern nur wegen Beihilfe
verurteilt werden dürfen, vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Frage, ob die Beteiligung an der Tat Mittäterschaft oder
Beihilfe ist, beurteilt sich auch bei dem unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln nach den allgemeinen Grundsätzen
über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Dabei
ist jedoch zu beachten, daß der Be-
griff des Handeltreibens wegen seiner weiten Auslegung jede
eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit
erfaßt, selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche,
einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt. Auch eine
eigennützige Förderung fremder
Umsatzgeschäfte kann den Begriff des Handeltreibens
erfüllen (BGHSt 34, 124, 125). Daher kann
grundsätzlich auch die Tätigkeit eines Kuriers, der
selbständig gegen Entlohnung Betäubungsmittel
transportiert, ohne selbst Käufer oder Verkäufer zu
sein, mittäterschaftliches Handeltreiben sein (st. Rspr., vgl.
BGHR § 29 l BtMG Handeltreiben 36; BGH StV 1998, 596), sofern
seine Rolle nicht nur ganz untergeordnet ist (BGH NStZ-RR 1999, 24).
Es ist Sache des Tatrichters, aufgrund einer wertenden Betrachtung
aller von der Vorstellung des Täters umfaßten
Umstände zu entscheiden, ob dieser als Mittäter oder
nur als Gehilfe an der Straftat beteiligt war (BGHR BtMG § 29
I Nr. 1 Handeltreiben 25). Wesentliche Anhaltspunkte für diese
Beurteilung können sein der Grad des eigenen Interesses am
Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder
wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß
Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom
Willen des Angeklagten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ
1999, 451, 452).
Die tatrichterliche Wertung, daß der Angeklagte zu den
Umsatzgeschäften mit dem von ihm transportierten Rauschgift
ein solches Näheverhältnis hatte, wird durch die
Feststellungen des angefochtenen Urteils hinreichend belegt. Zwar kann
im Einzelfall auch ein Täter der Einfuhr, der damit aus
eigennützigen Motiven fremde Umsatzgeschäfte
fördert, hinsichtlich des Handeltreibens nur Gehilfe sein,
dies setzt aber voraus, daß seine Rolle insoweit nur ganz
untergeordnet ist (vgl. BGHR BtMG § 29 I Nr. 1 Handeltreiben
25; BGH NStZ-RR 1999, 24). So liegt es hier indes nicht. Aus den
Tatbeiträgen des Angeklagten ergibt sich, daß sie
wesentliche Voraussetzung dafür waren, daß
- wie dem Angeklagten bewußt war - das Rauschgift
später in England gewinnbringend weiterverkauft werden konnte.
Er hat das Versteck des in den drei Kosmetikflaschen verborgenen
Rauschgiftes und Zeitpunkt und Art der Verbringung nach Deutschland
mitbestimmt. Er war frei in seiner Entscheidung, wann und wie er das
Kokain nach London weiterbefördern würde. Sein
Handeln wurde nach der Übergabe der Betäubungsmittel
an ihn vor dem Abflug in Jamaika nicht kontrolliert oder
überwacht; die einzige Anweisung an ihn bestand darin, sich
von Düsseldorf aus zu melden und Instruktionen für
den Weitertransport nach London entgegenzunehmen.
Unter diesen Umständen begegnet die - nur begrenzter
revisionsrechtlicher Kontrolle zugängliche (vgl. BGH NStZ-RR
1998, 25) - Bewertung der Strafkammer, daß
täterschaftliches Handeltreiben vorliegt, keinen Bedenken.
Nach den getroffenen Feststellungen stellt es hier auch keinen
Rechtsfehler dar, daß der Tatrichter die Abgrenzung zwischen
Täterschaft und Teilnahme nicht ausdrücklich
erörtert hat.
4. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher
Nachprüfung stand. Das Landgericht hat bei der
Prüfung eines minder schweren Falles berücksichtigt,
daß der Angeklagte ein umfassendes Geständnis
abgelegt und durch seine Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbeamten "die
Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgeklärt"
hat. Im Ergebnis hat es das Vorliegen eines minder schweren Falles
verneint, den Strafrahmen dann aber bei der Strafzumessung im engeren
Sinne gemäß § 31 Ziff. 1 BtMG i.V.m.
§ 49 Abs. 2 StGB gemildert.
Soweit die Revision beanstandet, § 31 BtMG hätte als
vertypter Strafmilderungsgrund schon im Rahmen des minder schweren
Falles geprüft werden müssen - was das Landgericht
nicht getan habe, deshalb sei nicht erkennbar, ob sich das Landgericht
der Wahlmöglichkeit zwischen Berücksichtigung des
§ 31 BtMG im Rahmen des minder schweren Falles oder der
Anwendung des § 49 Abs. 2 StGB bewußt gewesen sei -
dringt die Rüge nicht durch. Denn die vom Landgericht
gewählte Formulierung läßt erkennen,
daß der Tatrichter der Sache nach § 31 BtMG bereits
bei dem minder schweren Fall bedacht und auch berücksichtigt
hat, allerdings ohne deshalb allein oder im Zusammenhang mit anderen
Milderungsgründen einen minder schweren Fall zu bejahen.
5. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß
für den Fall, daß der Tatrichter den Angeklagten
wegen täterschaftlich unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge verurteilt hätte, zusätzlich
der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge hätte abgeurteilt werden müssen, da Besitzen
nur dann ein unselbständiger, im Handeltreiben aufgehender
Teilakt des Geschehens ist, wenn das Handeltreiben in
Täterschaft begangen wird (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 116; BGHR
BtMG § 29 I Nr. 3 Konkurrenzen 1; BGHR BtMG § 29 I
Nr. 1 Handeltreiben 36). Auch bei abweichender rechtlicher
Würdigung der Teilnahme am Handeltreiben wäre deshalb
der anzuwendende Strafrahmen unverändert.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Winkler von Lienen |