Darstellung der BGH-Rechtsprechung zum Strafrecht ::     
 LINKWEG ::: inhalt / entscheidungen
 
BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - 3 StR 425/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 10.5.2005 - 3 StR 425/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 425/04
vom
10.05.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24.03.2005 in der Sitzung am 10.05.2005, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
von Lienen,
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H.
- jeweils in der Verhandlung vom 24.03.2005 -,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
- 4 -
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten
gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom
12. Juni 2003 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten im Fall
II. 5. der Urteilsgründe wegen Ausspähens von Daten verurteilt
worden sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten
des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten
der Staatskasse zur Last;
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß
der Angeklagte N. unter Freisprechung im übrigen wegen
Ausspähens von Daten in fünf Fällen und wegen gewerbsmäßiger
Fälschung von Zahlungskarten in Tateinheit
mit Computerbetrug in drei Fällen verurteilt ist,
der Angeklagte H. unter Freisprechung im übrigen
wegen Ausspähens von Daten in vier Fällen und wegen gewerbsmäßiger
Fälschung von Zahlungskarten in Tateinheit
mit Computerbetrug in zwei Fällen verurteilt ist.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft
und die dadurch den Angeklagten entstandenen notwendigen
Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen
- 5 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen "Ausspähens von
Daten in sechs Fällen und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten
in drei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs
Monaten, den Angeklagten H. wegen "Ausspähens von Daten in fünf
Fällen und wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten in zwei Fällen"
zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt. Im übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen.
Mit ihrem Rechtsmittel erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung
der Angeklagten auch in allen Fällen, in denen Freispruch erfolgt ist. Außerdem
beanstandet sie, das Landgericht habe bei beiden Angeklagten die Voraussetzungen
des Täter-Opfer-Ausgleichs zu Unrecht angenommen. Die Strafzumessung
sei auch in weiteren Punkten rechtsfehlerhaft. Zudem hätte der
Pkw des Angeklagten N. eingezogen werden müssen.
Die Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts und wenden
sich insbesondere gegen die Annahme gewerbsmäßigen Handelns.
Die Rechtsmittel haben lediglich in geringfügigem Umfang Erfolg.
I.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
a) Die Angeklagten forschten an den Wochenenden 28./29. April,
7./8. Juli und 28./29. Juli 2001 sowie am 14. Juli 2001 an Geldautomaten der
Stadtsparkasse A. durch den Einsatz technischer Geräte die Datensätze
- 6 -
von an diesen Tagen benutzten EC-Karten sowie die dazugehörenden Identifizierungsnummern
(PIN) aus. Zu einer weiteren - angeklagten - Tat am 15. Juli
2001 kam es nicht. Anschließend übertrug der Angeklagte N. die Daten in
Excel-Tabellen in seinen PC (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
b) Später beschlossen die Angeklagten, die erlangten Daten zu verwerten.
Nach dem Erwerb von Kartenrohlingen übertrugen sie im Laufe eines
Nachmittags innerhalb von etwa drei Stunden die gespeicherten Daten auf die
Magnetstreifen von rund 200 Rohlingen und notierten jeweils die dazu gehörige
PIN. Zwischen dem 28. September und 1. Oktober 2001 hoben die Angeklagten
unter Einsatz der Kartendoubletten an verschiedenen Geldautomaten 324
Mal insgesamt Bargeld im Wert von über 261.000 € ab (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
c) Ohne Beteiligung des Angeklagten H. zeichnete der Angeklagte
N. mit inzwischen technisch verbesserten Geräten am 2. März 2002
weitere Datensätze auf und übertrug sie auf Blanko-Karten (Fall II. 3. der Urteilsgründe).
In der Zeit vom 6. bis 11. Juni 2002 hob er in 223 Einzelfällen insgesamt
109.000 € ab (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
d) Beide Angeklagte ermittelten am 10. und 11. Mai 2002 die Daten von
mindestens weiteren 186 Kunden bei einem Geldautomaten der Stadtsparkasse
D. und übertrugen sie auf Kartenrohlinge (Fall II. 5. der Urteilsgründe).
In der Zeit vom 19. bis 21. Juni 2002 hoben sie damit gemeinsam 92.000 €
ab (Fall II. 6. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat die Taten II. 1. (vier Fälle), 3. und 5. jeweils als
Ausspähen von Daten gemäß § 202 a StGB abgeurteilt. Es hat in den Fällen, in
denen die Angeklagten über Nacht die Geräte betriebsbereit gehalten hatten,
- 7 -
entgegen der Anklage jeweils nur eine Tat - und nicht noch eine weitere Tat für
den Folgetag - angenommen und die Angeklagten in den übrigen angeklagten
Fällen freigesprochen.
Es hat weiter in den Fällen II. 2., 4. und 6. die Geldabhebungen jeweils
als eine Bewertungseinheit zusammengefaßt. Wegen dieser Taten hat es die
Angeklagten der gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten gemäß
§ 152 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB aF schuldig gesprochen. Ausweislich der
rechtlichen Würdigung hat es diese Taten - insofern abweichend von der Urteilsformel
- als gewerbsmäßige Fälschung von Zahlungskarten in Tateinheit
mit Computerbetrug (§ 263 a Abs. 1 StGB) gewertet. In den darüber hinausgehenden
angeklagten Fällen hat es die Angeklagten freigesprochen.
II.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten war das
Verfahren im Fall II. 5. der Urteilsgründe mangels Strafantrags des Berechtigten
(§ 205 Abs. 1 StGB) einzustellen. Antragsberechtigt war die Stadtsparkasse
D. . Denn diese war als Verfügungsberechtigte über die Daten, die
auf von ihr ausgegebenen EC-Karten gespeichert waren, durch die Vorschrift
des § 202 a StGB geschützt. Daß mehrere Inhaber von EC-Karten einen Strafantrag
gestellt haben, ist ohne Belang. Der Inhaber einer EC-Karte ist nicht
Berechtigter an den in dem Magnetstreifen gespeicherten Programmdaten
(Graf in MünchKomm StGB § 202 a Rdn. 22; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl.
§ 202 a Rdn. 7).
Infolge der Einstellung waren die Schuldsprüche zu ändern. Die Aussprüche
über die Gesamtfreiheitsstrafen bleiben vom Wegfall der beiden Einzelstrafen
(sechs und fünf Monate) unberührt. Angesichts der weiteren Einzel-
8 -
strafen - fünfmal sechs Monate und dreimal ein Jahr neun Monate bei dem Angeklagten
N. und viermal fünf Monate und zweimal ein Jahr sechs Monate
bei dem Angeklagten H. - schließt der Senat aus, daß der Tatrichter auf
eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, wenn er bedacht hätte, daß
die Tat mangels Strafantrags nicht verfolgt werden durfte.
III.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Soweit die Staatsanwaltschaft beanstandet, daß die Angeklagten
nicht auch wegen 730 bzw. 508 Fällen der gewerbsmäßigen Fälschung von
Zahlungskarten in Tateinheit mit Computerbetrug verurteilt worden sind, ist die
Revision unbegründet. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß das
Herstellen zahlreicher EC-Doubletten nur eine Tat im Sinne des § 152 a
Abs. 1 StGB aF darstellt, wenn es jeweils in einem durchgehenden Arbeitsgang
in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt (vgl. Erb in
MünchKomm StGB § 152 a Rdn. 17). Da die EC-Doubletten in der Absicht hergestellt
wurden, sie später zu gebrauchen, werden das Nachmachen (als Vorbereitungsakt)
und das Gebrauchmachen (als Ausführungshandlung) zu einer
deliktischen Einheit verbunden (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 240; BGHSt 46, 48,
52; 146, 152). Zu dieser Tat steht der Computerbetrug in Tateinheit.
Allerdings hätte in diesen Fällen kein Freispruch erfolgen dürfen. Denn
ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, wenn ein erwiesener Sachverhalt
nur eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung als in der Anklage angenom-
9 -
men erfährt. In einem solchen Fall wird der gesamte Verfahrensgegenstand
durch die Verurteilung erschöpfend erledigt (Senat BGHR StPO § 260 Abs. 1
Teilfreispruch 14; Senat NStZ 2004, 109 m. w. N.).
2. Auch soweit es das Ausspähen von Daten anbelangt, hat das Landgericht
die sich über ein Wochenende erstreckenden Aufzeichnungsvorgänge
- abweichend von der Anklage - zu Recht jeweils lediglich als eine Tat gewertet
und den Angeklagten N. wegen sechs, den Angeklagten H. wegen
fünf Taten schuldig gesprochen. Die von der Anklage abweichende konkurrenzrechtliche
Bewertung führt auch hier zu keinem Teilfreispruch.
Anders liegt es bei dem als zwei Taten angeklagten Ausspähen am
14. und 15. Juli 2001. Da die Angeklagten das Aufnehmen der Daten am
14. Juli abbrechen mußten, als ihr Aufzeichnungsgerät nicht mehr funktionierte,
liegt ein Ausspähen am 15. Juli 2001 nicht mehr vor, so daß in diesem Fall das
Landgericht die Angeklagten zu Recht freigesprochen hat. Insofern ist ohne
Bedeutung, daß die Angeklagten auch an diesem Wochenende nur eine Ausspähungshandlung
vornehmen wollten und im Erfolgsfall bei zutreffender rechtlicher
Würdigung nur wegen einer Tat hätten verurteilt werden dürfen, ohne
daß ein Teilfreispruch in Betracht gekommen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO
47. Aufl. § 260 Rdn. 13).
3. Die Angriffe gegen die Strafzumessung haben keinen Erfolg.
Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet, daß das Landgericht
bei beiden Angeklagten die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs
angenommen hat, läßt das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
Daß die Strafkammer bei der Anwendung des § 46 a StGB wesentliche
- 10 -
Umstände zugunsten der Angeklagten falsch gewichtet oder übersehen haben
könnte, ist nicht zu besorgen.
Im Hinblick auf die weiteren beanstandeten Strafzumessungserwägungen
folgt der Senat den Ausführungen des Generalbundesanwalts.
4. Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft muß auch der Erfolg versagt
bleiben, soweit die unterlassene Einziehung des bei den Ausspähungsfahrten
benutzten Pkw des Angeklagten N. beanstandet wird. Die Strafkammer
hat das ihr gemäß § 74 Abs. 1 StGB eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
Der Einwand der Staatsanwaltschaft, die Einziehung erscheine nicht
unverhältnismäßig, erschöpft sich - wie der Generalbundesanwalt zu Recht
bemerkt - in dem unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Ermessensentscheidung
durch die eigene zu ersetzen.
IV.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionen der Angeklagten
hat in dem nach der Einstellung des Verfahrens im Fall II. 5. der Urteilsgründe
verbleibenden Umfang einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil nicht ergeben.
Auch die Annahme gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 152 a Abs. 3
StGB aF, § 263 a Abs. 2, § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Nachprüfung
stand. Die knappen rechtlichen Ausführungen zu der bei beiden Angeklagten
für jeden Fall festgestellten Absicht, solange Geld abzuheben, bis die Automaten
kein Geld mehr abgeben, belegen in Verbindung mit der Höhe des erzielten
- 11 -
Gewinns, der Dauer der jeweiligen Abhebungsserie und der Vielzahl der Abhebungen
hinreichend die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit.
Tolksdorf Miebach Pfister
von Lienen Hubert



:: freigabestatus allgemein    
             © 2010 - 2017 Peter Wiete • E-Mail:  info@wiete-strafrecht.de