BGH,
Urt. v. 11.9.2003 - 1 StR 146/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 146/03
vom
11.9.2003
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.
September
2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 11. Dezember 2002 wird mit der Maßgabe
als unbegründet verworfen, daß die Verurteilung wegen
tateinheitlicher bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr
von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in zwei Fällen entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
bandenmäßigen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in vier
Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit
bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen
unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in zwei Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs
Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte
Revision des Angeklagten.
Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des
Schuldspruchs, bleibt
aber im übrigen erfolglos.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts existierte seit 1999 eine
türkisch/kurdische Rauschgifthändlerorganisation, die
Heroin im zweistelligen
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Kilobereich aus der Türkei nach Deutschland zum
gewinnbringenden Verkauf
transportierte. Dazu gehörten als
Führungspersönlichkeit in der Türkei A.
(phonetisch) und als wesentliche Repräsentanten in Deutschland
K.
und B. .
Der Angeklagte hatte zunächst im Interesse der Organisation
wiederholt
Bargeldbeträge gegen Provision auf ein Konto der Schwester des
K. in die Türkei überwiesen. In der Zeit von Januar
2001 bis Mai 2001 organisierte
er für den Rauschgifthändlerring vier
Drogenbeschaffungsfahrten
von Istanbul nach Deutschland für einen zugesagten Kurierlohn
von jeweils
50.000 DM nebst Fahrtkosten. Er kaufte mit Geld der Organisation die
Transportfahrzeuge
und warb die Fahrer an. Während der Fahrten stand er in
Telefonkontakt
mit den Fahrern und wurde seinerseits wiederholt von den
Führungsspitzen
der Organisation telefonisch nach den jeweiligen Positionen der
Fahrer befragt. Er band auch Familienmitglieder in die
Beschaffungsfahrten
ein. In den ersten beiden Fällen wurden jeweils 12 kg Heroin
mit einem Wirkstoffgehalt
von mindestens 40 % erfolgreich in den Raum Hamburg verbracht.
In beiden Fällen verzögerte sich dort die
Übergabe an Organisationsmitglieder,
weil der Angeklagte auf vorheriger Zahlung beharrte. In den letzten
beiden
Fällen wurden die Fahrer auf der Rückfahrt verhaftet.
Vor der Einschiffung im
Hafen von Patras wurde bei der dritten Fahrt das im Fahrzeug eingebaute
Heroin
von ca. 16 kg mit einem Wirkstoffgehalt von 40 % sichergestellt. Bei der
vierten Fahrt wurden 12,8 kg mit einem HHCL-Gehalt von ca. 56 % in
Venedig
sichergestellt. Für die letzten beiden Fahrten erhielt der
Angeklagte den vereinbarten
Kurierlohn nicht.
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Im Rahmen der Beweiswürdigung stellt die Kammer fest, der
Angeklagte
habe seiner Ehefrau mitgeteilt, er wolle mit möglichst wenigen
Fahrten ein reicher
Mann werden (UA S. 46).
Ferner organisierte der Angeklagte nach den Feststellungen auf
Aufforderung
von K. für Mitglieder der Organisation Wohnraum im Bereich
Augsburg, u.a. im Februar 2001 für den Kurden V. , der, wie
der Angeklagte
wußte, Heroin verkaufen sollte.
Vereinbarungsgemäß sollte der Angeklagte
Geld aus den Verkäufen des V. gegen Provision in die
Türkei überweisen.
2. a) Das Landgericht würdigt die vier Beschaffungsfahrten als
bandenmäßiges
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer
Menge, davon in den ersten beiden Fällen in Tateinheit mit
bandenmäßiger
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge gemäß
§ 30a Abs. 1 StGB. Das Landgericht nimmt an, der Angeklagte
sei spätestens
seit Januar 2001 Mitglied des türkischkurdischen
Heroinhändlerringes gewesen
und habe auch spätestens seit diesem Zeitpunkt
gewußt, daß er in die
bandenmäßige Organisation eingebunden war. Wie sich
aus seinem selbstbewußten
Auftreten gegenüber den weiteren Organisationsmitgliedern
ergebe,
sei sich der Angeklagte auch seiner Bedeutung innerhalb der
Organisation bewußt
gewesen. Er sei, was die Durchführung der Transporte anging,
nicht
leicht ersetzbar gewesen, worüber er sich auch im klaren
gewesen sei.
b) Im Rahmen der Strafzumessung wertet die Kammer zu Lasten des
Angeklagten, daß er die Taten als nicht
Drogenabhängiger nur zur Gewinnerzielungsabsicht
begangen hat.
II.
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Der Schuldspruch ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang
abzuändern. Die Änderung des Schuldspruchs hat keinen
Einfluß auf den
Strafausspruch. Im übrigen ist die Revision
unbegründet im Sinne von § 349
Abs. 2 StPO.
1. Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht davon aus, bei dem
türkisch/
kurdischen Heroinhändlerring handele es sich um eine Bande im
Sinne
von § 30a Abs. 1 BtMG.
Die weitere Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei
spätestens
seit Januar 2001 Mitglied dieser Bande gewesen, er habe seit diesem
Zeitpunkt
gewußt, daß er in die bestehende
Rauschgifthändlerorganisation eingebunden
war und habe die folgenden vier Drogentransporte als Mitglied dieser
Bande organisiert, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die
getroffenen
Feststellungen tragen diese Schlußfolgerungen.
Die Revision und der Generalbundesanwalt haben zunächst die
Annahme
der Bandenmitgliedschaft beanstandet, diese Auffassung aber in der
Hauptverhandlung nicht aufrechterhalten.
Zwar macht sich nur derjenige der bandenmäßigen
Begehung schuldig,
der den Willen hat, sich mit anderen zusammenzutun, um künftig
für eine gewisse
Dauer Straftaten zu begehen (BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1
Bandenmitglied
1). Auch nach der Entscheidung des Großen Senats für
Strafsachen
des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 - GSSt 1/00 - (BGHSt
46, 321) ist
der Wille zur Bindung für die Zukunft und für eine
gewisse Dauer bei einem
Zusammenschluß von mindestens drei Personen erforderlich. Ein
solcher Wille
des Angeklagten ist den Feststellungen mit hinreichender Sicherheit zu
entnehmen.
Dazu bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung. Der
Beitritt ist
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auch stillschweigend möglich (BGHR BtMG § 30a Bande
1). Dem Gesamtzusammenhang
der Urteilsgründe ist zu entnehmen, daß die Bindung
des Angeklagten
an die Bande spätestens ab Januar 2001 auch nach seinem Willen
auf
gewisse Dauer angelegt war, wovon das Landgericht ausgeht. Diesen
Schluß
lassen die vom Landgericht festgestellten Verhaltensweisen und
Äußerungen
des Angeklagten zu.
Dadurch, daß er im Januar 2001 das Kaufgeld für die
Anschaffung des
ersten Transportfahrzeugs vom Bandenmitglied K. annahm, nachdem
er die Durchführung der Drogenbeschaffungsfahrt zugesagt
hatte, dokumentierte
er seine Bereitschaft, eine eigenständige Aufgabe von einigem
Gewicht
im Rahmen der bandenmäßigen Organisation zu
übernehmen, nämlich einen
solchen Rauschgifttransport eigenverantwortlich für die Bande
zu organisieren.
Dadurch war er mit seinem Willen in die Bande aufgenommen, wie die
Kammer
rechtsfehlerfrei annimmt, denn er hat sich erkennbar so verhalten.
Einem Tätigwerden für die Bande steht weder die
festgelegte fixe Provision
noch die verlangte Übergabe des Kurierlohns vor Herausgabe des
Rauschgiftes entgegen. Nach der Entscheidung des Großen
Senats vom
22. März 2001 (aaO) ist abweichend von der früheren
Rechtsprechung ein
"gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem
übergeordneten Bandeninteresse"
nicht mehr erforderlich. Diese neue Rechtsprechung gilt auch
für
Altfälle, unabhängig davon, ob sie sich zugunsten
oder zu Lasten des Angeklagten
auswirkt - hier für die Beschaffungsfahrten im Januar und
Februar 2001
(BGH, Beschluß vom 18. April 2001 - 3 StR 69/01; vgl. BVerfG
NStZ 1990, 537
[zu § 316 StGB]). Das Bandenmitglied kann danach in der Bande
durchaus
eigene Interessen an einer risikolosen sowie effektiven
Tatausführung und
Gewinnerzielung verfolgen (BGHR BtMG § 30a Bande 10). Die
Kammer wertet
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das selbstbewußte Auftreten des Angeklagten
gegenüber anderen Organisationsmitgliedern
rechtsfehlerfrei dahin, daß er sich - was die Transporte
anging -
seiner Bedeutung innerhalb der Organisation bewußt war.
Die gewollte dauerhafte Einbindung belegt auch das weitere
Tätigwerden
des Angeklagten zur Verwirklichung des Bandenzwecks, indem er
für den
Verkauf in der Drogenszene Augsburgs dem Bandenmitglied und
Verkäufer
V. auf Anforderung dort im Februar 2001 eine Wohnung anmietete und
K. zusagte, die Gelder aus den ins Auge gefaßten
Verkäufen in die
Türkei zu überweisen.
Gegen einen jeweils neuen Tatentschluß bei jeder einzelnen
Fahrt
spricht die Mitteilung an seine Ehefrau, er wolle mit
möglichst wenigen Fahrten
ein reicher Mann werden. Zur Verwirklichung des Bandenzwecks hat er
sogar
seine Familienmitglieder eingebunden.
Die telefonische Überwachung der Transporte durch die
Hintermänner
der Bande und die Höhe des jeweiligen Kurierlohns zeigen die
Bedeutung, die
die Tatbeiträge des Angeklagten für die Bande hatten.
Sie lassen gerade nicht
den Schluß auf völlig untergeordnete
Tätigkeiten und fehlende Eingliederung
zu, sondern rechtfertigen die Annahme der Bandenmitgliedschaft. Eine
solche
wäre sogar dann zu bejahen, wenn die ihm zufallenden Aufgaben
sich bei
wertender Betrachtung als bloße Gehilfentätigkeit
darstellten (BGHSt 47, 214).
2. Bei Bandenhandel ist die bandenmäßig begangene
Einfuhr, sofern sie
- wie hier - im Rahmen ein- und desselben Güterumsatzes
erfolgt, unselbständiger
Teilakt des Bandenhandels (BGHSt 30, 28; BGHR BtMG § 30a
Konkurrenzen
1). Der tateinheitliche Schuldspruch wegen Bandeneinfuhr hat daher
bei den beiden ersten Beschaffungsfahrten zu entfallen.
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3. a) Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch
über
die Einzelfreiheitsstrafen für die ersten beiden Transporte
und auch der Ausspruch
über die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt, weil das
Tatunrecht unverändert
bleibt (BGH, Urt. v. 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03 -; Beschluß
vom
11. März 2003 - 1 StR 50/03).
b) Gegen die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer bestehen
auch sonst keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit sie zu
Lasten
des Angeklagten wertet, daß er die Taten als nicht
Drogenabhängiger nur zur
Gewinnerzielungsabsicht begangen habe, liegt entgegen der Auffassung der
Revision ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nach
§ 46 Abs. 3
StGB nicht vor. Zwar setzt Handeltreiben stets voraus, daß
der Täter nach Gewinn
strebt. Jedoch ist es dem Tatrichter nicht verwehrt, die
ausschließlich gewinnorientierte
Motivation eines Angeklagten als verwerflicher zu bewerten, als
den häufig vorkommenden Fall, daß der Täter
nur deshalb Handel mit Betäubungsmitteln
treibt, weil er keinen anderen Weg sieht, die Mittel für die
Befriedigung
seiner eigenen Rauschgiftabhängigkeit aufzubringen (BGHR StGB
§ 46
Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH NStZ-RR 1991, 50). Die Urteilsfeststellungen
belegen hier ein ausschließliches, den Rahmen des
Tatbestandsmäßigen
deutlich übersteigendes Gewinnstreben des Angeklagten. Die
Höhe des jeweiligen
Kurierlohnes von 50.000 DM für vier Heroinbeschaffungsfahrten
in Verbindung
mit
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der Äußerung des Angeklagten gegenüber
seiner Ehefrau, er wolle mit möglichst
wenigen Fahrten ein reicher Mann werden, lassen diesen Schluß
zu.
Auch bei bandenmäßiger Begehung ist im Rahmen der
Strafzumessung bei
dem einzelnen Bandenmitglied sein Gewinnstreben abzuschichten und zu
gewichten.
Wahl Schluckebier Kolz
Hebenstreit Elf |