BGH,
Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 432/00
vom 12. Juni 2001
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
Juni 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf, Richterin Dr. Tepperwien, Richter Dr. Raum, Richter
Dr. Brause als beisitzende Richter, Bundesanwalt H , Richterin am
Landgericht B als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt S als
Verteidiger des Angeklagten Be , Rechtsanwalt Bec als Verteidiger des
Angeklagten M , Rechtsanwalt R als Vertreter des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 18. April 2000
a) dahin abgeändert, daß die Angeklagten
hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts des versuchten
Totschlages in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung schuldig sind, und
b) insoweit in den jeweiligen Einzelstrafaussprüchen sowie im
Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Be wegen Mordes und versuchten
Mordes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung - unter Einbeziehung rechtskräftiger
Einzelstrafen, eine davon zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen eines
am 22. Oktober 1995 begangenen Mordes - zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere
der Schuld festgestellt. Den Angeklagten M , einen Halbbruder des
Angeklagten Be , hat es wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung - ebenfalls unter
Einbeziehung rechtskräftiger Einzelstrafen, eine davon zu 13
Jahren und sechs Monaten wegen des oben genannten, gemeinsam mit Be
begangenen Mordes - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren
verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten führen mit der
Sachrüge hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts
zu einer Schuldspruchänderung zu ihren Gunsten und zur
Aufhebung der hierfür festgesetzten Einzelstrafen sowie der
gebildeten Gesamtstrafen. Im übrigen bleiben die Rechtsmittel
ohne Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten die Angeklagten am
10. Oktober 1995 nach einem gemeinsamen Lokalbesuch mit dem
später getöteten Rö in Streit. Dabei
schlugen die Angeklagten mit einer Eisenstange auf den Kopf des Opfers
ein. Im Zuge der Gewalttätigkeiten - einen genauen Zeitpunkt
hat das Schwurgericht nicht feststellen können - entschlossen
sich die Angeklagten, den Geschädigten zu töten, weil
sie befürchteten, daß er sie wegen der
Mißhandlungen bei der Polizei anzeigen würde. Sie
schlugen und traten in der Folge dem schon am Boden liegenden Opfer ins
Gesicht und drosselten es mit einem Gürtel. In der Annahme,
Rö sei bereits tot oder werde alsbald versterben,
ließen sie ihn in einer Grünanlage zurück.
In seiner Wohnung angekommen, erzählte der Angeklagte Be
seiner Freundin, er habe zusammen mit seinem Bruder jemanden
umgebracht. Als diese das nicht glauben wollte, fuhr er mit ihr zum
Tatort zurück. Dort bemerkte der Angeklagte Be , daß
das Opfer noch röchelte. Um es endgültig zu
töten und eine Strafanzeige zu verhindern, trat und sprang er
sodann mit großer Wucht mehrfach auf den Kopf des am Boden
liegenden Opfers. Dieses verstarb kurze Zeit später.
Das Landgericht hat die von beiden Angeklagten gemeinsam gegen
Rö geführten Angriffe als versuchten
(Verdeckungs-)Mord in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung gewertet; die vom Angeklagten Be nach
Rückkehr zum Tatort vorgenommenen Mißhandlungen hat
es als vollendeten (Verdeckungs-)Mord angesehen.
II.
Diese Feststellungen des Schwurgerichts zum Tathergang sind
rechtsfehlerfrei getroffen. Indes hält die rechtliche
Würdigung teilweise sachlichrechtlicher Prüfung nicht
stand und erfordert Korrekturen durch das Revisionsgericht.
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen hinsichtlich
der gemeinschaftlichen Mißhandlungen der Angeklagten die
Verurteilung wegen eines (versuchten) Verdeckungsmordes nicht.
a) Die Annahme dieses Mordmerkmals setzt gemäß
§ 211 Abs. 2 StGB voraus, daß der Täter die
Tötungshandlung vornimmt, um eine andere Straftat zu
verdecken. Dabei kann die Tötungshandlung unmittelbar an die
zu verdeckende Straftat anschließen (vgl. BGHSt 35, 116; BGHR
StGB § 211 Abs. 2 - niedrige Beweggründe 37). Als
Vortat eines Verdeckungsmordes im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB
kommt auch ein gegen die körperliche Unversehrtheit
gerichtetes Delikt in Betracht (BGH aaO). Handelt der Täter
allerdings bereits von Anfang an mit Tötungsvorsatz gegen das
Opfer, fehlt eine zu verdeckende Vortat, auch wenn der Täter
im Zuge der Tatausführung den Tötungserfolg
zusätzlich auch deshalb herbeiführen will, um seine
vorherigen Tathandlungen zu verdecken (std. Rspr.; vgl. zuletzt BGH
NStZ 2000, 498 f. m.w.N.). Allein das Hinzutreten der
Verdeckungsabsicht als eines weiteren Tötungsmotives macht die
davor begangenen Einzelakte nicht zu einer anderen Tat. Handelt der
Täter mit einem durchgängigen
Tötungsvorsatz, ist für die Annahme eines
Verdeckungsmordes deshalb kein Raum. Dabei ist auch unerheblich, ob er
zunächst mit bedingtem und erst später mit direktem
Tötungsvorsatz auf das Opfer eingewirkt hat (BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 - Verdeckung 5; BGH Beschluß vom 11.
Mai 2000 - 5 StR 114/00 -). Hat der mit jedenfalls bedingtem
Tötungsvorsatz handelnde Täter bereits den Versuch
eines Tötungsdelikts begangen, dann verdeckt er, wenn er auch
aus Angst vor Strafverfolgung die Gewalteinwirkung fortsetzt, lediglich
die Tat, die er gerade begeht. Dies ist aber keine andere Tat, sondern
das nämliche Tötungsdelikt (BGH NStZ 2000, 498).
Anders ist die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn zwischen einer
(erfolglosen) Tötungshandlung und der erneuten mit
Verdeckungsabsicht vorgenommenen zweiten Tötungshandlung eine
deutliche zeitliche Zäsur liegt. Faßt der
Täter dann den Entschluß, das (zumindest aus seiner
Sicht zunächst überlebende) Opfer auch deshalb zu
töten, um die Aufdeckung des versuchten
Tötungsdelikts zu verhindern, ist das Mordmerkmal der
Verdeckungsabsicht erfüllt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 -
Verdeckung 11). Die spätere Tötungshandlung bezieht
sich dann auf eine zunächst abgeschlossene Tat, mithin also
auf eine andere Tat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB.
b) Das Landgericht hat allerdings keine Zäsur festgestellt,
bevor die Angeklagten in Verdeckungsabsicht ihre
Gewalttätigkeiten gegen das Opfer fortgesetzt haben. Das
Landgericht hat sich weiterhin keine sichere Überzeugung davon
bilden können, wann im Verlauf der Mißhandlungen die
Angeklagten den Entschluß gefaßt haben, Rö
(auch) deshalb zu töten, um eine etwaige Strafverfolgung gegen
sich zu verhindern. Vielmehr legt die Strafkammer ausdrücklich
dar, daß während der Gewalteinwirkungen auf das
Opfer der Zeitpunkt unklar geblieben ist, ab dem die Angeklagten (auch)
deshalb auf Rö eingeschlagen haben, um im Falle seines
Überlebens eine Strafanzeige durch ihn zu verhindern.
Das Landgericht hätte deshalb nur dann hinsichtlich des ersten
Tatkomplexes das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht bejahen
dürfen, wenn die zunächst begangenen
Gewalttätigkeiten gegen das Opfer Rö nicht mit
Tötungsvorsatz erfolgt wären. Bei dieser
Prüfung hätte aber der Zweifelssatz beachtet werden
müssen, weil es im Hinblick auf das Mordmerkmal der
Verdeckungsabsicht für die Angeklagten günstiger
wäre, wenn bei den vorangegangenen Mißhandlungen ein
Tötungsvorsatz bereits bestanden hätte (vgl. BGH,
Beschluß vom 11. Mai 2000 - 5 StR 114/00 -). Diese
Prüfung hat das Landgericht unterlassen. Bei Schlägen
mit einer Eisenstange gegen den Kopf des Opfers liegt ein
Tötungsvorsatz nahe.
c) Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend von
versuchtem Mord auf versuchten Totschlag. Er schließt aus,
daß in einer neuen Hauptverhandlung tragfähige
Feststellungen für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht
getroffen werden könnten. Die Revisionen der Angeklagten geben
auch keinen zwingenden Anlaß, die Sache zu etwa
möglicher Feststellung bislang den Angeklagten nicht
angelasteter Tatumstände zu umfassender neuer
Überprüfung der Schuldsprüche
zurückzuverweisen. Gegen die geänderten milderen
Schuldsprüche hätten sich die Angeklagten nicht
wirkungsvoller als bislang verteidigen können.
2. Bezüglich des zweiten Tatabschnitts (Gewalteinwirkung gegen
das Opfer Rö allein durch den Angeklagten Be ) entnimmt der
Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die
tatsächlichen Voraussetzungen eines vollendeten Mordes.
Hierfür sprechen insbesondere die vom Landgericht getroffenen
Feststellungen, daß das Opfer vor den weiteren
Gewalteinwirkungen Be noch gelebt hat und danach alsbald verstorben
ist, sowie die Feststellungen zu Zielrichtung und Massivität
dieser Gewalthandlungen und zum Spurenbild am Tatort. Danach haben die
Gewalthandlungen des Angeklagten Be den Tod des Opfers mindestens
beschleunigt. Der Schuldspruch gegen diesen Angeklagten wegen Mordes
ist daher rechtsfehlerfrei (vgl. BGHR StGB vor §
1/Kausalität - Angriffe, mehrere 1; BGHR StGB vor §
1/Kausalität - Doppelkausalität 2 m.w.N.).
Hinsichtlich dieses Tatkomplexes hat das Landgericht das Mordmerkmal
der Verdeckungsabsicht auch rechtsfehlerfrei bejaht. Die Fahrt zur
Wohnung und der erst dort gefaßte Entschluß zur
Rückkehr zum Tatort bildeten eine ausreichende Zäsur
zwischen der zu verdeckenden Vortat und den späteren
tödlichen Mißhandlungen.
3. Bestehen bleiben kann damit auch die vom Landgericht für
den vollendeten Mord gegen den Angeklagten Be verhängte
Einzelfreiheitsstrafe von 13 Jahren. Die
Strafzumessungserwägungen hierzu lassen einen Rechtsfehler
nicht erkennen.
Die Änderung des Schuldspruches im ersten Tatkomplex
führt zu einer Aufhebung der insoweit gegen die Angeklagten
verhängten Einzelstrafen. Der Senat verkennt dabei nicht,
daß im Hinblick auf die einzubeziehenden Freiheitsstrafen
(Einsatzstrafe bei M: 13 Jahre und sechs Monate, bei Be: lebenslange
Freiheitsstrafe) die nunmehr vom neuen Tatrichter noch vorzunehmende
Strafzumessung für die Angeklagten ohne praktische Auswirkung
auf die Gesamtsanktionen sein dürfte. Im Hinblick auf die
selbständige Bedeutung einer Einzelstrafe (vgl. BGHSt 4, 346;
1, 252) sieht sich der Senat indes nach § 354 StPO aus
Rechtsgründen gehindert, selbst die Einzelstrafen festzusetzen.
Der Wegfall dieser Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der vom
Landgericht gebildeten Gesamtstrafen. Dies schließt die beim
Angeklagten Be an sich rechtsfehlerfrei getroffene Feststellung der
besonderen Schwere der Schuld nach § 57b StGB ein.
Hierüber wird der neue Tatrichter ebenfalls zu befinden haben.
Zu einer Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld
nach § 57b StGB ist er gehalten, auch wenn er selbst als
Einzelstrafe keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt,
sondern mit einer solchen nur nach §§ 54, 55 StGB
eine Gesamtstrafe zu bilden hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
50. Aufl. § 57b Rdn. 2).
Bei dem gegebenen Subsumtionsfehler ist eine Aufhebung von
Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO nicht
veranlaßt. Der neue Tatrichter wird über die
Einzelstrafen, die Gesamtstrafen und über § 57b StGB
bei Be
auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen und unter
Berücksichtigung der abweichenden milderen rechtlichen
Würdigung des Senats zu entscheiden haben. Er ist lediglich
zur Ergänzung weiterer Feststellungen befugt, die den
bisherigen nicht widersprechen.
Harms Basdorf Tepperwien
Raum Brause
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