BGH,
Urt. v. 11.5.2006 - 3 StR 389/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 389/05
vom
11.5.2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Bestechlichkeit u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 9. März 2006 in der Sitzung am 11.05.2006, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler,
Pfister,
von Lienen,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M.
- in der Verhandlung vom 9. März 2006 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S.
- in der Verhandlung vom 9. März 2006 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K.
- in der Verhandlung vom 9. März 2006 -,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenbeteiligten
- in der Verhandlung vom 9. März 2006 -,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hildesheim vom 27. April 2005 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des
Landgerichts Göttingen zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf der Bestechlichkeit
und des Betruges freigesprochen. Hiergegen wendet sich die
Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung
materiellen Rechts gestützten Revision. Sie beanstandet, dass
das Landgericht zum einen von falschen rechtlichen Voraussetzungen
ausgegangen sei und zum anderen die Beweise nur lückenhaft
gewürdigt habe. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1
I.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
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Der Angeklagte M. war als Oberbürgermeister der Stadt H. zum
Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Stadtwerke H. AG (nachfolgend: SWH
AG) gewählt worden. Die Angeklagten S. und
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- 4 -
K. waren die Vorstände der SWH AG, deren alleinige
Aktionärin die Stadt H. war. 1996 beauftragte der Rat der
Stadt die Verwaltung, Konzepte für eine Teilprivatisierung der
SWH AG zu erarbeiten. Auf Vorschlag der Angeklagten wurde dazu im
Dezember 1998 zuerst die EVI Energieversorgung H. Verwaltungs-GmbH
(nachfolgend: EVI GmbH) gegründet. Alleinige Gesellschafterin
war die SWH AG; die Angeklagten S. und K. wurden
Geschäftsführer. Sodann wurde die EVI
Energieversorgung H. GmbH&Co KG (nachfolgend: EVI KG)
errichtet. Komplementärin ohne Kapitalanteil wurde die EVI
GmbH, alleinige Kommanditistin mit einer Einlage von 10 Mio. DM die SWH
AG. Ende 1998 genehmigten der Rat der Stadt und sodann eine
außerordentliche Hauptversammlung der SWH AG das
Vertragswerk. Um dem Rat der Stadt "unabhängig von den
formalrechtlichen Gegebenheiten die letzte Entscheidung in der
Beteiligungsfrage" zu ermöglichen, wurde ein Arbeitsausschuss
des Aufsichtsrats der SWH AG gegründet und dem Vorstand zur
Seite gestellt. Außerdem wurde ein Koordinierungsausschuss
gebildet, dem die Angeklagten, der Oberstadtdirektor, der
Stadtkämmerer sowie fünf weitere Personen - darunter
Mitglieder aller im Stadtrat vertretenen Parteien - angehörten.
Der Koordinierungsausschuss beschloss umgehend, die B. Consult GmbH
(nachfolgend: BC GmbH) mit der weiteren Umsetzung der
Privatisierungsaktivitäten zu beauftragen. Der BC GmbH
gegenüber gaben fünf E-nergieversorgungsunternehmen
vorläufige Angebote zur Übernahme von Anteilen der
EVI GmbH und der EVI KG ab. Dabei wurden seitens der T. AG und der R.
Beteiligungs-AG (nachfolgend: RGE) im Verhältnis zu den
Mitbewerbern deutlich (bis zu 35 Mio. DM) geringere Kaufpreise
angeboten. Diese Unternehmen wurden deshalb von der BC GmbH vorerst aus
dem Bieterverfahren herausgenommen. Die Angeklagten intervenierten
daraufhin bei
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- 5 -
der BC GmbH. Sie betonten, dass "aus strategischen Erwägungen"
der Verkauf auch an einen Partner sinnvoll sein könne, der
nicht den höchsten Kaufpreis biete, und erreichten, dass
zumindest die T. AG wieder in das Bieterverfahren aufgenommen wurde.
Auf Vorschlag der Angeklagten S. und K. beschloss der Aufsichtsrat im
Oktober 1999, der Hauptversammlung der SWH AG vorzuschlagen, in einem
ersten Schritt höchstens 25,1 % der Anteile an der EVI GmbH
und der EVI KG zu verkaufen und dies mit einer Option zum Verkauf
weiterer Anteile bis zu einer Beteiligung von 49,9 % zu verbinden. Die
beiden Angeklagten hatten sich gegenüber dem Aufsichtsrat
außerdem dafür ausgesprochen, ein oder mehrere
Energieversorgungsunternehmen zu beteiligen. Sie hielten für
den zukünftigen Erfolg der EVI KG nicht nur den Kaufpreis
für entscheidend, "sondern das Vertriebs-Partnerschaftskonzept
und die Bereitschaft des neuen Partners, auf kommunale Forderungen
eingehen zu können". Im selben Zeitraum erhöhte die
T. AG ihr Beteiligungsangebot, während der bislang
meistbietende, dem selben Konzern angehörende Interessent
aufgrund einer konzerninternen Absprache sein Angebot in einem Umfang
reduzierte, dass es um 0,3 Mio. DM unter dem der T. AG lag. Der
Angeklagte S. regte zu dieser Zeit gegenüber der T. AG und der
RGE die Bildung eines Bieterkonsortiums an. Kurz danach brachte der
Vorstand der SWH AG - also die Angeklagten S. und K. -
gegenüber der BC GmbH zum Ausdruck, ein Konsortium aus T. AG
und RGE sei der Wunschpartner, und verlangte, dass auch die RGE wieder
in den Bieterprozess einbezogen werde. Diesem Wunsch kam die BC GmbH in
der Folgezeit nach. Auf einer Besprechung mit der T. AG und der RGE
wies die BC GmbH Ende November 1999 darauf hin, dass die Angebote der
beiden Unternehmen deutlich unter denen der übrigen Bewerber
lagen. Wenige Tage später teilte indes der Angeklagte S. dem
Vorstandsmitglied der T. AG Dr. Rü. fernmündlich mit,
es bedürfe einer Verbesserung des finanziellen Angebots
seitens des Konsorti-
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ums nicht. Nachdem ein neuer Bieter ein höheres Angebot
gemacht hatte, regten T. AG und RGE ein Treffen unter Beteiligung der
Repräsentanten der Stadt H. und des Vorstands der Stadtwerke
AG an. Darauf trafen sich die Angeklagten S. und K. Ende Januar 2000
mit Vertretern der RGE in E. zum Gespräch über die
künftige Vorgehensweise. Vereinbart wurde dabei ein weiteres
Gespräch Anfang Februar, an dem auch der Angeklagte M.
teilnehmen sollte. Der Angeklagte S. äußerte bei der
Verabredung die Bitte, dass dabei der Aufsichtsratsvorsitzende der RGE
und Vorstandsvorsitzende der R. AG Sp. für ein
Gespräch mit dem Angeklagten M. im kleinen Kreis u. a. zum
Thema "R. -Leistungen für die Stadt H. außerhalb des
Beteiligungserwerbs" zur Verfügung stehen möge.
Bei dem Gespräch am 9. Februar 2000 schilderte der Angeklagte
M. in Anwesenheit der beiden anderen Angeklagten dem Konzernchef Sp.
die Probleme der Stadt H. und sprach
förderungswürdige Einrichtungen in der Stadt an.
Dabei wurde deutlich, dass er einer Spende nicht abgeneigt
gegenüberstand. Der Konzernchef Sp. , der aus der Erfahrung
mit Beteiligungsgesprächen dieser Art schon eine Bitte um
finanzielle Unterstützung erwartet hatte, antwortete, dass R.
insoweit eine Million DM zur Unterstützung zu zahlen bereit
sei. Zugleich bemerkte er, dass die T. AG, deren Vorstandsmitglied Dr.
Rü. ebenfalls bei dem Gespräch anwesend war, nicht so
viel geben könne.
5
Nach weiteren Gesprächen auf der Arbeitsebene stellte die BC
GmbH Ende Februar 2000 dem Koordinierungsausschuss die Angebote der
vier verbliebenen Bieter vor. Danach hatte das Konsortium T. AG/RGE das
höchste Angebot unterbreitet. Der Koordinierungsausschuss
wollte die endgültige
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- 7 -
Entscheidung dem Stadtrat überlassen. Er schlug dem Stadtrat
und dem Aufsichtsrat der SWH AG den Verkauf von 49,6% der EVI-Anteile
an das Konsortium T. AG/RGE zum Gesamtpreis von 119,04 Mio. DM vor.
25,2 % der Anteile sollten bis zum 31. März 2001
veräußert werden, darüber hinaus sollte
eine Option der SWH AG für den Verkauf weiterer 24,4 % bis
spätestens 31. Januar 2002 vereinbart werden. Bei der
Erörterung der Vertragsentwürfe im Aufsichtsrat der
SWH AG wurde hinsichtlich einiger Fragen erneut Klärungsbedarf
festgestellt, so dass ein weiteres Treffen der drei Angeklagten mit dem
Konzernchef Sp. sowie dem Vorstandsvorsitzenden und einem weiteren
Vorstandsmitglied der RGE vereinbart wurde. Dieses fand am 27.
März 2000 in E. statt, unmittelbar bevor die
Entscheidungsgremien in H. zusammentraten. Nach Erörterung der
strittigen Punkte sprach der Angeklagte M. noch einmal das Thema
Computerausrüstung für Schulen und eine
Unterstützung des Roemer- und Pelizaeus-Museums als Leistungen
für die Stadt H. an. Daraufhin erklärte der
Konzernchef Sp. , dass die RGE zu einer Unterstützung von
einer Million DM bereit sei. Am Nachmittag stimmten sodann in H. der
Aufsichtsrat der SWH AG, der Verwaltungsausschuss und der Rat der Stadt
dem Anteilsverkauf zu.
Am 7. Juni 2000 fuhr der Angeklagte M. zur T. AG nach Mü. ,
"um auch dort wegen der Spende nachzufragen". Er erzählte von
dem Museum sowie anderen förderungswürdigen
Einrichtungen der Stadt und kündigte an, dass die Spende einem
Förderverein zufließen sollte. Das Vorstandsmitglied
Dr. Rü. sagte ihm daraufhin eine Spende von 250.000 DM zu.
7
Am 29. Juni 2000 wurden die Beteiligungsverträge in Ba.
notariell beurkundet, nachdem kurz zuvor in H. zu
Publizitätszwecken eine öffent-
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- 8 -
lichwirksame, aber rechtlich unverbindliche Vertragsunterzeichnung
stattgefunden hatte.
Ende August 2000 gründeten die Angeklagten zusammen mit zwei
Ratsmitgliedern, einem Bankkaufmann und einem Ägyptologen den
Verein "P. - Verein zur Förderung des sozialen, kulturellen
und sportlichen Gemeinwohls in der Stadt H. ". Der
Vereinsgründung war folgendes vorausgegangen: Der Angeklagte
M. hatte Anfang Mai 2000 in Anwesenheit des Oberstadtdirektors
berichtet, dass auf die Stadt eine Spende der Investoren in
Höhe von einer Million DM zukäme. Der
Oberstadtdirektor hatte die Annahme einer solchen Zahlung im Hinblick
auf die andauernden Verhandlungen mit den Investoren sogleich
abgelehnt. Der Angeklagte M. wollte auf die zugesagte
Unterstützung gleichwohl nicht verzichten und betrieb nun die
Gründung eines Vereins, der die Spenden entgegennehmen sollte.
Von den Angeklagten S. und K. schriftlich dazu aufgefordert, zahlten
die Unternehmen in der Folgezeit 920.000 DM auf das Vereinskonto ein.
Von diesen Mitteln reichte der Verein ca. 320.000 DM an verschiedene
Einrichtungen weiter.
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2. Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Bestechlichkeit
freigesprochen, weil eine Unrechtsvereinbarung zwischen den Angeklagten
und dem Zeugen Sp. nicht zustande gekommen sei. Dieser sei, als er am
9. Februar 2000 ein Engagement des R. -Konzerns für H.
angekündigt habe, überzeugt gewesen, die Entscheidung
sei - ungeachtet des noch ausstehenden formellen Vertragsschlusses -
bereits für das Bieterkonsortium T. AG/RGE gefallen.
10
- 9 -
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch der
Angeklagten vom Vorwurf der Bestechlichkeit beruht darauf, dass das
Landgericht von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegangen ist
(unter 1.), die erhobenen Beweise rechtsfehlerhaft gewürdigt
(unter 2.) und das Beweisergebnis unzureichend dargestellt hat (unter
3.). Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ein neuer Tatrichter von
strafbarem Verhalten der Angeklagten überzeugen wird (unter
4.).
11
1. Das Landgericht geht bereits von einem falschen rechtlichen
Ansatzpunkt aus, wenn es ausführt, dass eine "direkte
Aufforderung des Angeklagten M. zur Zahlung einer Spende" am 9. Februar
2000 nicht habe festgestellt werden können und dass die
geäußerte "indirekte Bitte um eine Spende und eine
daraufhin gemachte Zusage allein für die Annahme einer
Unrechtsvereinbarung nicht ausreichen" würden. Den Angeklagten
lag zur Last, eine Gegenleistung gefordert zu haben. Fordern im Sinne
der Bestechungstatbestände ist nicht nur das
ausdrückliche, sondern auch das konkludente Verlangen eines
Vorteils für eine dienstliche Tätigkeit. Die das
Verlangen eines Vorteils objektiv zum Ausdruck bringende, d. h. von
einem verständigen Betrachter in der Situation des
Angesprochenen so zu verstehende Erklärung des
Amtsträgers muss zur Kenntnis des potentiellen Gebers gebracht
werden; dabei muss der Vorsatz des Amtsträgers darauf
gerichtet sein, dass der Erklärungsempfänger auch den
Sinn der Erklärung versteht, während ein
diesbezüglicher Erfolg nicht erforderlich ist (vgl.
Rudolphi/Stein in SK-StGB § 331 Rdn. 25 m. w. N.). Damit ist
es zum einen für die Verwirklichung des Tatbestandes
unerheblich, dass der Angeklagte M. lediglich auf den dringenden
Finanzbedarf von kulturellen Einrichtungen der Stadt H. hingewiesen und
nicht ausdrücklich eine
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- 10 -
Geldzahlung verlangt hat. Zum anderen kommt es nicht auf den Abschluss
einer Unrechtsvereinbarung an. In der Tatbestandsvariante des Forderns
eines Vorteils ist die Bestechlichkeit bereits vollendet, wenn der
Erklärungsempfänger von dem Verlangen des
Amtsträgers Kenntnis erlangt. Dass er den Zusammenhang
zwischen Vorteil und Amtshandlung erkennt oder wenigstens nach seiner
Auffassungsgabe erkennen kann, ist nicht vorausgesetzt (BGHSt 10, 237,
241; 49, 275, 282; vgl. Rudolphi/Stein aaO Rdn. 42), erst recht nicht,
dass er die Forderung "unrechtsvereinbarend" akzeptiert.
2. Zudem ist - auch unter Berücksichtigung der
Grundsätze, nach denen das Revisionsgericht die
tatrichterliche Beweiswürdigung nur beschränkt
überprüft (vgl. BGH NJW 2005, 2322) - die
Beweiswürdigung des Landgerichts zur Vorstellung des
Konzernchefs Sp. bei diesem Gespräch zu beanstanden.
13
Das Landgericht folgt der Darstellung des Zeugen, er habe bei dem
Gespräch am 9. Februar 2000 geglaubt, die Entscheidung
für das Konsortium sei bereits gefallen. Es stützt
diese Überzeugung auf eine Reihe von Vermerken, mit denen der
Zeuge von Mitarbeitern auf die Besprechung vorbereitet und
über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden war. In
diesen Vermerken ist indes zum Ausdruck gekommen, dass die Mitarbeiter
die Sache noch nicht für entschieden hielten. In einem
Vermerk, der nach der Zustimmung des Stadtrats zum Anteilsverkauf
erstellt wurde, ist dargelegt, dass selbst das Gespräch vom
27. März 2000 noch "der Vorbereitung endgültiger
Entscheidungen in H. gedient hätte". Der Vorbereitungsvermerk
für dieses Gespräch benennt zudem mehrere nicht
unerhebliche Punkte, über die noch Einigung erzielt werden
musste. Mit diesen Umständen, die dagegen sprechen, dass der
Konzernchef Sp. die Vorstellung hatte, die Entscheidung sei schon
gefallen, setzt sich das Urteil nicht auseinander.
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- 11 -
Als nicht tragfähig erweist sich auch die Begründung,
der Zeuge habe "auf die Kammer nicht den Eindruck gemacht, jemand zu
sein, der überhaupt Bestechungsgelder verteilt und schon gar
nicht für eine für seinen Konzern
grö-ßenmäßig relativ unbedeutsame
Transaktion". Sie vermittelt keinen objektiven Inhalt und
schöpft den im Übrigen festgestellen Sachverhalt
nicht aus. Danach war der Zeuge durch den Verlauf anderer
Beteiligungsverhandlungen gewohnt, mit Geldforderungen von Kommunen
konfrontiert zu werden. Angesichts dessen hätte sich das
Landgericht mit der Möglichkeit auseinandersetzen
müssen, dass der Zeuge ihm als üblich bekannte
Geldzahlungen außerhalb des Kaufpreises zur Erlangung eines
Zuschlags im Bieterverfahren lediglich nicht als "Bestechung" beurteilt
hat.
15
3. Über diese Fehler hinaus leidet das Urteil auch noch an
einem Mangel in der Darstellung des Sachverhalts: Soweit es
für die Überzeugungsbildung darauf ankommt, was die
Angeklagten und ihre Gesprächspartner von den
Energieversorgungsunternehmen bei den einzelnen Besprechungen und
Telefonaten gesagt haben, reicht die Feststellung, welchen Inhalt ein
über diese Kontakte von der einen oder anderen Seite
gefertigter Vermerk hatte, nicht aus. Es muss vielmehr festgestellt
werden, dass der jeweilige Vermerk den Ablauf des Gesprächs
auch zutreffend wiedergegeben und deshalb ein Gespräch mit
diesem Inhalt auch stattgefunden hat.
16
4. Das freisprechende Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern.
Der Senat kann, da es das Landgericht unterlassen hat, die
übrigen Tatbestandsmerkmale der Bestechlichkeit zu
untersuchen, nicht prüfen, ob der Freispruch zu Recht erfolgt
ist. Angesichts der bisher festgestellten Auffälligkeiten -
das beständige Eintreten der Angeklagten für einen
Vertragsabschluss mit dem Bieterkonsortium; die Erklärung des
Angeklagten S. gegenüber
17
- 12 -
der T. AG, eine Erhöhung des Kaufpreisangebots sei nicht mehr
erforderlich; die Abhängigkeit der Zahlungen des Konsortiums
von dem Abschluss der Beteiligungsverträge - erscheint es
möglich, dass ein neuer Tatrichter feststellt, die Angeklagten
hätten einen Vorteil gefordert und dabei ihre Bereitschaft
gezeigt, sich bei der Entscheidung über den
zukünftigen Beteiligungspartner durch den Vorteil beeinflussen
zu lassen (vgl. § 332 Abs. 1, 3 Nr. 2 StGB).
a) Die Angeklagten waren Amtsträger nach § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c) StGB.
18
Dies ergibt sich für den Angeklagten M. aus seiner Eigenschaft
als Oberbürgermeister ungeachtet des zum Tatzeitpunkt in H.
bestehenden zweigleisigen Kommunalverfassungssystems (vgl. Art. 11 Nr.
12 des Gesetzes zur Reform des niedersächsischen
Kommunalverfassungsrechts vom 1. April 1996) daraus, dass er
Vorsitzender des Verwaltungsausschusses war. Dieser Ausschuss (zu
dessen Aufgaben und Zuständigkeiten vgl. Lüersen,
Niedersächsische Gemeindeordnung, 15. Lfg., Anm. 2, 4 zu
§ 57 NGO aF) ist nicht rechtsetzend, sondern
ausführend tätig, so dass seine Mitglieder als
Amtsträger anzusehen sind (vgl. OLG Celle MDR 1962, 671; BGHSt
8, 21, 24).
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Auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats der SWH
AG war der Angeklagte M. Amtsträger, weil die SWH AG als eine
"sonstige Stelle" anzusehen ist, bei der der Angeklagte dazu bestellt
war, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Die
Verwendung einer privatrechtlichen Organisationsform für die
Stadtwerke spricht zwar dafür, dass auch im Zusammenhang mit
dem Wirken der privatrechtlichen Gesellschaft, ihrer Organe und ihrer
sonstigen Angestellten diejenigen Regeln gelten, die sonst auf
privatrechtliche Gesellschaften und die in ihrem Rahmen Handelnden
anzuwen-
20
- 13 -
den sind (BGHSt 38, 199, 203). Allein durch die Wahl einer
privatrechtlichen Organisationsform verliert die von den Stadtwerken zu
erfüllende Aufgabe aber nicht den Charakter als
Verwaltungsaufgabe; nicht diese Aufgabe, sondern nur die Organisation
ihrer Wahrnehmung ist privatisiert worden (vgl. BGHSt 43, 370; so auch
Schmidt-Aßmann/Röhl in Schmidt-Aßmann,
BesVerwR 13. Aufl. 1. Kap. Rdn. 122). Trotz ihrer privatrechtlichen
Organisationsform sind Einrichtungen Behörden jedenfalls dann
gleichzustellen, "wenn sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben derart
staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei Gesamtbewertung der sie
kennzeichnenden Merkmale gleichsam als 'verlängerter Arm' des
Staates erscheinen" (BGHSt 43, 370, 377; vgl. auch BGHSt 45, 15).
Dementsprechend ist der Geschäftsführer einer GmbH,
die sich in städtischem Alleinbesitz befindet und deren
wesentliche Geschäftstätigkeit die Versorgung der
Einwohner mit Fernwärme ist, als Amtsträger
gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB
angesehen worden, wenn die Stadt die
Geschäftstätigkeit im öffentlichen Interesse
steuert (BGH NStZ 2004, 380). Für eine solche Steuerung der
SWH AG (einer Eigengesellschaft im Sinne von § 108 Abs. 2 Nr.
2 NGO) sprechen auch die gemeinderechtlichen Vorschriften, welche die
Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform privaten
Rechts nur erlauben, wenn durch die Ausgestaltung des
Gesellschaftsvertrags oder der Satzung sichergestellt ist, dass der
öffentliche Zweck des Unternehmens erfüllt wird, und
wenn die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere im
Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan,
erhält (vgl. § 109 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 NGO). Zudem
werden nach § 111 Abs. 1 NGO die Gemeindevertreter in der
Gesellschafterversammlung oder einem der Gesellschafterversammlung
entsprechenden Organ von Eigengesellschaften - hier die
Hauptversammlung nach §§ 118 ff. AktG - vom Rat
gewählt. Sie haben die Interessen der Gemeinde zu verfolgen
und sind an die Beschlüsse des Rates und des
Verwaltungsausschusses gebunden.
- 14 -
b) Gleiches gilt für die Amtsträgereigenschaft der
Angeklagten S. und K. in deren Funktion als Vorstände der SWH
AG, in der sie den Verkauf eines Teils der Beteiligung an der EVI GmbH
und der EVI KG vorzubereiten hatten.
21
c) Ob die Angeklagten bei den Gesprächen mit dem
Vorstandsvorsitzenden der R. AG Sp. am 9. Februar 2000 sowie am 27.
März 2000 einen Vorteil für sich oder einen Dritten
gefordert haben, ist aufgrund der bisherigen Feststellungen zu dem
Zahlungsempfänger nicht ohne weiteres zu beurteilen.
22
aa) Es erscheint denkbar, dass der Angeklagte M. verlangt hat, neben
dem bislang verhandelten, an die SWH AG zu zahlenden Kaufpreis eine
Sonderleistung an die Stadt H. zu erbringen, die in den Haushalt der
Stadt hätte eingezahlt werden sollen, und dass die
Kaufinteressenten darauf eingegangen sind. Als Motivation
dafür, an Stelle eines höheren Kaufpreises eine
solche Gestaltung zu wählen, mag auf der Käuferseite
eine günstigere steuerrechtliche Gestaltung (sofortige
Abschreibung im Jahr der Zahlung an Stelle einer langjährigen
Abschreibung der Investition) oder ein Werbeeffekt (Public Relations)
eine Rolle spielen. Auf der Verkäuferseite mag entscheidend
sein, dass man nur so überhaupt noch eine höhere
Leistung von dem Käufer erlangen kann. Dies könnte
unter anderen Aspekten zu missbilligen sein, sogar gegen Vorschriften
(insbesondere des Steuerrechts) verstoßen; das Fordern eines
Vorteils im Sinne der §§ 331, 332 StGB
könnte darin nicht gesehen werden.
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Einen geldwerten Vorteil "für sich" hätten die
Angeklagten damit nicht gefordert, da das Geld dem Haushalt der Stadt
hätte zukommen sollen. Dass mit einer Geldzahlung des
Bieterkonsortiums an die Stadt für die Angeklagten im-
24
- 15 -
materielle Vorteile verbunden gewesen wären, erscheint bei den
Angeklagten S. und K. ausgeschlossen und liegt auch bei dem Angeklagten
M. nicht nahe.
Die Strafbarkeit wegen Forderns eines Vorteils "für einen
Dritten" würde daran scheitern, dass die Stadt H. , der
sämtliche Gesellschaftsanteile der SWH AG gehörten,
im Verhältnis zu dieser nicht "Dritte" im Sinne von
§§ 331 ff. StGB war.
25
bb) Hätten die Angeklagten allerdings vor dem
Vertragsabschluss die Zahlung des Kaufpreises an die SWH AG und die
Zahlung einer weiteren Summe an einen noch zu gründenden
Verein "P. " gefordert, läge darin ohne weiteres das Fordern
eines Vorteils für einen Dritten. Denn der Verein kann weder
mit der Stadt noch mit der SWH AG gleichgesetzt werden. Entsprechendes
würde gelten, wenn die Zahlung an eine sonstige Institution
gefordert worden wäre. Der neue Tatrichter wird die
Möglichkeit, dass die Angeklagten von Anfang an
beabsichtigten, das Geld in einen Verein "umzuleiten", nicht aus dem
Auge verlieren dürfen. Für sie könnte die
Motivation der Angeklagten sprechen, das Geld nicht dem Haushalt der
Stadt zuzuführen, sondern sich die Möglichkeit zu
verschaffen, es - befreit von haushaltsrechtlichen Bindungen - von
ihnen ausgewählten kulturellen Institutionen und Projekten
zuzuwenden.
26
d) Im Hinblick auf die Angeklagten S. und K. ist zu bedenken, dass
diese - nach den bisherigen Feststellungen - vor der Einigung
über den Anteilsverkauf niemals selbst eine Zahlung von den
Investoren gefordert hatten. Ihnen wäre ein Fordern durch den
Angeklagten M. aber als mittäterschaftliches Handeln
zuzurechnen, wenn sie einen gemeinsamen Tatplan gefasst und eigene
Beiträge dazu geleistet hätten. Ob solche
Beiträge etwa
27
- 16 -
darin gefunden werden, dass diese Angeklagten sich für ein
Wiedereinbeziehen von der T. AG und der RGE in das Bieterverfahren
eingesetzt haben, oder darin, dass der Angeklagte S. das
Gespräch zwischen dem Angeklagten M. und dem Zeugen Sp.
angebahnt und dem Investorenkonsortium mitgeteilt hat, dieses
müsse sein Angebot nicht erhöhen, um den Zuschlag zu
erhalten, hat der neue Tatrichter zu entscheiden.
III.
Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden
Hinweisen:
28
1. Sollte der neue Tatrichter eine Bestechlichkeit der Angeklagten
nicht für gegeben ansehen, wird er ihr Verhalten in der Zeit
nach den Zustimmungen der Gremien zum Abschluss des
Beteiligungsvertrages unter dem Aspekt des Tatbestandes der
Vorteilsannahme, dem Fordern eines Vorteils für eine (in der
Vergangenheit liegende) Dienstausübung (§ 331 Abs. 1
StGB), zu untersuchen haben. Der Angeklagte M. hat erkennbar in seiner
Eigenschaft als Amtsträger bei der T. AG eine Geldzahlung
für einen Fördererverein erbeten. Die Angeklagten S.
und K. haben unter dem Briefkopf der SWH AG gegenüber der T.
AG und der RGE die Zahlungen an den Verein "P. " unter Hinweis darauf,
dass der Oberbürgermeister M. Vereinsvorsitzender sei,
eingefordert. Darin könnte das Fordern eines Vorteils
für einen Dritten zu sehen sein, der keinen Anspruch auf eine
Leistung des Bieterkonsortiums hatte. Dabei liegt es nicht fern, dass
die Zahlungen, die nur für den Fall erfolgen sollten, dass der
Beteiligungsverkauf zustande kommen würde, mit der
Dienstausübung der Angeklagten verknüpft waren.
29
- 17 -
2. Zudem wäre zu prüfen, ob sich der Angeklagte M.
als Oberbürgermeister der Untreue zum Nachteil der Stadt H.
dadurch schuldig gemacht hat, dass er Geld des Konsortiums, das der
Stadt H. zugedacht und versprochen war, nicht dieser zur
Verfügung gestellt, sondern dem Verein "P. " verschafft hat,
über den er es im Weiteren nach seinem und dem der anderen
Vereinsmitglieder Gutdünken ausgegeben hat.
30
a) Der Angeklagte M. hätte - unabhängig von einer ihm
aus seinem Amt erwachsenden Vermögensbetreuungspflicht (vgl.
BGH NStZ 2003, 540; NStZ-RR 2005, 83; BGH, Beschl. vom 25. April 2006 -
1 StR 539/05; Bay-ObLGSt 38, 16, 19) - jedenfalls aufgrund einer
konkreten Zusage einer Geldspende "für die Stadt H. " die
Pflicht gehabt, die Vermögensinteressen der Stadt H. zu
betreuen. Aufgrund dieses Treueverhältnisses wäre er
verpflichtet gewesen, die Zahlungen als
außergewöhnliche, nicht im Haushaltsplan
veranschlagte Einnahme der Stadtkasse H. zuzuführen. Als
Ergebnis einer solchen Pflichtverletzung könnte der Stadt
dadurch ein Schaden entstanden sein, dass diese nicht über den
Geldbetrag verfügen konnte.
31
b) Diese Verpflichtung des Angeklagten war nicht von vornherein dadurch
entfallen, dass der Oberstadtdirektor es abgelehnt hat, die Zahlung
entgegenzunehmen. Der Angeklagte hätte sich damit nicht
abfinden dürfen. Es liegt nahe, dass die Gremien der Stadt der
Annahme des Geldes zugestimmt hätten, wenn den Zuwendungen der
Energieversorgungsunternehmen keine rechtlichen Bedenken mehr
entgegengestanden hätten.
32
- 18 -
IV.
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2
Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch.
33
Tolksdorf Winkler Pfister von Lienen RiBGH Hubert ist urlaubsbedingt an
der Unterzeichnung gehindert.
Tolksdorf |