BGH,
Urt. v. 12.12.2001 - 1 StR 441/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 441/01
vom
12. Dezember 2001
in der Strafsache gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Totschlag u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat aufgrund der Verhandlung
vom 11. Dezember 2001 in der Sitzung am 12. Dezember 2001, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Schäfer und die Richter am Bundesgerichtshof Nack, Dr. Wahl,
Schluckebier, Dr. Kolz, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt in der Verhandlung als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 26. Juni 2001 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum
Totschlag und wegen Nötigung unter Einbeziehung eines
anderweitigen Urteils zur Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Die
hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die
Verletzung von Verfahrensrecht und sachlichem Recht. Das Rechtsmittel
ist unbegründet.
I.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen
übersiedelte der zum Tatzeitpunkt etwa 20 1/2 Jahre alte, in
Kasachstan geborene Angeklagte im Jahre 1992 mit seiner Familie nach
Deutschland. Wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung
in zwei Fällen, wegen unerlaubten Erwerbs von
Betäubungsmitteln und Diebstahls vorgeahndet, verurteilte ihn
das Landgericht Ulm am 20. Oktober 1997 wegen Raubes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Köperverletzung in drei Fällen
unter Einbeziehung des letzten vorangegangenen Urteils zu fünf
Jahren Jugendstrafe. Dieses Urteil hat der erkennende Richter wiederum
einbezogen.
Jene Jugendstrafe wurde in der Justizvollzugsanstalt R. vollzogen. Dort
kam dem Angeklagten innerhalb einer Gruppe von etwa 100
Rußlanddeutschen eine herausragende Führungsrolle
zu. Die Gruppe verbreitete unter den Gefangenen Angst und Schrecken.
Die Bedrohungssituation war so stark, daß es der Angeklagte
bei unverschlossenen Zellentüren wagen konnte, die Zellen auch
wesentlich älterer Mitgefangener zu betreten, deren
Schränke zu durchsuchen und in deren Anwesenheit ohne
Widerspruch Gegenstände an sich zu nehmen und für
sich zu behalten. Dies wurde dadurch gefördert, daß
der Angeklagte wiederholt in zum Teil massive tätliche
Auseinandersetzungen verwickelt war, bei denen Mitgefangene geschlagen
wurden. Der Angeklagte gelangte auf nicht bekannte Weise auch in den
Besitz eines ca. 20 cm langen und 0,5 cm dicken, runden Stahlstabes,
der an beiden Enden zugespitzt war. Überdies besaß
er ein präpariertes Messer aus der
Beschäftigtenkantine der Justizvollzugsanstalt, dessen Griff
ca. 10,5 cm lang und dessen Klinge beidseitig so zugeschliffen war,
daß sie noch 4,5 cm lang, "äußerst scharf"
war und vorne spitz zulief.
1. Im November 1999 zwang der Angeklagte in der Toilette des
Schulbereichs der Justizvollzugsanstalt den Mitgefangenen E. , in die
Zelle eines anderen Gefangenen ein Heroinbriefchen so
hineinzuschmuggeln, daß dieses von Justizvollzugsbeamten
gefunden werden sollte. Dadurch wollte sich der Angeklagte bei dem
betroffenen Gefangenen dafür rächen, daß
dieser aus Rußland stammende Mitgefangene bei der Polizei
belastet hatte. Der Angeklagte unterstützte seine Aufforderung
gegenüber E. mit den Worten, er solle den Auftrag
ausführen, wenn er das Messer "nicht irgendwo drin haben
wolle". E. kam unter dem Eindruck der Drohung der Aufforderung nach.
Das Heroinbriefchen wurde alsbald von Vollzugsbeamten gefunden (Fall 1
- Nötigung).
2. Für die Betreuung des Angeklagten in der
Justizvollzugsanstalt war der Vollzugsbeamte Z. zuständig,
dessen korrektes Verhalten dem Angeklagten ein Dorn im Auge war.
Gegenüber dem Mitgefangenen Ze. hatte der Angeklagte
geäußert, er werde schon noch einmal einen Beamten
"plattmachen, ihn umlegen". Ze. wie auch der weitere Zellengenosse K.
hatten mehrmals täglich Reinigungsarbeiten für den
Angeklagten zu erledigen und auf seine Weisung auch die Zellentoilette
zu putzen. Beide Gefangene kamen den Aufforderungen des Angeklagten
nach, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Bei einer
Haftraumkontrolle am Vormittag des 16. Dezember 1999 fand der
Vollzugsbeamte Z. im Bett des Angeklagten den 20 cm langen, beidseitig
spitz zugeschliffenen Metallstab. Dies versetzte den Angeklagten in
Wut. Mittags befanden sich mit ihm noch die Gefangenen Kr. und K. auf
der Zelle. K. erwartete, zu seiner am Nachmittag vor dem Amtsgericht R.
anstehenden Hauptverhandlung abgeholt zu werden. Der Angeklagte
forderte K. auf, den Vollzugsbeamten Z. , der an diesem Tage Dienst
hatte, abzustechen, sobald dieser die Zelle aufschließe.
Dabei fuchtelte er außer sich vor Wut mit dem
präparierten Messer aus der Beschäftigtenkantine vor
K. herum und äußerte, daß er K. dieses
Messer für die Tat geben werde. Er, der Angeklagte, werde
später aussagen, Z. habe K. angegriffen. Um seiner Forderung
Nachdruck zu verleihen, stach der Angeklagte mit dem Messer wuchtig auf
eine auf dem Tisch liegende Zeitung ein. Während der
Mitgefangene Kr. teilnahmslos auf seinem Bett saß,
hörte K. sich die Aufforderung des Angeklagten, Z. zu
töten, kommentarlos an. Er mied jeglichen Blickkontakt mit dem
Angeklagten. Auch auf dessen wiederholte Aufforderung, Z.
"abzustechen", reagierte K. nicht (Fall 2 - versuchte Anstiftung zum
Totschlag).
Die Strafkammer ist der Auffassung, das Vorhaben des Angeklagten, K.
zur Tötung des Vollzugsbeamten Z. zu veranlassen, sei somit
gescheitert gewesen. Aufgrund einer Würdigung der
Umstände ist sie überzeugt, daß der
Angeklagte tatsächlich und ernsthaft die Tötung Z. s
erstrebte.
II.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung deckt keinen seinen Bestand
gefährdenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision die Vereidigung der als
Zeugin vernommenen Rechtsanwältin G. , die seinerzeit den
Zeugen und Mitgefangenen K. vertreten hatte. Die Revision meint, gegen
diese Zeugin habe der Verdacht der versuchten Strafvereitelung
zugunsten des Angeklagten bestanden; sie habe deshalb nicht vereidigt
werden dürfen (§ 60 Nr. 2 StPO).
Dem liegt zugrunde, daß sich der Zeuge K. am Nachmittag des
Tattages seiner damaligen Verteidigerin, Rechtsanwältin G. ,
offenbarte und um Rat bat. Die Zeugin Rechtsanwältin G. war
den Urteilsgründen zufolge "zunächst ratlos",
"fürchtete um ihren Ruf unter den Gefangenen in der
Vollzugsanstalt R. ", verkannte darüber hinaus aber auch den
Ernst der Situation und nahm die ihr "zugetragene"
Äußerung des Angeklagten, den sie allerdings nicht
kannte, nicht ernst (UA S. 13/14).
Bei dieser Sachlage durfte die Strafkammer die Zeugin
Rechtsanwältin G. vereidigen und ihre Aussage auch als
eidliche würdigen. Angesichts der im Urteil getroffenen
Feststellungen, diese habe die Äußerung des
Angeklagten gegenüber ihrem Mandanten K. "nicht ernst"
genommen und die Situation verkannt, liegt auf der Hand, daß
sie jedenfalls keinen Strafvereitelungsvorsatz hatte.
2. Das angefochtene Urteil weist auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht
keinen durchgreifenden Rechtsmangel auf.
a) Feststellungen und Beweiswürdigung zum Fall 1
(Nötigung zum Nachteil E. ) lassen weder Unklarheiten noch
Lücken oder Widersprüche erkennen. Welche
Vollzugsbeamten wann das Heroinbriefchen unter welchen
Umständen fanden, was sie daraufhin veranlaßten und
von welcher Menge und Qualität das Heroin war, bedurfte keiner
ausdrücklichen Feststellung; denn hier steht nicht etwa eine
Betäubungsmittelstraftat in Rede. Auch als
"Prüfstein" für die Glaubhaftigkeit der Aussage des
Zeugen E. waren solche Feststellungen nicht zwingend geboten. Das
Urteil läßt jedenfalls in seinem Zusammenhang
erkennen, daß das Briefchen tatsächlich Heroin
enthielt.
Ebenso ergeben die Urteilsgründe, daß der Angeklagte
den Zeugen E. mit einem vorgehaltenen Messer bedroht hat (UA S. 12, 15,
19). Soweit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung meint
offenlassen zu sollen, ob das Tage nach der Tat vom Schulleiter der
Justizvollzugsanstalt aufgefundene und sichergestellte Messer auch das
vom Angeklagten bei der Tat benutzte Messer gewesen sei (UA S. 19),
offenbart das weder eine Lücke in der Beweiswürdigung
noch vermag es sonst den Schuldspruch wegen Nötigung in Frage
zu stellen. Bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben des
Zeugen E. stellt die Strafkammer darauf ab, daß das von
diesem beschriebene Messer dem im Fall 2 vom Zeugen K. geschilderten
entsprach (UA S. 22). Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
b) Im Fall 2 (versuchte Anstiftung zum Totschlag) ist der Revision und
dem Generalbundesanwalt einzuräumen, daß es
für den Tatrichter hier nahegelegen hätte, sich
näher mit der Frage des Fehlschlags des Anstiftungsversuches
auseinanderzusetzen, von dem das Landgericht ausgeht. Daß
dies nicht geschehen ist, begründet vor dem Hintergrund der im
übrigen getroffenen Feststellungen keinen Rechtsfehler. Der
Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch
hinreichend deutlich, daß der Versuch des Angeklagten
tatsächlich gescheitert war, ein freiwilliger
Rücktritt also nicht in Betracht kam.
Nach § 30 Abs. 1 StGB wird derjenige, der einen anderen zur
Begehung eines Verbrechens zu bestimmen versucht, nach den Vorschriften
über den Versuch des Verbrechens bestraft. Straffrei bleibt er
indessen, wenn er freiwillig den Versuch aufgibt, den anderen zur
Verbrechensbegehung zu bestimmen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Abzugrenzen von den Fällen des unbeendeten und beendeten
Versuchs, in denen strafbefreiender Rücktritt möglich
ist, sind indessen die Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs. In
diesen ist entweder der Erfolgseintritt - für den
Täter erkanntermaßen - objektiv nicht mehr
möglich, oder der Täter hält ihn nicht mehr
für möglich. Beim fehlgeschlagenen Versuch ist der
Rücktritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
ausgeschlossen (vgl. nur BGHSt 39, 222, 228 m.w.Nachw.; BGHR StGB
§ 31 Abs. 1 Freiwilligkeit 3). Ein solcher Fall des
fehlgeschlagenen Versuchs liegt allerdings dann nicht vor, wenn der
Täter nach anfänglichem Mißlingen des
vorgestellten Tatablaufs - hier der Anstiftung - sogleich zu der
Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit
den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat
(Anstiftung) doch noch vollenden (BGH aaO; siehe auch BGHSt 34, 53, 56;
BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 1).
Die Strafkammer hat den Bestimmungsversuch des Angeklagten als
gescheitert (UA S. 13) und als fehlgeschlagen (UA S. 3, 22) bewertet,
weil der Zeuge K. dem Ansinnen des Angeklagten nicht nachkam (UA S. 3).
Daraus ergibt sich, daß sie davon ausgegangen ist, der
Angeklagte habe die konkludente Weigerung des Zeugen K. , das ihm
angesonnene Verbrechen zu begehen, als solche erkannt und auch nicht
die Vorstellung gehabt, er könne den Tatentschluß
bei K. doch noch herbeiführen. Zwar setzt sich die Strafkammer
nicht ausdrücklich mit den Vorstellungen
("Rücktrittshorizont") des Angeklagten und der Frage etwaiger
anderer einsatzbereiter Mittel zur Fortführung des
Bestimmungsversuches auseinander. Dessen bedurfte es hier aber nicht,
weil sich die dafür maßgeblichen Umstände
nach Auffassung des Senats aus dem Zusammenhang der
Urteilsgründe ergeben. Insoweit gilt:
Bei der Prüfung, ob dem Angeklagten nach seiner Vorstellung
noch andere erfolgversprechende einsatzbereite Mittel zur
Verfügung standen, haben die denkbaren Möglichkeiten
einer eigenhändigen Begehung des Verbrechens zum Nachteil Z.
sowie die Bestimmung des anderen Zellengenossen zum Totschlag von
vornherein außer Betracht zu bleiben; denn dies wäre
eine andere Tat. Es kommt hier, bei einem Anstiftungsversuch nach
§ 30 Abs. 1 StGB, allein auf die in Rede stehende
Anstiftungshandlung gerade gegenüber dem Zeugen K. an. Denkbar
wäre insoweit allenfalls gewesen, daß der Angeklagte
seine Drohgebärde verstärkt und gar Gewalt
unmittelbar gegen K. angedroht oder eingesetzt hätte.
Praktisch schied dies indessen angesichts des vom Landgericht
festgestellten Geschehensverlaufs ersichtlich aus. Der Angeklagte
unternahm den Bestimmungsversuch am Tattag um 12.30 Uhr. K. sollte
indessen kurz darauf aus der Zelle geholt und zu seinem am Nachmittag
stattfindenden Hauptverhandlungstermin zum Amtsgericht gebracht, also
dem Einflußbereich des Angeklagten entzogen werden (UA S.
13). Unter diesen Umständen ist es von Rechts wegen nicht zu
beanstanden, wenn das Landgericht im Ergebnis davon ausgeht, der
Angeklagte habe erkannt, K. nicht mehr erfolgreich anstiften zu
können.
c) Auch gegen den Strafausspruch ist von Rechts wegen nichts zu
erinnern.
Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz |