BGH,
Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 140/08
vom
12. Juni 2008
in dem Strafverfahren/Sicherungsverfahren
gegen
wegen Bedrohung u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
Juni 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2007 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit es den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der
Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren
von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat nach Verbindung zweier Strafverfahren und eines
Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im
Folgenden: Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im
Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von den mit
den Anklageschriften vom 16. Juni 2006 und 18. August 2006 erhobenen
Vorwürfen, soweit es die Vorwürfe der Beleidigung in
Tateinheit mit Bedrohung und einer weiteren Beleidigung zum Nachteil
des Zeugen S. betrifft, wegen Schuldunfähigkeit, im
Übrigen aus tatsächlichen Gründen
freigesprochen und den im Sicherungs-
1
- 4 -
verfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung
des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Mit
ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten Revision rügt
die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet
sich dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer
Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat. Ferner
beanstandet sie, dass eine Entscheidung über die Einziehung
der bei dem Angeklagten sichergestellten, die rechtswidrige Tat nach
§ 52 Abs. 2 Nr. 8 WaffG betreffenden Gegenstände
unterblieben ist.
I.
1. Nach den Feststellungen leidet der nunmehr 43 Jahre alte
Beschuldigte an einer erstmals im Jahr 1990 diagnostizierten
chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Im selben
Jahr unternahm er einen Suizidversuch, bei dem er sich die Pulsadern
öffnete und seine Wohnung in Brand steckte. Mit
Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten
Köln vom 10. Oktober 1990 wurde ihm die Ausübung der
tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition
untersagt. Das Ermittlungsverfahren wegen schwerer Brandstiftung wurde
im Dezember 1990 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen
Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Nach einem
weiteren Suizidversuch im Jahre 1997, den er ebenso wie den
vorangegangenen unternommen hatte, weil er glaubte, er solle ermordet
werden, ließ sich der Beschuldigte freiwillig 19 Monate lang
in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln und wurde danach weiter
ambulant psychiatrisch behandelt. Die über mehrere Jahre
eingenommenen Medikamente setzte der Beschuldigte ab und nahm seitdem
lediglich das Medikament Diazepam.
2
- 5 -
Zu den dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im
Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Anklageschrift vom 16. Juni 2006:
4
Am 27. November 2005 kam es in dem Mietshaus in Gelsenkirchen, in dem
auch der Beschuldigte wohnte, zu folgenden Vorfällen:
5
Als der Zeuge S. , nachdem er einen dumpfen Knall gehört
hatte, die Wohnungstür öffnete, stand der
Beschuldigte, der einen Baseballschläger in der Hand hielt, im
Flur und sagte: "Wir müssen was klären". Der Zeuge
schloss die Wohnungstür und informierte die Polizei. Danach
klopfte der Beschuldigte an die Tür der Wohnung des Zeugen P.
. Als dieser die Tür öffnete, schlug der Beschuldigte
mit seinem Baseballschläger in die eigene Handfläche
und sagte: "Jetzt ist es soweit. Komm' raus!" Der Zeuge P.
fürchtete, geschlagen zu werden und schloss die Tür.
Als der Zeuge S. die inzwischen erschienenen Polizeibeamten in seine
Wohnung einließ, kam der Beschuldigte hinzu, beleidigte den
Zeugen und rief ihm zu: "Wenn ich in den Knast komme, mach' ich Euch
beide kalt!"
6
b) Anklageschrift vom 18. August 2006:
7
Am 17. Juli 2006 belegte der Beschuldigte den Zeugen S. im Treppenhaus
des vorgenannten Mietshauses erneut mit üblen Schimpfworten.
Dabei hielt er ein Klappmesser in der Hand. Der Zeuge S. zog aus Angst
vor Übergriffen des Beschuldigten in eine andere Wohnung um.
8
- 6 -
c) Antragsschrift vom 5. Juni 2007:
9
Am 23. Februar 2007 kam es gegen Abend zu einer Auseinandersetzung
zwischen dem Beschuldigten und anderen Mitbewohnern des Mietshauses, in
deren Verlauf der Beschuldigte schließlich aus seiner Wohnung
ein etwa 50 cm langes Messer holte und mit dem Messer in der Hand durch
den Flur zu der Wohnung der Zeugin A. lief, was bei der Zeugin panische
Angst auslöste. Unter welchen Umständen der
Beschuldigte dann wieder in seine Wohnung gelangte, hat das Landgericht
nicht aufzuklären vermocht. Der Zeuge W. hielt die
Tür der Wohnung des Beschuldigten bis zum Eintreffen der von
einem Mitbewohner alarmierten Polizeibeamten zu. Bei der
anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten
wurden neben zahlreichen Messern u.a. ein Bogen mit Köcher und
sechs gespitzten Pfeilen, ein Baseballschläger, ein Tomahawk,
sieben Bajonette, verschiedene Bauteile, Magazine und
„Munitionsteile“ für das G 3, ein mit
einem "F" im Fünfeck gekennzeichnetes Luftgewehr, sieben
Handgranaten ohne Zünder und eine Mörsergranate
sichergestellt.
10
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der Vorfälle am 27.
November 2005 eine rechtswidrige Tat gemäß
§§ 185, 241 Abs. 1, 52 StGB bejaht und die
Äu-ßerungen des Beschuldigten gegenüber dem
Zeugen S. am 17. Juli 2006 als rechtswidrige Tat im Sinne des
§ 185 StGB gewertet. Hinsichtlich der dem Beschuldigten mit
der Antragsschrift vom 5. Juni 2007 im Sicherungsverfahren zur Last
gelegten Taten hat das Landgericht lediglich eine von dem Beschuldigten
durch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt
über das bei ihm sichergestellte Luftgewehr und "diverse
Munitions- und Schusswaffenteile" entgegen der
Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten
Köln begangene rechtswidrige Tat im Sinne des § 52
Abs. 3 Nr. 8 WaffG als erwiesen angesehen. Dagegen habe
11
- 7 -
die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beschuldigte im Verlauf der
Auseinandersetzung am 23. Februar die ihm ferner zur Last gelegten
beiden Bedrohungen, eine vorsätzliche
Körperverletzung sowie eine versuchte gefährliche
Körperverletzung begangen habe.
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der
festgestellten rechtwidrigen Taten die Schuldfähigkeit des
Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung
im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit
zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe.
Die Hauptsymptome der chronischen Psychose aus dem schizophrenen
Formenkreis, an der der Beschuldigte leide, bestünden in
formalen und inhaltlichen Denkstörungen, die sich in
zerfahrenen Gedankenabläufen bzw. Wahnvorstellungen und
Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und Beziehungsideen
äußerten. Das Wahnerleben des Beschuldigten beziehe
sich auf dessen gesamtes personelles Umfeld, das ihn nach seiner
Wahrnehmung ständig bedrohe, bespitzele und beleidige. Damit
einher gehe eine affektive Störung, die sich in
erhöhter Reizbarkeit, gesteigertem Antrieb und verminderter
Impulskontrolle äußere.
12
Die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine
Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus
hat das Landgericht verneint, weil die hierfür erforderliche
erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten
aus dem mittleren Kriminalitätsbereich nicht erkennbar sei.
Die zur Anklage gebrachten Taten seien "von vornherein nicht von einem
derartigen kriminellen Gewicht" gewesen. Die festgestellten
rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. genügten
ebenso wenig wie der Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 8
WaffG für die Annahme einer erhöhten
Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher
Straftaten. Zwar bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit
künftigen strafrechtlich relevanten Verhaltens des
13
- 8 -
Beschuldigten. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit sei aber auf
die Begehung gleichartiger Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen
beschränkt, was für die Anordnung der
Maßregel nicht ausreiche. Eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten, etwa von
Körperverletzungsdelikten, sei dagegen nicht anzunehmen.
Soweit der Beschuldigte ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges
im Jahre 2003 wegen einer im Jahre 2001 begangenen
gefährlichen Körperverletzung zu einer zur
Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verurteilt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass diese Tat
bereits eine erhebliche Zeitspanne zurückliege. Die schwere
Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Jahre 1990 habe
der Beschuldigte zudem in einer Ausnahmesituation begangen. Soweit es
die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG betreffe,
bestehe "derzeit" keine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer
vergleichbarer Taten des Beschuldigten, weil sämtliche
erlaubnispflichtigen oder auf Grund der Verfügung des
Polizei-präsidenten Köln verbotenen Waffen
„eingezogen“ worden seien.
II.
Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Beschuldigten von den ihm
in den hinzu verbundenen Strafverfahren zur Last gelegten Taten von dem
Revisionsangriff ausgenommen. Diese Beschränkung des
Rechtsmittels ist zulässig (vgl. BGH NStZ 1995, 609, 610;
Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 318 Rdn. 24; Frisch in
SK-StPO § 344 Rdn. 21, jew. m.w.N.).
14
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht den im
Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die
Unterbringung des Beschuldigten in einem
15
- 9 -
psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren
von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. Im
Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach
§ 63 StGB wegen der im Strafverfahren festgestellten
rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. und der im
Sicherungsverfahren festgestellten rechtswidrigen Tat nach §
52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Die der für den Beschuldigten günstigen
Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegende
Gesamtwürdigung weist Wertungsfehler auf. Sie ist zudem
lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende
revisionsrechtliche Überprüfung der
Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und
der Taten nicht zu.
16
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere
des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit
Rücksicht auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB)
nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den
Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl.
BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212 m.w.N.). Die Annahme des
Landgerichts, die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte
künftig rechtswidrige Taten wie die festgestellten Anlasstaten
zum Nachteil des Zeugen S. im Sinne der §§ 185 und
241 StGB begehen werde, vermöge seine Unterbringung nach
§ 63 StGB nicht zu rechtfertigen, weil die festgestellten
Anlasstaten nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität
hineinreichten, lässt zwar entgegen der Auffassung der
Revision nicht besorgen, dass das Landgericht verkannt haben
könnte, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht
erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss (vgl. Fischer StGB
55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Vielmehr hat das Landgericht trotz der
Verneinung der Erheblichkeit dieser Anlasstaten auch
17
- 10 -
geprüft, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der
Begehung schwerer Delikte gegeben ist, und dies verneint (UA S. 22).
Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Gewichtung der
festgestellten Bedrohung und damit auch der zu erwartenden
gleichartigen Taten des Beschuldigten als nicht erheblich im Sinne des
§ 63 StGB.
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt
selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt es auf die zu
befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das
Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände
vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April
2008 - 1 StR 153/08 - Rdn. 14). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im
Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im
Sinne des § 63 StGB angesehen werden können.
Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv
in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen,
stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und
sind nicht bloße Belästigungen. Schon im Hinblick
auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63
StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten
Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr
ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 3.
April 2008 - 1 StR 153/08 - Rdn. 11). Es hätte deshalb der
Erörterung bedurft, ob die Bedrohung des Zeugen S. aus dessen
Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies liegt nach den
Feststellungen nahe, denn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen war
vorausgegangen, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem
Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches
Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort
die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu
informieren.
18
- 11 -
b) Soweit der Beschuldigte die tatsächliche Gewalt
über die bei ihm sichergestellten Gegenstände
ausgeübt hat, hat das Landgericht verkannt, dass er damit nach
den bisherigen Feststellungen, jedenfalls soweit es die
sichergestellten Magazine und „Munitionsteile“
für das G 3, die Mörsergranate und -
möglicherweise - die Handgranaten ohne Zünder
betrifft (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 1 KWKG Nr. 29 c, 46, 49,
50), auch den Verbrechenstatbestand des § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a
KWKG und damit eine schon vom Deliktstyp her im Sinne des § 63
StGB erhebliche Tat verwirklicht haben könnte. Hierzu
hätte es näherer Feststellungen zur Beschaffenheit
der vorgenannten Gegenstände bedurft. Selbst wenn diese
tatsächlich, etwa im Wege der außergerichtlichen
Einziehung, eingezogen worden sein sollten, spräche dies
entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend gegen die
Gefährlichkeit des Beschuldigten, weil dieser, womit sich das
Landgericht hätte auseinandersetzen müssen, nach den
Feststellungen ein „besonderes Interesse an Waffen aller
Art“ hat. Es liegt daher nicht fern, dass er sich erneut
solche beschaffen kann und wird.
19
c) Zudem fehlt eine Gesamtschau der konkreten Tatumstände der
rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. , die ebenfalls
für die Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen
können, wie das Mitführen eines
Baseballschlägers oder eines Messers. Ebenso hätte in
die Gesamtschau einbezogen werden müssen, dass der
Beschuldigte, wie das Herbeiholen eines 50 cm langen Messers im Verlauf
der - nicht ausgeurteilten - Auseinandersetzung am 23. Februar 2007
belegt, aufgrund seines Zustandes dazu neigt, sich mit einem Messer
oder anderen gefährlichen Werkzeugen zu bewaffnen. Dies kann
vor dem Hintergrund der krankheitsbedingt verminderten Impulskontrolle
und erhöhten Reizbarkeit dafür sprechen, dass
künftig auch mit Aggressionsdelikten des Beschuldigten zu
rechnen ist, zumal die Erkrankung des Beschuldigten nach den
Ausführungen des Sachverständigen mangels
fachpsychiatrischer
20
- 12 -
und medikamentöser Behandlung einen progredienten, chronischen
Verlauf nimmt.
Soweit das Landgericht den früheren Taten des Beschuldigten
wegen des Zeitablaufs keine indizielle Bedeutung beigemessen hat,
hätte es gleichwohl der Mitteilung der Hintergründe
dieser Taten bedurft, weil auch länger zurückliegende
Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung
für die Gefährlichkeitsprognose haben
können. Dies gilt namentlich für die
gefährliche Körperverletzung vom 1. November 2001,
aber auch für die nach Auffassung des Landgerichts in einer
„Ausnahmesituation“ im Jahre 1990 begangene schwere
Brandstiftung, bei deren Begehung der Beschuldigte
schuldunfähig gewesen ist. Der Mitteilung bedurft
hätten auch die Gründe der auf § 40 WaffG
gestützten Untersagungsverfügung. Unter den hier
gegebenen Umständen hätte es schließlich
näherer Darlegung des vom Sachverständigen in der
Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedurft, zumal nach den
Urteilsausführungen unklar bleibt, zu welcher
Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten der
Sachverständige in der Hauptverhandlung gelangt ist.
21
2. Soweit die Revision beanstandet, dass eine Entscheidung
über die Einziehung der das Waffendelikt betreffenden
sichergestellten Gegenstände unterblieben ist, lässt
sie außer acht, dass im Sicherungsverfahren nur
Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden
dürfen. Einziehungsentscheidungen als sonstige
Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen
bei schuldunfähigen Tätern allein im
selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440
StPO). Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs.
1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so dass es für eine
Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. BGH, Beschluss
vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03).
22
- 13 -
III.
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des
Urteils, soweit dieses angefochten ist. Die infolge der wirksamen
Beschränkung des Rechtsmittels eingetretene Rechtskraft des
Freispruchs bewirkt nur, dass der Beschuldigte vor einer Bestrafung
wegen der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind,
geschützt ist. Auch hinsichtlich dieser Taten muss der neue
Tatrichter ebenso wie zu den Taten, die Gegenstand des
Sicherungsverfahrens sind, als Grundlage für eine etwaige
Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eigene
Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand sowie zur
Schuldfähigkeit treffen.
23
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann |