BGH,
Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 250/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 250/05
vom
11.10.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Verdachts des Mordes
zu 2. Verdachts der Anstiftung zum Mord
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11.10.2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten S. ,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger des Angeklagten U. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers
wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12.01.2005
mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
Schwurgerichtskammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Die Angeklagte S. wurde wegen Totschlags an A. U. zu
zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt. A. U. war Ehefrau des Angeklagten
U. , mit dem die Angeklagte S. ein Verhältnis hatte. Der
Angeklagte
U. wurde vom Vorwurf der Anstiftung zur Tat der Angeklagten S.
freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft
und des Nebenklägers. Sie erstreben eine Verurteilung der
Angeklagten
S. wegen Mordes und eine Verurteilung des Angeklagten U. wegen
Anstiftung hierzu.
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Die auch vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit
der Sachrüge Erfolg.
I.
Zur Angeklagten S. :
1. Die Strafkammer hat zum Tatgeschehen festgestellt:
Die Angeklagte suchte A. U. in deren Wohnung in der
Schweiz auf. Sie führte dabei zwei Messer und zwei Flaschen
Sekt mit sich.
Sie übergab der ahnungslosen A. U. eine Sektflasche als
Geschenk.
A. U. kochte Kaffee und stellte Kuchen auf den Tisch und entfernte
sich dann kurz. Zum weiteren Geschehensverlauf hat die Strafkammer
festgestellt:
"Als A. U. …- die Tür … zumachte, trat
die Angeklagte … an
sie heran und packte sie am Hals. Zugunsten der Angeklagten ist davon
auszugehen,
dass sie A. U. nicht mehr - wie an sich beabsichtigt - von
hinten, sondern von vorn erwischte und ihren Angriff mit den Worten
'Geli, es
ist soweit' einleitete. ... A. U. , die … über
erhebliche Körperkräfte
verfügte, leistete heftige Gegenwehr.… Der ...
größeren Angeklagten … gelang
es … dennoch, A. U. im Würgegriff ins Wohnzimmer zu
ziehen und
dort zu Fall zu bringen. Sodann griff sie die … Sektflasche
und versetzte A.
U. damit … Schläge auf Kopf und Schulter.
Anschließend versetzte sie
A. U. mittels des … Küchenmessers einen Stich ins
Herz ….".
Heimtücke i. S. d. § 211 StGB lehnt die Strafkammer
ab. Im Hinblick auf
die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die
Angeklagte ihren Angriff auf
A. U. ihren Würgegriff von vorne und mit den Worten "Geli, es
ist
soweit", einleitetet, sei Heimtücke aus Rechtsgründen
zu verneinen.
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2. Diese Erwägung hält, wie auch der
Generalbundesanwalt im
Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
Die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers eines
Tötungsdelikts
kann auch dann bestehen, wenn der Täter ihm zwar offen
entgegentritt,
die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren
Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem
Angriff irgendwie
zu begegnen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3;
Senatsurteil
vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04). Maßgeblich ist die
Situation zum Zeitpunkt
des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs.
Dass die Arg- und
Wehrlosigkeit des Opfers nachfolgend durch den Angriff beseitigt werden
und
das Opfer sich (noch) gegen den Täter wehrt, ändert
nichts daran, dass zu Beginn
des Angriffs Heimtücke gegeben sein kann, weil effektive
Abwehrmittel
zunächst nicht zur Verfügung standen (vgl.
Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 211
Rdn. 8).
Es liegt nahe, dass es sich hier so verhält, jedenfalls
wäre dies zu erörtern
gewesen: Der erste Angriff war der völlig
überraschende Würgeangriff, als
A. U. die Tür schloss. Es versteht sich angesichts der
Körperkräfte
der Geschädigten und dem selbst in verzweifelter Lage von ihr
noch geleisteten
heftigen Widerstand zumindest nicht von selbst, dass die Angeklagte bei
offenem feindseligen Verhalten den Hals der Geschädigten
erreicht hätte. Der
Würgegriff war aber die entscheidende Voraussetzung
dafür, dass die Angeklagte
ihr Opfer letztlich zu Fall bringen und ihr die tödlichen
Schläge bzw. Stiche
versetzen konnte.
Gründe, die gegen die Annahme sprechen könnten, die
Angeklagte sei
sich der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der
Geschädigten nicht be-
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wusst gewesen, sind nicht erkennbar (vgl. auch Senatsurteil vom
31.05.2005
- 1 StR 290/04)
Der von der Strafkammer für möglich gehaltene
Ausspruch "Geli, jetzt ist
es soweit" kann an alledem nichts ändern, da er ersichtlich
unmittelbar mit dem
Würgeangriff zusammenfiel und daher keine Warnwirkung
entfalten konnte.
II.
Zum Angeklagten U. :
Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der Angeklagte U. der
Angeklagten S. für den Fall des Todes seiner Frau gemeinsame
Lebensperspektiven
in Aussicht gestellt und dies mit einzelnen
Äußerungen untermauert.
So hat er etwa im Zusammenhang mit einer von seiner Frau unternommenen
Schlittenfahrt zur Angeklagten S. gesagt: "Wenn sie abstürzen
würde, könntest Du bei mir einziehen". Auf eine
Äußerung der Angeklagten
S. , sie wolle A. U. "am liebsten den Hals umdrehen" erwiderte
er: "Wieso? Mach’s doch! Vielleicht können wir dann
zusammenkommen wir
zwei. Brauchst es nur mal machen". Diese und zahlreiche inhaltlich
identische
weitere Gespräche bewertet die Strafkammer dahin, dass sie
geeignet waren,
die Angeklagte "tatbereit zu machen". "Über derartige
Gespräche hinaus" sei
jedoch nicht festzustellen, dass "Einzelheiten der
Tatausführung so weit besprochen
wurden, wie dies bei der Persönlichkeit der Angeklagten S.
erforderlich
war". Wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend
ausgeführt
hat, reicht es für die Annahme einer Anstiftung i. S. d.
§ 26 StGB aus,
wenn die von ihm an den
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Täter gerichteten Aufforderungen zur Tatbegehung die Tat im
Kern kennzeichnen
und für den Tatentschluss mitursächlich waren. Eines
alle Einzelheiten der
Tatausführung festlegenden Tatplans bedurfte es dagegen auch
hier nicht.
Nack Wahl Boetticher
Hebenstreit Graf |