BGH,
Urt. v. 12.2.2003 - 1 StR 403/02
1 StR 403/02
StGB § 211 Abs. 2, § 32
1. Der Erpresser ist in einer von ihm gesuchten Konfrontation mit dem
Erpreßten gegenüber einem wehrenden Gegenangriff des
Erpreßten auf sein Leben regelmäßig nicht
arglos im Sinne des Mordmerkmals der Heimtücke, wenn er in
dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zu beenden
und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des
Erpreßten zu bewirken.
2. Zur Notwehr gegen eine Erpressung.
BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - 1 StR 403/02 - LG
Nürnberg-Fürth
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
12. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat aufgrund der Verhandlung
am 11. Februar 2003 in der Sitzung vom 12. Februar 2003, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Nack und
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Schluckebier, Dr. Kolz, die
Richterin am Bundesgerichtshof Elf, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung am 11. Februar
2003 -, Rechtsanwalt - in der Sitzung vom 12. Februar 2003 - als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 15. März 2002 mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Heimtückemordes zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten
hat mit der Sachbeschwerde Erfolg. Die Annahme der Strafkammer, der
Angeklagte habe heimtückisch gehandelt, ist ebenso
rechtsfehlerhaft wie die Verneinung einer Notwehrlage. Zudem weisen die
weiteren Ausführungen der Strafkammer zur Frage einer etwaigen
Rechtfertigung des Angeklagten und zur inneren Tatseite
Erörterungsmängel auf.
I.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatte der
später vom Angeklagten getötete M. diesem in
Teilbeträgen 6.000 DM abgepreßt. Er hatte ihm
gedroht, ihm im Nichtzahlungsfalle wegen seines Handels mit sog.
Raubpressungen von Kompaktschallplatten (CDs) Schwierigkeiten bei der
Polizei zu bereiten und ihn von Freunden zusammenschlagen zu lassen.
Beide, M. und der Angeklagte, waren miteinander bekannt und hatten oft
persönlichen Kontakt. Als der Angeklagte am Tattage morgens M.
in dessen Wohnung besuchte, verlangte dieser weitere 1.000 DM. M.
drohte ihm erneut mit einer Anzeige wegen seiner illegalen
Geschäfte. Um den Angeklagten zur Zahlung zu veranlassen, rief
M. über die Notrufnummer die Polizei an, um "einen Termin" zu
vereinbaren. Er kündigte überdies an, er werde mit
Freunden das Geld von ihm eintreiben. Der Angeklagte ließ
sich jedoch nicht zur Zahlung bewegen und verließ
schließlich M. s Wohnung.
Abends suchte M. in Begleitung eines gewissen Ma. den Angeklagten in
dessen Wohnung auf. Der Angeklagte ließ beide ein.
Während Ma. Proviant und eine Flasche Wodka besorgte, stritten
der Angeklagte und M. lautstark miteinander. M. hielt dem Angeklagten
vor, daß er seit drei Jahren von Sozialhilfe lebe und daneben
illegal CDs verkaufe. Er forderte nunmehr vom Angeklagten die Zahlung
von 5.000 DM. Nach Ma. s Rückkehr tranken die drei Anwesenden
schließlich - am Wohnzimmertisch sitzend - drei Viertel des
Inhalts einer Flasche Wodka, der Angeklagte indessen lediglich etwa 0,2
cl. Als der Angeklagte auch auf M. s erneute, nun höhere
Forderung nicht einging und diese ablehnte, drohte M. , die
Wohnzimmereinrichtung zu zerstören. Der Angeklagte bot M.
darauf die Übergabe von 1.200 DM an, die er in der Wohnung
habe. Dies war M. jedoch zu wenig; er bestand auf der Zahlung von 5.000
DM und drohte im weiteren Verlauf erneut mit Polizei und Finanzamt
sowie der Zerstörung der Sachen in der Wohnung oder aber der
Mitnahme von Gegenständen im Wert von 5.000 DM.
Schließlich begann M. , gegen die CD-Sammlung des Angeklagten
zu treten. Der Angeklagte erklärte sich daraufhin bereit, den
geforderten Betrag zu zahlen, wenn M. "seine Sachen in Ruhe
ließe". Er ging ins Badezimmer seiner "Einraumwohnung mit
offenem Küchenbereich" und holte dort eine
Plastiktüte aus einem Versteck, in der sich 5.000 DM und 500
US-Dollar befanden. Zurück im Wohnzimmer
überließ er Ma. die Tüte. Die Strafkammer
vermochte nicht zu klären, ob Ma. dem Angeklagten die
Tüte aus der Hand riß oder ob der Angeklagte sie an
Ma. übergab.
M. stand zu diesem Zeitpunkt mit den Händen in den
Hosentaschen im Wohnzimmer. Völlig überraschend
für ihn, der "keinerlei Angriff erwartete", trat der
Angeklagte hinter ihn, um ihn zu töten. Er war wütend
darüber, daß M. ihm das angesparte Geld wegnehmen
wollte; er mochte sich von M. nicht seine Existenz zerstören
lassen. Blitzschnell riß er den Kopf M. s zurück,
schlug ihm mehrfach auf denselben und schnitt M. mit einem aus der
Hosentasche gezogenen feststehenden, einseitig geschliffenen
Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 5,8 cm sofort
mehrfach von links nach rechts durch den Hals. Dabei fügte er
M. mehrere bis auf die Wirbelsäule reichende
Schnittverletzungen zu. M. brach zusammen und verstarb umgehend. Der
völlig überraschte Ma. rannte unter Mitnahme des
Geldes aus der Wohnung. Er wurde später aufgrund seines
Tatbeitrages wegen Erpressung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe
verurteilt (UA S. 32). Bei dem trinkgewohnten M. bestand zum
Todeszeitpunkt eine hochgradige Alkoholbeeinflussung. Seine
Blutalkoholkonzentration lag zwischen 3,03 und 3,26 Promille. Die
Strafkammer geht davon aus, daß M. , der als "laut, nervig,
sich aufspielend und trinkfest" charakterisiert wird (UA S. 6), auch
von anderen Personen Geldbeträge "gefordert" hatte, ohne
"hierauf einen Anspruch zu haben" (UA S. 18).
II.
Der Schuldspruch wegen Mordes kann von Rechts wegen keinen Bestand
haben.
Das Landgericht hält die Tötungshandlung des
Angeklagten für heimtückisch (§ 211 Abs. 2
StGB). M. sei zum Zeitpunkt der Messerattacke des Angeklagten arglos
gewesen; er habe sich keines Angriffs versehen. Der Streit zwischen
beiden sei beendet gewesen, als der Angeklagte der Forderung M. s
nachgegeben und das Geld herbeigeholt habe. Der Angeklagte habe sich
deshalb auch nicht mehr in einer Notwehrsituation befunden (§
32 StGB). Der Angriff M. s, der seiner Geldforderung mit einem
Fußtritt gegen die CD-Sammlung des Angeklagten Nachdruck
verliehen habe, sei abgeschlossen gewesen, als der Angeklagte der
Forderung M. s nachgekommen sei.
Beide Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht
stand. Der Annahme heimtückischen Handelns des Angeklagten
steht hier entgegen, daß M. wegen seines erpresserischen
Angriffs mit Gegenwehr des objektiv noch in einer Notwehrlage
befindlichen Angeklagten rechnen mußte und deshalb nicht
gänzlich arglos sein konnte.
1. Die Notwehrlage bestand für den Angeklagten
während seiner Messerattacke auf M. noch fort. M. s
erpresserischer Angriff auf das Vermögen des Angeklagten war
noch "gegenwärtig" im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB. Er
war zwar vollendet, aber noch nicht beendet; denn die Beute war noch
nicht gesichert (vgl. BGH bei Holtz MDR 1979, 985; siehe weiter BGHSt
27, 336, 339; BGH NJW 1979, 2053; RGSt 55, 82, 84; Lenckner/Perron in
Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 32 Rdn.
13, 15; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 32 Rdn. 4).
Notwehr ist nicht darauf beschränkt, die Verwirklichung der
gesetzlichen Merkmale des Tatbestandes abzuwenden. Sie ist zum Schutz
gegen den Angriff auf ein bestimmtes Rechtsgut zugelassen. Dieser
Angriff kann trotz Vollendung des Delikts noch fortdauern und deshalb
noch gegenwärtig sein, solange die Gefahr, die daraus
für das bedrohte Rechtsgut erwächst, entweder doch
noch abgewendet werden kann oder bis sie umgekehrt endgültig
in den Verlust umgeschlagen ist. Nur im Falle des endgültigen
Verlustes handelt es sich etwa bei einem Angriff auf Eigentum und
Besitz beweglicher Sachen für den Berechtigten nicht mehr um
die Erhaltung der Sachherrschaft, sondern um deren Wiedererlangung,
für die Gewaltanwendung jedenfalls nicht mehr unter dem
Gesichtspunkt der Notwehr zugelassen ist (so schon RGSt 55, 82, 84).
2. Die fortbestehende Notwehrlage bleibt - unbeschadet der weiteren
Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes (siehe unten unter III.)
- in Fällen der vorliegenden Art nicht ohne Auswirkungen auf
die Beantwortung der Frage heimtückischen Handelns (§
211 Abs. 2 StGB) des sich zur Wehr setzenden Opfers der Erpressung, des
Angeklagten:
Heimtücke setzt unter anderem die Ausnutzung der Arglosigkeit
des Getöteten voraus (vgl. nur BGHSt 32, 382, 388). Der
Erpresser ist in der von ihm gesuchten Konfrontation mit dem
Erpreßten im Blick auf einen etwaigen wehrenden Gegenangriff
des Opfers auf sein Leben jedoch nicht arglos, wenn er in dessen
Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zu beenden und
damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des
Erpreßten zu bewirken. Das sich wehrende Erpressungsopfer
handelt in einem solchen Falle mithin in aller Regel nicht
heimtückisch.
Arglos in dem bei heimtückischer Begehungsweise
vorausgesetzten Sinn ist der Getötete dann, wenn er nicht mit
einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten
erheblichen, geschweige denn mit einem lebensbedrohlichen Angriff
rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen
entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des
konkreten Falles. Die Frage, ob ein Mensch arglos ist, beurteilt sich
grundsätzlich nach seiner tatsächlich vorhandenen
Einsicht in das Vorhandensein einer Gefahr. Daß er einen
tätlichen Angriff (hier: Gegenangriff) in Rechnung gestellt
hat, kann sich allein schon aus seinem eigenen vorausgegangenen
Verhalten ergeben (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke
13; vgl. weiter BGHSt 20, 301, 302; 33, 363, 365; BGH NJW 1980, 792;
StV 1985, 235). Ist in einem Fall wie dem vorliegenden eine Notwehrlage
aufgrund eines gegenwärtigen rechtswidrigen erpresserischen
Angriffs durch den später Getöteten gegeben, der
aktuell nicht nur im Fortwirken einer erpressungstypischen Dauergefahr
besteht (Beeinträchtigung der
Willensentschließungsfreiheit, etwa durch Setzen einer Frist
zur Zahlung unter Übelsandrohung), sondern darüber
hinaus in einer konkreten Tathandlung im Angesicht des Opfers, die
unmittelbar die Verletzung eines beachtlichen Rechtsguts des Opfers
besorgen läßt, so gilt: Es ist
regelmäßig der Angreifer, der durch sein Verhalten
einen schützenden oder trutzwehrenden Gegenangriff
herausfordert, mag dieser sich nun im Rahmen des durch Notwehr
Gerechtfertigten halten oder deren Grenzen überschreiten.
Für die Frage der Arglosigkeit ist letzteres unerheblich. Mit
seinem konkreten Angriff hat das spätere Opfer des
Gegenangriffs in aller Regel seine Arglosigkeit bereits zuvor verloren.
Er ist der wirkliche Angreifer. Dem Angegriffenen gesteht die
Rechtsordnung das Notwehrrecht zu. Mit dessen Ausübung
muß jeder Angreifer in solcher Lage grundsätzlich
rechnen. Das ist von der strafrechtlichen Werteordnung und damit
normativ prägend vorgegeben. Dem entspricht, daß das
Notwehrrecht generell im Rechtsbewußtsein der
Bevölkerung tief verwurzelt ist. Der Erpresser ist deshalb
unter den hier gegebenen Umständen
regelmäßig nicht gänzlich arglos (vgl. BGHR
StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13).
Das Mordmerkmal der Heimtücke ist einer solchen, auch normativ
orientierten einschränkenden Auslegung zugänglich.
Diese gründet mit darin, daß der Gegenwehr hier
ersichtlich nicht das Tückische in einem Maße
innewohnt, welches den gesteigerten Unwert dieses Mordmerkmals
kennzeichnet (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke
13). Es gilt zudem, einen Wertungsgleichklang mit dem Notwehrrecht zu
gewährleisten. Gerade für ein zunächst
unterlegenes Opfer kann es sich als unausweichlich erweisen,
gegenüber dem überlegenen Rechtsbrecher, der gar noch
von einem Tatteilnehmer unterstützt wird, bei der Verteidigung
einen Überraschungseffekt auszunutzen, soll die Notwehr
überhaupt Aussicht auf Erfolg haben. Unter solchen
Umständen erscheint es bei wertender Betrachtung nicht
systemgerecht, dem sich wehrenden Opfer, wenn es in der gegebenen Lage
- in der Regel plötzlich - in den Randbereich der
erforderlichen und gebotenen Verteidigung gerät oder gar
exzessiv handelt, das Risiko aufzulasten, bei Überschreitung
der rechtlichen Grenzen der Rechtfertigung oder auch der Entschuldigung
sogleich das Mordmerkmal der Heimtücke zu verwirklichen.
Der Senat läßt offen, ob gleichwohl unter besonderen
Umständen Fallgestaltungen denkbar sind, bei denen
ausnahmsweise eine Arglosigkeit des Erpressers tragfähig
festgestellt werden kann, obgleich dieser im Angesicht seines Opfers
eine Tathandlung verwirklicht und im Begriff ist, seine Tat zu
vollenden und den endgültigen Verlust des Rechtsguts des
Erpreßten zu bewirken. Solche besonderen Umstände
sind hier weder den Urteilsgründen zu entnehmen noch sind sie
sonst angesichts der Rahmenbedingungen denkbar.
Der danach anzunehmende Argwohn des später getöteten
M. wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß er den
Feststellungen zufolge von dem Gegenangriff des Angeklagten
"überrascht" war und diesen nicht erwartet hatte. Das belegt
lediglich, daß er die Aussichten falsch eingeschätzt
hat, seinen Rechtsbruch ohne Gegenwehr zu Ende führen zu
können; seine Arglosigkeit hatte er - mangels
entgegenstehender Umstände - bereits mit seinem (erneuten)
Angriff auf das Vermögen des Angeklagten in dessen Angesicht
verloren. Dem steht nicht entgegen, daß er sich auch in der
Gefährlichkeit eines möglicherweise zu erwartenden
Gegenangriffs verschätzt haben mag, weil er bis zuletzt wohl
die Bewaffnung des Angeklagten mit einem kleinen Messer nicht bemerkt
hatte (ebenso BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13).
Nach allem gilt: Büßt der später
Getötete wegen seines eigenen gegenwärtigen
rechtswidrigen erpresserischen Angriffs nicht gänzlich seine
Arglosigkeit gegenüber der Möglichkeit eines
körperlichen (schutz- oder trutzwehrenden) Gegenangriffs ein,
so fehlt es an der Heimtücke selbst dann, wenn der sich
Wehrende das Überraschungsmoment bewußt ausnutzt.
3. Der Schuldspruch wegen Mordes unterliegt danach schon aus den
genannten Gründen der Aufhebung. Es kommt deswegen nicht mehr
darauf an, daß die Strafkammer auch das Bewußtsein
des Angeklagten nicht hinreichend dargetan hat, einen durch seine
etwaige Ahnungslosigkeit gegenüber einem Gegenangriff
schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. zum sog.
Heimtücke-Bewußtsein nur BGHR StGB § 211
Abs. 2 Heimtücke 9, 11, 26).
Der Senat stellt allerdings klar, daß in den Fällen
der Erpressung, in denen eine Drohung als sog. Dauergefahr zwischen
einzelnen Angriffsakten des Täters auf die
Willensentschließungsfreiheit des Opfers als
gegenwärtig im Sinne des Tatbestandes fortwirkt (vgl. dazu
BGHR StGB § 255 Drohung 9; BGH NStZ-RR 1998, 135), eine
Tötung des Erpressers durch sein Opfer in einer von diesem,
also dem Opfer gesuchten, vorbereiteten Situation sehr wohl
heimtückisch sein kann (siehe etwa BGH NStZ 1995, 231) und
dann auch nicht durch Notwehr gerechtfertigt ist. Sie wäre als
Verteidigung jedenfalls nicht geboten (im Sinne des § 32 Abs.
1 StGB). Dem Opfer wäre regelmäßig die
Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zuzumuten (vgl. § 154c
StPO). In solcher Lage würde weder das individuelle
Schutzinteresse noch das Rechtsbewährungsinteresse, die das
Notwehrprinzip prägen, eine solche "Verteidigung" tragen (so
im Ergebnis auch BGH NStZ 1995, 231).
III.
Die von der Strafkammer angestellten Hilfserwägungen zu einer
etwaigen Rechtfertigung des Angeklagten sowie zur inneren Tatseite
leiden an Erörterungsmängeln, denen der neue
Tatrichter Rechnung zu tragen haben wird.
1. Die Strafkammer meint, der Angeklagte habe - eine Notwehrlage
unterstellt - das Maß der objektiv erforderlichen
Verteidigung überschritten. Der Angeklagte habe "weggehen
können", die Polizei rufen können oder M. , als
dieser mit ihm allein war, aus der Wohnung weisen können,
"notfalls auch unter Einsatz adäquater körperlicher
Aktion" (UA S. 40). Diese Würdigung ist lückenhaft
und wird den rechtlichen Grundsätzen zur Frage der
Erforderlichkeit einer Verteidigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
a) Ein "Weggehen" des Angeklagten aus seiner eigenen Wohnung oder ein
Herbeirufen der Polizei nach dem etwaigen Verlassen der Wohnung durch
M. und Ma. , also ein Abziehenlassen der Erpresser wäre keine
Verteidigung gegen den rechtswidrigen Angriff mehr gewesen.
Daß ein drohendes, wehrendes Vorzeigen des mit kurzer Klinge
versehenen Küchenmessers sich ebenso wie der Versuch einer
"körperlichen Auseinandersetzung" als aussichtsreiche
Verteidigungsmittel erwiesen hätten, versteht sich im Blick
auf die Übermacht zweier Angreifer nicht von selbst. Der
trinkgewohnte M. war zwar hochgradig alkoholisiert, aber ersichtlich
aktionsfähig und aggressionsbereit. Zuvor, als der Angeklagte
mit M. vorübergehend allein war, weil
Ma. Proviant herbeiholte, hatte der Angeklagte versucht, M.
hinzuhalten. Als die Tat vollendet wurde, sah der Angeklagte sich
indessen wieder zwei Angreifern gegenüber. Daß der
Versuch einer vom Angeklagten mittels körperlicher Gewalt
geübten Trutzwehr, die Androhung des Einsatzes des Messers
oder aber der Versuch des Herbeirufens der Polizei in Anwesenheit
zweier Angreifer aussichtsreich gewesen wären, liegt nicht
nahe, hätte deshalb der näheren Darlegung bedurft.
Hätte der Angeklagte den Einsatz des Messers angedroht oder
hätte er sich auf eine körperliche Auseinandersetzung
eingelassen, wäre zu besorgen gewesen, daß er eine
Eskalation durch die Angreifer heraufbeschworen hätte. Ein
nicht bloß geringes Risiko, daß ein milderes
Verteidigungsmittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit
mehr für den Einsatz eines stärkeren
Verteidigungsmittels bleibt, braucht der Angegriffene zur Schonung des
rechtswidrig Angreifenden nicht einzugehen. Auf einen Kampf mit
ungewissem Ausgang muß er sich nicht einlassen (vgl. nur BGH
StV 1999, 143; BGH NStZ 2001, 591, jew. m.w.N.). Allerdings hat der
Verteidigende grundsätzlich, wenn ihm mehrere wirksame Mittel
zur Verfügung stehen und er Zeit zur Auswahl und zur
Einschätzung der Gefährlichkeit hat, dasjenige Mittel
zu wählen, das dem Angreifer am wenigsten gefährlich
ist. Ist der Angreifer unbewaffnet und ihm die Bewaffnung des
Verteidigers unbekannt, so ist je nach der Auseinandersetzungslage
grundsätzlich zu verlangen, daß er den Einsatz der
Waffe androht, ehe er sie lebensgefährlich oder gar gezielt
tödlich einsetzt (BGHSt 26, 256, 258; BGH NStZ-RR 1999, 40,
41; NStZ 2001, 591, 592). Diese rechtlichen Grundsätze wird
der neue Tatrichter zu bedenken, seiner Würdigung
zugrundezulegen und die Auseinandersetzungslage mit den bei lebensnaher
Betrachtung in Frage kommenden aussichtsreichen
Verteidigungsmöglichkeiten zu erörtern haben.
b) In diesem Zusammenhang wird das sog.
Kräfteverhältnis zwischen dem Angeklagten einerseits
sowie M. und Ma. andererseits näher zu bewerten sein.
Dafür spielt auch die Aktionsfähigkeit M. s eine
Rolle. Dieser ging nach den Feststellungen wohl recht zielstrebig vor,
obwohl er - freilich trinkgewohnt - eine Blutalkoholkonzentration von
drei Promille hatte. Hingegen hat sein Mittäter Ma. als Zeuge
bekundet, M. habe aufgrund seiner Alkoholisierung kaum stehen
können (UA S. 30).
Je nach der Bewertung der Auseinandersetzungslage und des
Kräfteverhältnisses wird dann möglicherweise
zu erwägen sein, ob etwa das Anlegen des kleinen Messers an
den Hals des M. mit der Androhung einer massiven körperlichen
Attacke eine aussichtsreiche Verteidigung gewesen wäre.
Abhängig vom Ergebnis dieser Würdigung
könnte sich erweisen, daß der überraschende
Einsatz des Küchenmessers mit dem Ziel der Tötung M.
s - objektiv betrachtet - der einzig sicher erfolgversprechende Weg zur
Ausschaltung des "Hauptangreifers" war. Ob er aber auch aussichtsreich
hinsichtlich des Zieles war, den endgültigen Verlust des
Geldes im gegebenen Zeitpunkt noch abzuwenden, bedarf ebenfalls der
Bewertung. Denn auch nach der Tötung M. s blieb Ma. - im
Besitz des Geldes - handlungsfähig. Ihm gelang
tatsächlich die Flucht. Das verdeutlicht, daß allein
ein Gegenangriff auf M. nicht genügen konnte, den
Vermögensverlust zu verhindern. Vielmehr war eine weitere
Verteidigungshandlung vonnöten, um Ma. an der Flucht mit dem
Geld zu hindern. Auch insoweit kommt es auf die konkrete Lage an, in
subjektiver Hinsicht zudem darauf, welche Vorstellungen der Angeklagte
gegebenenfalls zum Verteidigungserfolg seiner Gegenwehr hatte (vgl.
BGHSt 45, 378, 384; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. §
32 Rdn. 27).
2. Die Auffassung des Landgerichts, die Tötung M. s sei
"völlig unverhältnismäßig"
gewesen, vermag der Senat nicht zu teilen. Eine Abwägung der
betroffenen Rechtsgüter findet bei der Notwehr
grundsätzlich nicht statt (anders etwa im Notstandsfall
gemäß § 34 StGB; vgl. BGH NStZ 1996, 29;
Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 17). Ein Fall des
Mißbrauchs des Notwehrrechts wegen geringen Gewichts des
angegriffenen Rechtsguts stand hier nicht in Rede (sog.
Bagatellfälle; vgl. BGH MDR bei Holtz 1979, 985;
Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 20 m.w.N.). Es ging bei
dem Angriff M. s nicht lediglich um eine etwaige
Sachbeschädigung der CD-Sammlung des Angeklagten, sondern um
die Erpressung eines Bargeldbetrages in Höhe von 5.000 DM. Bei
solcher Ausgangslage gilt der Grundsatz, daß das Recht dem
Unrecht nicht zu weichen braucht.
3. Die bisherigen Feststellungen und die Würdigung des
Landgerichts tragen schließlich nicht die Annahme, der
Angeklagte habe nicht mit Verteidigungswillen gehandelt, sondern
"Selbstjustiz" geübt. In den Feststellungen hebt die
Strafkammer selbst hervor, daß der Angeklagte
"wütend darüber war, daß M. ihm das
angesparte Geld wegnehmen wollte und er sich von M. nicht seine
Existenz zerstören lassen wollte" (UA S. 11). Dies kann darauf
hindeuten, daß der Angeklagte sich jedenfalls auch vom Willen
zur Verteidigung gegen den Verlust des Geldes hat leiten lassen.
Hinzutretende andere Tatmotive schließen den
Verteidigungswillen nicht aus. Eine Rechtfertigung kommt nach
feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch dann in
Betracht, wenn neben der Abwehr eines Angriffs auch andere Ziele
verfolgt werden, solange sie den Verteidigungszweck nicht
völlig in den Hintergrund drängen (vgl. nur BGH NStZ
1983, 117; BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigungswille 1, jew.
m.w.N.).
Die Beweiswürdigung genügt diesem Maßstab
nicht. Die Strafkammer hätte alle bedeutsamen
tatsächlichen Umstände und die Einlassungen des
Angeklagten einer eingehenden Bewertung unterziehen müssen, um
auf dieser Grundlage seine Beweggründe festzustellen und an
den rechtlichen Maßstäben zu messen. Die
Urteilsgründe geben die verschiedenen
Äußerungen des Angeklagten während der
Ermittlungen zu seinen subjektiven Vorstellungen wieder. Dem
Kriminalbeamten H. hatte er erklärt, er habe vermeiden wollen,
daß Ma. eingreift, da er M. unbedingt habe töten
wollen. Er habe sich das Geld nicht wegnehmen lassen wollen;
ebensowenig andere Sachen, die ihm gehört hätten (UA
S. 26). Beim Ermittlungsrichter hatte er sich dahin eingelassen, er sei
"sehr böse" gewesen, weil ihm sein angespartes Geld
weggenommen worden sei. Um zukünftig weitere Wegnahmen zu
verhindern, habe er sich zur Tötung M. s entschlossen. Das
Messer habe er schon längere Zeit bei sich getragen, weil er
befürchtet habe, M. könne zur Durchsetzung seiner
Geldforderung mit weiteren Personen zu ihm kommen (UA S. 28). Dem
Kriminalbeamten K. hatte der Angeklagte erklärt, er habe M.
"aus Haß heimzahlen" wollen, "was dieser ihm die ganzen
Monate vorher angetan habe" (UA S. 29). Er habe M. getötet,
weil dieser durch seine ständigen Geldforderungen seine
Pläne, eigentlich seine ganze Existenz bedroht bzw. kaputt
gemacht habe (UA S. 30). Die Strafkammer meint, der Angeklagte habe die
unberechtigte Geldforderung M. s "für immer unterbinden
wollen", indem er ihn tötete. "Aus Wut über den
Verlust" des Geldes habe der Angeklagte unter Ausnutzung des
Überraschungseffekts der Drucksituation ein Ende bereitet. Die
Tat beruhe auf dem "normalpsychologischen Motiv" der Wut.
Dabei durfte die Strafkammer nicht stehen bleiben. Sie hätte
sich angesichts der Einlassung des Angeklagten, er habe sich -
naheliegender Weise auch aktuell - das Geld nicht wegnehmen lassen
wollen, die Frage vorlegen müssen, ob hier die Wut des
Angeklagten, ein Bestreben zur Verhinderung künftiger, aber
noch nicht gegenwärtiger Erpressungen sowie der Wille zur
"Bestrafung" für früheres Unrecht (vgl. UA S. 40)
einerseits und der Wille zur aktuellen Verteidigung gegen den Verlust
des Geldes andererseits nebeneinander Beweggrund waren, oder ob die
zuerst genannten Motive so stark ausgeprägt waren,
daß sie den Verteidigungszweck völlig in den
Hintergrund gedrängt haben. Daran fehlt es. Im letzten Falle
würde Notwehr mangels mitbestimmenden Verteidigungswillens
ausscheiden. Bei der nunmehr vorzunehmenden Würdigung wird
indes zu beachten sein, daß der sich zur Verteidigung
Entschließende in einer sich zuspitzenden Situation oft erst
durch ein gewisses Maß gleichsam "natürlicher Wut"
in den Stand gesetzt wird, seinen Entschluß zur Wehr zu
fassen und umzusetzen. Andererseits wird auch in diesem Zusammenhang zu
würdigen sein, was sich der Angeklagte aus seiner Sicht von
der Tötung M. s versprach und versprechen konnte, wenn er den
Verlust des Geldes zu verhindern trachtete, das Ma. in Händen
hielt.
Die Urteilsgründe sind überdies zur Frage des Motivs
des Angeklagten widersprüchlich. In ihren Feststellungen geht
die Strafkammer davon aus, der Angeklagte habe sich sein angespartes
Geld nicht wegnehmen und sich von M. nicht seine Existenz
zerstören lassen wollen (UA S. 11). Bei ihrer rechtlichen
Würdigung hingegen legt sie ein nicht deckungsgleiches Motiv
zugrunde: Dort hebt sie hervor, er habe in dem Bestreben gehandelt, M.
für sein vorangegangenes Tun zu bestrafen und
künftige Forderungen auszuschließen (UA S. 40).
4. Der neue Tatrichter wird im Blick auf die bisherigen Feststellungen
und die Einlassungen des Angeklagten möglicherweise weiter zu
prüfen haben, ob ein Fall der sog. Absichtsprovokation
vorliegt: Der Angeklagte könnte sich nicht wirksam auf Notwehr
berufen, wenn er sich absichtlich oder jedenfalls vorsätzlich
in eine erwartete Verteidigungssituation hineinbegeben hätte,
um dann M. unter dem Vorwand einer objektiven Notwehrlage angreifen und
"vernichten" zu können. In einem solchen Fall erwiese sich
seine Gegenwehr in Wahrheit als vorgeplanter Angriff auf das Leben M.
s, rechtsmißbräuchlich im Gewande der Verteidigung
geführt (vgl. nur BGH NJW 1983, 2267; NStZ 2001, 143; vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 18, 23). In diesem
Zusammenhang bedarf es auch einer Bewertung der
Äußerung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren,
wonach er auch "zukünftige weitere Wegnahmen" habe verhindern
wollen. Dies kann für sich betrachtet auf den Willen zu einer
Art (unerlaubter) "Präventivnotwehr" hindeuten. Für
die tatsächliche Würdigung kann auch eine Rolle
spielen (Indizwirkung), daß der Angeklagte M. und Ma. in
Kenntnis des wiederkehrenden, vorangegangenen erpresserischen
Verhaltens M. s und von dessen Ankündigung am Vormittag in
seine Wohnung einließ. Die Tatsache, daß und wann
der Angeklagte sich mit einem kleinen Küchenmesser bewaffnet
hatte, kann im Gesamtzusammenhang des Geschehens für den
Schluß auf seine Beweggründe bedeutsam sein. Dem
steht nicht entgegen, daß es im Grundsatz dem
Notwehrübenden nicht anlastbar ist, wenn er sich für
den Fall einer ihm aufgezwungenen Auseinandersetzung bewaffnet. Auch
der Stellenwert der Äußerung, er habe M. unbedingt
töten wollen, ist in ihrer Bedeutung für die
Motivlage zu beurteilen. Gleiches gilt für den Umstand,
daß der Angeklagte sich beim gemeinsamen Wodka-Trinken
vergleichsweise zurückhielt und lediglich ca. 0,2 cl zu sich
nahm. Andererseits ist aber auch im Auge zu behalten, daß M.
die Intensität seines Angriffs gesteigert hatte. So forderte
er einen erheblich höheren Geldbetrag als noch am Vormittag.
Er ließ sich auch nicht mehr erfolgreich hinhalten, sondern
begann mit Sachbeschädigungen und drohte weitere Übel
an, die die Durchsetzung mit räuberischen Mitteln nicht
fernliegend erscheinen ließen. Daß der Angeklagte
erst dann zum Gegenangriff überging, als ihm der
endgültige Verlust seines Geldes unausweichlich vor Augen
stehen mußte, könnte eher gegen eine
Absichtsprovokation sprechen.
Nach allem muß sich der neue Tatrichter fragen, ob er sich im
Blick auf einen etwaigen Mißbrauch des Notwehrrechts davon
überzeugen kann, daß der Angeklagte in der
vorgefaßten Absicht handelte, M. zu töten und sich
nicht erst in der aktuellen Situation, weil er möglicherweise
den Verlust seines Geldes nicht mehr anders meinte abwenden zu
können, zur Verteidigung entschloß. Hat der
Tatrichter Zweifel, wird ein mitbestimmender wirklicher
Verteidigungswille des Angeklagten anzunehmen und
Rechtsmißbrauch zu verneinen sein. Er wird den zeitnah zur
Tat gemachten Angaben des Angeklagten naheliegenderweise
größeres Gewicht beimessen als etwa solchen in einer
erneuten Hauptverhandlung.
5. Der neue Tatrichter wird dann gegebenenfalls zu bedenken haben, ob
das Notwehrrecht des Angeklagten einer erheblichen
Einschränkung unterlag (vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO
§ 32 Rdn. 2 f.) und ob der Angeklagte deren Grenzen mit seinem
sofortigen Messerangriff auf das Leben M. s überschritten hat.
Hierzu bemerkt der Senat im einzelnen vorsorglich:
a) Eine Einschränkung des Notwehrrechts des Angeklagten im
Blick auf eine etwaige Provokation M. s durch vorwerfbares Vorverhalten
würde voraussetzen, daß dieses Vorverhalten
rechtswidrig oder wenigstens sozialethisch zu mißbilligen
wäre; zudem müßte zwischen ihm und dem
rechtswidrigen Angriff des M. ein enger zeitlicher und
räumlicher Zusammenhang bestehen (vgl. zu diesen
Erfordernissen: BGHSt 27, 336, 338; 42, 97, 101; siehe auch BGHSt 24,
356, 358 f.; 26, 143, 145; BGH NStZ 1998, 508; NStZ-RR 1999, 40, 41;
Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, aaO §
32 Rdn. 54, 59; Tröndle/ Fischer aaO § 32 Rdn. 24).
aa) Die bisherigen Feststellungen belegen nicht, daß der
Angeklagte die Notwehrlage in rechtswidriger oder sonst sozialethisch
zu mißbilligender Weise herbeigeführt und M.
"provoziert" hätte. Das bloße Einlassen M. s und
dessen Begleiters in seine, des Angeklagten Wohnung trotz der zuvor
ausgesprochenen Drohungen und der bereits erfolgten Erpressungen
genügt dafür nicht. Damit hat er M. lediglich die
Gelegenheit zum erneuten Erpressungsversuch gegeben und damit gleichsam
fahrlässig - die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
betreffend - die Notwehrlage mit herbeigeführt. Ein rechtlich
erlaubtes Tun - wie etwa das Öffnen der Wohnungstür
gegenüber einem unbekannten Bewaffneten (BGH NStZ 1993, 332,
333) - führt jedoch nicht ohne weiteres zur
Einschränkung des Notwehrrechts, auch wenn der Täter
wußte oder wissen mußte, daß der andere
durch dieses Verhalten zu einem rechtswidrigen Angriff
veranlaßt werden könnte (so schon BGH NStZ 1993,
332, 333). Entscheidend ist nicht, ob der später Angegriffene
die Entwicklung vorhersehen konnte, sondern - mit Blick auf das
Rechtsbewährungsinteresse - ob der Angreifer sich durch das
vorwerfbare Verhalten des von ihm Angegriffenen provoziert
fühlen konnte (vgl. Roxin ZStW Bd. 75 <1963>,
497, 582). Die bloß fahrlässige oder gar
leichtfertige Herbeiführung einer Notwehrlage führt
nicht zu einer Einschränkung des Maßes der gebotenen
Verteidigung. Das würde selbst dann gelten, wenn der
Angeklagte mit einem erneuten Angriff M. s gerechnet und dies beim
Einlassen in seine Wohnung - wenn er dies hätte verhindern
können - in Kauf genommen und geglaubt hätte, einen
solchen Angriff hinhaltend oder sonst "schon irgendwie" abwehren zu
können. Er hätte auch dann nicht im Sinne einer
Provokation des Angreifers gehandelt, sondern lediglich eine
notwehrträchtige Lage durch erlaubtes Tun mitverursacht,
für die er sich sogar wappnen durfte. Dieses Verhalten mochte
dann zwar in hohem Maße den Geboten der Vorsicht und der
Lebensklugheit zuwiderlaufen; es nahm dem Angeklagten jedoch nichts von
seinem Recht, sich gegen den Angriff mit den nach Maßgabe der
Situation erforderlichen und gebotenen Mitteln zu verteidigen (BGH,
Urteil vom 20. Juli 1983 - 2 StR 43/83 - S. 12, aber auch Urteil vom 5.
Juli 1978 - 2 StR 201/78 - S. 5 f.).
bb) Ebensowenig erweist sich bei dem festgestellten Sachverhalt der
illegale Handel des Angeklagten mit Raubpressungen von CD´s
als notwehreinschränkendes vorwerfbares Vorverhalten im Sinne
einer Provokation der Notwehrlage oder M. s. Dieses Verhalten des
Angeklagten ist zwar von Rechts wegen ersichtlich vorwerfbar. Es
richtete sich jedoch nicht gegen ein Rechtsgut gerade des M. , wie das
etwa bei Tätlichkeiten oder Beleidigungen gegenüber
dem späteren Angreifer der Fall ist. Betroffen waren vielmehr
Rechtsgüter Dritter, nämlich der Urheberrechtsinhaber
der CD-Titel. Dementsprechend fehlte auch der räumliche und
zeitliche Zusammenhang mit dem Angriff M. s. Eine Notwehr des
Angeklagten (wenn seine Trutzwehr vom Verteidigungswillen mitgetragen
und erforderlich war) stünde "nicht im Zeichen seines eigenen
Unrechts"; seiner Gegenwehr würde das eigene Unrecht nicht
unmittelbar anhaften. Sie wäre mithin durch seine
anderweitigen Straftaten nicht in einer Weise bemakelt, daß
sie deshalb nicht mehr uneingeschränkt als Mittel auch der
Rechtsbewährung gegenüber dem erpresserischen Angriff
M. s auf sein Vermögen hätte angesehen werden
können (vgl. BGHSt 27, 336, 338; BGH NStZ 1989, 474; BGH, Urt.
vom 25. Februar 1975 - 1 StR 702/74; BGH, Beschl. vom 15. April 1980 -
1 StR 130/80; Lenckner/Perron in Schönke/ Schröder,
aaO § 32 Rdn. 59). Auch demjenigen, der früher eine
strafbare Handlung begangen hat, steht grundsätzlich ein
uneingeschränktes Notwehrrecht zur Seite, wenn er in anderem
Zusammenhang selbst Opfer einer Straftat wird. Er hat nicht etwa
deshalb, weil die gegen ihn gerichtete Tat (hier: eine Erpressung) vom
Täter an seine gegen die Rechtsgüter Dritter
begangene eigene Straftat angeknüpft wird, einen "Status
minderen Rechts", der Erpresser nicht deswegen einen
größeren, im Ergebnis nicht notwehrfähigen
Freiraum für seinen Rechtsbruch.
cc) Eine Einschränkung des Notwehrrechts jenseits der in der
Rechtsprechung bislang anerkannten Fallgruppen wird in der Literatur
für die Fälle der sogenannten Schweigegelderpressung
diskutiert ("Chantage"). Typischerweise droht der Erpresser hier mit
der Enthüllung kompromittierender Tatsachen, namentlich mit
einer Strafanzeige wegen einer vom Erpressungsopfer seinerseits
begangenen Straftat. Wehrt der Erpreßte sich oder
tötet gar den Erpresser, so wird das Gebotensein der Notwehr
verneint oder von einer Einschränkung des Notwehrrechts wegen
verminderten Rechtsbewährungsinteresses ausgegangen. Das
Interesse des Erpreßten am Schutz vor Enthüllung
einer Straftat verdiene keinen uneingeschränkten Schutz (vgl.
zu alledem nur Roxin, Strafrecht AT 3. Aufl. [1997] Kap. VIII
§ 15 [S. 593] Rdn. 89/90; Haug MDR 1964, 548, 549; Amelung GA
1982, 381; H. E. Müller NStZ 1993, 366; Novoselec NStZ 1997,
218; dazu die Erwiderung von Amelung NStZ 1998, 70; Arzt JZ 2001, 1052;
weiter Eggert NStZ 2001, 225; zum Phänomen der "Chantage"
siehe grundlegend schon die rechtsvergleichende Arbeit von Reinhold,
Die Chantage, Abhandlungen des kriminalistischen Seminars an der
Universität Berlin <Hrsg. Franz von Liszt>,
1909).
Der Senat stellt dahin, ob und inwieweit einer solchermaßen
begründeten Einschränkung des Notwehrrechts
beizupflichten wäre. Das muß hier nicht entschieden
werden. Der vorliegende Fall ist - anders als die in der Literatur
zumeist erörterten Sachverhalte - dadurch geprägt,
daß eine Erpressung in Rede steht, die nicht
ausschließlich auf der Androhung der Anzeige von Straftaten
des Erpreßten fußt. Vielmehr hatte M. dem
Angeklagten schon damit gedroht, ihn zusammenschlagen zu lassen; noch
am Vormittag des Tattages hatte er angekündigt, das Geld "mit
Freunden einzutreiben". Ob daraus eine Leibesgefahr im Sinne des
§ 255 StGB folgte, die zum Vorfallszeitpunkt noch
"gegenwärtig" war, bedürfte gegebenenfalls der
tatrichterlichen Würdigung (vgl. zu deren Fortwirken in
Erpressungsfällen BGH NStZ-RR 1998, 135; BGHR StGB §
255 Drohung 9). In der aktuell gegebenen Notwehrlage drohte M. mit
erheblichen Sachbeschädigungen und der Wegnahme von
Gegenständen aus der Wohnung des Angeklagten im Wert von 5.000
DM, was naheliegenderweise durch Gewaltanwendung gegenüber dem
Angeklagten oder jedenfalls durch Drohung mit weiteren Übeln
durchzusetzen gewesen wäre und sich dann rechtlich
möglicherweise gar als Raub oder räuberische
Erpressung erwiesen hätte. Sind die Drohmittel solcherart
verschieden, um gleichsam eine "gemischte Drohkulisse" aufzubauen, so
liegt kein reiner Fall der Schweigegelderpressung mehr vor; es steht
eine Mischung aus Schutz- und Schweigegelderpressung in Rede. In diesen
Fällen ist das, was zur Verteidigung "geboten" ist, unter dem
Gesichtspunkt eigenen strafbaren Vorverhaltens des Erpressungsopfers
gegenüber Dritten jedenfalls dann nicht
eingeschränkt, wenn der Angriff des Erpressers auf die
Willensentschließungsfreiheit zugleich in einen
gegenwärtigen Angriff auf das Vermögen
übergeht, mit weiteren Übelsdrohungen
verstärkt wird und der Angreifer im Angesicht des Opfers dabei
ist, mit aktuell realisierbaren - auch konkludenten - Drohungen gegen
Sachwerte und etwa auch die körperliche Integrität
des Opfers seinen Angriff auf das Vermögen zu vollenden und zu
beenden.
Daran ändert nichts, daß das Erpressungsopfer zuvor
die Möglichkeit gehabt hätte, staatliche Hilfe zu
suchen. Maßgeblich für die Beurteilung dessen, was
zur Abwehr des Angriffs erforderlich und geboten ist, sind die
Verhältnisse im Augenblick des konkreten Angriffs, also zum
Zeitpunkt der Verteidigung durch den Angegriffenen
("Auseinandersetzungslage"; vgl. BGH NJW 1989, 3027; StV 1999, 143,
144; Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 16b).
b) In Betracht zu ziehen haben wird der neue Tatrichter für
den Fall einer vom Verteidigungswillen jedenfalls mitbestimmten und
erforderlichen Notwehr schließlich eine
Einschränkung dieses Rechts im Blick auf M. s Trunkenheit, an
deren Zustandekommen der Angeklagte durch Gestattung und Mitwirkung am
Konsum von Dreivierteln des Inhalts einer Flasche Wodka beteiligt war.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß das Notwehrrecht
gegenüber schuldlos handelnden Angreifern
eingeschränkt sein kann (vgl. Tröndle/Fischer aaO
§ 32 Rdn. 19). Daß M. allerdings
schuldunfähig gewesen sein könnte, dürfte
eher fernliegen. Näher wird - zumal in Rücksicht auf
den Zweifelssatz - eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit
liegen, weil er jedenfalls noch in beachtlichem Maße
aktionsfähig war.
c) Der Senat hat schließlich erwogen, ob eine weitere
Kategorie eingeschränkter (gebotener) Notwehr zu
begründen ist, wenn mehrere Umstände vorliegen, die
Anlaß zur Prüfung einer Einschränkung nach
den insoweit anerkannten Fallgruppen geben, dort aber eine solche
Einschränkung je für sich nicht zu rechtfertigen
vermögen. Dies hat der Senat jedoch verworfen: Das liefe auf
eine Art Gesamtschau und die Gewichtung verschiedener Umstände
hinaus. Damit verlöre das Notwehrrecht in solchen
Fällen seine Konturenschärfe. Es muß
geeignet bleiben, in den einschlägigen, oft durch die
Plötzlichkeit der Entwicklung charakterisierten
Fällen des Lebens dem rechtlichen Laien ohne weiteres
überschaubare, grundsätzlich einfache Richtschnur
für das Handeln zu sein. Allzu differenzierte
Erwägungen würden seinem Zweck widerstreiten. Die
anerkannten Fälle der Einschränkung des Notwehrrechts
sind denn auch solche, in denen das zumutbar geringere Maß
der gebotenen Verteidigung oder eine Pflicht zum Ausweichen
für jedermann ohne weiteres augenfällig ist
(Evidenzfälle).
6. Zur inneren Tatseite wird folgendes im Auge zu behalten sein:
Handelte der Angeklagte auch mit Verteidigungswillen, kann es darauf
ankommen, welche Vorstellungen er über das Maß der
erforderlichen und gebotenen - und damit auch der erlaubten -
Verteidigung hatte. Hierzu werden soweit möglich
Feststellungen zu treffen sein. Daraus kann sich die Notwendigkeit der
Erörterung von Irrtumsfragen ergeben (zu deren Voraussetzungen
und Folgen vgl. nur Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 27
m.w.N.; zum übrigen: Tröndle/Fischer aaO §
32 Rdn. 26, 27, § 33 Rdn. 2 m.N.). Hätte der
Angeklagte über die Eignung der Tötung M. s zur
Abwendung des Geldverlustes geirrt, käme
möglicherweise ein Erlaubnistatbestandsirrtum und damit
fahrlässige Tötung in Betracht (vgl. § 16
Abs. 1 Satz 1 StGB; BGHSt 45, 378, 384). Läge eine
Fehlvorstellung über die Grenzen der erlaubten Notwehr vor,
wäre nach den Grundsätzen für den
Verbotsirrtum zu verfahren (§ 17 StGB). Im Falle eines
vermeidbaren Irrtums stünde eine Strafrahmenverschiebung nach
§ 49 Abs. 1 StGB im Raum.
7. Sollte der neue Tatrichter im Handeln des Angeklagten einen
strafbaren vorsätzlichen Totschlag sehen, wird er die
Voraussetzungen des § 213 StGB (sonst minder schwerer Fall) zu
prüfen haben.
Die Würdigung der Frage erheblich verminderter
Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit wird im Blick auf
die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen
Sachverständigen näher zu begründen sein,
sollte der neue Tatrichter vom Gutachten des Sachverständigen
abweichen wollen (vgl. BGHR StPO § 261
Sachverständiger 1, 5; Tröndle/Fischer aaO §
20 Rdn. 65). Schließlich wird auch der Einfluß der
Befindlichkeit des Angeklagten auf die Voraussetzungen des
Strafausschließungsgrundes nach § 33 StGB zu
erörtern sein (vgl. dazu auch BGH StV 1999, 145).
IV.
Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Auch die
Feststellungen können nicht bestehen bleiben. Im Blick auf die
dem neuen Tatrichter obliegende Würdigung der
Auseinandersetzungslage und des Kräfteverhältnisses,
insbesondere aber der Beweggründe des Angeklagten unter
verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten muß der Tatrichter
hinsichtlich der Feststellung des Sachverhalts frei sein (vgl.
§ 353 Abs. 2 StPO).
Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf |