BGH,
Urt. v. 11.7.2003 - 2 StR 531/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 531/02
vom
11.7.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen versuchten Totschlags u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom
2.7.2003 in der Sitzung vom 11.7.2003, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten M.
Rechtsanwalt für den Angeklagten N.
Rechtsanwältin für den Angeklagten T.
- in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter für den Nebenkläger Sch.
- in der Verhandlung -
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts
Bonn vom 28. Februar 2002, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
2. Auf die Revision des Nebenklägers wird das vorgenannte
Urteil mit
den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Beteiligung der Angeklagten
an den gegen den Nebenkläger gerichteten
Gewalttätigkeiten
betrifft.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere
Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen vorsätzlicher
Körperverletzung und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit
mit gefährlicher
Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und einem
Monat verurteilt. Den Angeklagten C. hat es wegen vorsätzlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verurteilt und ihn
im übrigen freigesprochen, den Angeklagten M. wegen
gefährlicher Körperverletzung
zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten, den Angeklagten
T.
- 4 -
wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr
und sechs Monaten. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten C. , M.
und T. verhängten Strafen hat das Landgericht jeweils zur
Bewährung
ausgesetzt.
Die Revision des Angeklagten N. hat mit der Sachrüge teilweise,
die des Nebenklägers Sch. vollen Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts begegneten die Angeklagten,
die sich in einer Gruppe von etwa 14 männlichen Personen
jüngeren
Alters befanden, am späten Abend des 15. Juni 2001 in der
Innenstadt von
Siegburg zufällig drei nach ihrem äußeren
Erscheinungsbild der "Skinhead"-
Szene angehörenden jungen Männern, den Zeugen D. und
P. sowie
dem Nebenkläger. Diese wurden aus der Gruppe der Angeklagten,
unter
anderen vom Angeklagten N. , zunächst als "Nazis" beschimpft;
als sie angesichts
der zahlenmäßigen Überlegenheit hierauf
nicht reagierten und an der
Gruppe vorbeizugehen versuchten, versetzte N. dem Geschädigten
D. einen Fußtritt; der Angeklagte C. schlug ihn mit der Faust
ins Gesicht.
D. richtete daraufhin, um weitere Angriffe abzuwehren, zwei von
ihm mitgeführte Gasrevolver auf die Angreifer. Diese
ließen sich jedoch nicht
beeindrucken; der Angeklagte N. schleppte einen 2,5 m langen, 10 cm
dicken Pflanzpfahl herbei und rief "jetzt ficke ich Euch". Nun
versuchten die
Geschädigten zu fliehen. Während dies den beiden
anderen gelang, wurde der
Nebenkläger von Personen aus der Gruppe verfolgt und
eingeholt. Der Angeklagte
M. trat ihm von hinten die Beine weg, so daß er zu Boden
stürzte.
Anschließend trat er auf ihn ein, zog dann seinen
Gürtel aus der Hose und
schlug mehrmals auf Rücken und Bauch des am Boden liegenden
Nebenklägers.
Der Angeklagte T. trat ebenfalls auf das Opfer ein; der
frühere Mit-
5 -
angeklagte S. trat ihm gegen den Kopf oder Nacken, wobei er seinen
Schuh verlor. Der im abgetrennten Verfahren nach Beschluß des
Senats vom
11. April 2003 - 2 StR 532/02 rechtskräftig verurteilte Ma.
setzte sich auf den
Nebenkläger und schlug zunächst mit den
Fäusten, dann mit dem von
S. verlorenen Schuh vielfach gegen den Kopf des Opfers. Nun
näherte
sich der Angeklagte N. mit dem Holzpfahl; er rief "Geht weg", worauf die
anderen von dem Nebenkläger abließen und zur Seite
gingen. Der Angeklagte
N. schlug nun über den Kopf mit dem Pfahl zweimal gezielt auf
den Körper,
sodann zweimal aus Kopfhöhe gezielt auf den Hinterkopf des
Nebenklägers;
er nahm dabei dessen Tod billigend in Kauf. Der Nebenkläger,
der sich
zuvor noch zu schützen versucht hatte, blieb nach den
Schlägen regungslos
liegen; der Angeklagte N. warf den Pfahl weg und entfernte sich. Auch
die übrigen Angeklagten entfernten sich; Ma. , der
zunächst zurückblieb,
nahm den Pfahl auf und stieß ihn wie eine Lanze mehrfach
gegen den Kopf
des Opfers. Als er einige Zeit später M. und S. traf, sagte er
zu diesen,
er wisse nicht, ob das Opfer noch lebe. Dritten berichtete er kurz
darauf,
man habe Nazis verprügelt; diese seien "alle tot".
Der Nebenkläger erlitt durch die Mißhandlungen zwar
keine knöchernen
Schädelverletzungen, aber unter anderem eine
lebensgefährliche Gehirnblutung.
Seine Verletzungen sind ohne bleibende körperliche Folgen
ausgeheilt.
II. Revision des Angeklagten N. :
1. Die auf § 338 Nr. 1 StPO gestützte
Verfahrensrüge ist im Ergebnis
unbegründet.
Zwar war, wie die Revision und der Generalbundesanwalt zutreffend
dargelegt haben, das Verfahren, durch welches das Verfahren von der nach
- 6 -
dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen 2.
Strafkammer auf die
4. Strafkammer übertragen wurde, fehlerhaft, denn die
Eintragung des Verfahrens
unter dem Buchstaben "Sch" widersprach den Regelungen des
Geschäftsverteilungsplans,
wonach das Verfahren unter dem Anfangsbuchstaben
des Angeklagten T. hätte eingetragen werden müssen.
Eine Verbindung
mit dem weiteren Verfahren gegen Ma. und Sa., die wegen der dann
mehreren
Angeschuldigten mit dem Anfangsbuchstaben "S" zur Eintragung unter
diesem
Buchstaben hätte führen können, ist bei der
2. Strafkammer nicht erfolgt.
Daher ging die Übertragung vom 20. November 2001 insoweit ins
Leere. Der
"Klarstellungsbeschluß" vom 21. Januar 2002 konnte hieran
nichts ändern; er
bestätigte nur - was ohnehin offenkundig war -, daß
von den damals anhängigen
Verfahren der 2. Strafkammer eben die drei unter "S" bzw. "Sch"
eingetragenen
auf die 4. Strafkammer übertragen werden sollten. Der Fehler
hinsichtlich
der Eintragung des Verfahrens wurde auch nicht durch den
Verbindungsbeschluß
der 4. Strafkammer vom 20. Dezember 2001 geheilt. Zwar war hierdurch
das verbundene Verfahren nun unter dem Buchstaben "S" zu
führen; die
4. Strafkammer war aber schon für diesen Beschluß
unzuständig.
Im Ergebnis greift die Rüge gleichwohl nicht durch. Nach Teil
A Ziffer 3
Buchst. b des Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts
können in Strafsachen
Abgaben aus Gründen der
geschäftsplanmäßigen Zuständigkeit
nur so
lange erfolgen, als noch nicht Hauptverhandlungstermin bestimmt worden
oder
ein Eröffnungsbeschluß ergangen ist. Gegen diese -
in Geschäftsverteilungsplänen
nicht unübliche - Praxis hat die Revision eingewandt, sie sei
unwirksam,
weil sie eine "Heilung" auch grob gesetzwidriger und
willkürlicher Verstöße gegen
den Grundsatz des gesetzlichen Richters zulasse. So kann die Klausel
nach Ansicht des Senats aber nicht ausgelegt werden. Sie steht
selbstver-
7 -
ständlich unter einem - ungeschriebenen -
Willkürvorbehalt; sehenden Auges
in Kauf genommene Gesetzeswidrigkeiten oder objektive Willkür
bei der Zuständigkeitsbestimmung
eines Spruchkörpers könnten nicht durch
Erlaß eines
Eröffnungsbeschlusses oder Terminierung "geheilt" werden (vgl.
Senatsurteil
vom 21. Dezember 1983 - 2 StR 495/83, NStZ 1984, 181).
Für einen solchen Ausnahmefall liegt hier aber kein
Anhaltspunkt vor.
Der Fehler beruhte auf einem Irrtum der Geschäftsstelle bei
der Auslegung der
- komplizierten - Bestimmungen des Geschäftsverteilungsplans
über die Eintragung
von Verfahren gegen mehrere Beschuldigte. Ersichtlich ist die falsche
Eintragung später nicht mehr überprüft
worden. Dafür, daß das Präsidium das
Verfahren nicht der 4. Strafkammer übertragen hätte,
wenn es zutreffend nicht
unter "Sch", sondern unter "T" eingetragen gewesen wäre, fehlt
jeder Anhaltspunkt.
Soweit die Revision vorgetragen hat, es sei jedenfalls objektiv
willkürlich
gewesen, einen Eröffnungsbeschluß zu erlassen, was
eine umfassende Prüfung
im Hinblick auf einen hinreichenden Tatverdacht erfordere, und hierbei
die
Zuständigkeit der eigenen Strafkammer nicht
sorgfältig zu prüfen, teilt der Senat
diese Ansicht nicht. Zum Zeitpunkt des Erlasses des
Eröffnungsbeschlusses
hatten sich jedenfalls die Vorsitzenden der beiden Strafkammern sowie
das
Präsidium des Landgerichts mehrfach auf der Grundlage der
fehlerhaften Eintragung
mit der Sache befaßt; es stand für alle Beteiligten
außer Zweifel, daß
gerade auch dieses Verfahren der 4. Strafkammer übertragen
werden sollte.
Wenn unter diesen Umständen eine nochmalige Prüfung
vor Erlaß des Eröffnungsbeschlusses
unterblieb, so mag dies erneut fehlerhaft gewesen sein;
schlechthin unvertretbar und objektiv willkürlich war diese
Nachlässigkeit nicht.
- 8 -
Die 4. Strafkammer konnte das Verfahren daher nach Erlaß des
Eröffnungsbeschlusses
nicht mehr zurückgeben; der Besetzungseinwand ist zu
Recht zurückgewiesen worden. Auf die von der Revision
aufgeworfene Frage
einer unzulässigen Zurückstellung der Entscheidung
über den Besetzungseinwand
kommt es daher nicht an.
2. Die Sachrüge ist, soweit sie sich gegen den Schuldspruch
wendet,
unbegründet. Das Landgericht hat mit im Ergebnis noch
hinreichender Begründung
die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom
Versuch des
Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB
verneint und angenommen, es habe
ein beendeter Versuch vorgelegen, von welchem der Angeklagte nicht
durch bloßes Unterlassen weiterer Gewalthandlungen gegen den
Nebenkläger
zurücktreten konnte.
3. Dagegen hält der Strafausspruch rechtlicher
Prüfung nicht stand, weil
die Erwägungen, mit welchen das Landgericht das Vorliegen der
Voraussetzungen
des § 21 StGB verneint hat, rechtsfehlerhaft sind.
a) Das Landgericht hat nach Anhörung einer
Sachverständigen festgestellt,
der Angeklagte sei in seiner Persönlichkeitsentwicklung
zurückgeblieben
und unreif; es könne derzeit nicht entschieden werden, ob sich
hierin "eine
Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert
manifestiert". Die "Persönlichkeitsproblematik"
habe jedoch keinen Einfluß auf das Tatgeschehen gehabt, "da
die
von dem Angeklagten gegenüber dem Haftrichter und der
Sachverständigen
gemachten Angaben nicht den Schluß zulassen, daß
sich der Angeklagte ...
nicht über die Relevanz seines Verhaltens im Klaren gewesen
wäre" (UA
S. 55).
- 9 -
b) Diese Ausführungen sind unklar und mit anderen
Urteilsfeststellungen
nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Es fehlt schon an einer hinreichend
klaren
Feststellung, welchem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB das
Landgericht
die vorliegende "Persönlichkeitsproblematik" zugeordnet hat.
Wenn das Landgericht
im Ergebnis der Beweiswürdigung in Anwendung des Zweifels-
Grundsatzes (vgl. BGHSt 8, 113; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl.
§ 261 Rdn. 26,
30 m.w.N.) nicht ausschließen konnte, daß eine
Persönlichkeitsstörung im Sinne
einer schweren anderen seelischen Abartigkeit vorlag - die allerdings
eine
"Krankheit" im Sinne des § 20 StGB gerade nicht voraussetzt -,
so war diese
Feststellung der Prüfung zugrunde zu legen, ob aufgrund dieser
Störung zum
Tatzeitpunkt eine erhebliche Einschränkung der
Steuerungsfähigkeit (§ 21
StGB) gegeben war. Ein solcher Einfluß auf die Tat konnte
nicht mit dem Hinweis
ausgeschlossen werden, der Angeklagte sei nicht im "Irrtum
über die Relevanz
seines Tuns" gewesen, denn dies könnte nur für den
Tatvorsatz oder
die Einsichtsfähigkeit, nicht aber für die
Hemmungsfähigkeit des Angeklagten
von Bedeutung sein.
Art und Ausmaß der festgestellten Reifeverzögerungen
des Angeklagten
lassen es im übrigen als nicht naheliegend erscheinen,
daß die zurückgebliebene
Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten gerade in dem hier
vorliegenden,
auch nach den Feststellungen des Landgerichts durch gruppendynamische
Momente geprägten Geschehen ohne Einfluß geblieben
ist; es hätte
insoweit sorgfältigerer Prüfung bedurft.
- 10 -
III. Revision des Nebenklägers:
Die Revision des Nebenklägers wendet sich, wie in der
Hauptverhandlung
klargestellt wurde, mit der Sachrüge zum einen dagegen,
daß hinsichtlich
des Angeklagten N. das Mordmerkmal niedriger Beweggründe vom
Landgericht verneint wurde, zum anderen dagegen, daß das
Landgericht die
Angeklagten C. , M. und T. nicht als Mittäter des versuchten
Tötungsdelikts
zum Nachteil des Nebenklägers Sch. angesehen hat. Die
zulässige Revision ist begründet.
1. Das Landgericht ist - rechtsfehlerfrei - davon ausgegangen,
daß die
gegen den Zeugen D. begangene erste Körperverletzung des
Angeklagten
N. dadurch motiviert war, daß er mit der politischen
Gesinnung der als
"Skinheads" erkennbaren Geschädigten nicht einverstanden war.
Daß dieses
Motiv auch für die späteren, mit bedingtem
Tötungsvorsatz ausgeführten
Schläge gegen den Nebenkläger bestimmend war, hat das
Landgericht nicht
feststellen können, weil der Angeklagte dieses Motiv in seiner
richterlichen
Vernehmung bestritten habe und weil die Hauptverhandlung
"tatsächliche Anhaltspunkte,
die diese Einlassung widerlegen könnten, ... nicht ergeben
(hat)"
(UA S. 52). Der Angeklagte hat nach Ansicht des Landgerichts auf den
Nebenkläger
deshalb eingeschlagen, "weil er neben den anderen aus seiner Gruppe,
die schneller und wendiger waren als er, nicht hinten anstehen wollte,
zumal
einer aus der Gruppe um Sch. es gewagt hatte, seine Gruppe durch das
Ziehen von Waffen zu bedrohen" (UA S. 53).
Mit dieser Begründung konnte die Feststellung niedriger
Beweggründe
im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nicht abgelehnt werden.
Zutreffend geht das
Landgericht, ohne dies näher auszuführen, davon aus,
daß auch "politische"
- 11 -
Motive niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2
StGB sein können
(vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 10
d, 13 m.w.N.). Das gilt namentlich
dann, wenn dem Opfer allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer
politischen, sozialen oder ethnischen Gruppe das Lebensrecht
abgesprochen
und es in entpersönlichter Weise quasi als
Repräsentant einer Gruppe getötet
werden soll (vgl. auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 211
Rdn. 27; von Selle NJW
2000, 892 ff. jeweils m.w.N.). Daß solche als besonders
verwerflich anzusehenden
Beweggründe des Angeklagten vorlagen, hat das Landgericht
für die
Tat zu Lasten des Geschädigten D. ausdrücklich
festgestellt; es sind, worauf
die Revision zutreffend unter Hinweis auf vergleichbare Taten durch
rechtsradikale
Schläger hinweist, nach den Tatumständen andere
Motive auch nicht
ersichtlich. Dafür, daß es im unmittelbaren Fortgang
des Geschehens zu dem
vom Landgericht angenommenen Motivationswechsel gekommen sein sollte,
fehlt ein Anhaltspunkt. Soweit das Landgericht insoweit die Einlassung
des Angeklagten
beim Haftrichter als unwiderleglich angesehen hat, mangelt es an
einer Begründung hierfür, namentlich weil das
Landgericht alle übrigen Einlassungen
des Angeklagten als unglaubhaft und widerlegt angesehen hat.
Daß es
schon an Anhaltspunkten für die Annahme niedriger
Beweggründe fehle (UA
S. 52), ist daher unzutreffend. Im übrigen würde auch
die Feststellung, der Angeklagte
habe den Nebenkläger zu töten versucht, um nicht
hinter den anderen
zurückzustehen, eine nähere Prüfung
niedriger Beweggründe nahelegen und
diese nicht, wie das Landgericht offenbar meint, von vornherein
ausschließen.
2. Die Annahme des Landgerichts, bei dem Tötungsversuch des
Angeklagten
N. habe es sich um einen den übrigen Angeklagten nicht
zuzurechnenden
Exzess gehandelt, findet in den Feststellungen keine hinreichende
Grundlage.
- 12 -
a) Das betrifft namentlich die Annahme, die Mitangeklagten seien, als
sich N. mit dem Pfahl näherte und "Geht weg!" rief, nur
deshalb zur
Seite gegangen, um nicht selbst getroffen zu werden (UA S. 56, 63).
Dies würde
jedenfalls voraussetzen, daß die Beteiligten ernsthaft damit
rechneten, der
Angeklagte N. würde mit dem Pfahl auch auf sie selbst
einschlagen.
Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt; nach dem Zusammenhang der
Feststellungen
liegt es vielmehr nahe, daß es sich bei den
Mißhandlungen um ein einheitliches,
vom gemeinschaftlichen Willen der Beteiligten getragenes Geschehen
handelte.
b) Selbst wenn, wie das Landgericht angenommen hat, die konkrete
Ausführung der Schläge auf den Hinterkopf des
Geschädigten und der Tötungsvorsatz
des Angeklagten N. von den Mitangeklagten nicht vorhergesehen
und ihrerseits gebilligt wurden, würde dies einer Zurechnung
jedenfalls
der Körperverletzungen ersichtlich nicht entgegenstehen.
c) Rechtsfehlerhaft sind die Ausführungen des Landgerichts,
mit welchen
es die Annahme von Unterlassungsdelikten der Angeklagten C. ,
M. und T. (sowie des früheren Mitangeklagten S. ) abgelehnt
hat (UA S. 57, 61, 63). Das Landgericht hat hier den Zweifelssatz
dahingehend
angewendet, eine aktive Beteiligung am Tötungsversuch - durch
absichtsvolles
Zur-Seite-Gehen - sei nicht nachweisbar; ein Tötungsversuch
durch Unterlassen
- durch späteres Weggehen trotz Kenntnis der Handlungen des
Angeklagten
N. und des "Verletzungsbildes" - könne gleichfalls nicht
angenommen
werden, weil eine vorherige aktive Beteiligung nicht ausgeschlossen
werden könne (UA S. 57). Hier bleibt schon offen, welche
konkreten Sachverhalts-
Alternativen das Landgericht gegenüberstellt. Wäre
allein unaufklär-
13 -
bar, ob entweder eine aktive täterschaftliche Beteiligung an
dem Tötungsdelikt
oder ein anschließend durch Unterlassen begangener
Tötungsversuch vorlag,
so könnte dies nicht zur Straflosigkeit des Täters
führen (vgl. Montenbruck, In
dubio pro reo, 1995, S. 127; Stein JR 1999, 265, 267 f.; Eser in
Schönke/
Schröder, 26. Aufl. § 1 Rdn. 93); vielmehr
wäre einer Verurteilung die mildeste
Möglichkeit zugrunde zu legen.
Dasselbe gilt im Ergebnis, wenn hinsichtlich der
Tötungshandlung des
Angeklagen N. nur eine - aktive - Beihilfe der Mitangeklagten oder
wenn insoweit eine mittäterschaftliche
Körperverletzung festgestellt würde.
Auch hierzu bedarf es näherer Feststellungen.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Fischer Roggenbuck |