BGH,
Urt. v. 11.2.2010 - 4 StR 433/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 433/09
vom
11. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.
Februar 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der
Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Arnsberg vom 20. Januar 2009 mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum
Kreditbetrug in Tateinheit mit Bankrott sowie vom Vorwurf der
verspäteten Insolvenzantragstellung freigesprochen. Hiergegen
wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung
formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
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Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat schon mit
der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeschwerde
der Staatsanwaltschaft nicht ankommt.
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I.
1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten als Beihilfe zum
Kreditbetrug in Tateinheit mit Bankrott zur Last gelegt, an der
Verdeckung der tatsächlichen
Vermögensverhältnisse der B.
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GmbH B. (im folgenden: BIV B. ), deren
Geschäftsführer er im Tatzeitpunkt war, durch
Mitunterzeichnung eines Vertrages vom 24. Mai 2000 über den
fingierten Verkauf von Aktien der P. AG von der BIV B. an die Si.
Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH zum Preis von 5,6 Mio. DM
mitgewirkt zu haben. Das fiktive Aktiengeschäft sei im
testierten Jahresabschluss der BIV B. für das
Geschäftsjahr 1999 und damit auch in der Konzernbilanz der S.
-Gruppe, die verschiedenen Kreditinstituten im Zusammenhang mit der
Gewährung bzw. Verlängerung von Firmenkrediten im
Zeitraum von Juni bis Oktober 2000 vorgelegt worden seien, enthalten
gewesen. Durch eine weitere Straftat habe sich der Angeklagte der
Insolvenzverschleppung schuldig gemacht, indem er trotz der bereits im
Mai 2000 bestehenden tatsächlichen Überschuldung der
BIV B. erst am 28. März 2001 Insolvenzantrag gestellt habe.
2. Die Strafkammer hat den Angeklagten hinsichtlich des Vorwurfs der
Beihilfe zum Kreditbetrug aus tatsächlichen Gründen
freigesprochen. Im Hinblick auf die vorgeworfenen Insolvenzdelikte hat
sie das Tatbestandsmerkmal der Überschuldung verneint und
zudem in Bezug auf den Straftatbestand des Bankrotts ein Aufstellen der
Bilanz im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB als von
dem Angeklagten nicht verwirklicht erachtet.
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II.
Das Urteil hat schon deshalb keinen Bestand, weil es nicht den
Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nach § 267 Abs. 5
Satz 1 StPO genügt. Bei einem Freispruch aus
tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter
zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen
Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält,
bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen
Gründen
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die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht
getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1980, 2423;
NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4, 10;
Senat, Urt. vom 20. März 2008 - 4 StR 5/08). Diese gebotene,
in sich geschlossene Darstellung der festgestellten Tatsachen
enthält das angefochtene Urteil - wie der Generalbundesanwalt
bereits in seiner Antragsschrift vom 28. September 2009
ausgeführt hat - nicht.
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum
Kreditbetrug freigesprochen hat, kann dem Urteil schon nicht entnommen
werden, in welchen konkreten Umständen die
Wirtschaftsstrafkammer überhaupt die Haupttat sieht, zu der
der Angeklagte Hilfe geleistet haben soll. Mit Blick auf die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 265 b StGB fehlen
insbesondere Feststellungen dazu, wann und von wem gegenüber
welchen Banken für welche Kredite unrichtige oder
unvollständige Bilanzen und/oder sonstige für die
Kreditgewährung bzw. -belassung bedeutsame Unterlagen des
Konzerns vorgelegt worden sind. Ebenso hätte es wegen der dem
Angeklagten angelasteten Beteiligung an dem Kreditbetrug der
Feststellung bedurft, ob Gegenstand der Kreditverhandlungen mit den
Banken auch Bilanzen und Unterlagen der BIV B. waren, deren
Geschäftsführer der Angeklagte war.
Schließlich bleibt auch offen, welche konkrete
Unterstützungshandlung des Angeklagten gegenüber dem
Haupttäter in Betracht kommt. Das Landgericht konnte die
fehlenden Feststellungen auch nicht dadurch ersetzen, dass es in
großem Umfang (UA 18 bis 43) Teile aus den schriftlichen
Gründen des Urteils gegen den gesondert verfolgten
Bö. , der zur Tatzeit Wirtschaftsprüfer der BIV B.
war, in das angefochtene Urteil übernahm.
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Schließlich liegt ein durchgreifender Mangel des Urteils auch
darin, dass es jegliche Feststellungen zur Person des Angeklagten
vermissen lässt. Na-
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mentlich zu seinem beruflichen Werdegang und seiner sonstigen
Qualifikation waren Feststellungen geboten, um beurteilen zu
können, ob die Kammer zu Recht angenommen hat, dass der
Angeklagte dem bestimmenden Einfluss des Wirtschaftsprüfers
Bö. unterlag. Das gilt unbeschadet dessen, dass aus der
beruflichen Qualifikation und Stellung des Angeklagten allein noch
nicht ohne weiteres auf die Wahrnehmung seiner ihm obliegenden Aufgaben
geschlossen werden darf (vgl. BGH, Beschl. vom 9. November 2009 - 5 StR
136/09).
Im Übrigen hat die Strafkammer den angeklagten Sachverhalt nur
unvollständig gewürdigt, weil sie den Begriff der von
der gegen den Angeklagten erhobenen Anklage erfassten Tat im Sinne des
§ 264 StPO verkannt hat.
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Nach der Anklage wird die Beihilfehandlung des Angeklagten darin
gesehen, dass er an der Verdeckung der tatsächlichen
Vermögensverhältnisse innerhalb der S. -Gruppe, die
durch das fingierte Aktiengeschäft bewirkt wurde, mitgewirkt
habe. Da es zulässig ist, zur Konkretisierung des
Anklagesatzes auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen
zurückzugreifen (BGH, Urt. vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09
Rdn. 95; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 4),
werden aber vorliegend von der Anklage auch die zur Verschleierung der
tatsächlichen Vermögensverhältnisse
notwendigen Nachbuchungen erfasst. Entgegen der Auffassung des
Landgerichts schließt dies die vom Angeklagten am 2. November
2000 veranlasste Einbuchung des fingierten Aktiengeschäfts ein.
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Eine strafbare Beihilfe durch die im November 2000 erfolgten Buchungen
würde auch nicht scheitern, wenn diese erst nach Vorlage des
Jahresabschlusses bei möglichen Kreditgebern erfolgt
wären. Denn Beihilfe ist nach der ständigen
Rechtsprechung auch noch nach Vollendung der Haupttat bis zu deren
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Beendigung möglich (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 27
Rdn. 6 m.w.N.). Die Teilnahme am Kreditbetrug ist bis zum Erbringen der
letzten Leistung möglich (Fischer aaO § 265b Rdn. 40,
§ 264 Rdn. 38 f.). Wann die Leistung als erbracht anzusehen
ist, hängt von der Art des beantragten Kredits ab
(Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl.
§ 265b Rdn. 49). Aus den Urteilsgründen ergibt sich,
dass noch für den 26. März 2001 ein
Besprechungstermin mit den Banken anberaumt war. Erst nachdem im
Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung durch die
Unternehmensberatung der Bankentermin abgesagt worden sei,
hätten die Banken "dicht" gemacht (UA 16). Aufgrund dieser
Ausführungen und vor dem Hintergrund, dass es sich auch um
Prolongationskredite gehandelt haben kann, erscheint es jedenfalls
möglich, dass die Banken auch noch nach dem 2. November 2000
aufgrund der vorgelegten Konzernbilanz Kredit gewährt haben.
2. Der Freispruch vom Vorwurf des tateinheitlich begangenen Bankrotts
(§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB) begegnet ebenfalls
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen
Gründen freigesprochen, weil es für die Strafbarkeit
am Vorliegen einer Überschuldung der BIV B. (§ 283
Abs. 1 StGB) zum 31. Dezember 1999 im Sinne des hier nach § 2
Abs. 3 StGB anwendbaren § 19 Abs. 2 InsO (in der ab dem 18.
Oktober 2008 geltenden Fassung) gefehlt habe (UA 87). Dabei ist es der
Auffassung des Sachverständigen gefolgt, dass zwar das
Vermögen der BIV B. bereits ab dem 31. Dezember 1999 die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr gedeckt habe, aber auch
unter Berücksichtigung der Konzernstruktur und deren
Auswirkungen auf die BIV B. von einer positiven Fortbestehensprognose
auszugehen sei.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wirtschaftsstrafkammer dabei die
Anforderungen an eine positive Fortbestehensprognose beachtet hat.
Jedenfalls hätte es für die Annahme des Landgerichts,
der Angeklagte sei als Geschäftsführer der BIV B. bis
zum Zeitpunkt kurz vor Stellung des Insolvenzantrags nicht verpflichtet
gewesen, aufgrund der Mithaftung für Kredite anderer
Konzerngesellschaften Rückstellungen zu bilden,
näherer Feststellungen zu Art und Umfang der Mithaftung der
BIV B. bedurft. Ob und gegebenenfalls welche Mitverpflichtungen
bestanden, teilt das Urteil nicht mit. Die Beschwerdeführerin
rügt in diesem Zusammenhang auch zu Recht, dass anhand der
Urteilsgründe der vom Tatrichter ersichtlich als entscheidend
bewertete Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit einer
Inanspruchnahme aus Mitverpflichtungen und der
„Ordentlichkeit“ bzw.
„Seriosität“ der in der Baugruppe
tätigen Geschäftsführer (UA 94) nicht
nachvollziehbar dargestellt ist.
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Zudem fehlen jegliche Feststellungen zur Zahlungsfähigkeit der
BIV B. . Deren hätte es aber schon deshalb bedurft, weil
§ 283 Abs. 1 StGB eine Strafbarkeit wegen Bankrotts
außer bei Überschuldung auch bei drohender oder
eingetretener Zahlungsunfähigkeit vorsieht.
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Schließlich scheitert eine Strafbarkeit des Angeklagten nach
§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB entgegen der Ansicht des
Landgerichts nicht allein schon daran, dass der Angeklagte die durch
den gesondert verfolgten Bö. erstellte und in dem
Jahresabschluss enthaltene Bilanz nicht unterschrieben hat (vgl.
Beukelmann in Beck´scher Online-Kommentar zum StGB §
283 Rdn. 70 [Stand: 1. Oktober 2009]; Tiedemann in LK-StGB 12. Aufl.
§ 283 Rdn. 150).
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3. Die insoweit knappen Urteilsgründe (UA 96) erlauben dem
Revisionsgericht auch nicht die Prüfung, ob das Landgericht
den Angeklagten zu Recht vom Vorwurf der verspäteten
Insolvenzantragstellung (§ 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 InsO)
freigesprochen hat. Der Tatbestand des § 15a Abs. 1 InsO, der
mit Wirkung vom 1. November 2008 an die Stelle des inhaltsgleichen
§ 84 GmbHG getreten ist, knüpft ebenso wie §
283 Abs. 1 StGB an die im angefochtenen Urteil - wie
ausgeführt - nur unzureichend geprüften
Tatbestandsmerkmale der Überschuldung und der
Zahlungsunfähigkeit an.
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Die aufgezeigten Mängel führen nach alledem zur
Aufhebung des Urteils insgesamt.
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |