BGH,
Urt. v. 11.1.2000 - 5 StR 444/99
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 444/99
URTEIL
vom 11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.
Januar
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin Z
als Verteidigerin des Angeklagten H ,
Rechtsanwalt Sch
als Verteidiger des Angeklagten O ,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Berlin vom 15. April 1999 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer
Freiheitsstrafe
von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur
Bewährung
ausgesetzt. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegten
- vom Generalbundesanwalt vertretenen - Revisionen haben mit der
Sachrüge
Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten
im Herbst 1997 gemeinsam den Entschluß gefaßt,
durch den gewinnbringenden
Verkauf von Cannabis sich das Startkapital für den Betrieb
einer
Holz- und Bautenschutzfirma zu verschaffen. Von Ende Oktober 1997 bis
Anfang Februar 1998 erwarben sie von dem anderweitig verfolgten B
insgesamt fünf bis sechs kg Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt
von 7 %
THC. Das Cannabis bestand je zur Hälfte aus Haschisch und
Marihuana. Die
Lieferung erfolgte in dem genannten Zeitraum in mindestens 26
Teilmengen,
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wobei sich der Lieferumfang von anfangs 50 bis 200 g pro Einheit zum
Ende
des Tatzeitraumes auf Einzellieferungen von 500 g bis zu 1 kg steigerte,
während gleichzeitig sich der Bezugspreis für die
Angeklagten verringerte.
Die Angeklagten orderten jeweils Nachlieferungen, bevor der Vorrat im
Keller
des von ihnen gemeinsam bewohnten Hauses zur Neige ging. Das Rauschgift
veräußerten die Angeklagten im Dezember 1997 und am
13. Februar
1998 unter anderem an den am 21. Februar 1980 geborenen
W , ohne allerdings damit zu rechnen, daß dieser das 18.
Lebensjahr
noch nicht vollendet haben könnte. Am 13. Februar 1998
lieferte der anderweitig
verfolgte Bo 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat aus,
wobei er einen neun Monate alten Pitbullterrier und eine „CO2-
Luftdruckpistole“ mit sich führte. Diese sowie eine
weitere gleichartige Waffe
hatten die Angeklagten wenige Tage zuvor erworben.
II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
1. Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil das Landgericht den
Verbrechenstatbestand
des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend geprüft
und damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat.
a) Das Landgericht hat offen gelassen, ob der gesondert verfolgte Bo
die Luftdruckpistole auf Anweisung der Angeklagten bei der Auslieferung
von 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat mit sich führte. Eine
mittäterschaftliche
Verurteilung wegen Handeltreibens mit Waffen gemäß
§ 30a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG komme nach seiner Auffassung nicht in Betracht, weil
die
Angeklagten keine Sachherrschaft über die Waffe gehabt
hätten. Eine Verurteilung
der Angeklagten wegen Anstiftung würde aber nicht zu einer
höheren
Strafe führen. In diesem Falle wäre im Hinblick auf
die dargestellten Milderungsgründe
von einem minder schweren Fall auszugehen und dieselbe
Strafe festzusetzen.
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b) Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die Prüfung
einer Strafbarkeit
nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entbehrlich zu machen.
aa) Grundsätzlich stellt eine funktionsfähige
Luftdruckpistole - ebenso
wie eine CO2-Pistole - eine Schußwaffe im Sinne des
§ 30a Abs. 2 Nr. 2
BtMG dar (Weber, BtMG, § 30a Rdn. 114). Maßgeblich
ist dabei, daß die
jeweiligen Geschosse - entsprechend der gesetzlichen Definition in
§ 1
Abs. 1 WaffG - durch einen Lauf getrieben werden (BGHSt 24, 136). Dies
ist
bei Luftpistolen grundsätzlich der Fall (vgl. BGH bei
Dallinger MDR 1974, 547
hinsichtlich des wortgleichen Tatbestandsmerkmals in § 244
Abs. 1 Nr. 1
StGB a.F.).
bb) Zwar trifft zu, daß als Täter nur derjenige
bestraft werden kann,
der die Waffe gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß
er sich ihrer
jeder Zeit bedienen kann (BGHSt 42, 368). Auch wenn diese Voraussetzung
bei den während der Rauschgiftauslieferung ortsabwesenden
Angeklagten
im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, schließt dies eine
Verurteilung wegen
Anstiftung nicht aus (BGHSt 42, 368, 371). Sowohl das Rauschgift als
auch
die Luftdruckpistole stammten aus dem Besitz der Angeklagten. Bei dieser
Sachverhaltskonstellation hätte die Prüfung
nahegelegen, ob der anderweitig
verfolgte Bo nicht nur Cannabis, sondern auch die Luftdruckpistole auf
Veranlassung der Angeklagten an sich genommen hat.
cc) Zudem läge ein Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens
mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
nicht nur vor, wenn bei der Auslieferung der Betäubungsmittel
der Täter einen
entsprechenden Gegenstand mit sich führt. Zur
Tatbestandserfüllung
reicht ein Mitsichführen bei jedem Teil des Handeltreibens
aus, mithin auch
während der Besitzausübung an dem zum Verkauf bereit
gehaltenen
Rauschgift (BGHSt 43, 8, 11). Hier lagerten die Angeklagten das
Cannabis in
dem von ihnen bewohnten Haus. Nach dem Gesamtzusammenhang liegt
nahe, daß sie gleichzeitig die beiden Luftdruckpistolen dort
aufbewahrten
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und sie zudem teilweise das Rauschgift aus dem Haus heraus unmittelbar
verkauften. Abhängig von den räumlichen
Verhältnissen kann dies genügen,
um in dieser Tatphase eine gleichzeitige Verfügbarkeit der
Waffe anzunehmen
(vgl. BGHSt 43, 8, 14 auch zu den Anforderungen an die subjektive
Tatseite).
c) Das Landgericht konnte das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes,
aus dessen Strafrahmen möglicherweise die zu
verhängende Strafe
hätte gebildet werden müssen, nicht dahin stehen
lassen. Insoweit hat es
den grundsätzlichen Vorrang des Schuldspruches vor dem
Sanktionsausspruch
(vgl. BGH NJW 1997, 1455) hintangestellt. Regelmäßig
kann aber die
Strafzumessung erst nach der Entscheidung, welcher Straftatbestand
verwirklicht
ist, erfolgen. Hier hat der Tatrichter zudem die mögliche
Erfüllung
des Qualifikationstatbestands nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
nicht erschöpfend
gewürdigt (vgl. oben b, cc).
2. Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft ebenfalls beanstandeten
Konkurrenzfrage, deren Beurteilung („Silotheorie”)
zwischen den Senaten
des Bundesgerichtshofs nicht im einzelnen geklärt ist (vgl.
nur BGHR BtMG
§ 29 - Bewertungseinheit 3 und 9 einerseits, 10 andererseits),
beschränkt
sich der Senat auf folgenden Hinweis: es besteht jedenfalls insoweit
Einigkeit,
daß allein der gleichzeitige Besitz zum Handel bestimmter
Betäubungsmittelmengen
aus verschiedenen Liefervorgängen nicht geeignet ist, mehrere
selbständige Taten des Handeltreibens zu einer
Bewertungseinheit zu verbinden
(BGHR aaO 9 und 10). Insbesondere weist der Senat aber darauf hin,
daß bei feststehendem Gesamtschuldumfang eine Zusammenfassung
von
Einzelakten zu Tateinheit oder deren tatmehrheitliche Aburteilung
regelmäßig
ohne Einfluß auf die für das gesamte Tatgeschehen im
Ergebnis zu verhängende
Sanktion zu bleiben hat (BGHR aaO 9 m.w.N.).
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit zur Prüfung haben, ob der
Pitbullterrier
als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG
einzuordnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er seiner Art nach zur
Verlet-
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zung von Personen geeignet und bestimmt ist. Da es sich bei einem
Pitbullterrier
nicht um eine Waffe im technischen Sinne handelt, bedarf es
für die
Tatbestandsverwirklichung einer konkreten Zweckbestimmung durch den
Täter (BGHSt 43, 266). Diese könnte dann gegeben
sein, wenn der Hund
speziell abgerichtet und „scharf“ gemacht worden
wäre. Selbst wenn im Hinblick
auf den Pitbullterrier oder die Luftdruckpistole der Tatbestand des
§ 30a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt sein sollte, muß dies -
insbesondere wegen des
mittlerweile eingetretenen weiteren Zeitablaufes - allerdings nicht
notwendig
zu einer anderen Sanktion führen.
Harms Häger Basdorf
Tepperwien Raum |