BGH,
Urt. v. 12.12.2000 - 1 StR 184/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 184/00
vom
12. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen Volksverhetzung u.a.
StGB §§ 9 Abs. 1; 130
Stellt ein Ausländer von ihm verfaßte
Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung
im Sinne des § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3 StGB
erfüllen ("Auschwitzlüge"), auf einem
ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in
Deutschland zugänglich ist, so tritt ein zum Tatbestand
gehörender Erfolg (§ 9 Abs. 1 3. Alternative StGB) im
Inland ein, wenn diese Äußerungen konkret zur
Friedensstörung im Inland geeignet sind.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 - LG Mannheim
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
Dezember 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Nack, Dr. Boetticher, Hebenstreit, Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwälte und sowie
Rechtsanwältin als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 10. November 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte in den Fällen II.1 und II.3 der
Urteilsgründe der Volksverhetzung in Tateinheit mit
Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener schuldig ist;
b) im Ausspruch über die in den Fällen II.1 und II.3
verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der
Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit
Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in drei Fällen, in
einem Fall (II.2) zudem in weiterer Tateinheit mit Volksverhetzung, zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten
eingelegten Revision den Schuldspruch in den Internet-Fällen
II.1 und II.3 mit der Begründung an, der Angeklagte
hätte auch in diesen Fällen wegen Volksverhetzung
verurteilt werden müssen. Zudem beanstandet sie die
Strafzumessung. Der Angeklagte erhebt eine Verfahrensrüge und
die allgemeine Sachrüge. Die Revision der Staatsanwaltschaft
hat insoweit Erfolg, als die Verurteilung auch wegen Volksverhetzung
erstrebt wird; die Revision des Angeklagten hat mit einer
Verfahrensrüge Erfolg.
A.
I. Der 1944 in Deutschland geborene Angeklagte ist australischer
Staatsbürger. Er emigrierte 1954 mit seinen Eltern nach
Australien. Nachdem er dort Philosophie, Deutsch und Englisch studiert
hatte, kam er 1970/1971 nach Deutschland, wo er als Lehrer an einer
Werkschule tätig war. Anschließend studierte er in
Deutschland. 1977 begab er sich nach Afrika, 1980 kehrte er nach
Australien zurück und war dort als Lehrer tätig.
1996 schloß sich der Angeklagte mit Gleichgesinnten in
Australien zum "Adelaide Institute" zusammen, dessen Direktor er ist.
Seit 1992 befaßte er sich mit dem Holocaust. Er
verfaßte Rundbriefe und Artikel, die er über das
Internet zugänglich machte, in denen er "revisionistische"
Thesen vertrat. Darin wurde unter dem Vorwand wissenschaftlicher
Forschung die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene
Ermordung der Juden bestritten und als Erfindung "jüdischer
Kreise" dargestellt, die damit finanzielle Forderungen durchsetzen und
Deutsche politisch diffamieren wollten.
II. Drei Publikationen des Angeklagten sind Gegenstand der Verurteilung:
1. Internet-Fall II.1: Zwischen April 1997 und März 1999 - der
genaue Zeitpunkt ist nicht festgestellt - speicherte der Angeklagte
Webseiten auf einem australischen Server, die von der homepage des
Adelaide Institutes über dessen Internetadresse abgerufen
werden konnten. Diese Seiten enthielten drei englischsprachige Artikel
des Angeklagten mit den Überschriften "Über das
Adelaide Institut", "Eindrücke von Auschwitz" und "Mehr
Eindrücke von Auschwitz". Darin heißt es unter
anderem:
"In der Zwischenzeit haben wir festgestellt, daß die
ursprüngliche Zahl von vier Millionen Toten von Auschwitz ...
auf höchstens 800.000 gesenkt wurde. Dies allein ist schon
eine gute Nachricht, bedeutet es doch, daß ca. 3,2 Millionen
Menschen nicht in Auschwitz gestorben sind - ein Grund zum Feiern."
"Wir erklären stolz, daß es bis heute keinen Beweis
dafür gibt, daß Millionen von Menschen in
Menschengaskammern umgebracht wurden."
"Keine dieser Behauptungen ist je durch irgendwelche Tatsachen oder
schriftliche Unterlagen belegt worden, mit Ausnahme der
fragwürdigen Zeugenaussagen, welche häufig fiebrigen
Gehirnen entsprungen sind, die es auf eine Rente vom deutschen Staat
abgesehen haben."
2. Fall II.2: Im August 1998 verurteilte eine Amtsrichterin
Günter Deckert, weil dieser Max Mannheimer, einen
Überlebenden von Auschwitz, beleidigt hatte. Darauf schrieb
der Angeklagte aus Australien einen "offenen Brief" an die Richterin
und versandte diesen zugleich an zahlreiche weitere Adressaten, auch in
Deutschland, unter anderem an die Berliner Zeitschrift "Sleipnir". Den
englischsprachigen Text des Briefes stellte er in die homepage des
Adelaide Institutes ein. In dem Brief warf er Mannheimer vor,
Lügen über Auschwitz zu erzählen, und er
schrieb unter anderem:
"Ich habe Auschwitz im April 1997 besucht und bin aufgrund meiner
eigenen Nachforschungen jetzt zu der Schlußfolgerung gelangt,
daß das Lager in den Kriegsjahren niemals Menschengaskammern
in Betrieb hatte."
3. Internet-Fall II.3: Ende Dezember 1998/Anfang Januar 1999 stellte
der Angeklagte eine weitere Webseite in die homepage des Adelaide
Institutes ein. Diese Seite enthielt einen englischsprachigen Artikel
des Angeklagten mit der Überschrift "Fredrick Töbens
Neujahrsgedanken 1999". Darin heißt es unter anderem:
"In diesem ersten Monat des vorletzten Jahres der Jahrtausendwende
können wir auf eine fünfjährige Arbeit
zurückblicken und mit Sicherheit feststellen: die Deutschen
haben niemals europäische Juden in todbringenden Gaskammern im
Konzentrationslager Auschwitz oder an anderen Orten vernichtet. Daher
können alle Deutschen und Deutschstämmigen ohne den
aufgezwungenen Schuldkomplex leben, mit dem sie eine bösartige
Denkweise ein halbes Jahrhundert lang versklavt hat."
"Auch wenn die Deutschen jetzt aufatmen können,
müssen sie sich doch darauf gefaßt machen,
daß sie weiterhin diffamiert werden, da Leute wie Jeremy
Jones von den organisierten Juden Australiens sich nicht über
Nacht grundlegend ändern. Ihre Auschwitz-Keule war ein gutes
Instrument für sie, das sie gegen alle diejenigen geschwungen
haben, die mit ihrer politischen Überzeugung nicht
einverstanden sind, um sie ´funktionsfähig zu
machen´, wie Jones sich äußerte."
Das Landgericht konnte bei den Internet-Fällen weder
feststellen, daß der Angeklagte von sich aus
Online-Anschlußinhaber in Deutschland oder anderswo
angewählt hätte, um ihnen die genannten Webseiten zu
übermitteln (zu "pushen"), noch daß -
außer dem ermittelnden Polizeibeamten - Internetnutzer in
Deutschland die homepage des Adelaide Institutes angewählt
hatten.
III. Die Publikationen des Angeklagten hat das Landgericht wie folgt
rechtlich gewürdigt:
1. In allen drei Fällen hat das Landgericht den Angeklagten
wegen Beleidigung (der überlebenden Juden) in Tateinheit mit
Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt.
2. In allen drei Fällen habe der Angeklagte das
Verfolgungsschicksal der ermordeten und überlebenden Insassen
des Konzentrationslagers Auschwitz geleugnet. In den Fällen
II.1 und II.3 habe er den Holocaust als erfundenes Druckmittel zur
Erlangung politischer Vorteile und im Fall II.3 zusätzlich
auch zur Erlangung finanzieller Vorteile bezeichnet.
Durch das von vornherein beabsichtigte öffentliche
Zugänglichmachen dieser die Menschenwürde
verletzenden Beleidigungen und Verunglimpfungen habe der Angeklagte
zugleich auch die Gefahr begründet, daß dadurch der
öffentliche Friede gestört würde. Seine ins
Internet gestellten Artikel seien geeignet gewesen, das
Sicherheitsempfinden und das Vertrauen in die Rechtssicherheit
insbesondere der jüdischen Mitbürger empfindlich zu
stören.
Das erfülle zwar den Tatbestand der Volksverhetzung nach
§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Aber lediglich im Fall II.2 (offener
Brief) könne eine Verurteilung auch wegen Volksverhetzung
erfolgen. Nur hier läge eine Inlandstat vor, für die
deutsches Strafrecht gelte. Für die Internet-Fälle
(II.1 und II.3) gelte das deutsche Strafrecht indessen nicht, soweit es
die Volksverhetzung betrifft (§ 3 StGB). Insoweit sei kein
inländischer Ort der Tat (§ 9 StGB) gegeben, denn
gehandelt (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB) habe der Angeklagte nur in
Australien, und einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg
(§ 9 Abs. 1 3. Alt. StGB) könne es bei einem
abstrakten Gefährdungsdelikt wie der Volksverhetzung nicht
geben. Auch sonst (§§ 5 bis 7 StGB) gelte das
deutsche Strafrecht nicht.
B.
Presserechtliche Verjährung ist auch bei dem Fall II.1 schon
deshalb nicht eingetreten, weil kein Presseinhaltsdelikt vorliegt, denn
es geht nicht um die körperliche Verbreitung eines an ein
Druckwerk gegenständlich gebundenen strafbaren Inhalts (vgl.
BGH NStZ 1996, 492).
C. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge
Erfolg.
I. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
1. Rechtsanwalt B. , der Wahlverteidiger des Angeklagten vor dem
Landgericht, war am 25. März 1999 wegen Volksverhetzung
verurteilt worden, weil er in einem anderen Strafverfahren gegen den
dortigen Angeklagten Deckert einen Beweisantrag gestellt hatte, mit dem
er den Völkermord an der jüdischen
Bevölkerung unter der Herrschaft des Nationalsozialismus
verharmlost hatte. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des
Angeklagten hat der Bundesgerichtshof in der Revisionshauptverhandlung
vom 6. April 2000 verworfen (BGHSt 46, 36).
2. Unter Hinweis auf das gegen ihn anhängige
Revisionsverfahren hatte der Verteidiger deshalb am 3. November 1999 -
noch vor Beginn der zweitägigen Hauptverhandlung am 8.
November 1999 - sein Wahlmandat niedergelegt und darum gebeten, ihn
auch nicht als Verteidiger zu bestellen, weil er sich nicht in der Lage
sehe, eine effiziente Verteidigung zu führen. Gleichwohl
bestellte der Vorsitzende der Strafkammer am 4. November 1999
Rechtsanwalt B. als Verteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO
mit der Begründung, dieser sei nicht gehindert, an der
ordnungsgemäßen Durchführung des
Strafverfahrens durch sachdienliche Verteidigung des Angeklagten
mitzuwirken.
Am ersten Hauptverhandlungstag gab Rechtsanwalt B. nach Feststellung
der Personalien des Angeklagten eine Erklärung ab, in der er
konkret darlegte, daß er zu einer substantiierten
Verteidigung nicht in der Lage sei. In der jetzigen Lage gäbe
es für ihn - aus Angst vor weiterer Strafverfolgung - nur die
Möglichkeit, die Hauptverhandlung zu verlassen oder schweigend
zu verbleiben. Er werde jedoch die Hauptverhandlung, solange er
beigeordnet sei, nicht verlassen. Die Verantwortung, ob der Angeklagte
sachdienlich verteidigt sei, liege daher beim Vorsitzenden. Am zweiten
Hauptverhandlungstag stellte der Angeklagte den Antrag auf
Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwalt B. und auf
Beiordnung eines namentlich benannten anderen Verteidigers. Der
vorgeschlagene Verteidiger lehnte jedoch die Verteidigung wegen
Arbeitsüberlastung ab. Die Bestellung von Rechtsanwalt B. nahm
der Vorsitzende nicht zurück. Rechtsanwalt B. sei nicht
gehindert, den Angeklagten im Rahmen der Gesetze zu verteidigen. Das
Vertrauensverhältnis sei ersichtlich nicht gestört.
Im übrigen sei dem Angeklagten die persönliche
Situation seines Verteidigers bekannt gewesen; gleichwohl habe er
keinen anderen Verteidiger beauftragt. Im Hinblick auf das
Beschleunigungsgebot komme eine Zurücknahme der Bestellung
nicht in Betracht.
Rechtsanwalt B. stellte in der Hauptverhandlung keine
Beweisanträge; nach dem Schluß der Beweisaufnahme
machte er keine Ausführungen und stellte auch keinen Antrag.
3. Rechtsanwalt B. legte für den Angeklagten Revision ein.
Nachdem der Bundesgerichtshof in dem Verfahren gegen Rechtsanwalt B.
den Termin für die Revisionshauptverhandlung bestimmt hatte,
wies Rechtsanwalt B.
das Landgericht darauf hin, daß mit einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs erst nach Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist zu rechnen sei, und beantragte
erneut die Bestellung eines anderen Verteidigers. Der Vorsitzende der
Strafkammer lehnte den Antrag ab. In der von ihm verfaßten
Revisionsbegründungsschrift erhob Rechtsanwalt B. lediglich
die allgemeine Sachrüge. Er machte unter Hinweis auf die oben
geschilderten Vorgänge geltend, er sei gehindert, die
Sachrüge näher auszuführen, und beantragte
die Bestellung eines anderen Verteidigers zur weiteren
Revisionsbegründung, insbesondere zu der Frage, ob der
Angeklagte vor dem Landgericht ordnungsgemäß
verteidigt war. Diesen Antrag ließ der Vorsitzende der
Strafkammer unbeschieden. Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat
mit Verfügung vom 25. Juli 2000 die Bestellung von
Rechtsanwalt B. zurückgenommen und dem Angeklagten einen
anderen Verteidiger bestellt, der die Verfahrensrüge erhoben
und insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten hat.
II. Mit dieser Verfahrensrüge wird der absolute Revisionsgrund
des § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht. Rechtsanwalt B. sei aus
Furcht vor eigener Bestrafung daran gehindert gewesen, den Angeklagten
sachgerecht und effektiv zu verteidigen. Er sei zwar
körperlich anwesend gewesen, in der Hauptverhandlung jedoch
untätig geblieben, insbesondere habe er keinen
Schlußvortrag gehalten (§ 145 Abs. 1 StPO).
III. Der Senat kann offen lassen, ob der absolute Revisionsgrund des
§ 338 Nr. 5 StPO gegeben ist (vgl. BGHSt 39, 310, 313; BGH
NStZ 1992, 503), denn sowohl in den Entscheidungen des Vorsitzenden der
Strafkammer über die Auswahl und Bestellung als auch
über die Nichtzurücknahme der Bestellung liegt ein
Verfahrensverstoß, auf dem das Urteil beruhen kann.
1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt,
daß die Verfügung des Vorsitzenden, durch die ein
Verteidiger bestellt wird, als Vorentscheidung gemäß
§ 336 StPO unmittelbar der Überprüfung durch
das Revisionsgericht unterliegt, weil das Urteil auf ihr beruhen kann.
Die Statthaftigkeit einer solchen Rüge hängt nicht
davon ab, daß der Angeklagte zuvor eine Entscheidung des
Gerichts herbeigeführt hat. Dies gilt in gleicher Weise
für eine Entscheidung des Vorsitzenden, mit der die
Zurücknahme der Bestellung abgelehnt worden ist (BGHSt 39,
310, 311; BGH NStZ 1992, 292; NStZ 1995, 296 jew. m.w.N.; vgl. auch BGH
StV 1995, 641; NStZ 1997, 401; StV 1997, 565).
2. Die Entscheidungen des Vorsitzenden verletzten § 140 und
§ 141 StPO und damit das Recht des Angeklagten auf wirksame
Verteidigung (vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK). Sie
verstießen zudem gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens
(vgl. BGHSt 39, 310, 312). Es lag ein wichtiger Grund vor, Rechtsanwalt
B. nicht zu bestellen und dessen Bestellung zurückzunehmen.
Als wichtiger Grund für die Bestellung oder die
Zurücknahme der Bestellung kommt jeder Umstand in Frage, der
den Zweck der Verteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand
zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf
zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet. Die
Fürsorgepflicht gegenüber dem Angeklagten wird es dem
Vorsitzenden regelmäßig verbieten, einen Verteidiger
zu bestellen, der die Verteidigung wegen eines Interessenkonflikts
möglicherweise nicht mit vollem Einsatz führen kann
(BVerfG - Kammer - NJW 1998, 444).
Bei Rechtsanwalt B. lag ein solcher Interessenkonflikt offensichtlich
vor. Er konnte den Angeklagten im Hinblick auf sein eigenes
Strafverfahren nicht unbefangen verteidigen. Da die
Maßstäbe für die Grenzen eines
zulässigen Verteidigerverhaltens in Fällen der
vorliegenden Art (§ 130 Abs. 5 StGB)
höchstrichterlich noch nicht geklärt waren, konnte er
keine effektive Verteidigung führen, denn er mußte
besorgen, sich selbst strafbar zu machen.
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
daß im Fall II.2 zu prüfen sein wird, ob neben dem
Leugnungstatbestand (§ 130 Abs. 3 StGB) auch eine
qualifizierte Auschwitzlüge (§ 130 Abs. 1 StGB)
vorliegt.
D. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge
überwiegend Erfolg; auch für die in den
Internet-Fällen II.1 und II.3 tateinheitlich begangene
Volksverhetzung gilt das deutsche Strafrecht.
I. Die Äußerungen in den Internet-Fällen
II.1 und II.3 haben einen volksverhetzenden Inhalt, und zwar sowohl
nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB als auch nach
§ 130 Abs. 3 StGB.
1. In beiden Internet-Fällen liegt die sog. qualifizierte
Auschwitzlüge (BGH NStZ 1994, 140; BGHSt 40, 97) vor, die den
Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB
(Beschimpfungs-Alternative) und des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB
(Aufstachelungs-Alternative) erfüllt.
a) Mit offenkundig unwahren Tatsachenbehauptungen (BVerfGE 90, 241; BGH
NStZ 1994, 140; 1995, 340) wird nicht nur das Schicksal der Juden unter
der Herrschaft des Nationalsozialismus als Lügengeschichte
dargestellt, sondern diese Behauptung wird auch mit dem Motiv der
angeblichen Knebelung und Ausbeutung Deutschlands zugunsten der Juden
verbunden. Im Fall II.1 wird die Qualifizierung insbesondere deutlich
durch die Formulierung:
"... häufig fiebrigen Gehirnen entsprungen sind, die es auf
eine Rente vom deutschen Staat abgesehen haben.". Im Fall II.3
insbesondere durch die Formulierungen "Schuldkomplex", "versklavt" und
"Auschwitz-Keule".
b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht deshalb angenommen,
daß der Äußerungstatbestand des §
130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, zumindest in der Form des Beschimpfens (vgl. von
Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 22), gegeben ist. Es liegt
eine besonders verletzende Form der Mißachtung vor. Im Fall
II.1 insbesondere durch die Formulierung "ein Grund zum Feiern" und im
Fall II.3 insbesondere durch die Formulierung "mit dem sie eine
bösartige Denkungsweise ein halbes Jahrhundert lang versklavt
hat". Da die Behauptungen darauf ausgingen, feindliche Gefühle
gegen die Juden im allgemeinen und gegen die in Deutschland lebenden
Juden zu erwecken und zu schüren, liegt auch ein Angriff gegen
die Menschenwürde vor (BGH NStZ 1981, 258; vgl. auch BGHSt 40,
97, 100; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 12, 18; Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 130 Rdn.
7).
c) Nach den Feststellungen liegt aber auch - was dem Angeklagten
bereits in der Anklage vorgeworfen wurde - eine Volksverhetzung im
Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. dazu BGHSt 31,
226, 231; 40, 97, 100; BGH NStZ 1981, 258; 1994, 140; von Bubnoff aaO
§ 130 Rdn. 18; Lenckner aaO § 130 Rdn. 5a;
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 130 Rdn. 4;
Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 130 Rdn. 5, 20b).
Die Feststellungen belegen (vgl. UA S. 21), daß die
Äußerungen dazu bestimmt waren, eine gesteigerte,
über die bloße Ablehnung und Verachtung
hinausgehende feindselige Haltung gegen die in Deutschland lebenden
Juden zu erzeugen (vgl. BGHSt 40, 97, 102).
2. Zugleich wird - was gleichfalls angeklagt ist - eine unter der
Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in §
220a Abs. 1 StGB bezeichneten Art geleugnet und verharmlost (§
130 Abs. 3 StGB). Die vom Angeklagten persönlich
verfaßten Internetseiten waren für einen nach Zahl
und Individualität unbestimmten Kreis von Personen unmittelbar
wahrnehmbar und damit öffentlich (Lackner/Kühl aaO
§ 80a Rdn. 2). Der Leugnungstatbestand des § 130 Abs.
3 StGB steht in Tateinheit zum Äußerungstatbestand
des § 130 Abs. 1 StGB (von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 50).
3. Soweit daneben der Schriftenverbreitungstatbestand des §
130 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b StGB erfüllt sein sollte, wird er
von § 130 Abs. 1 StGB verdrängt, wenn sich - wie hier
- die Äußerung gegen Teile der
(inländischen) Bevölkerung richtet (Lenckner aaO
§ 130 Rdn. 27; für Tateinheit auch insoweit wohl von
Bubnoff aaO § 130 Rdn. 50).
4. Die Voraussetzungen der Tatbestandsausschlußklausel des
§ 130 Abs. 5 StGB i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB (vgl. dazu
BGHSt 46, 36) liegen nicht vor. Die Äußerungen
dienen nicht der Wissenschaft, Forschung oder Lehre (BVerfG - Kammer -
Beschluß vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88 -; BVerwG NVwZ
1988, 933); sie sind auch nicht durch das Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung geschützt (BVerfGE 90,
241; BVerfG - Kammer - Beschluß vom 6. September 2000 - 1 BvR
1056/95 -).
5. Die Eignung zur Friedensstörung ist gemeinsames
Tatbestandsmerkmal von § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB, die
zusätzlich zu der Äußerung hinzutreten
muß.
a) Mit der Eignungsformel wird die Volksverhetzung nach § 130
Abs. 1 und Abs. 3 StGB zu einem abstrakt-konkreten
Gefährdungsdelikt (vgl. Senat in BGHSt 39, 371 zum Freisetzen
ionisierender Strahlen nach § 311 Abs. 1 StGB und in NJW 1999,
2129 zur Straftat nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG); teilweise wird
diese Deliktsform auch als "potentielles Gefährdungsdelikt"
bezeichnet (BGH NJW 1994, 2161; vgl. auch Sieber NJW 1999, 2065, 2067
m.w.N.). Dabei ist die Deliktsbezeichnung von untergeordneter
Bedeutung; solche Gefährdungsdelikte sind jedenfalls eine
Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte (Senat NJW 1999,
2129).
b) Für die Eignung zur Friedensstörung ist deshalb
zwar der Eintritt einer konkreten Gefahr nicht erforderlich (so aber
Rudolphi in SK-StGB 6. Aufl. § 130 Rdn. 10; Roxin Strafrecht
AT Bd. 1 3. Aufl. § 11 Rdn. 28; Schmidhäuser,
Strafrecht BT 2. Aufl. S. 147; Gallas in der Festschrift für
Heinitz S. 181). Vom Tatrichter verlangt wird aber die
Prüfung, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung
gefahrengeeignet ist (vgl. BGH NJW 1999, 2129 zu § 34 Abs. 2
Nr. 3 AWG).
Notwendig ist allerdings eine konkrete Eignung zur
Friedensstörung; sie darf nicht nur abstrakt bestehen und
muß - wenn auch aufgrund generalisierender Betrachtung -
konkret festgestellt sein (HansOLG Hamburg MDR 1981, 71; OLG Koblenz
MDR 1977, 334; OLG Köln NJW 1981, 1280; von Bubnoff aaO
§ 130 Rdn. 4; Tröndle/Fischer aaO § 130 Rdn.
2; Lenckner aaO § 130 Rdn. 11; Lackner/Kühl aaO
§ 130 Rdn. 19 i.V.m § 126 Rdn. 4; Streng in der
Festschrift für Lackner S. 140 ). Deshalb bleibt der
Gegenbeweis der nicht gegebenen Eignung zur Friedensstörung im
Einzelfall möglich.
c) Dieses Verständnis von der Eignung zur
Friedensstörung entspricht auch der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu vergleichbaren Eignungsdelikten wie dem
Freisetzen ionisierender Strahlen nach § 311 Abs. 1 StGB
(BGHSt 39, 371; NJW 1994, 2161) oder der Straftat nach § 34
Abs. 2 Nr. 3 AWG (BGH NJW 1999, 2129). Ähnliches gilt
für den unerlaubten Umgang mit gefährlichen
Abfällen nach § 326 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. BGHSt 39,
381, 385; BGH NStZ 1994, 436; 1997, 189).
d) Für die Eignung zur Friedensstörung
genügt es danach, daß berechtigte - mithin konkrete
- Gründe für die Befürchtung vorliegen, der
Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche
Rechtssicherheit erschüttern (BGHSt 29, 26; BGH NStZ 2000,
530, zur Veröffentlichung in BGHSt 46, 36 bestimmt, BGH NStZ
1981, 258).
6. Die Taten waren geeignet, den öffentlichen Frieden zu
stören.
a) Eine solche Eignung wird durch die bisherigen Feststellungen belegt.
Im Hinblick auf die Informationsmöglichkeiten des Internets,
also aufgrund konkreter Umstände, mußte damit
gerechnet werden - und darauf kam es dem Angeklagten nach den
bisherigen Feststellungen auch an -, daß die Publikationen
einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt werden.
b) Der Angeklagte verfolgte das Ziel, revisionistische Thesen zu
verbreiten (UA S. 3, 4) und er wollte auch, daß jedermann
weltweit und damit auch in Deutschland die Artikel lesen konnte (UA S.
18; die mißverständlichen Ausführungen auf
UA S. 43 widersprechen dem nicht). Er wollte damit auch aktiv in die
Meinungsbildung bei der Verbreitung der Thesen in Kreisen deutscher
"Revisionisten" eingreifen, wie der "offene Brief" mit seinem
Verteilerkreis im Fall II.2 zeigt.
c) Es ist offenkundig, daß jedem Internet-Nutzer in
Deutschland die Publikationen des Angeklagten ohne weiteres
zugänglich waren. Die Publikationen konnten zudem von
deutschen Nutzern im Inland weiter verbreitet werden. Daß
gerade deutsche Internet-Nutzer - unbeschadet der Abfassung in
englischer Sprache - zum Adressatenkreis der Publikationen
gehörten und gehören sollten, ergibt sich
insbesondere auch aus ihrem Inhalt, der einen nahezu
ausschließlichen Bezug zu Deutschland hat (etwa: "untersuchen
wir die Behauptung, daß die Deutschen systematisch sechs
Millionen Juden umgebracht haben"; "Die Jagdsaison auf die Deutschen
ist eröffnet"; "Daher können alle Deutschen und
Deutschstämmigen ohne den aufgezwungenen Schuldkomplex leben";
"Die Deutschen können wieder stolz sein").
d) Das Landgericht hat daher zu Recht angenommen, daß der
Angeklagte eine Gefahrenquelle schuf, die geeignet war, das gedeihliche
Miteinander zwischen Juden und anderen Bevölkerungsgruppen
empfindlich zu stören und die Juden in ihrem
Sicherheitsgefühl und in ihrem Vertrauen auf Rechtssicherheit
zu beeinträchtigen (UA S. 21).
II. Das deutsche Strafrecht gilt für das abstrakt-konkrete
Gefährdungsdelikt der Volksverhetzung nach § 130 Abs.
1 und Abs. 3 StGB auch in den Internet-Fällen. Seine
Anwendbarkeit ergibt sich aus § 3 StGB in Verbindung mit
§ 9 StGB. Denn hier liegt eine Inlandstat (§ 3 StGB)
vor, weil der zum Tatbestand gehörende Erfolg in der
Bundesrepublik eingetreten ist (§ 9 Abs. 1 3. Alt. StGB).
1. Die Auslegung des Merkmals "zum Tatbestand gehörender
Erfolg" muß sich an der ratio legis des § 9 StGB
ausrichten. Nach dem Grundgedanken der Vorschrift soll deutsches
Strafrecht - auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland - Anwendung
finden, sofern es im Inland zu der Schädigung von
Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren
Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist (BGHSt 42, 235,
242; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdn. 24). Daraus folgt,
daß das Merkmal "zum Tatbestand gehörender Erfolg"
im Sinne des § 9 StGB nicht ausgehend von der Begriffsbildung
der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden kann.
2. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit kann der Gesetzgeber durch
verschiedene Ausgestaltungen eines Gefährdungsdelikts
vornehmen. Er kann konkrete Gefährdungsdelikte schaffen (wie
§ 315c StGB), oder aber abstrakt-konkrete (wie § 130
Abs. 1 und Abs. 3, § 311 Abs. 1 StGB, § 34 AWG) und
rein abstrakte Gefährdungstatbestände (wie §
316 StGB). Wie der Gesetzgeber den Deliktscharakter bestimmt,
hängt häufig vom Rang des Rechtsguts und der
spezifischen Gefährdungslage ab.
Daß konkrete Gefährdungsdelikte - als Untergruppe
der Erfolgsdelikte - dort, wo es zur konkreten Gefahr gekommen ist,
einen Erfolgsort haben, ist weitgehend unbestritten (vgl. nur Gribbohm
aaO § 9 Rdn. 20 und Hilgendorf NJW 1997, 1873, 1875 m.w.N.).
Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte stehen zwischen konkreten
und rein abstrakten Gefährdungsdelikten. Sie sind unter dem
hier relevanten rechtlichen Gesichtspunkt des Erfolgsorts mit konkreten
Gefährdungsdelikten vergleichbar, weil der Gesetzgeber auch
hier eine zu vermeidende Gefährdung - den Erfolg - im
Tatbestand der Norm ausdrücklich bezeichnet. Ob bei rein
abstrakten Gefährdungsdelikten ein Erfolgsort jedenfalls dann
anzunehmen wäre, wenn die Gefahr sich realisiert hat, braucht
der Senat nicht zu entscheiden.
3. Bei abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten ist ein Erfolg
im Sinne des § 9 StGB dort eingetreten, wo die konkrete Tat
ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand
umschriebene Rechtsgut entfalten kann. Bei der Volksverhetzung nach
§ 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB ist das die konkrete Eignung zur
Friedensstörung in der Bundesrepublik Deutschland (Collardin
CR 1995, 618: speziell zur Auschwitzlüge, wenn der
Täter in Deutschland wirken will; Kuner CR 1996, 453, 455: zu
Äußerungen im Internet; Beisel/Heinrich JR 1996, 95;
Heinrich mit beachtlichen Argumenten in GA 1999, 72; ähnlich
Martin ZRP 1992, 19: zu grenzüberschreitenden Umweltdelikten).
a) Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers bei Schaffung
des Volksverhetzungstatbestandes im Jahre 1960 (vgl. dazu Streng aaO).
Schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen
wollte er dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich
nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken und schon den
Anfängen wehren (Streng aaO S. 508: "Klimaschutz").
Mit der Einfügung des Leugnungstatbestandes des § 130
Abs. 3 StGB im Jahre 1994 betonte der Gesetzgeber nochmals die
Intention, "eine Vergiftung des politischen Klimas durch die
Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewalt- und
Willkürherrschaft zu verhindern" (Bericht des
Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks. 12/8588 S. 8;
vgl. auch Bundesministerin der Justiz bei der 1. Beratung des
Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der Leugnung des
nationalsozialistischen Völkermordes - BTDrucks. 12/7421 - am
18. Mai 1994, Plenarprotokoll der 227. Sitzung des Deutschen
Bundestages, S. 19671).
Der Gesetzgeber wollte somit den strafrechtlichen Schutz vorverlagern;
schon die "Vergiftung des politischen Klimas" sollte unterbunden
werden. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit war - wie das Abstellen auf
das "politische Klima" zeigt - auch davon bestimmt, daß eine
konkrete Gefährdung oder gar eine individuelle
Rechtsgutverletzung nur sehr selten unmittelbar auf eine einzelne
Äußerung zurückgeführt werden
könne (vgl. Streng aaO S. 512, der zusätzlich darauf
hinweist, daß die Menschenwürde anderer nur
angegriffen, nicht aber verletzt werden muß).
b) Auch sonst wird der Begriff des Erfolgsorts nicht im Sinne der
allgemeinen Tatbestandslehre verstanden.
So hat der Bundesgerichtshof bei abstrakten
Gefährdungsdelikten einen "zum Tatbestand gehörenden
Erfolg" im Sinne des § 78a Satz 2 StGB
(Verjährungsbeginn) durchaus für möglich
gehalten: "Bei diesen Delikten [§ 326 Abs. 1 StGB, abstraktes
Gefährdungsdelikt] tritt mit der Begehung zugleich der Erfolg
der Tat ein, der in der eingetretenen Gefährdung, nicht in
einer aus der Gefährdung möglicherweise
später erwachsenden Verletzung besteht" (BGHSt 36, 255, 257;
siehe auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 78a Rdn. 11).
Auch kann ein abstraktes Gefährdungsdelikt durch Unterlassen
begangen werden. Dabei setzt § 13 StGB gleichfalls einen
Erfolg voraus, "der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört"
(vgl. BGH NStZ 1997, 545: Tatbestandsverwirklichung des § 326
Abs. 1 StGB durch Unterlassung, die lediglich nicht fahrlässig
war; BGHSt 38, 325, 338: die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB waren durch Unterlassen
erfüllt, dieser Tatbestand wurde allerdings von § 324
StGB verdrängt). Das entspricht auch der
überwiegenden Auffassung in der Literatur
(Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 2;
Lackner/Kühl aaO § 13 Rdn. 6; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 13 Rdn.
3; aA Jescheck in LK 11. Aufl. § 13 Rdn. 2, 15).
c) Soweit von einer verbreiteten Meinung die Auffassung vertreten wird,
abstrakte Gefährdungsdelikte könnten keinen
Erfolgsort im Sinne des § 9 StGB haben (OLG München
StV 1991, 504: zur Hehlerei als schlichtem Tätigkeitsdelikt;
KG NJW 1999, 3500; Gribbohm aaO § 9 Rdn. 20;
Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 9 Rdn. 6;
Lackner/Kühl aaO § 9 Rdn. 2; Jakobs Strafrecht AT 2.
Aufl. S. 117; Horn/Hoyer JZ 1987, 965, 966;
Tiedemann/Kindhäuser NStZ 1988, 337, 346; Cornils JZ 1999,
394: speziell zur Volksverhetzung im Internet), wird nicht immer
hinreichend zwischen rein abstrakten und abstrakt-konkreten
Gefährdungsdelikten differenziert. Aber auch dort, wo die
Auffassung vertreten wird, daß abstrakt-konkrete bzw.
potentielle Gefährdungsdelikte - als Unterfall der abstrakten
Gefährdungsdelikte - keinen Erfolgsort hätten
(Hilgendorf NJW 1997, 1873; Satzger NStZ 1998, 112), vermag das nicht
zu überzeugen.
Die Verneinung eines Erfolgsorts bei abstrakten
Gefährdungsdelikten wird zumeist nicht näher
begründet, stützt sich aber ersichtlich auf den
geänderten Wortlaut des § 9 StGB. Durch das 2. StrRG
vom 4. Juli 1969 (BGBl I S. 717), in Kraft getreten am 1. Januar 1975
(BGBl I 1973 S. 909), wurde der Erfolgsort nicht mehr nur mit dem
"Erfolg", sondern mit dem "zum Tatbestand gehörenden Erfolg"
umschrieben. Da eine konkrete Gefahr oder gar eine Gefahrverwirklichung
gerade nicht zum Tatbestand eines abstrakten
Gefährdungsdelikts gehöre, könne auch der
Ort der Gefährdung nicht Tatort sein.
Allerdings war das Ziel der Gesetzesänderung nicht, eine
Begrenzung des § 9 Abs. 1 3. Alt. StGB auf Erfolgsdelikte
vorzunehmen, wie Sieber (NJW 1999, 2065, 2069) überzeugend
dargelegt hat. Das Merkmal "zum Tatbestand gehörender Erfolg"
sollte lediglich klarstellen, daß der Eintritt des Erfolges
in enger Beziehung zum Straftatbestand zu sehen ist (Kielwein in:
Niederschriften über die Sitzung der Großen
Strafrechtskommission IV, AT, 38. bis 52. Sitzung, 1958, S. 20).
Mit der Aufnahme der (konkreten) Eignung zur Friedensstörung
in den Tatbestand des § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB hat der
Gesetzgeber indes die enge Beziehung des Eintritts des Erfolges zum
Straftatbestand umschrieben und damit den zum Tatbestand
gehörenden Erfolg selbst bestimmt.
d) Auch die vermittelnden Meinungen von Oehler (Internationales
Strafrecht 2. Aufl. Rdn. 257), Jescheck (Lehrbuch des Strafrechts AT 4.
Aufl. S. 160; nicht eindeutig Jescheck/Weigend, Lehrbuch des
Strafrechts AT 5. Aufl. S. 178) und Sieber (NJW 1999, 2065), die bei
der hier vorliegenden Fallgestaltung zu einer Verneinung des
Erfolgsorts führen würden, vermögen an dem
gefundenen Ergebnis nichts zu ändern.
4. Für die Anwendung des deutschen Strafrechts bei der
Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB in
Fällen der vorliegenden Art liegt auch ein
völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt vor.
Denn die Tat betrifft ein gewichtiges inländisches Rechtsgut,
das zudem objektiv einen besonderen Bezug auf das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland aufweist (vgl. Jescheck/Weigend aaO S. 179;
Hilgendorf NJW 1997, 1873, 1876; Derksen NJW 1997, 1878, 1880; Martin
ZRP 1992, 19, 22). Auch soll die Verletzung dieses Rechtsguts gerade
von dieser Strafvorschrift unterbunden werden.
Das Äußerungsdelikt nach § 130 Abs. 1 StGB
schützt Teile der inländischen Bevölkerung
schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen
und will - wegen der besonderen Geschichte Deutschlands - dem
Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesenen
Eigendynamik entgegenwirken. Der Leugnungstatbestand des § 130
Abs. 3 StGB hat aufgrund der Einzigartigkeit der unter der Herrschaft
des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen einen
besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland (vgl. von Bubnoff aaO
§ 130 Rdn. 45; Lackner/Kühl aaO § 130 Rdn.
8a; Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen
Union betreffend die Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit vom 15. Juli 1996, Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften vom 24. Juli 1996, Nr. L 185/5).
5. Es kann offen bleiben, ob der Angeklagte auch im Inland gehandelt
haben könnte (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB), wenn ein
inländischer Internet-Nutzer die Seiten auf dem australischen
Server aufgerufen und damit die Dateien nach Deutschland
"heruntergeladen" hätte. Der Senat hätte allerdings
Bedenken, eine auch bis ins Inland wirkende Handlung darin zu sehen,
daß der Angeklagte sich eines ihm zuzurechnenden Werkzeugs
(der Rechner einschließlich der Proxy-Server, Datenleitungen
und der Übertragungssoftware des Internets) zur -
physikalischen - "Beförderung" der Dateien ins Inland bedient
hätte. Eine Übertragung des im Zusammenhang mit der
Versendung eines Briefes (vgl. dazu Gribbohm aaO § 9 Rdn. 39)
entwickelten Handlungsbegriffes (zu Rundfunk- und
Fernsehübertragungen siehe auch KG NJW 1999, 3500) auf die
Datenübertragung des Internets liegt eher fern.
III. Das deutsche Strafrecht gilt auch für die Erfolgsdelikte
der Beleidigung (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 185 Rdn.
15; Roxin aaO § 10 Rdn. 102; Hilgendorf NJW 1997, 1783, 1876)
und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 189 Rdn. 2) in den
Internet-Fällen. Die Ehrverletzung (zu den Grenzen der
Meinungsfreiheit vgl. BVerfG - Kammer - Beschluß vom 6.
September 2000 - 1 BvR 1056/95 -) trat jedenfalls mit der
Kenntniserlangung des ermittelnden Polizeibeamten ein (vgl. BGHSt 9,
17; Tröndle/Fischer aaO § 185 Rdn. 15; Lenckner aaO
§ 185 Rdn. 5, 16). Hierbei handelte es sich nicht etwa um
vertrauliche Äußerungen, von denen sich der Staat
Kenntnis verschafft hat (vgl. BVerfGE 90, 255).
IV. Die somit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO vorzunehmende
Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.1 und
II.3 führt zur Aufhebung der in diesen Fällen
verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Da der
Schuldspruch im Fall II.2 von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht
angegriffen wird, war die in diesem Fall verhängte
Einsatzstrafe nicht aufzuheben, denn insoweit enthält die
Strafzumessung keinen den Angeklagten begünstigenden
Rechtsfehler.
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