BGH,
Urt. v. 11.2.2000 - 3 StR 377/99
StPO §§ 96 Satz 1, 261; MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d
1. Zu den Grenzen der Beweiswürdigung bei der Verwertung
anonymer Quellen.
2. Ein "in camera"-Verfahren, wie es nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - zu
§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig ist, kommt im
Bereich des Strafverfahrens zu § 96 Satz 1 StPO nicht in
Betracht.
BGH, Urt. vom 11. Februar 2000 - 3 StR 377/99 - Oberlandesgericht
Frankfurt am Main
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 377/99
vom
11. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum Angriff auf den Luftverkehr u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 9. Februar 2000 in der Sitzung am 11. Februar 2000, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Pfister, von
Lienen als beisitzende Richter, Bundesanwalt - in der Verhandlung vom
9. Februar 2000 -, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der
Sitzung am 11. Februar 2000 - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt - beide in der Verhandlung vom 9. Februar
2000 - als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 16. November 1998 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagte wegen tateinheitlicher
Beihilfe zum Angriff auf den Luftverkehr, zur Geiselnahme, zum
erpresserischen Menschenraub und zum versuchten Mord in zwei
Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
verurteilt.
I.
Nach den Feststellungen hatte sich die palästinensische
Widerstandsorganisation PFLP nach der Entführung des
Präsidenten des Arbeitgeberverbandes und des Bundesverbandes
der Deutschen Industrie, Dr. Hanns Martin Schleyer, am 5. September
1977 durch die terroristische Vereinigung "Rote Armee Fraktion (RAF)"
bereit erklärt, die Forderungen der RAF auf Freilassung von
zehn Gefangenen mit einem Lösegeld von je 100.000 DM durch
eine Flugzeugentführung zu unterstützen. Hierzu
wählte der in der PFLP für die Durchführung
solcher Terrorakte zuständige Ha. die PFLP-Mitglieder A. , H.
, Sh. und Sa. als Entführungskommando aus und entsandte sie -
aus Sicherheitsgründen getrennt und ohne Bewaffnung - nach
Palma de Mallorca. Mit dem Transport der für die
Flugzeugentführung benötigten Waffen und des
Sprengstoffes beauftragte Ha. die Angeklagte und den
PFLP-Angehörigen S. . Die Angeklagte, die zum
Symphatisantenkreis der RAF gehört hatte, hatte Ende 1975/
Anfang 1976 auf einem Ausbildungscamp der PFLP den Leiter dieses Camps,
He. , näher kennengelernt und lebte mit diesem -
später nach jemenitischem Recht verheiratet - unter dem Namen
"Amal" zusammen. Ende Januar 1976 wurde sie im Zusammenhang mit einem
von der PFLP geplanten Abschuß einer israelischen
Passagiermaschine beim Landeanflug auf den Flughafen Nairobi
festgenommen, jedoch alsbald wieder freigelassen. Aus der Verbindung
mit He. ist ihre am 17. Juli 1977 geborene Tochter Hanna hervorgegangen.
Die Angeklagte übernahm am 7. Oktober 1977 in Algier von der
PFLP zwei Pistolen mit gefüllten Magazinen, mindestens vier
Handgranaten und ein Kilogramm Plastiksprengstoff mit Zünder
und Zündschnur. Mit dieser Ausrüstung, in einem Radio
und in Bonbondosen im Handgepäck versteckt, flog sie in
Begleitung von S. und ihrer knapp drei Monate alten Tochter Hanna nach
Palma de Mallorca und übergab Waffen und Sprengstoff
absprachegemäß an einen Mittelsmann, der sie an das
Entführerkommando weiterleitete. Am Folgetag flog die
Angeklagte über Paris zurück.
Am 13. Oktober 1977 brachte das Kommando die Lufthansamaschine
"Landshut" auf dem Flug von Palma nach Frankfurt unter Androhung des
Einsatzes von Waffen und Sprengstoff in ihre Gewalt und erzwang einen
mehrtägigen, mit Zwischenlandungen auf verschiedenen
Flugplätzen verbundenen Flug, der am 17. Oktober 1977 in
Mogadischu endete. Während der Entführung waren
Besatzung und Passagiere schwersten physischen und psychischen
Belastungen ausgesetzt, wobei die Entführer eine
außergewöhnliche Brutalität an den Tag
legten. Der Flugkapitän Schumann war von dem Anführer
A. wegen angeblichen "Ungehorsams" vor den Augen der Passagiere
erschossen worden. Während der Entführung hatten die
PFLP und die RAF mit Schreiben u.a. an die Bundesregierung die
Freilassung von elf inhaftierten RAF-Mitgliedern und zwei in der
Türkei in Haft befindlichen Palästinensern neben
einem Lösegeld von 15 Millionen US-Dollar gefordert.
Am 18. Oktober 1977 stürmte eine Spezialeinheit des
Bundesgrenzschutzes (GSG 9) das Flugzeug und befreite die Passagiere
und den Rest der Besatzung. Bei der Erstürmung war von den
Entführern auf die Beamten Hü. und G. in
Tötungsabsicht geschossen worden, wobei der Schuß
auf Hü. sein Ziel verfehlte und den hinter ihm befindlichen
Beamten L. verletzte. Der Schuß auf G. wurde von dessen
Schutzweste aufgefangen. Durch einen Handgranatenwurf eines
Kommandomitglieds wurden zwei Passagiere verletzt. Von den
Entführern überlebte lediglich Sa. schwerverletzt das
Feuergefecht.
Die Angeklagte hat eine Beteiligung an dem Waffentransport bestritten
und erklärt, Aden zur fraglichen Zeit nicht verlassen zu
haben. Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung von der
Tatbeteiligung der Angeklagten im wesentlichen auf die Aussage des
Mitbeteiligten S. gestützt. Dieser sitzt in einem
Gefängnis in Beirut wegen Kollaboration mit Israel ein und
mußte dort durch libanesiche Polizeibeamte in Anwesenheit von
zwei Beamten des Bundeskriminalamtes, die ihn auch befragen durften,
vernommen werden, da die dortigen Behörden eine
Überstellung nach Deutschland abgelehnt hatten. Nach
anfänglichem Bestreiten hat er schließlich den
Transport und die Übergabe von Waffen und Sprengstoff wie
festgestellt geschildert. Dabei hat er unter anderem angegeben,
daß er einen iranischen Reisepaß unter dem Namen
"Kamal Servati" mit einem Lichtbild von ihm benutzt habe, den er von
Ha. erhalten hatte. Sie seien zu dritt, mit "Amal" und ihrem Kind, von
Algier mit Air Algerie nach Palma geflogen und dort in einem Hotel in
zwei nebeneinanderliegenden Zimmern untergebracht worden. Die
überbrachte Ausrüstung sei in Bonbondosen und in
einem Radiogerät versteckt gewesen. Am nächsten Tag
seien sie über Paris nach Bagdad zurückgereist. Die
von ihm dabei abgegebene Darstellung des Ablaufs entsprach nicht dem
damaligen Erkenntnisstand der deutschen Ermittlungsbehörden,
hat sich jedoch später als zutreffend erwiesen. Das
Oberlandesgericht hat während der Hauptverhandlung den Zeugen
zusätzlich im Wege der Rechtshilfe durch ein libanesisches
Gericht vernehmen lassen, wobei nach libanesischem Recht der
Angeklagten, ihren Verteidigern und dem Generalbundesanwalt eine
Teilnahme nicht ermöglicht werden konnte. Nach der Bewertung
des Oberlandesgerichts hat
S. hierbei im wesentlichen seine Aussage bestätigt,
Abweichungen in einzelnen Punkten seien auf fehlende Vorhalte
zurückzuführen.
Das Tatgericht hat die polizeiliche Aussage des Zeugen S. zwar mit
erheblicher Vorsicht und Zurückhaltung bewertet, da er weder
vor Gericht erscheinen, noch von den Verfahrensbeteiligten befragt
werden konnte, sie jedoch gleichwohl für glaubhaft erachtet,
weil dieser sich durch die Aussage selbst belastet habe, die
Entstehungsgeschichte für ihre Glaubwürdigkeit
spreche und der Inhalt der Aussage schließlich durch eine
Vielzahl anderer Beweismittel bestätigt werde. Dabei hat das
Oberlandesgericht insbesondere folgendes berücksichtigt:
- Der Zeuge P. , Leitender Regierungsdirektor beim Bundesamt
für Verfassungsschutz, hat von einer Quelle über eine
Kontaktperson, die Reisebewegungen der terroristischen Szene im
Mittelmeerraum feststellen konnte, Informationen und schriftliche
Unterlagen erhalten, die die Angaben von S. über die Anreise
der drei Personen von Algier nach Palma bestätigen. Der Zeuge
konnte bei einer Überprüfung die Unterlagen als
"absolut zuverlässig und beweiskräftig" einstufen.
Aus ihnen ergibt sich, daß die Frau unter dem Namen "Cornelia
Christina Trubendorffer", das Kleinkind unter dem Namen "Nicole,
geboren am 17. Juli 1977" (dem tatsächlichen Geburtsdatum des
Kindes Hanna der Angeklagten) und der Mann unter dem Namen "Kamal
Sarvati" gereist ist.
- Der Zeuge Ge. , Leitender Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt
a.D., hat von einer als zuverlässig eingestuften Quelle die
Information erhalten, eine Frau mit dem Namen "Amal" sei mit einem
PFLP-Angehörigen und einem etwa drei Monate alten Kleinkind
mit Waffen und Sprengstoff von Algier nach Palma geflogen. Die Quelle
habe die Nummern und Herkunft der verwendeten Reisepässe
benennen können, so daß bei einer
Überprüfung festgestellt werden konnte, daß
der auf Cornelia Vermaesen, geb. Trubendorffer ausgestellte
Paß dieser im Januar 1977 in Amsterdam gestohlen worden war
und der auf "Kamal Servati" ausgestellte iranische Paß eine
Totalfälschung mit den gleichen Fälschungsmerkmalen
wie die gefälschten iranischen Pässe des
vierköpfigen Entführerkommandos gewesen ist. Die
Quelle habe an Hand von Lichtbildern die Angeklagte sicher als "Amal"
identifiziert, die den Transport von Waffen und Sprengstoff
durchgeführt habe.
- Aus den Passagierlisten der Air Algerie ergibt sich, daß
auf dem Flug vom 7. Oktober 1977, Abflug 18.45 Uhr, von Algier nach
Palma zwei Passagiere unter den Namen "Cornelia Vermaesen, Alemana" und
"Sarvre Kamal, Irani" verzeichnet waren.
- Aus den Hotelrechnungen des Hotels Java in Palma ergibt sich,
daß am
Abend des 7. Oktober 1977 dort eine Frau "Vermaesen" und ein "Kamal" in
zwei getrennten, aber nebeneinanderliegenden Zimmern eingebucht und
nach Bezahlung einer gemeinsamen Rechnung am nächsten Morgen
wieder abgereist sind.
- Der Direktor dieses Hotels bekundete, einem seiner Angestellten sei
aufgefallen, daß "ein Mann mit arabischem Namen in Begleitung
einer europäischen Frau und eines Kleinkindes" im Hotel
übernachtet hätten.
- Aus den Fluglisten der Iberia für den 8. Oktober 1977 ergibt
sich, daß für einen Flug von Palma über
Paris nach Belgrad die Namen "Kamalsar. + inf" und "Truhudor."
verzeichnet waren. Hierbei sind die Namen - wie bei dieser Gesellschaft
üblich - abgekürzt worden und das Kleinkind nur durch
den Zusatz "+inf" gekennzeichnet gewesen. Aus den verzeichneten
Ticketnummern ergebe sich, daß diese zusammen bestellt und
gekauft worden seien.
- Das als Waffenversteck benutzte Radiogerät wurde an Bord der
"Landshut" nach der Erstürmung sichergestellt.
Das Oberlandesgericht hat diese Beweislage für die Bildung
seiner Überzeugung von der Tatbeteiligung der Angeklagten
bereits als ausreichend erachtet und ausgeführt, daß
dieses Ergebnis zusätzlich durch die insoweit glaubhaften
Angaben des Zeugen B. bestätigt werde. Dieser war damals
Mitglied der RAF und hatte am 25. September 1977 im Auftrag der RAF
nach der Entführung Schleyers zusammen mit M. in
Bagdad Kontakt mit der PFLP aufgenommen, um eine sichere
Aufenthaltsmöglichkeit nach Beendigung der Entführung
zu erkunden. Bei dieser Gelegenheit, bei der auch der
Entschluß zur Entführung der Landshut durch die PFLP
gefaßt worden war, hat der Zeuge nach seinem Bekunden die ihm
bekannte Angeklagte in einem Haus in Bagdad zufällig
getroffen, wobei er den Eindruck hatte, ihr sei das Zusammentreffen
unangenehm, da sie ihn weder angesprochen, noch
gegrüßt hatte, sondern sogleich verschwunden ist.
Der Aufenthalt der Angeklagten in Bagdad in einem Haus der PFLP gerade
zu dem Zeitpunkt, in dem die Entführung der Landshut
beschlossen und vorbereitet worden war, belegt nach der Auffassung des
Oberlandesgerichts nicht nur, daß ihre Einlassung, damals nur
in Aden gewesen zu sein, nicht richtig ist, sondern gibt zudem einen
Hinweis darauf, daß auch ihr Besuch bei der PFLP in Bagdad
der Durchführung der Entführungsaktion diente (UA S.
161).
II.
Die Beschwerdeführerin beanstandet mit ihrer auf die
Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen
gestützten Revision, daß insgesamt von einem
ordnungsgemäß, nach den Regeln der
Strafprozeßordnung durchgeführten Verfahren nicht
gesprochen werden könne, dieses vielmehr "fremdgesteuert"
gewesen sei.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet; insbesondere halten auch
Beweisaufnahme und Beweiswürdigung einer rechtlichen
Nachprüfung stand. Hinsichtlich der einzelnen
Verfahrensrügen nimmt der Senat auf die eingehenden und
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 11. Oktober 1999 Bezug. Der näheren
Begründung bedarf nur folgendes:
1. Die Rüge, die Verwertung der Aussagen der Zeugen P.
(Bundesamt für Verfassungsschutz) und Ge. (Bundeskriminalamt)
verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 und 3 Buchst. d MRK, weil die
Befragung der Quellen nicht möglich gewesen sei, ist
unbegründet. Soweit diese Zeugen über eigene
Überprüfungsergebnisse und die Beurteilung
übergebener Unterlagen Angaben gemacht haben, kommt ein
solcher Verstoß ohnehin nicht in Betracht. Aber auch die
Einführung der von den nicht aufgedeckten Quellen stammenden
Informationen verstößt unter den hier gegebenen
Umständen weder gegen die Strafprozeßordnung noch
gegen Art. 6 Abs. 1 und 3 Buchst. d MRK.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen
Angaben von Gewährspersonen, deren Identität dem
Gericht nicht bekannt ist, regelmäßig nur Grundlage
einer Verurteilung werden, wenn sie zum einen einer besonders
kritischen Prüfung unterzogen und zudem durch andere
Beweisanzeichen bestätigt werden (vgl. BGHSt 42, 15, 25
m.w.Nachw.; BVerfG NStZ 1995, 600). Diesen Anforderungen
genügt die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts,
das mehrfach zu erkennen gegeben hat, daß es diese Angaben
nur mit großer Vorsicht bewertet und ihnen nur einen
begrenzten Beweiswert zumißt. Letztlich hat es die
Informationen nur als Bestätigung zur Abrundung des durch die
Aussage des Zeugen S. und sonstige Beweismittel gefundenen
Beweisergebnisses herangezogen und insbesondere
berücksichtigt, daß die Angaben der Quellen von im
Umgang mit solchen Gewährspersonen erfahrenen Beamten einer
sorgfältigen Überprüfung an Hand
mitgeteilter und dann bestätigter Details, z.T. sogar an Hand
übergebener beweiskräftiger schriftlicher Unterlagen,
unterzogen werden konnten.
b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), insbesondere der von
der Revision zitierten Entscheidung vom 23. April 1997 i.S. van
Mechelen (StV 1997, 617; vgl. hierzu Renzikowski JZ 1999, 605 ff.). Bei
dieser Entscheidung hat der EGMR wesentlich darauf abgestellt,
daß dort die Identifizierung des Angeklagten van Mechelen als
Täter allein durch die Angaben anonym gebliebener
Polizeibeamter erfolgt ist. Der EGMR hat dazu ausgeführt,
daß Polizeibeamte nur unter
außergewöhnlichen Umständen als anonyme
Zeugen in Betracht kommen, da sie in besonderer Gehorsamspflicht
gegenüber der staatlichen Exekutive stehen und es von Natur
aus zu ihren Pflichten gehört, Zeugnis in
öffentlicher Sitzung abzugeben. Demgemäß
hat der EGMR die Entscheidung i.S. van Mechelen gegenüber der
i.S. Doorson insofern abgegrenzt, als dort "zwei Zivilzeugen" gute
Gründe für ihre Anonymität hatten und im
übrigen sich die Täterschaft aus weiteren
Beweismitteln ergeben hatte. Davon unterscheidet sich das vorliegende
Verfahren wesentlich. Bei den anonym gebliebenen Quellen handelt es
sich, wie sich aus den Sperrerklärungen und dem Zusammenhang
der Urteilsgründe ergibt, ersichtlich um im Ausland
operierende Personen, die mit deutschen Behörden auf dem
Gebiet der Bekämpfung des internationalen Terrorismus
zusammenarbeiten. Daß für solche Personen und
gegebenenfalls auch ihre Familien eine besondere Gefährdung
durch Racheakte gefährlicher Terrororganisationen, aber auch
im Falle einer Enttarnung von "dritter Seite" (UA S. 86) besteht, womit
offensichtlich ernste Sanktionen ihrer Aufenthaltsstaaten wegen der
Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden gemeint
sind, liegt auf der Hand, zumal in solchen Fällen ein
ausreichender Schutz durch deutsche Behörden kaum
möglich ist. Im übrigen wurden die von den Quellen
herrührenden Informationen nicht als "maßgebliche"
Urteilsgrundlage, sondern, wie oben ausgeführt, nur zur
Abrundung des sonstigen Beweisergebnisses bestätigend
herangezogen.
Der EGMR hat in dieser Entscheidung in Erinnerung gerufen,
daß sich die Verwertung der Beweise vorrangig nach
innerstaatlichem Recht richtet und nur zu überprüfen
ist, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit in billiger Weise
durchgeführt worden ist. Die Verwendung anonymer Aussagen ist
nicht unter allen Umständen mit der Konvention unvereinbar, da
auch Zeugen und deren Familien Anspruch auf Schutz durch die Konvention
hätten und im übrigen das Interesse der
Behörden, künftige Einsätze der
Gewährspersonen nicht zunichte zu machen, als legitim
anerkannt werden müßte.
Durch die vorsichtige Bewertung und Heranziehung der anonymen Angaben
nur zur Abrundung und Bestätigung des sonst gewonnenen
Beweisergebnisses ist auch die Behinderung der Verteidigung durch die
fehlende Möglichkeit einer Befragung kompensiert. Zwar ist
dabei zu berücksichtigen, daß die Verteidigung auf
Grund der Weigerung der libanesischen Behörden nach der
dortigen Rechtslage auch bei den Vernehmungen des Zeugen S. nicht
anwesend sein und ihn befragen konnte, doch wird dies durch die
Fülle und Beweiskraft der übrigen - oben
dargestellten - Beweisanzeichen, die die Richtigkeit seiner Aussage
bestätigen, ausgeglichen.
c) Eine Verfahrensrüge dahin, das Oberlandesgericht
hätte sich mit dem Inhalt der für diese Quellen
erteilten Sperrerklärungen gemäß §
96 StPO nicht zufrieden geben dürfen und weitere
Maßnahmen ergreifen müssen, ist nicht erhoben. Den
Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß es die
Sperrerklärungen nicht nur auf das Vorliegen von
Willkür und offenkundiger Fehlerhaftigkeit kontrolliert hat,
sondern bei der Prüfung der substantiierten
Begründungen zum Ergebnis gelangt ist, diese seien
nachvollziehbar, überzeugend und einleuchtend (UA S. 87, 100).
Auf die von Renzikowski bei der Besprechung der genannten Entscheidung
des EGMR i.S. van Mechelen aufgeworfene Frage, ob die bisherige
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Sperrerklärungen
vom Tatrichter nur in einer Plausibilitätskontrolle darauf zu
überprüfen sind, ob sie nicht willkürlich
oder offenkundig fehlerhaft sind (BGHSt 29, 109, 112; 33, 178, 180; 36,
159, 163), nicht mehr aufrechterhalten werden könne
(Renzikowski JZ 1999, 605, 612), kommt es hier daher nicht an. Im
übrigen würde es auch nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Verfahrensfehler
darstellen, wenn sich ein Tatgericht - wie offensichtlich i.S. van
Mechelen - nicht ausreichend um die Aufklärung und
substantiierte Darlegung der Sicherheitsbedenken bemühen und
eine unzureichende Sperrerklärung einfach hinnehmen
würde (vgl. BGHSt 29, 109, 113).
d) Auch aus einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
ergeben sich keine Bedenken gegen die Behandlung der
Sperrerklärungen durch das Oberlandesgericht; insbesondere war
es nicht verpflichtet, die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur
Prüfung der Vereinbarkeit des § 96 StPO mit Art. 19
Abs. 4 GG vorzulegen.
Nach dem zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergangenen
Beschluß vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90
(http://www.bverfg.de) ist § 99 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung
mit Abs. 2 Satz 1 VwGO mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar, soweit er die
Aktenvorlage auch in denjenigen Fällen ausschließt,
in denen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes von der
Kenntnis der Verwaltungsvorgänge abhängt. Die
Entscheidung ist zu einem Fall ergangen, in dem einem
Beschwerdeführer die Weiterbeschäftigung in einem
sicherheitsempfindlichen Bereich mit der Begründung untersagt
worden war, das zuständige Landesverfassungsschutzamt sei bei
der Sicherheitsüberprüfung zum Ergebnis gekommen,
daß Bedenken gegen die Ermächtigung zum Umgang mit
Verschlußsachen bestünden. Im
verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren hat das
zuständige Innenministerium die Herausgabe der Unterlagen
für die Sicherheitsüberprüfung nach
§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert; dies war vom
Verwaltungsgerichtshof in einer Beschwerdeentscheidung als
gesetzmäßig festgestellt worden. Das
Bundesverfassungsgericht ist demgegenüber zum Ergebnis
gekommen, daß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine effektive
gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der
gerichtlichen Entscheidung behindert und insoweit mit Art. 19 Abs. 4 GG
unvereinbar ist, zumal in einem solchen Falle, in denen die
geheimgehaltenen Erkenntnisse alleinige Entscheidungsgrundlage sind,
das Rechtschutzdefizit nicht im Rahmen der Beweiswürdigung
ausgeglichen werden könne, indem etwa die übrigen
Erkenntnisse verwertet und die auf einer geheimgehaltenen
Tatsachengrundlage beruhenden nur mit minderem Beweiswert
berücksichtigt werden.
Obgleich § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO in seinem Wortlaut §
96 StPO weitgehend entspricht, hat diese Entscheidung keine
unmittelbaren Auswirkungen auf das Strafverfahrensrecht.
Eine Übertragbarkeit kommt schon deswegen nicht in Betracht,
weil das BVerfG in dem entschiedenen Fall maßgeblich darauf
abgestellt hat, daß die geheimgehaltene Tatsachengrundlage
alleinige Entscheidungsgrundlage des Gerichts hätte sein
sollen, während nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
- wie oben dargelegt - in Strafverfahren die Angaben anonymer
Gewährspersonen niemals alleinige Verurteilungsgrundlage sein
dürfen, sondern durch andere Beweise bestätigt sein
müssen. Im übrigen besteht ein wesentlicher
Unterschied auch darin, daß dort das Landesamt für
Verfassungsschutz lediglich das - eher rechtlich wertende - Ergebnis
der Überprüfung mitgeteilt hat, daß
Bedenken gegen eine Ermächtigung bestünden, ohne die
dieser Beurteilung zugrundeliegenden Tatsachen konkret zu benennen,
während in Strafverfahren regelmäßig von
den Quellen detaillierte Tatsachen (wie hier Flugweg, Fluggesellschaft,
geführter Tarnname, Art und Herkunft des Reisepasses
u.ä.) mitgeteilt werden. Damit hatte dort weder das Gericht
eine Möglichkeit zur Überprüfung der
Tatsachengrundlage, noch konnte der Betroffene einen Gegenbeweis
antreten, während hier die Angaben der Quellen im einzelnen
überprüft und bestätigt werden konnten und
damit auch die Möglichkeit einer zielgerichteten Verteidigung
eröffnet haben.
Im übrigen stehen auch die unterschiedlichen
Verfahrensgrundsätze von Straf- und
Vewaltungsgerichtsverfahren einer Übertragung entgegen, worauf
das Bundesverfassungsgericht selbst hingewiesen hat. Es hat dazu
ausgeführt, daß eine Überlassung der
geheimhaltungsbedürftigen Akten nur an das auf Geheimhaltung
verpflichtete Gericht, ohne daß der Betroffene Akteneinsicht
erhalte (sog. "in camera"-Verfahren), wohl in einem
verwaltungsgerichtlichen, nicht aber in einem strafprozessualen
Verfahren möglich erscheine. Während sich im
Strafverfahren Geheimhaltungsinteressen der Exekutive nach dem
Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des Angeklagten auswirkten und ein
"in camera"-Vorgehen den Rechtsschutz des Angeklagten verschlechtern
würden, wirke sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in
dem der Grundsatz in dubio pro reo nicht gelte, Geheimhaltung
regelmäßig zum Nachteil für den
Rechtsschutzsuchenden aus.
Der Senat teilt die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, die
ihrerseits auf eine Stellungnahme des Vorsitzenden des 4. Strafsenats
verweist, wonach sich die Sperrung von Beweismitteln im Strafverfahren
nicht nachteilig für einen Angeklagten auswirken darf. Zwar
beeinträchtigt die Geheimhaltung eines Beweismittels
zwangsläufig die Möglichkeiten der Verteidigung,
durch den Antritt von Gegenbeweisen die Glaubwürdigkeit der
anonymen Gewährsperson und die Unglaubhaftigkeit ihrer Angaben
zu beweisen, doch kann und muß diese
Beeinträchtigung durch das Erfordernis einer besonders
kritischen Prüfung der anonymen Angaben und ihres begrenzten
Beweiswertes, wonach sie nicht alleinige Urteilsgrundlage sein
dürfen, sondern durch andere aussagekräftige
Beweismittel eine Bestätigung erfahren müssen,
ausgeglichen werden.
2. Die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt haben es
zu Recht als fehlerhaft angesehen, daß der Zeuge B. vereidigt
worden ist, ohne daß sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll
oder aus den Urteilsgründen eine Prüfung der Frage
ergibt, ob nach § 60 Nr. 2 StPO von einer Vereidigung
abzusehen ist, weil die Feststellungen dem Tatrichter Anhaltspunkte
für eine Beteiligung B. s an der Tat, zu der die Angeklagte
nach den Urteilsgründen Beihilfe geleistet hat, gegeben haben.
Indes kann der Senat unter den hier gegebenen besonderen
Umständen ausschließen, daß das Urteil auf
diesem Rechtsfehler beruht. Für die Frage, ob das Urteil auf
einer fehlerhaften Vereidigung beruhen kann, ist entscheidend, ob ein
unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften durchgeführtes
Verfahren zu demselben Ergebnis geführt haben würde
(RGSt 61, 353 f.; BGH, Beschl. vom 29. April 1980 - 1 StR 818/79). Zwar
wird sich im Regelfall nicht ausschließen lassen,
daß der Tatrichter einem vereidigten Zeugen der Vereidigung
wegen eine größere Glaubwürdigkeit
beigemessen hat (BGHSt 4, 130, 131), doch können die
Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung
rechtfertigen. Hier hat der Generalbundesanwalt zu Recht darauf
hingewiesen, daß das Oberlandesgericht, obgleich es die
Aussage des Zeugen in einer außerordentlich umfangreichen
Beweiswürdigung (UA S. 146 bis 161) auf ihre
Glaubwürdigkeit untersucht hat, an keiner Stelle auf die
Vereidigung des Zeugen abgestellt hat. Das Tatgericht hat ferner zu
erkennen gegeben, daß es sich der problematischen
Persönlichkeit des Zeugen und deren Auswirkungen auf seine
Glaubhaftigkeit durchaus bewußt war, und
schließlich auf Grund einer Fülle von Sachargumenten
dargelegt, warum es gleichwohl dem Zeugen insbesondere hinsichtlich
seiner Aussage über das Zusammentreffen mit der Angeklagten in
Bagdad geglaubt hat. Es hat dabei auch bedacht, daß der Zeuge
an sich bestrebt war, die Angeklagte, die mit der RAF, der er selbst
angehörte, sympathisiert hatte, nach Möglichkeit
nicht zu belasten, sobald sich für ihn ergab, daß
eine Frage des Gerichts belastende Umstände betraf. Unter
diesen besonderen Umständen kann der Senat
ausschließen, daß weder das Aussageverhalten des
Zeugen, noch die Überzeugung des Tatgerichts von der
Glaubhaftigkeit seiner Angaben in den der Verurteilung zugrundegelegten
Punkten von dem geleisteten Eid beeinflußt gewesen sein
könnte und daß es ohne diese Vereidigung zu einem
anderen Ergebnis gelangt wäre. Entsprechendes gilt auch
für die Bekundungen des Zeugen zur RAF, zu der
Entführung Schleyers sowie zur PFLP und deren Gewinnung
für die Entführung eines Passagierflugzeugs.
3. Das Oberlandesgericht hat bei der rechtlichen Würdigung zur
Frage, ob sich die Angeklagte die Herbeiführung der Todesfolge
bei den Tatbeständen des Angriffs auf den Luftverkehr, der
Geiselnahme und des erpresserischen Menschenraubs zurechnen lassen
müsse, lediglich ausgeführt, daß der
Angeklagten als Gehilfin zumindest Fahrlässigkeit anzulasten
sei. Hat jedoch bei einer Tat einer von mehreren Tatbeteiligten den
qualifizierenden Erfolg herbeigeführt, so können die
übrigen Tatbeteiligten - also auch der Gehilfe - nur dann
wegen des erfolgsqualifizierten Delikts verurteilt werden, wenn auch
ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit
vorzuwerfen ist (BGHR StGB § 251 Todesfolge 4). Daß
dies das Oberlandesgericht nicht
ausdrücklich dargelegt hat, gefährdet indes hier das
Urteil nicht, da eine gesteigerte Fahrlässigkeit im Sinne
einer Leichtfertigkeit auf der Hand liegt, wenn ein Täter
einem gewaltbereiten Entführungskommando einer derart
gefährlichen Terrororganisation wie der PFLP Waffen und
Sprengstoff für die Entführung eines
Passagierflugzeuges überbringt.
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen |