BGH,
Urt. v. 12.3.2008 - 3 StR 433/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 433/07
vom
12.3.2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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StPO § 1 (faires Verfahren), § 154, § 302
Abs. 1 Satz 1
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
1. Wird bei einer verfahrensbeendenden Absprache unter Beteiligung des
Gerichts rechtswidrig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart, so hat dies
nicht die Unwirksamkeit der Absprache im Übrigen zur Folge.
2. Die Ankündigung des Angeklagten, gegen das aufgrund einer
Verfahrensabsprache ergehende Urteil Rechtsmittel einzulegen, ist
für sich genommen kein Umstand, der die Bindung des Gerichts
an eine zulässige Verständigung beseitigt. Sie
rechtfertigt es auch nicht, dass sich die Staatsanwaltschaft von ihrer
in die Absprache einbezogenen Zusage löst, zu einer anderen
Tat des Angeklagten einen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu
stellen.
3. Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft durch deren Zusage einer
Antragstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in eine
Verfahrensabsprache ein, so hat es für den
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Fall, dass diese ihr Versprechen sodann unter Verstoß gegen
den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht einhält, die
Verpflichtung, den Angeklagten, der im Vertrauen auf die Zusage die ihm
vorgeworfenen anderen Taten eingeräumt hat, im Rahmen der
rechtlichen Gestaltungsspielräume von den sich hieraus
ergebenden Folgen so weit freizustellen, dass die getroffenen
Absprachen weitestmöglich eingehalten werden. Nur wenn sich
auf diese Weise kein Ergebnis erzielen lässt, das noch mit dem
Gebot fairer Verfahrensführung vereinbar wäre, kommt
ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat in
Betracht, zu der der Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO
angekündigt worden ist.
BGH, Urt. vom 12.3.2008 - 3 StR 433/07 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 21. Februar 2008 in der Sitzung am 12.3.2008, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 -
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 21. Mai 2007 im Strafausspruch dahin geändert,
dass der Angeklagte zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt
wird.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die
Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung und
über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit
mit schwerer räuberischer Erpressung, wegen schweren Raubes
und wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der
Rüge, das Landgericht habe seine Pflicht verletzt, das
Verfahren fair zu gestalten, sowie mit der allgemeinen Sachbeschwerde.
Das Rechtsmittel führt auf die Verfahrensrüge zur
Änderung
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des Strafausspruchs und zur Zurückverweisung der Sache an das
Landgericht zur Entscheidung über die Aussetzung der
Strafvollstreckung zur Bewährung.
1. Der Beanstandung liegt folgendes, dem Protokoll der
Hauptverhandlung, dem Revisionsvortrag und den dienstlichen
Erklärungen übereinstimmend zu entnehmendes Geschehen
zugrunde:
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Gegen den Angeklagten und mehrere Mitangeklagte fand die
Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs zweier bewaffneter
Raubüberfälle auf Mitarbeiter von Spielhallen im
September 2006 statt (Taten 1 und 2). Zugleich waren gegen die
Tätergruppe weitere Ermittlungsverfahren anhängig;
gegen den Angeklagten war wegen eines Überfalls auf eine
Tankstelle am 4. November 2006 (Tat 3) bereits Anklage zum Landgericht
erhoben, diese aber noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden.
Am zweiten Hauptverhandlungstag teilte der Vorsitzende mit, es
hätten "zwischen dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft,
den Angeklagten, deren Verteidigern und dem Gericht Gespräche
mit dem Ziel einer einvernehmlichen und
verfahrensabschließenden Verständigung
stattgefunden". Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die
Angeklagten und deren Verteidiger erklärten daraufhin: "Wir
greifen die Anregung des Gerichts auf und sind bereit, für den
Fall eines Geständnisses folgende Strafen zu akzeptieren:
… der Angeklagte A. eine Jugendstrafe von nicht mehr als
zwei Jahren - ohne Strafaussetzung." Im Anschluss daran
erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, dass er
in den gegen den Angeklagten und die Mitangeklagten bei der Polizei
anhängigen Ermittlungsverfahren, bei den bei der
Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren und "in den
bei der Jugendkammer bereits angeklagten Verfahren eine -
endgültige - Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO
veranlassen bzw. eine - endgültige - Einstellung nach
§ 154 Abs. 2 StPO beantragen wird". Sodann gaben der An-
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geklagte und die Mitangeklagten über die Verteidiger - der
Angeklagte über Rechtsanwalt R. - jeweils eine
geständige Einlassung ab. Nachdem das Verfahren am
nächsten Verhandlungstag mit sonstigen Beweiserhebungen
fortgesetzt worden war, teilte außerhalb der Hauptverhandlung
Rechtsanwalt H. als neuer Verteidiger des Angeklagten dem Vorsitzenden
der Jugendkammer telefonisch mit, dass sein Mandant nicht mehr bereit
sei, eine Jugendstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung zu
akzeptieren. Hiervon unterrichtete der Vorsitzende den
Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der darauf antwortete, er
fühle sich nun seinerseits nicht mehr an die getroffene
Absprache gebunden, in dem bei der Jugendkammer anhängigen
weiteren Verfahren einen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu
stellen. Am nächsten Verhandlungstag erklärte
Rechtsanwalt R. , der Angeklagte könne nicht verbindlich
erklären, dass er ein heute gegen ihn ergehendes Urteil
akzeptieren werde. Daraufhin erwiderte der Sitzungsvertreter der
Staatsanwaltschaft, dass er sich, weil der Angeklagte deutlich gemacht
habe, keinen Rechtsmittelverzicht erklären zu wollen, an die
getroffene Absprache nicht mehr gebunden fühle, und beantragte
die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten.
Antragsgemäß trennte die Jugendkammer danach das
Verfahren gegen den Angeklagten durch Beschluss ab, weil nunmehr die
Verbindung mit dem anhängigen Verfahren wegen eines weiteren
Raubüberfalls (Tat 3) in Betracht komme, bezüglich
dessen ein Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2
StPO nicht mehr zu erwarten sei. Am nächsten Verhandlungstag
wies die Jugendkammer den Angeklagte darauf hin, dass sie nicht mehr an
die Verständigung gebunden sei. Danach wurde
bezüglich der weiteren Anklage das Hauptverfahren
eröffnet und die Sache zum laufenden Verfahren verbunden. Nach
weiterer Beweiserhebung - der Angeklagte ließ sich zum
Vorwurf des dritten Raubüberfalls nicht ein - wurde der
Angeklagte wegen aller drei Taten zu der Jugendstrafe von drei Jahren
verurteilt.
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2. Die Revision wendet sich - ungeachtet des in der
Revisionsverhandlung ohne Beschränkung gestellten
Aufhebungsantrags - nicht dagegen, dass das Landgericht, obwohl es sich
nicht mehr an die Verfahrensabsprache gebunden fühlte, das vom
Angeklagten auf deren Grundlage abgelegte Geständnis verwertet
und ihn hiervon ausgehend wegen der Taten 1 und 2 schuldig gesprochen
hat; der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob insoweit ein
Verwertungsverbot vorlag. Vielmehr wird mit der Verfahrensrüge
beanstandet, dass das Landgericht sich nicht von der getroffenen
Verfahrensabsprache habe lösen und den Angeklagten daher nur
wegen der Taten 1 und 2 zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei
Jahren habe verurteilten dürfen. Mit dieser
Stoßrichtung hat die Verfahrensrüge einen Teilerfolg.
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3. Der Schuldspruch hält allerdings rechtlicher
Überprüfung stand. Die ihn tragenden Feststellungen
beruhen zu allen drei Taten auf einer rechtsfehlerfreien
Beweiswürdigung. Auch wurde durch die getroffene
Verfahrensabsprache kein Verfahrenshindernis für die
Verfolgung der Tat 3 begründet. Jedoch kann der Strafausspruch
nicht bestehen bleiben. Im Einzelnen gilt:
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a) Es ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass die Jugendkammer
mit dem Angeklagten eine Verfahrensabsprache getroffen hat. Trotz
fehlender gesetzlicher Regelung ist im Strafverfahren eine
Verständigung innerhalb der von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung gezogenen Grenzen (siehe
hierzu BVerfG NStZ 1987, 419; BGHSt 43, 195; BGHSt - GS - 50, 40)
grundsätzlich zulässig. Diese Grenzen sind hier
jedenfalls nicht in einer Weise überschritten worden, dass den
getroffenen Abreden insgesamt die Verbindlichkeit gefehlt
hätte mit der Folge, dass der Angeklagte keinen Anspruch auf
Einhaltung der ihm erteilten Zusagen gehabt hätte.
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Zunächst hat das Landgericht dem zu beachtenden
Formerfordernis genügt, indem es das Ergebnis einer in
Vorgesprächen erreichten Annäherung in der
öffentlichen Verhandlung mitgeteilt und in die
Sitzungsniederschrift aufgenommen hat. Ein Überschreiten der
inhaltlichen Grenzen einer zulässigen Verständigung
zum Strafausspruch ist nicht ersichtlich. Dass sich die Abrede auf die
Verhängung einer Jugendstrafe bezog, macht sie für
sich nicht unzulässig (zu den Bedenken vgl. BGH NStZ 2001, 555
mit Anm. Eisenberg NStZ 2001, 556); es ist nicht erkennbar, dass auch
die Frage der Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht und
nicht allein die Höhe der höchstens zu
verhängenden Strafe Gegenstand der Vereinbarung war. Der
Umstand, dass in die Absprache die Zusage der Staatsanwaltschaft
einbezogen war, in anderen Verfahren auf unterschiedliche Weise von
weiterer Strafverfolgung abzusehen oder entsprechende Anträge
zu stellen, steht deren Wirksamkeit nicht entgegen.
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b) Die Grenzen einer zulässigen Verständigung sind
allerdings dann verletzt, wenn das Gericht am Zustandekommen einer
Urteilsabsprache mitwirkt, in der auch der Verzicht auf die Einlegung
eines Rechtsmittels vereinbart wird. Es darf bei Gesprächen
über eine einverständliche Verfahrensbeendigung die
Frage eines Rechtsmittelverzichts weder von sich aus ansprechen, noch
gar befürworten oder von den Beteiligten verlangen. Es hat
Äußerungen zu vermeiden, die objektiv dahin
verstanden werden können, dass ihm an einem
Rechtsmittelverzicht gelegen oder dass dieser für den
Angeklagten vorteilhaft sei (BGHSt - GS - 50, 40, 57); denn
für die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts bestehen
keine legitimen Interessen (BGHSt - GS - 50, 40, 56; siehe dazu auch
den Vorlegungsbeschluss des Senats BGH NJW 2004, 2536).
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Es liegen hier erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das
Landgericht diese Vorgaben missachtet und einen Verzicht der
Rechtsmittelberechtigten auf Einlegung der Revision zum Gegenstand der
Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung gemacht
hat. Hierfür spricht zum einen schon der Wortlaut der
protokollierten Verständigung: Danach hat nicht - wie an sich
geboten (vgl. BGHSt 43, 195, 207 und BGHSt - GS - 50, 40, 48) - die
Jugendkammer für den Fall einer geständigen
Einlassung die Zusage erteilt, eine bestimmte Strafhöhe nicht
zu überschreiten; vielmehr haben der Angeklagte, sein
Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft
versprochen, eine Jugendstrafe von nicht mehr als einem bestimmten
Höchstmaß zu "akzeptieren". Auch die Reaktionen des
Vorsitzenden und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft auf die
Ankündigung, der Angeklagte werde die Frage der
Bewährung möglicherweise durch das
Rechtsmittelgericht überprüfen lassen, deuten in
diese Richtung. Andererseits hat die Revision ein solches
rechtswidriges Verhalten der Verfahrensbeteiligten nicht geltend
gemacht; es lässt sich auch den vorliegenden dienstlichen
Stellungnahmen (zur freibeweislichen Feststellung eines
unzulässigen Geschehens vgl. BGHSt 45, 227, 228) nicht mit
Sicherheit entnehmen.
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Der Senat muss diese Frage jedoch nicht näher
aufklären. Selbst wenn unter Beteiligung des Gerichts
unzulässig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart worden sein
sollte, hätte dies nicht zur Folge, dass die übrigen
Abreden unbeachtlich wären. Zwar wäre das Versprechen
des Rechtsmittelverzichts selbst unwirksam und deshalb ohne Bindung
für die Rechtsmittelberechtigten; indes würde die
Wirksamkeit der Verständigung im Übrigen durch die
rechtswidrige Einbeziehung eines Rechtsmittelverzichts hier nicht
beeinträchtigt werden. Die Verbindlichkeit einer nach den
allgemeinen Grundsätzen wirksamen Urteilsabsprache wird nicht
dadurch gefährdet, dass sie mit dem Versprechen eines
späteren Rechtsmittelverzichts verbunden ist. Selbst wenn dies
unzulässigerweise
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der Fall gewesen sein sollte, wären die hiermit verbundenen
Erwartungen nicht schützenswert (vgl. Rieß in FS
für Meyer-Goßner S. 645, 652).
c) Demgemäß war das Landgericht im Grundsatz an
seine Zusage gebunden, den Angeklagten wegen der Taten 1 und 2 zu einer
Jugendstrafe von höchstens zwei Jahren ohne Strafaussetzung
zur Bewährung zu verurteilen sowie das Verfahren zu Tat 3 -
nach einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft -
gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Von
dieser Bindung konnte es sich nur unter den von der Rechtsprechung
anerkannten Voraussetzungen lösen. Danach kommt ein Abweichen
von der Zusage nur dann in Betracht, wenn schon bei der
Urteilsabsprache vorhandene relevante tatsächliche oder
rechtliche Aspekte übersehen wurden (vgl. BGHSt - GS - 50, 40,
50), oder wenn sich in der Hauptverhandlung neue (d. h. dem Gericht
bisher unbekannte) schwerwiegende Umstände zu Lasten des
Angeklagten ergeben (so die zuvor von BGHSt 43, 195, 210 gezogene,
engere Grenze). Dies war hier nicht der Fall.
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aa) Der Angeklagte hat die ihm vorgeworfenen beiden
Überfälle eingeräumt. Es ist nicht
ersichtlich, dass er dabei hinter den vom Gericht an ihn gestellten
Anforderungen zurückgeblieben wäre. Mit seinem
Geständnis hat er seinen Teil der Verständigung
erfüllt. Relevante tatsächliche oder rechtliche
Aspekte waren von der Kammer weder bei der Absprache übersehen
worden noch im Anschluss daran neu zutage getreten. Insbesondere gab
die Erklärung des Angeklagten, er könne nicht
zusichern, dass er bei einem absprachegemäß
ergehenden Urteil auf Rechtsmittel verzichten werde, bzw. er sei mit
einer Verurteilung zu einer die Zusage ausschöpfenden Strafe
nicht mehr einverstanden, der Jugendkammer keine Berechtigung, von der
getroffenen Verfahrensabsprache abzurücken. Darf ein
Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegenstand der Ver-
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ständigung gemacht werden, so kann auch eine
Erklärung, ggf. Rechtsmittel einlegen zu wollen, die
Bindungswirkung der Absprache nicht beseitigen.
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die
Staatsanwaltschaft aufgrund der Erklärungen des Angeklagten in
nicht zu rechtfertigender Weise von ihren Zusagen gelöst hat,
die sie in der unter ihrer Beteiligung zustande gekommenen
Verfahrensabsprache gegeben hatte.
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Die Staatsanwaltschaft hatte sich dadurch an der Verfahrensabsprache
beteiligt, dass sie für den Fall eines Geständnisses
des Angeklagten und dessen Verurteilung im Rahmen der
Verständigung (höchstens zu einer Jugendstrafe von
zwei Jahren ohne Strafaussetzung zur Bewährung) die
Einstellung weiterer Ermittlungs- und Strafverfahren bzw. die Stellung
entsprechender Anträge zugesichert hat (zu den Bedenken gegen
eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft an einer Verfahrensabsprache
vgl. BGHSt 42, 191; 45, 227). Sie hatte damit einen
Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der Angeklagte verlassen
durfte und dessen Grundlage durch seine Ankündigung, gegen das
aufgrund der Verfahrensabsprache ergehende Urteil gegebenenfalls
Rechtsmittel einzulegen, nicht entfallen ist; auch der
Staatsanwaltschaft ist kein berechtigtes Interesse daran zuzubilligen,
ein Urteil einer Überprüfung durch das
Revisi-onsgericht auf Rechtsfehler zu entziehen, dem eine
Verfahrensabsprache vorausgegangen ist, in die sie eigene Zusagen
eingebracht hat.
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Indem die Jugendkammer die Erklärungen der Staatsanwaltschaft
in die Verfahrensabsprache mit dem Angeklagten aufgenommen hat, hat sie
sich die daraus für diesen ergebenden Zusagen zu eigen gemacht
und war daher durch das Gebot fairer Verfahrensgestaltung (Art. 6 Abs.
1 Satz 1 MRK; Art. 20 Abs. 3 GG) gehalten, diese in ihrem
Zuständigkeitsbereich - soweit rechtlich hierzu in
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der Lage (siehe dazu unten d)) - umzusetzen, wenn der Angeklagte seinen
Teil der Abrede erfüllt, mithin das Geständnis zu den
Taten 1 und 2 abgibt. Hätte die Staatsanwaltschaft nach der
geständigen Einlassung des Angeklagten in dem Verfahren zu Tat
3 den von ihr versprochenen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO
gestellt, wäre das Landgericht somit verpflichtet gewesen,
diesem Antrag zu entsprechen.
d) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich vor
diesem Hintergrund indessen kein Verfahrenshindernis für die
Aburteilung der Tat 3.
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Die Staatsanwaltschaft hat zwar durch ihre Weigerung, nach dem
Geständnis des Angeklagten zu den Taten 1 und 2 in dem
Verfahren zu Tat 3 den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu
stellen, das durch ihre entsprechende Zusage begründete
berechtigte Vertrauen des Angeklagten in nicht zu rechtfertigender
Weise verletzt. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft hatte zur Folge,
dass es an einer gesetzlichen Voraussetzung für eine
Verfahrenseinstellung nach dieser Vorschrift fehlte und die
Jugendkammer, die den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht erzwingen
konnte, an einer Erfüllung ihres diesbezüglichen
Versprechens schon aus Rechtsgründen gehindert war -
unbeschadet dessen, dass sie sich selbst an die Absprache nicht mehr
gebunden fühlte. Nach bisheriger Rechtsprechung
begründet die nicht gerechtfertigte, die Verfahrensfairness
missachtende Weigerung der Staatsanwaltschaft, entsprechend einer
erteilten Zusage das Verfahren hinsichtlich einer bestimmten Tat nach
Opportunitätsgründen einzustellen, jedoch kein
Verfahrenshindernis für deren Ahndung, sondern lediglich einen
wesentlichen Strafmilderungsgrund (BGHSt 37, 10). Hieran ist jedenfalls
für die hier gegebene besondere Fallkonstellation
festzuhalten. Zwar lag der damaligen Entscheidung des Senats die
Besonderheit zugrunde, dass der Angeklagte sein strafbares Tun trotz
der Zusage der
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Staatsanwaltschaft fortgesetzt hatte (vgl. BGHSt 37, 10, 14 f.),
während hier der Angeklagte keinen die Änderung des
Verhaltens der Staatsanwaltschaft rechtfertigenden Anlass gegeben hat.
Dies veranlasst indessen keine unterschiedliche Betrachtung. Denn die
Verletzung des Grundsatzes fairer Verfahrensführung kann ein
Verfahrenshindernis nur dann begründen, wenn keine
Möglichkeit besteht, diesen Verstoß durch
strafprozessuale Maßnahmen und/oder die Ausschöpfung
materiellrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auf der
Rechtsfolgenseite so weit auszugleichen, dass sich das Verfahren
insgesamt noch als fair erweist.
Für die hier in Rede stehende Fallgestaltung bedeutet dies:
Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft in eine Verfahrensabsprache
ein, so hat es für den Fall, dass diese ihre Zusagen sodann
unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht
einhält, etwa - wie hier - eine versprochene Antragstellung
nach § 154 Abs. 2 StPO verweigert, die Verpflichtung, den
Angeklagten, der im Vertrauen auf die Zusage die ihm vorgeworfenen
anderen Taten eingeräumt hat, im Rahmen der rechtlichen
Gestaltungsspielräume von den sich hieraus ergebenden Folgen
so weit freizustellen, dass die getroffenen Absprachen
weitestmöglich eingehalten werden. Nur wenn auf diesem Wege
kein Ergebnis erzielbar ist, das das Gesamtverfahren noch als fair
erscheinen lässt, kann ein Verfahrenshindernis für
die Verfolgung der Tat in Betracht kommen, zu der die
Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO
unberechtigt verweigert. Dies ist im Hinblick auf die hier gegebenen
Besonderheiten nicht der Fall, die es ermöglichen, die
Höchststrafenzusage auch dann zu respektieren, wenn in den
Schuldspruch die Verurteilung wegen der Tat 3 einbezogen wird.
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Die erste notwendige Voraussetzung hierfür hat das Landgericht
dadurch geschaffen, dass es das Verfahren zu Tat 3 mit dem Verfahren
bezüglich der
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Taten 1 und 2 verbunden hat. Hierdurch wurde die Möglichkeit
eröffnet, auf die Tat 3, die der Angeklagte an seinem 21.
Geburtstag begangen hat, ebenfalls Jugendstrafrecht anzuwenden
(§ 32 Satz 1 JGG). Von dieser Möglichkeit hat die
Jugendkammer rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht.
Sie hat es indessen rechtsfehlerhaft unterlassen, die weitere
notwendige Konsequenz zu ziehen und auf dieser Grundlage ihre weiterhin
verbindliche Höchststrafenzusage einzuhalten. Dies war ihr
entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts von Gesetzes wegen
nicht verwehrt. Sie war bei der Anwendung von Jugendrecht nicht
gehindert, auch für die drei abgeurteilten Taten auf eine
Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen. Dies lag umso
näher, als die Jugendstrafe ohnehin ohne die Bindung an die
Strafrahmen des Erwachsenenrechts maßgeblich nach
erzieherischen Gesichtspunkten zu bemessen war, sowie
Staatsanwaltschaft und Gericht offensichtlich (anderenfalls
wäre die zugesagte Verfahrenseinstellung nach § 154
Abs. 2 StPO eine Verletzung des Rechts zu Gunsten des Angeklagten
gewesen) der Überzeugung waren, die dritte Tat sei von
minderer Bedeutung (so die Rechtsgedanken von § 154 Abs. 1 Nr.
1 und 2 StPO).
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e) Nach alledem hat der Schuldspruch, nicht dagegen der Strafausspruch
Bestand. Diesen kann der Senat jedoch selbst abändern. Er
erkennt entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf eine Jugendstrafe
von zwei Jahren - die Strafe, die das Landgericht nach der getroffenen
Absprache höchstens hätte verhängen
dürfen. Er schließt aus, dass sich an der Grundlage
für die Verhängung von Jugendstrafe, die der
Tatrichter wegen der Schwere der Schuld für erforderlich
gehalten hat, etwas geändert haben könnte. Ebenso ist
im Hinblick auf die festgestellte Lebensentwicklung des Angeklagten
sowie auf den Umstand, dass nunmehr drei
Raubüberfälle zu ahnden sind,
auszuschließen, dass
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ein neuer Tatrichter eine Jugendstrafe von weniger als zwei Jahren
unter Beachtung des Erziehungsgedankens als ausreichend für
die notwendige Einwirkung ansehen könnte.
Der neue Tatrichter hat daher - auch unter Berücksichtigung
der Entwicklung, die der Angeklagte in der seit dem angefochtenen
Urteil vergangenen Zeit gemacht hat - nur noch darüber zu
entscheiden, ob die Vollstreckung der Jugendstrafe zur
Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine Entscheidung hierzu ist
dem Senat verwehrt.
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Becker Miebach Pfister
Hubert Schäfer |