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BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - 2 StR 31/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 11.7.2003 - 2 StR 31/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 31/03
vom
11.7.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Vergewaltigung u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.7.2003,
aufgrund der Hauptverhandlung vom 2.7.2003, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Wadim W.
- in der Verhandlung - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Waldemar W.
- in der Verhandlung -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 21. Juni 2002, soweit der Angeklagte Waldemar
W. vom Vorwurf des Einschleusens von Ausländern freigesprochen
wurde, mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen
zum äußeren Sachverhalt bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten Wadim W. gegen das vorgenannte
Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines
Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Die Revision der Nebenklägerin gegen das vorgenannte Urteil sowie
ihre sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung werden
verworfen. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittel sowie
die dem Angeklagten Wadim W. hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
4. Die Staatskasse hat die Kosten der hinsichtlich des Angeklagten Wadim
W. zurückgenommenen Revision sowie die dem Angeklagten
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
- 4 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Wadim W. wegen Einschleusens
von Ausländern zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 EURO
verurteilt. Von dem Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen hat es ihn
freigesprochen.
Den Angeklagten Waldemar W. hat es vom Vorwurf der Vergewaltigung
sowie schweren Menschenhandels in Tateinheit mit bandenmäßigem
und gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern freigesprochen. Die hiergegen
vom Angeklagten Wadim W. und von der Nebenklägerin P.
hinsichtlich dieses Angeklagten eingelegten Revisionen sind unbegründet.
Die von der Staatsanwaltschaft nur noch hinsichtlich des Angeklagten
Waldemar W. aufrecht erhaltene Revision hat Erfolg.
I. Die Revision des Angeklagten Wadim W. ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wandten sich die beiden
Zeuginnen G. und P., die schon in Rußland der Prostitution nachgingen, dort
an den Zeugen J. mit der Bitte, sie nach Deutschland als Prostituierte zu vermitteln.
J. setzte sich mit dem Angeklagten in Verbindung und teilte diesem mit,
er werde mit zwei Frauen, die hier der Prostitution nachgehen wollten, nach
Deutschland kommen. Der Angeklagte sagte zu, nach der Einreise für Wohnung
zu sorgen. Zusammen mit K. beantragte J. nun für die beiden Frauen bei
der Deutschen Botschaft in Moskau Touristenvisa mit einer Laufzeit von zwei
Wochen, wobei der Wahrheit zuwider als Reisegrund eine Urlaubsreise und
als Beruf der Frauen "Managerinnen" angegeben wurden. Nach Erteilung der
Visa reisten J., K. sowie die beiden Frauen auf dem Landweg über Polen nach
Deutschland ein. Sie wurden zunächst in einer von dem Angeklagten vorbe-
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reiteten Wohnung in Kassel untergebracht. Am 1. Dezember 2001, nach Ablauf
der Touristenvisa, wurden die Frauen von dem Mitangeklagten Waldemar
W. und dem Zeugen St. in ein Bordell nach Altena verbracht, wo sie die
Prostitution ausübten, aber nach einem zunächst gescheiterten Fluchtversuch
am nächsten Tag von der Polizei aufgefunden und festgenommen wurden.
2. Die umfassende Beweiswürdigung des Landgerichts, auf welche dieses
die Feststellung gestützt hat, daß dem Angeklagten bekannt war, daß die
Frauen zum Zweck der Ausübung der Prostitution einreisen sollten, daß die
Erteilung von Visa daher nur durch falsche Angaben zu erreichen war und daß
seine Bereitschaft, für Unterkunft in Deutschland zu sorgen, dieses Unternehmen
förderte, läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
Der Angeklagte hat damit im Sinne des § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG zu einer
Tat nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG Hilfe geleistet.
3. Auf diese Tat ist entgegen der Auffassung der Revision das deutsche
Strafrecht anwendbar. Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des Landgerichts,
die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ergebe sich aus § 9 Abs. 2
Satz 2 StGB (so auch 3. Strafsenat, Urteil vom 11. Februar 2000 - 3 StR
308/99, NJW 2000, 1752). Denn § 92 a Abs. 2 Nr. 2 AuslG beschreibt keine
Beihilfehandlung im Sinne des § 27 StGB, sondern eine zur Täterschaft verselbständigte
Tathandlung. Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf
diese Tat ergibt sich daher aus § 9 Abs.1 i.V.m. § 3 StGB. Da die Anwendung
dieser Regelungen hier gleichfalls zur Strafbarkeit des Angeklagten führt,
kommt es auf eine Abweichung von der Rechtsansicht des 3. Strafsenats nicht
an.
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Gegen die Auslegung des Landgerichts, wonach das Merkmal "mehrere
Ausländer" i.S.d. § 92 a Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative, AuslG bei einer Anzahl von
zwei Personen gegeben ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Das gilt auch für das von der Revision erörterte Verhältnis des Strafrahmens
der Tat nach § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG zu dem der "Haupttat" nach § 92
Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwendungen
verkennen den Charakter des § 92 a Abs. 2 Nr. 2 AuslG als selbständigen
Tatbestand; dem steht nicht entgegen, daß er Tathandlungen erfaßt,
welche ohne seine Geltung (nur) als Beihilfehandlungen strafbar wären. Es
entsprach gerade der Zielrichtung des Gesetzgebers des § 92 a Abs. 1 Nr. 2
AuslG, solche im Inland begangenen, auf Einschleusung von Ausländern gerichteten
Handlungen als selbständige Taten zu erfassen und mit gegenüber
der bloßen Teilnahme an Taten nach § 92 AuslG erhöhter Strafe zu bedrohen.
Daher fehlt es auch für die von der Revision angestrebte Anwendung des § 27
Abs. 2 StGB auf die Tat nach § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG an einer Grundlage.
II. Die hinsichtlich des Angeklagten Waldemar W. wirksam auf den
Freispruch vom Vorwurf des Einschleusens von Ausländern beschränkte Revision
der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Die Beweiswürdigung, welche das Landgericht zur Verneinung einer
Strafbarkeit gemäß § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG wegen Beteiligung an dem unter
Verstoß gegen das AuslG bewirkten unerlaubten Aufenthalt der Nebenklägerinnen
in Deutschland geführt hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil der
Tatrichter überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung hinsichtlich
der subjektiven Tatseite gestellt hat. Nach den Feststellungen hatte der
Angeklagte bereits mehrfach früher aus Osteuropa eingereiste Frauen zum
Zweck der Prostitutionsausübung in ein Bordell der Zeugin H. verbracht. In die
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Geschehnisse um die Einreise der Nebenklägerinnen, ihre Unterbringung und
Vermittlung war er von Anfang an eingebunden. Daß er gleichwohl, als er die
Frauen am 1. Dezember 2001 in das Bordell nach Altena verbrachte, angenommen
haben könnte, diese seien mit gültigen, noch nicht abgelaufenen Visa
eingereist, liegt eher fern. Soweit das Landgericht eine objektive Handlung des
Hilfeleistens nicht festzustellen vermochte (UA S. 66), ist nicht hinreichend gewürdigt,
daß der Angeklagte von dem Zeugen J. gebeten worden war, die
Frauen in das Bordell zu verbringen, diesen Auftrag an den Zeugen St. weitergab
und diesen auf der Fahrt begleitete (UA 66, 67). Da der Rechtsfehler sich
auf die Beweiswürdigung und die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand
beschränkt, können die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt aufrechterhalten
bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig.
III. Die Revision der Nebenklägerin P. ist zulässig; die mißverständliche
Formulierung, es werde Revision eingelegt, "soweit der Beschuldigte
Wadim W. lediglich zu einer Geldstrafe wegen Beihilfe zum Einschleusen
von Ausländern verurteilt worden ist", ist dahin auszulegen, daß sich
die Revision gegen die Freisprechung dieses Angeklagten im übrigen wendet.
Die Revision ist unbegründet. Die überaus breite und detaillierte Beweiswürdigung
des Landgerichts, aufgrund derer eine Verurteilung nach
§§ 181 Abs. 1 Nr. 3, 180 b Abs. 1 StGB und §§ 181 a, 180 a StGB nicht erfolgt
ist, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und ist daher vom Revisionsgericht
hinzunehmen.
Auch die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist unbegründet;
sie ist, soweit ersichtlich, auf eine unzutreffende Auslegung der Vorschrift
des § 397 a Abs. 1 StPO gestützt.
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Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Fischer Roggenbuck



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