BGH,
Urt. v. 11.2.2000 - 3 StR 308/99
AuslG 1990 § 92 a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1, § 92
Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, § 92 Abs. 1 Nr. 1, 6, § 58 Abs.
1 Nr. 1
Zur Strafbarkeit der Einschleusung von Ausländern, die zwar
ein Touristenvisum besitzen, aber zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das
Bundesgebiet einreisen.
BGH, Urt. vom 11. Februar 2000 - 3 StR 308/99 - LG Oldenburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 308/99
vom
11. Februar 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von
Ausländern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 26. Januar 2000 in der Sitzung am 11. Februar 2000, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Pfister, von Lienen als beisitzende
Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 26. Januar
2000 -, Rechtsanwältin - in der Sitzung am 11. Februar 2000 -
als Verteidiger des Angeklagten F. , Justizamtsinspektorin - in der
Verhandlung vom 26. Januar 2000 -, Justizangestellte - in der Sitzung
am 11. Februar 2000 - als Urkundsbeamtinnen der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesanwalts
gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2
StPO hinsichtlich der Fälle II. A. 1 - 3 des angefochtenen
Urteils eingestellt.
Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 21. Oktober 1998 dahin geändert, daß
die Angeklagten jeweils wegen einer einheitlichen Tat, nämlich
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von
Ausländern in 24 tateinheitlich zusammentreffenden
Fällen, Zuhälterei und Förderung der
Prostitution in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen
zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt werden.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Jeder Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlichen
gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
in 24 Fällen (II. B. 1 - 24), davon in acht Fällen
(II. B. 9, 11, 12, 15 - 19) in Tateinheit mit Zuhälterei und
Förderung der Prostitution, wegen gemeinschaftlichen
Einschleusens von Ausländern in zwei weiteren Fällen
(II. A. 1, 2) sowie wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zu einem Vergehen
nach § 92 Abs. 1 AuslG (Fall II. A. 3) zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von jeweils drei Jahren verurteilt.
Der Senat hat auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren
gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der
Taten II. A. 1 - 3 eingestellt.
Die Revisionen der Angeklagten haben in dem aus der Urteilsformel
ersichtlichen geringfügigen Umfang Erfolg; im übrigen
sind sie unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen holten die Angeklagten am 3. Dezember 1995 zwei
aus der Ukraine zum Zweck der Erwerbstätigkeit eingereiste
Frauen am Hauptbahnhof in B. ab und brachten sie in eine Bar, wo eine
der Frauen in den folgenden Monaten, die andere nur kurze Zeit als
Prostituierte tätig war. Die Angeklagten wußten,
daß die Frauen nur im Besitz eines Touristenvisums waren und
in Deutschland nicht erwerbstätig werden durften. Die Frauen
zahlten zumindest teilweise den von den Angeklagten verlangten Betrag
von 50 DM am Tag (A. 1 und 2). Ebenso verfuhren die Angeklagten mit
einer am
3. Februar 1996 eingereisten Frau, wobei sich nicht aufklären
ließ, ob sie von dieser Frau Geld erhielten (A. 3).
Die Angeklagten erkannten, daß mit der Vermittlung von
Ukrainerinnen an Barbetriebe regelmäßige
Einkünfte zu erzielen waren. Sie entschlossen sich deshalb
dazu, eine unbestimmte Anzahl von Frauen aus der Ukraine, die mit einem
Touristenvisum in das Bundesgebiet zum Zwecke der
Erwerbstätigkeit einreisten, der Prostitution in verschiedenen
Barbetrieben zuzuführen. Im Laufe der Zeit kamen sie in
Kontakt mit M. , die in S. in der Ukraine ein Reisebüro
betrieb. Diese warb dort Frauen mit der Aussicht auf Arbeit an und
besorgte ihnen gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge
Touristenvisa. Dabei handelte es sich um befristete
Aufenthaltsgenehmigungen mit dem Verbot der Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit. Die Zustimmung der für den
vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen
Ausländerbehörde, deren das Visum bedarf, wenn ein
Ausländer im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit
ausüben will, wurde in keinem Fall eingeholt (UA S. 16). Frau
M. gab den Frauen die Telefonnummer der Angeklagten A. , mit der sie in
telefonischem Kontakt stand, in D. an und kündigte dieser die
Ankunft der Frauen an. Die Vermittlung der Frauen in die Barbetriebe
war Aufgabe des Angeklagten F. . In den Fällen II. B. 1 - 4
holte er vier Frauen gemeinsam, im Fall II. B. 10 eine weitere Frau in
St. ab und verbrachte sie mit dem PKW ins Bundesgebiet. In den
übrigen Fällen holten die Angeklagten weitere
neunzehn Frauen - zum Teil mehrere Frauen zusammen - an vereinbarten
Treffpunkten im Inland ab. Sie brachten sechzehn der Frauen in
verschiedene fremde Barbetriebe. Bei ihrer Ankunft teilte die
Angeklagte A. den Frauen - wenn nicht schon bekannt - mit,
daß sie der Prostitution nachgehen sollten, erklärte
den Ablauf in den einzelnen Barbetrieben und legte gleichzeitig fest,
daß wöchentlich 300 DM an die Angeklagten zu zahlen
waren. Dieser Betrag wurde von den Frauen in der Regel auch bezahlt.
Die von den Frauen bezahlten Gelder, denen keine Kosten für
ihre Betreuung gegenüberstanden, stellten den wesentlichen
Teil der Einkünfte der Angeklagten dar.
In den Fällen II. B. 9, 11, 12, 15 - 19 brachten die
Angeklagten die
Frauen entweder gleich nach ihrer Ankunft oder im Verlaufe ihres
Aufenthalts in das von ihnen in Zusammenarbeit mit J. in der Zeit vom
1. September bis 16. Dezember 1997 betriebene Bordell
(barähnlicher Betrieb) in W. , wo sie der Prostitution
nachgehen mußten. Die Angeklagten legten neben der
Arbeitszeit - täglich außer sonntags von 14.00 Uhr
bis Mitternacht - auch die Preise für die einzelnen
Leistungen, die die Freier zu entrichten hatten, fest. Die Frauen
mußten vom Verdienst für den Geschlechtsverkehr 50 %
abgeben, zusätzlich pro Tag 10 DM für das Zimmer und
150 DM Kostenpauschale pro Woche. Frau J. überwachte den
Betrieb als Angestellte der Angeklagten. Die Frauen sollten das Haus
nur in Begleitung verlassen und mußten um Erlaubnis fragen,
wenn sie einkaufen gehen wollten.
II.
Die von der Angeklagten A. erhobene Verfahrensrüge greift aus
den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen nicht durch.
Die Sachrügen führen zu einer Änderung des
Schuldspruchs wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von
Ausländern nach § 92 a AuslG dahingehend,
daß er anstelle der bisherigen Bezugsnorm des § 92
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 AuslG auf die des § 92 Abs. 2 Nr. 2
AuslG gestützt wird und die Angeklagten nur wegen einer Tat zu
verurteilen sind.
1. Die Verurteilung wegen gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern gemäß
§ 92 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AuslG in den unter II. B. 1
- 24 festgestellten Fällen begegnet im Ergebnis keinen
Bedenken. Der Senat kann letztlich offen lassen, ob rechtswidrige
Haupttaten der Ukrainerinnen nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6
AuslG, an die die Kammer die Strafbarkeit der Angeklagten
geknüpft hat, vorliegen. Die Angeklagten haben
nämlich entweder den Ukrainerinnen oder der mit ihnen
zusammenarbeitenden Frau M. vorsätzlich zu deren
vorsätzlich und rechtswidrig begangenen Haupttaten
gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 AuslG
zumindest Hilfe geleistet, sich dafür einen
Vermögensvorteil versprechen lassen und auch erhalten, sowie
gewerbsmäßig gehandelt. Jedenfalls dies
trägt den Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern.
a) Der Senat neigt dazu, die vom Landgericht angenommene Strafbarkeit
der Ukrainerinnen nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 AuslG zu
verneinen. Nach diesen Vorschriften machen sich Ausländer
strafbar, die entgegen § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ohne die
erforderliche Aufenthaltsgenehmigung in das Bundesgebiet eingereist
sind und sich entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG ohne
Aufenthaltserlaubnis in diesem aufgehalten haben.
Eine Strafbarkeit nach den genannten Vorschriften wäre nur
dann gegeben, wenn man die vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht
entschiedene Frage bejaht, daß ein Ausländer, der -
wie die Ukrainerinnen - nicht vom Erfordernis der Einholung einer
Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums vor der Einreise befreit
ist (sog. Negativstaater), auch dann unerlaubt, also ohne "eine
erforderliche Aufenthaltsgenehmigung", nach Deutschland einreist, wenn
er zwar ein Touristenvisum hat, aber bereits im Zeitpunkt der Einreise
die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt und das Visum
folglich gemäß § 11 Abs. 1 DVAuslG der
Zustimmung der Ausländerbehörde bedurft
hätte (so die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und
die überwiegende Kommentarliteratur, vgl. OVG Hamburg EZAR 622
Nr. 12; Urt. vom 22. März 1993 - Bs VII 18/93; VGH Kassel
NVwZ-RR 1993, 213; InfAuslR 1993, 369; 1994, 349; 1996, 142 f; OVG
Münster InfAuslR 1991, 232; 1994, 138; Urt. vom 24. Februar
1998 - 18 B 177/97; OVG Schleswig InfAuslR 1992, 125; VGH Mannheim
InfAuslR 1993, 14; NVwZ 1993, 291; von der Weiden in GK-AuslR
§ 42 Rdn. 32; Funke-Kaiser in GK-AuslR § 58 Rdn. 4 -
6, 16 - 18 und § 69 Rdn. 26; Renner AuslR 7. Aufl. §
58 Rdn. 4, 5 und § 69 Rdn. 15, ders. NVwZ 1993, 729, 730 f;
Kloesel/Christ/Häußer § 58 Rdn. 5, 7,
§ 92 Rdn. 36). Zur Begründung dieser Auffassung wird
im wesentlichen auf den Wortlaut des § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG
und den Willen des Gesetzgebers abgestellt. Die Vorschrift verlange
schon nach ihrem Wortlaut "eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung",
d.h. nicht nur eine formell scheinbar
ordnungsgemäße, sondern die materiellrechtlich
erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (VGH Kassel InfAuslR 1994, 349,
350; 1996, 142; OVG Münster InfAuslR 1994, 138; OVG Hamburg,
Urt. vom 22. März 1993 - Bs VII 18/93). Diese
materiellrechtliche Betrachtungsweise entspreche der Intention der
Regelungen des Ausländergesetzes über die Einreise
von Ausländern. Dagegen vertritt der Bundesminister des Innern
die Auffassung (Rundschreiben vom 20. Mai 1996, InfAuslR 1996, 317),
daß ein Negativstaater nur dann unerlaubt einreist, wenn er
ohne jegliches Visum die Grenze überschreitet (so auch
Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern vom 16. Januar
1995 - II A 42 (0) - 23 d -; VG Düsseldorf InfAuslR 1993, 371;
Westphal in Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts,
§ 58 Rdn. 26 - 36; Stoppa in Huber, Handbuch des
Ausländer- und Asylrechts § 92 Rdn. 159 f; Heldmann,
Ausländergesetz, 2. Aufl. 1993 § 58 Rdn. 1; Hofmann
InfAuslR 1991, 351; Pfaff ZAR 1992, 117; Ott ZAR 1994, 76, 78;
Lüdke
InfAuslR 1996, 276; Westphal/Stoppa NJW 1999, 2137, 2140; Fraenkel,
Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, S. 45
zu § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Danach wären die
Ukrainerinnen ungeachtet des konkreten Aufenthaltszwecks erlaubt
eingereist und hätten sich auch erlaubt im Bundesgebiet
aufgehalten, weil sie im Besitz von Touristenvisa waren, so
daß eine Strafbarkeit nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.
6 AuslG entfiele.
Der Senat neigt der Ansicht des Bundesministeriums des Innern aus
folgenden Gründen zu:
aa) Der Wortlaut des § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG
läßt für beide Auslegungen Raum. Das Gesetz
verlangt nicht eine dem konkreten Aufenthaltszweck entsprechende
Aufenthaltsgenehmigung (vgl. Westphal aaO, § 58 Rdn. 29; vgl.
zur Gegenmeinung Funke-Kaiser aaO § 58 Rdn. 5), sondern nur
"eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung". Der Begriff "erforderlich"
kann auch dahin verstanden werden, daß der Ausländer
eine Aufenthaltserlaubnis benötigt, also nicht zu dem
Personenkreis gehört, der ohne Aufenthaltserlaubnis einreisen
darf (vgl. Nr. 58.1.1.3.1. des Entwurfs einer allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz - AuslG-VwV -,
BR-Drucks. 672/98, S. 352; Westphal/Stoppa NJW 1999, 2137, 2140). Aus
§ 3 AuslG ergibt sich, in welchen Fällen eine
Aufenthaltsgenehmigung erforderlich ist, was durch die gesetzliche
Überschrift "Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung"
hervorgehoben wird. Vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung sieht
die DVAuslG für bestimmte Gruppen von Ausländern -
wie z.B. für Positivstaater in § 1 DVAuslG -
Befreiungen vor.
bb) Den Gesetzesmaterialien läßt sich ein Wille des
Gesetzgebers, § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG im Sinne der
oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auszulegen, nicht mit
hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Die Begründung des
Entwurfs der Bundesregierung zum Ausländergesetz 1990 zu
§ 58 Abs. 1 AuslG (BT-Drucks. 11/6321, S. 76) spricht zwar von
materiell unerlaubter Einreise. Damit sollen aber nur die in §
58 Abs. 1 Nr. 1 - 3 AuslG abschließend definierten
Fälle der unerlaubten Einreise von der lediglich formell
unbefugten Einreise nach § 59 Abs. 1 AuslG, also formalen
Verstößen beim Grenzübertritt, abgegrenzt
werden (vgl. BT-Drucks. 11/6321 S. 76; Fraenkel aaO S. 24). Zu beachten
ist ferner, daß der für den Gesetzesentwurf
federführende Bundesminister des Innern eine am beabsichtigten
Aufenthaltszweck orientierte Auslegung ablehnt. Vielmehr vertritt er
weiterhin die Auffassung, daß eine unerlaubte Einreise nicht
vorliege, wenn der Ausländer mit einem Visum einreise, das
aufgrund seiner Angaben ohne die erforderliche Zustimmung der
Ausländerbehörde erteilt wurde, obwohl er bereits bei
der Einreise einen Aufenthaltszweck beabsichtige, für den er
ein Visum benötige, das nur mit Zustimmung der
Ausländerbehörde erteilt werden dürfe. Dies
ergibt sich eindeutig aus Nr. 58.1.1.3.2. des unter
Federführung des Bundesministers des Innern entstandenen
Entwurfs der AuslG-VwV (BR-Drucks. 672/98, S. 353), dem der Bundesrat,
soweit es um die hier zu beurteilende Frage geht,
gemäß Art. 84 Abs. 2 GG zugestimmt hat (vgl.
BR-Drucks. 350/99). Die AuslG-VwV wurden zwar noch nicht in Kraft
gesetzt, so daß die Ausländerbehörden der
Länder an die Auslegung noch nicht gebunden sind. Die
Zustimmung des Bundesrats zeigt jedoch, daß sich diese
Auslegung nicht nur bei den dem Bundesminister des Innern
nachgeordneten Behörden, insbes. den Grenzschutzstellen,
sondern auch bei den Ausländerbehörden der
Länder durchgesetzt hat (vgl. auch den Erlaß des
Hessischen Ministeriums des Innern vom 16. Januar 1995 - II A 42 (0) -
23 d).
cc) Die Auffassung des Bundesministers des Innern ist auch mit der
Systematik des Ausländergesetzes und anerkannten
verwaltungsrechtlichen Grundsätzen besser in Einklang zu
bringen als die der Oberverwaltungsgerichte.
Das Ausländergesetz differenziert zwischen der Einreise ohne
jegliches Visum und der Einreise mit einem Visum, das aufgrund der -
unwahren - Angaben des Ausländers ohne die im Hinblick auf den
wahren Aufenthaltszweck erforderliche Zustimmung der
zuständigen Ausländerbehörde erteilt wurde.
Dies zeigen unter anderem folgende Regelungen:
Die Aufenthaltsgenehmigung wird nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG
versagt, wenn der Ausländer ohne erforderliches Visum
eingereist ist. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG sieht eine Versagung
der Aufenthaltsgenehmigung vor, wenn der Ausländer mit einem
Visum eingereist ist, das aufgrund seiner Angaben ohne die
erforderliche Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt
worden ist. Nach der Auslegung der oberverwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung wäre § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG als
Versagungsgrund überflüssig, da diese Fälle
schon von § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erfaßt
würden.
Nach § 60 Abs. 1 AuslG muß ein Ausländer
zurückgewiesen werden, der unerlaubt einreisen will.
§ 60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG bestimmt, daß ein
Ausländer an der Grenze zurückgewiesen werden kann,
wenn der begründete Verdacht besteht, daß der
Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient. Die Ermessensvorschrift
des § 60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG wäre zwar nicht
überflüssig, wenn man in diesen Fällen
zugleich eine unerlaubte Einreise nach § 60 Abs. 1 AuslG
annähme (so aber Westphal aaO § 58 Rdn. 32; Pfaff ZAR
1992, 117, 118; Lüdke InfAuslR 1996, 276). Die zwingende
Zurückweisung nach § 60 Abs. 1 AuslG kommt
nämlich nur in Betracht, wenn das Fehlen der erforderlichen
Aufenthaltsgenehmigung offensichtlich ist, während §
60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG an einen deutlich geringeren Verdachtsgrad
anknüpft. Daß ein Negativstaater
tatsächlich keine Besuchsreise sondern die Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit oder einen Daueraufenthalt anstrebt, wird
sich bei einer Grenzkontrolle aber nur in seltenen
Ausnahmefällen mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen
lassen. Wegen dieser Erfahrung der grenzpolizeilichen Praxis wurde die
Zurückweisungsmöglichkeit nach § 60 Abs. 2
Nr. 2 AuslG in das Ausländergesetz eingefügt
(BT-Drucks. 11/6321 S. 77). Gegen die Auslegung durch die
oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung spricht deshalb,
daß § 60 Abs. 1 AuslG in solchen Fällen
ohnehin so gut wie nie anwendbar wäre, während mit
§ 60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine diese Fälle abdeckende
Sonderregelung existiert.
Die Zustimmung der zuständigen
Ausländerbehörde nach § 11 Abs. 1 DVAuslG,
bei deren Verweigerung die Auslandsvertretung das Visum nicht erteilen
darf, ist ein Verwaltungsinternum. Das Zustimmungserfordernis bestimmt
nicht den Inhalt des Touristenvisums. Es ist nicht geeignet, den
Begriff "erforderliche Aufenthaltsgenehmigung" zu modifizieren
(Westphal aaO § 58 Rdn. 34). Das Fehlen der Zustimmung macht
den die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet gestattenden
Verwaltungsakt nicht unwirksam, sondern nur rechtswidrig, wie sich aus
§ 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG des Bundes ergibt (Westphal aaO;
Renner aaO § 3 Rdn. 28; Funke-Kaiser aaO § 3 Rdn.
71). Der Umstand, daß über den wahren
Aufenthaltszweck getäuscht und damit unter Umgehung des
Zustimmungserfordernisses die Aufenthaltsgenehmigung erschlichen wurde,
macht die Aufenthaltsgenehmigung nicht unwirksam; sie kann lediglich
gemäß § 48 VwVfG des Bundes
zurückgenommen werden.
dd) Verneint man eine Strafbarkeit nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 und
Nr. 6 AuslG, treten auch keine Strafbarkeitslücken auf. Das
Erschleichen einer Aufenthaltsgenehmigung durch einen
Ausländer oder einen anderen für ihn durch unrichtige
Angaben über den wahren Aufenthaltszweck und das
Gebrauchmachen von einer solchen Urkunde wird durch die Strafvorschrift
des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfaßt und mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, also einer schärferen
Strafe als in § 92 Abs. 1 AuslG, der nur Freiheitsstrafe bis
zu einem Jahr vorsieht, bedroht. Da § 92 a AuslG die
Beteiligung an rechtswidrigen Haupttaten nach § 92 Abs. 2 Nr.
2 AuslG ebenso erfaßt wie an solchen nach § 92 Abs.
1 Nr. 1 und Nr. 6 AuslG, kann auch - wie der vorliegende Fall zeigt -
gegen die Schleuserkriminalität wirksam vorgegangen werden.
Ferner steht mit § 92 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eine weitere
Strafvorschrift zur Verfügung, wenn der Ausländer im
Inland einer vollziehbaren Auflage, die ihm die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit verbietet, zuwiderhandelt.
b) Die Entscheidung dieser Grundsatzfrage kann aber letztlich dem
hierzu in erster Linie berufenen Bundesverwaltungsgericht vorbehalten
bleiben.
Für die Strafbarkeit der Angeklagten nach § 92 a
AuslG kann der Senat nämlich auch an eine
vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat der Ukrainerinnen oder
der mit ihnen zusammenarbeitenden Frau M. nach § 92
Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 AuslG anknüpfen. Nach dieser Vorschrift
macht sich strafbar, wer unrichtige oder unvollständige
Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen
eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. Täter nach dieser
Vorschrift kann also nicht nur der Ausländer sein, der
unrichtige Angaben macht, um für sich eine
Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen, sondern auch derjenige, der
falsche Angaben macht, um für einen anderen eine
Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. Bei der Visaerteilung ist der
Tatbestand regelmäßig erfüllt, wenn
gegenüber der deutschen Auslandsvertretung als der nach
§ 63 Abs. 3 AuslG zuständigen Behörde eine
Touristenreise oder Besuchsabsicht vorgetäuscht, in
Wirklichkeit aber eine Erwerbstätigkeit angestrebt wird
(Stoppa aaO § 92 Rdn. 213).
aa) Nach den Feststellungen warb die in Kontakt zu den Angeklagten
stehende Frau M. in der Ukraine Frauen mit der Aussicht auf Arbeit an
und besorgte ihnen gegen die Zahlung erheblicher Geldbeträge
Touristenvisa. Es bleibt offen, ob die Ukrainerinnen die Angaben in den
Visaanträgen selbst gemacht haben oder ob Frau M. für
sie das gesamte Antragsverfahren, also das Ausfüllen und das
Unterzeichnen der Anträge übernommen hat. Dies
gefährdet den Bestand des Urteils nicht, da in beiden
Fällen eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat
vorliegt, zu der die Angeklagten zumindest Hilfe geleistet haben.
Die Ukrainerinnen oder Frau M. haben zumindest insoweit unrichtige
Angaben gemacht, als auf die entsprechende, vom Antragsteller zu
beantwortende Frage im Visumsantrag nicht der wahre Aufenthaltszweck
"Aufnahme einer Erwerbstätigkeit", sondern Besuchs- oder
touristische Zwecke angegeben wurden. Dies ist zwar nicht
ausdrücklich festgestellt, ergibt sich aber mit hinreichender
Deutlichkeit aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Danach wurden in allen Fällen Touristenvisa mit dem Verbot der
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erteilt. Die Zustimmung der
für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen
Ausländerbehörde, deren das Visum
gemäß § 11 Abs. 1 DVAuslG bedarf, wenn der
Ausländer im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit
ausüben will, wurde in keinem Falle eingeholt (UA S. 16). Bei
Angabe des wahren Aufenthaltszwecks wären die Visa - soweit
von vornherein die Absicht der Prostitutionsausübung bestand -
überhaupt nicht erteilt worden. In den anderen Fällen
der Absicht der Aufnahme der Erwerbstätigkeit hätte
die Auslandsvertretung - da ein Ausnahmefall des § 11 Abs. 2
DVAuslG offensichtlich nicht gegeben ist - vor Erteilung des Visums die
Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde
einholen müssen. Dies hätte zur Folge gehabt,
daß das Visum nicht bewilligt worden wäre.
bb) Die jeweilige Haupttäterin, gleichgültig ob es
Frau M. oder eine der ukrainischen Frauen war, hat auch in jedem der
abgeurteilten Fälle vorsätzlich und in der Absicht
gehandelt, sich oder einem anderen eine Aufenthaltsgenehmigung zu
beschaffen.
Dies liegt auf der Hand, wenn die jeweils das Visum begehrende
Ukrainerin oder Frau M. die unrichtigen Angaben gegenüber der
deutschen Auslandsvertretung selbst gemacht, also die
Visaanträge, in denen nach dem Aufenthaltszweck gefragt wird,
selbst ausgefüllt und unterzeichnet haben. Aber auch dann,
wenn die Ukrainerinnen von Frau M. ausgefüllte
Anträge unterschrieben haben, ohne diese durchzulesen, liegt
der Vorsatz auf der Hand, weil die Frauen die Touristenvisa - anstatt
sie kostengünstig selbst zu beantragen - von M. besorgen
ließen und hierfür erhebliche Geldbeträge
bezahlten.
c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 92a Abs. 1 und Abs.
2 Nr. 1 AuslG liegen vor:
aa) Die Angeklagten haben entweder den Ukrainerinnen oder aber Frau M.
vorsätzlich zu deren vorsätzlich begangenen
rechtswidrigen Haupttaten nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 AuslG
zumindest Hilfe geleistet. Als Beihilfehandlung i.S.d. § 27
StGB kommt jede denkbare Hilfeleistung in Betracht, sofern sie dazu
beiträgt, daß der Haupttäter unrichtige
Angaben macht, um für sich oder einen anderen eine
Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen (vgl. Senat NStZ 1999, 464, 465;
BGH NStZ 1990, 443; BayObLG NStZ 1999, 627; Nissen in GK-AuslR
§ 92 a Rdn. 5 AuslG; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche
Nebengesetze § 92 a Rdn. 4 AuslG; Stoppa aaO § 92 a
Rdn. 23; Hailbronner, Ausländerrecht § 92 a Rdn. 9 f
AuslG). Das Erschleichen der Touristenvisa durch Frau M. oder die
Frauen haben die Angeklagten - wie der Senat dem Gesamtzusammenhang der
Feststellungen entnimmt - dadurch unterstützt, daß
sie für die Frauen Unterkünfte und Arbeitsstellen
besorgt hatten und auch der Transport der Frauen in die verschiedenen
Barbetriebe durch die Angeklagten erfolgen sollte.
bb) Die Angeklagten haben - entgegen der Rechtsansicht der Revision -
einen Vermögensvorteil für ihre Hilfeleistungen
hinsichtlich des Erschleichens der Aufenthaltsgenehmigung, also
"dafür" im Sinne von § 92 a Abs. 1 Nr. 1 AuslG
erhalten. Deshalb kann offen bleiben, ob die Angeklagten auch
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern gehandelt
haben i.S.d. § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG.
Zwischen der Förderung des illegalen Verhaltens des
Ausländers und dem Erhalten oder Sichversprechenlassen des
Vermögensvorteils muß ein kausaler und finaler
Zusammenhang bestehen. Dabei reicht es aus, daß die
Einschleusung des Ausländers als Mittel zur Erlangung des
Vermögensvorteils dienen soll. Vom wem der Schleuser den
Vermögensvorteil erhalten soll oder erhält, ist
gleichgültig (BGHSt 36, 124, 128 f; Nissen aaO § 92 a
Rdn. 6, 7; Renner aaO § 92 a Rdn. 7; Hailbronner aaO
§ 92 a Rdn. 15, 16; Senge aaO § 92 a AuslG Rdn. 6;
Stoppa aaO § 92 a Rdn. 28, 29). Diese Voraussetzungen sind
hier erfüllt. Die der Einschleusung dienenden Tathandlungen
und das Erzielen von Vermögensvorteilen bildeten sowohl
wirtschaftlich als auch aus der Sicht der Angeklagten eine Einheit.
Durch die geschilderten Unterstützungshandlungen sollten die
Frauen in den Besitz eines Touristenvisums gelangen, das ihnen die
Einreise in das Bundesgebiet und die Prostitutionsausübung
während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet ermöglichen
sollte. Aus diesen Einnahmen mußten sie dann 300 DM
wöchentlich bzw. - soweit sie im eigenen Bordell der
Angeklagten beschäftigt waren - die Hälfte des
Entgelts aus der Prostitutionsausübung und 150 DM pro Woche an
die Angeklagten abführen.
cc) Die Angeklagten haben auch gewerbsmäßig
gemäß § 92 a Abs. 2 Nr. 1 AuslG gehandelt.
Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter
in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine
fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu
verschaffen. Liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste
der ins Auge gefaßten Tathandlungen als
gewerbsmäßig zu werten (BGHR AuslG § 92 b
Einschleusen 1; vgl. auch Senat, Urt. vom 23. Juni 1999 - 3 StR 169/99,
S.7). Nach den Feststellungen (UA S. 7 f.) haben sich die Angeklagten
zur Erzielung regelmäßiger Einkünfte dazu
entschlossen, eine unbestimmte Anzahl von Ukrainerinnen, die mit einem
Touristenvisum zum Zwecke der Erwerbstätigkeit in das
Bundesgebiet einreisten, der Prostitution in verschiedenen Barbetrieben
zuzuführen. Sie haben den erstrebten Vermögensvorteil
auch erhalten.
d) Das Landgericht hätte die Angeklagten aber nur wegen einer
Tat statt wegen 24 Taten des gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern verurteilen dürfen, da
die Fälle B. 1 - 24 zu einer Tat verknüpft werden.
Die Frage, ob das Verhalten eines Tatbeteiligten eine Einheit oder
Mehrheit von Handlungen bildet, richtet sich nicht nach der Haupttat,
sondern nach dem Tatbeitrag, den der Beteiligte geleistet hat. Beziehen
sich mehrere Hilfeleistungen auf eine Tat, liegt nur eine Beihilfe vor.
Fördert der Gehilfe durch eine Handlung mehrere Haupttaten
eines oder mehrerer Haupttäter, liegt ebenfalls nur eine
einheitliche Beihilfe vor (BGH NStZ 1999, 513, 514; BGH, Urt. vom 20.
August 1998 - 4 StR 328/98; BGH NStZ 1996, 203; Cramer in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 27 Rdn.
36; Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 54 f; Rissing-van Saan in
LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff Rdn. 58). Der Senat kann
nach den Feststellungen nicht ausschließen, daß die
Angeklagten die Haupttaten nur durch eine Handlung, nämlich
durch die Zusage an Frau M.
gefördert haben, den Ukrainerinnen Arbeit und Unterkunft zu
besorgen und für ihren Transport zu sorgen. Deshalb war
zugunsten der Angeklagten von einer Tat auszugehen. Der Senat hat den
Schuldspruch selbst geändert, da er ausschließt,
daß ein anderer Tatrichter neue oder zusätzliche
Feststellungen treffen kann, die zu einer anderen - den Angeklagten
nachteiligeren - rechtlichen Würdigung führen
würden.
e) Der Einwand der Revision, das deutsche Strafrecht sei nicht
anwendbar, weil die falschen Angaben bei der Visaantragstellung
gegenüber der deutschen Auslandsvertretung im Ausland gemacht
worden seien, sich die Geltung des deutschen Strafrechts also weder aus
§ 3 StGB noch aus den §§ 4 - 7 und 9 StGB
ergebe (vgl. Stoppa aaO Rdn. 214; Senge aaO Rdn. 36; Lutz InfAuslR
1997, 384, 388), greift nicht durch. Dieses Problem stellte sich
allenfalls für die Haupttaten der Ukrainerinnen oder von Frau
M. gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 AuslG.
Für die Angeklagten als Teilnehmer an diesen Haupttaten liegt
gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 StGB ein die
deutsche Gerichtsbarkeit nach § 3 StGB begründender
Tatort im Inland vor, da sie ihre Beihilfehandlungen, also das
Organisieren von Arbeitsstellen, Unterkünften und Transport
und die Zusage dieser Leistungen, im Inland erbrachten. Hat der
Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, gilt für
die Teilnahme gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB
sogar dann das deutsche Strafrecht, wenn die Tat nach dem Recht des
Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist (vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl.
§ 9 Rdn. 29 ff).
2. Es begegnet auch keinen Bedenken, daß die Kammer die
Angeklagten in den Fällen II. B. 9, 11, 12 und 15 - 19
tateinheitlich zum gewerbsmäßigen Einschleusen von
Ausländern wegen Zuhälterei gemäß
§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 und 2 StGB in Tateinheit mit
Förderung der Prostitution gemäß §
180 a Abs. 1 StGB verurteilt hat.
a) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen
Zuhälterei. Der Tatbestand der dirigierenden
Zuhälterei gemäß § 181 a Abs. 1
Nr. 2 StGB setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende
Einflußnahme auf die Prostitutionsausübung voraus;
eine bloße Unterstützung reicht nicht aus (BGHR StGB
§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2). Das Verhalten
muß geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit
vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu
beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer
Prostitutionsausübung anzuhalten oder in ihrer
Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen
(BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2; BGH NJW 1986,
596; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 181 a Rdn. 5; vgl.
auch BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 1). Unter
Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Angeklagten
um ihres Vermögensvorteils willen die Frauen bei der
Prostitutionsausübung überwacht und Ort (Bordell),
Zeit (werktäglich von 14.00 bis 0.00 Uhr) und andere
Umstände (Festsetzung der Preise, der abzuführenden
Quote, der weiteren Unkosten) bestimmt i.S.v. § 181 a Abs. 1
Nr. 2 Alt. 1 und 2 StGB. Diese von den Angeklagten festgesetzten
Bedingungen waren geeignet, die Frauen zu nachhaltigerer
Prostitutionsausübung anzuhalten (lange Anwesenheitspflicht,
über 50 % Abgaben). Auch der Umstand, daß die Frauen
nur in Begleitung das Haus verlassen sollten, beeinflußte
ihre Entscheidungsfreiheit erheblich, da ihr Aufenthalt im Betrieb auf
diese Weise sichergestellt war und das Kennenlernen von
Männern außerhalb des Milieus und damit die
Möglichkeit, sich aus der Prostitution zu lösen,
erheblich erschwert wurde. Die im Hinblick auf die
Prostitutionsausübung unterhaltenen Beziehungen gingen auch
über den Einzelfall hinaus, waren also auf eine gewisse Dauer
angelegt (vgl. Laufhütte aaO Rdn. 4).
b) Es gefährdet den Bestand des Urteils nicht, daß
die Kammer nicht dargelegt hat, auf welche Tatbestandsalternative des
§ 180 a Abs. 1 StGB sie die Verurteilung gestützt
hat. Erfüllt sind nämlich sowohl die Voraussetzungen
des § 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch die Voraussetzungen der
gegenüber dieser Tatbestandsalternative
zurücktretenden Vorschrift des § 180 a Abs. 1 Nr. 2
StGB (vgl. BGHR StGB § 180 a Abs. 1 Konkurrenzen 1). Die
Angeklagten haben gewerbsmäßig einen Betrieb
unterhalten, in dem Personen der Prostitution nachgingen. Das
Tatbestandsmerkmal "Betrieb" ist erfüllt, da sich aus dem
Gesamtzusammenhang der Feststellungen ergibt, daß die
Tätigkeit mindestens zweier Prostituierter organisatorisch
zusammengefaßt war (BGHR StGB § 180 a Abs. 1 Nr. 1
Abhängigkeit 1), also immer mindestens zwei der Ukrainerinnen
gleichzeitig in dem Bordell beschäftigt waren. Es liegt bei
einem Bordell bzw. einem barähnlichen Betrieb, der zudem von
einer fremden Kraft geleitet wird, auch auf der Hand, daß
mehrere Prostituierte gleichzeitig tätig waren. Die Frauen
wurden von den Angeklagten auch in persönlicher
Abhängigkeit gehalten, da die Angeklagten - wie bereits
dargelegt - Ort, Zeit und Entgelt für die Leistungen und die
abzuführende Quote bestimmt haben und die Ukrainerinnen nur in
Begleitung das Bordell verlassen durften und es ihnen dadurch erschwert
wurde, sich aus dem Betrieb zu lösen (vgl. Laufhütte
in LK 11. Aufl. § 180 a Rdn. 8, 9).
Die Angeklagten haben die Prostitutionsausübung auch
gemäß § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB durch
Maßnahmen gefördert, welche über das
bloße Gewähren von Wohnung, Unterkunft oder
Aufenthalt und die damit üblicherweise verbundenen
Nebenleistungen hinausgehen, indem sie für die Frauen deren
Arbeitszeiten und die von diesen zu fordernden Preise festgelegt haben.
3. In den Fällen II. B. 9, 11, 12, 15 - 19 stehen das
gewerbsmäßige Einschleusen von Ausländern,
die Zuhälterei und die Förderung der Prostitution in
Tateinheit zueinander.
Tateinheit wird nicht nur durch die zumindest teilweise
Identität der objektiven Ausführungshandlungen
begründet. Auch erst in der Beendigungsphase begangene weitere
Gesetzesverletzungen stehen zu der rechtlich bereits vollendeten Tat im
Verhältnis der Tateinheit, wenn sie mit Handlungen
zusammenfallen, die dazu dienen, die Deliktsbeendigung
herbeizuführen (BGH NStZ 1995, 588 f; Rissing-van Saan aaO
§ 52 Rdn. 19 f). In den Fällen II. B. 9, 11, 12, 15 -
19 dienten die die dirigierende Zuhälterei und die
Förderung der Prostitution erfüllenden
Ausführungshandlungen der Vollendung, zumindest aber - wenn
der Tatbestand des § 92 a Abs. 1 AuslG schon durch ein
wiederholtes Handeln oder ein Handeln zugunsten von mehreren
Ausländern vollendet war - der Beendigung des Einschleusens
von Ausländern, da die Angeklagten erst aufgrund der von ihnen
bestimmten und überwachten Ausübung der Pro-
stitution durch die Frauen in ihrem Bordell den
Vermögensvorteil i.S.d. § 92 a Abs. 1 Nr. 1 AuslG
erhielten. § 92 a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 AuslG verklammert
als schwereres Delikt die in den Fällen II. B. 9, 11, 12, 15 -
19 hierzu in Tateinheit stehenden minderschweren Straftaten nach
§ 180 a Abs. 1 und § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer
Tat.
4. Der Änderung des Schuldspruchs und dem Anknüpfen
der Strafbarkeit der Angeklagten an Haupttaten der Ukrainerinnen oder
von Frau M. gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1
AuslG steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen. Der Senat hat
auf den zuletzt genannten rechtlichen Gesichtspunkt in der
Revisionshauptverhandlung hingewiesen. Im übrigen
schließt er aus, daß sich die geständigen
Angeklagten anders als geschehen hätten verteidigen
können.
5. Die Änderung des Schuldspruchs hat zur Folge, daß
die festgesetzten Einzelstrafen entfallen. Der Senat
läßt in entsprechender Anwendung des § 354
Abs. 1 StPO die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils
drei Jahren als Einzelstrafen bestehen. Er schließt aus,
daß die Kammer bei zutreffender Bewertung des
Konkurrenzverhältnisses und Berücksichtigung des
Wegfalls der drei für die Taten II. A. 1 - 3 festgesetzten
Geldstrafen von zweimal 50 und einmal 30 Tagessätzen auf
niedrigere Gesamtstrafen erkannt hätte. Durch die
geänderte rechtliche Bewertung bleibt der Unrechts- und
Schuldgehalt der Taten II. B. 1 - 24 unverändert. Angesichts
der Summe der von der Kammer verhängten Einzelstrafen von 14
Jahren für die Taten II. B. 1 - 24 kommt dem Wegfall dreier
Geldstrafen für die Gesamtstrafenbildung nach der Gewichtung
der Taten durch die Kammer keine Bedeutung zu.
In der Änderung des Schuldspruchs liegt kein Teilerfolg der
Revision im kostenrechtlichen Sinne.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Pfister von Lienen |