BGH,
Urt. v. 12.11.2009 - 4 StR 275/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 275/09
vom
12. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Geldfälschung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
November 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Bundesanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen
vom 19. Februar 2009 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der
Schuldspruch dahin geändert wird, dass der Angeklagte der
Geldfälschung in vier Fällen, der Beihilfe zur
Geldfälschung in zwei Fällen und der
Urkundenfälschung in zehn Fällen schuldig ist.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in
vier Fällen, Beihilfe zur Geldfälschung in drei
Fällen und wegen Urkundenfälschung in zehn
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall des Wertersatzes in
Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts.
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Das Rechtsmittel des Angeklagten führt lediglich zu einer
Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es
unbegründet.
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I.
Die Rüge, bei dem Urteil hätten Richter und
Schöffen mitgewirkt, nachdem sie wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt waren und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht
verworfen worden war, hat keinen Erfolg.
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1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
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Im Hauptverhandlungstermin am 17. Oktober 2008 wurde der Zeuge C. vom
Vorsitzenden über sein Auskunftsverweigerungsrecht
gemäß § 55 StPO belehrt. Ausweislich der
Sitzungsniederschrift wurde der Zeuge vom Vorsitzenden darauf
hingewiesen,
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dass er für den Fall, dass er beabsichtige, als Angeklagter im
eigenen Verfahren Angaben zur Sache machen zu wollen, damit rechnen
müsse, dass es bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner
Angaben deshalb zu Problemen kommen könne, weil er vorher, als
Zeuge unter Wahrheitspflicht stehend, keine Angaben gemacht habe.
Der Verteidiger des Angeklagten und die Verteidiger der Mitangeklagten
beanstandeten diese Belehrung. Diese Beanstandung wies die Strafkammer
"als unzulässig" zurück, weil die Belehrung nicht
ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Der Angeklagte lehnte daraufhin den
Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder der Strafkammer, diese
wegen der Zurückweisung der Beanstandung der Belehrung, wegen
Besorgnis der Befangenheit ab. Aus der Belehrung werde deutlich, dass
der Vorsitzende den Zeugen trotz vorher eindeutig erklärter
Auskunftsverweigerung zu einer den Angeklagten belastenden Aussage habe
bewegen wollen. Zudem hätte der Vorsitzende dem Zeugen, der
sein Auskunfts-
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verweigerungsrecht auf Rat seines Verteidigers ausgeübt habe,
bei Hinwirkung auf eine Aussage die Möglichkeit geben
müssen, seinen Verteidiger als Rechtsbeistand hinzuzuziehen.
Dass er dies unterlassen habe, begründe ebenfalls Zweifel an
seiner Objektivität und Unparteilichkeit.
Die Ablehnungsgesuche des Angeklagten gegen den Vorsitzenden, den
Beisitzer und die Schöffen wies die Strafkammer ohne
Mitwirkung der abgelehnten Richter nach Einholung dienstlicher
Äußerungen des Vorsitzenden, des Beisitzers und der
Schöffen als unbegründet zurück. Die
beanstandete Belehrung des Zeugen durch den Vorsitzenden rechtfertige
nicht ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters, ohne dass
es darauf ankäme, inwieweit tatsächlich die Berufung
auf ein Auskunftsverweigerungsrecht durch einen Zeugen Bedeutung in
einem späteren, gegen den Zeugen geführten
Strafprozess haben könne. Vorliegend sei aus der Sicht eines
vernünftigen Angeklagten ein Misstrauen gegen die
Unparteilichkeit des Vorsitzenden schon deshalb nicht gerechtfertigt,
weil der Zeuge, worauf sowohl der Vorsitzende als auch der Beisitzer in
ihren jeweiligen dienstlichen Äußerungen
unwidersprochen hingewiesen hätten, im vorangegangenen
Ermittlungsverfahren noch nicht ausgesagt habe. Es könne
dahinstehen, ob die Auffassung des Angeklagten und des Mitangeklagten
M. zutreffe, der Hinweis habe jedenfalls nicht erfolgen
dürfen, ohne dass der Zeuge sich mit seinem Anwalt, der ihm
zur Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts geraten hatte,
habe abstimmen können. Hierdurch werde der Rechtskreis des
Angeklagten nicht berührt, sondern allenfalls derjenige des
Zeugen. Auch gegen den Beisitzer und die Schöffen sei die
Besorgnis der Befangenheit nicht begründet, weil der die
Beanstandung der Zeugenbelehrung zurückweisende
Kammerbeschluss zu Recht ergangen sei.
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2. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der
Rüge, weil die beanstandete Belehrung des Zeugen durch den
Vorsitzenden lediglich inhaltlich verkürzt, nicht aber in
ihrem protokollierten Wortlaut mitgeteilt wird. Die
Zulässigkeit kann hier jedoch dahinstehen, weil die
Rüge jedenfalls unbegründet ist.
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Die gegen die Mitglieder der Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuche
sind nicht mit Unrecht verworfen worden:
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a) Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann
gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger
Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme
hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein,
die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend
beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl.
§ 24 Rdn. 6, 8 m.w.N.).
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Entgegen der Auffassung der Revision kann sich ein solches Misstrauen
in die Unvoreingenommenheit eines Vorsitzenden grundsätzlich
nicht daraus ergeben, dass er einen Zeugen, der berechtigt von seinem
Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ergänzend
belehrt. Zwar kann ein Zeuge, dem ein Auskunftsverweigerungsrecht
gemäß § 55 StPO zusteht, nach seinem
eigenen freien Ermessen darüber entscheiden, ob er hiervon
Gebrauch machen will. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass
der Richter einen Zeugen im Rahmen der gemäß
§ 55 Abs. 2 StPO gebotenen Belehrung über
Umstände unterrichtet, die für die vom Zeugen zu
treffende Entscheidung von Bedeutung sein können (vgl. BGHSt
21, 12, 13 zu § 52 StPO; BGH, Urteil vom 30. Juni 1988 - 1 StR
150/88, BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Belehrung 2).
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Allerdings war die Belehrung des Zeugen, er könne im Falle der
Auskunftsverweigerung in dem gegen ihn gerichteten Verfahren Probleme
bekommen, unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist es unzulässig, Schlüsse zum Nachteil des
Angeklagten daraus zu ziehen, dass dieser sich als Zeuge in einem
anderen, den gleichen Tatkomplex betreffenden Strafverfahren auf das
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen hat, wenn
er sich - wie hier - bis zur Verweigerung der Auskunft nicht zur Sache
geäußert hatte (BGHSt 38, 302, 305). Dass ein
Richter eine unzutreffende Rechtsmeinung geäußert
hat, rechtfertigt jedoch in der Regel nicht die Annahme der
Befangenheit. Verfahrensverstöße, die auf einem
Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen
grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Zwar gilt dieser
Maßstab dann nicht, wenn die vom Richter
geäußerte Rechtsauffassung abwegig ist oder sogar
den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGHSt 48, 4, 8;
Meyer-Goßner aaO § 24 Rn. 8 m.w.N.).
Hierfür bestehen aber im vorliegenden Fall keine
Anhaltspunkte. Dass der Vorsitzende den Zeugen durch seine Belehrung
gezielt zu einer für den Angeklagten nachteiligen Aussage
drängen wollte, musste für einen
verständigen Angeklagten schon deshalb fern liegen, weil der
Zeuge im Ermittlungsverfahren nicht ausgesagt und den Angeklagten somit
gerade nicht belastet hatte. Welchen Inhalt seine Aussage haben
würde, war daher noch offen. Besonderheiten, wie sie in der
vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeführten
Entscheidung BGHSt 1, 34 im Fall einer nach § 52 StPO
zeugnisverweigerungsberechtigten Ehefrau gegeben waren, liegen hier
nicht vor.
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b) Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden kann sich
auch nicht daraus ergeben, dass er dem Zeugen nicht die Hinzuziehung
seines Verteidigers als Zeugenbeistand ermöglicht hat, die der
Zeuge im Übrigen auch nicht verlangt hatte. Wie das
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO
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dient auch das Recht eines Zeugen, in einem solchen Fall einen Beistand
hinzuzuziehen, allein dem Schutz des Zeugen, nicht aber auch dem des
Angeklagten (vgl. BGHSt 11, 213, 216/217 [GSSt]; Meyer-Goßner
aaO § 55 Rn. 1 m.w.N.).
II.
1. Der Senat hat das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag des
Generalbundesanwalts durch Beschluss gemäß
§ 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall
II. 1 d der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur
Geldfälschung verurteilt worden ist. Dies führt zur
entsprechenden Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der
wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun
Monaten.
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2. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren
Erörterung bedarf nur Folgendes:
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a) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Annahme von
Urkundenfälschung in der Form des mittäterschaftlich
und gewerbsmäßig begangenen Herstellens einer
unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB) durch die
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hinreichend belegt. Dass
der Angeklagte nicht eigenhändig bei der Herstellung der
unechten Urkunden mitgewirkt hat, steht seiner
mittäterschaftlichen Beteiligung nicht von vornherein
entgegen. Die Tatbestandsvariante des Herstellens einer unechten
Urkunde ist kein eigenhändiges Delikt.
Demgemäß kommt auch eine Beteiligung des
Auftraggebers als Mittäter an der Herstellung der unechten
Urkunden durch einen Anderen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18.
November 1988 - 3 StR
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481/88, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 1;
MünchKommStGB/Erb § 267 Rn. 213; Cramer/Heine in
Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 267 Rn.
97). Soweit die Revision darauf verweist, dass dem Angeklagten nach den
Feststellungen nicht bekannt war, wer die bei Salvatore M. bestellten
Falsifikate anfertigen würde, steht dies der Annahme der
Mittäterschaft nicht entgegen. Vielmehr können
mehrere eine Tat auch dann gemeinschaftlich begehen, wenn sie einander
nicht kennen, sofern sich jeder bewusst ist, dass andere mitwirken und
alle im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln (vgl. RGSt 58,
279; Cramer/Heine in Schönke/Schröder aaO §
25 Rn. 71 und § 267 Rn. 97; Schünemann in LK 12.
Aufl. § 25 Rn. 173). Das Landgericht hat die Beteiligung des
Angeklagten an der Herstellung der unechten Urkunden durch "die
Fälscher in Italien" als Mittäterschaft gewertet,
weil er mit der Weiterleitung der Personalien und der Passfotos einen
unentbehrlichen Tatbeitrag zur Anfertigung der Falsifikate geleistet
und wegen des erhofften finanziellen Vorteils aus der
Veräußerung der Falsifikate ein erhebliches eigenes
Interesse an der Durchführung gehabt habe. Ob der Senat der
engen Auffassung, dass diese Kriterien allein für die Annahme
mittäterschaftlichen Herstellens einer unechten Urkunde nicht
ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08 Rn.
9), in dieser Allgemeinheit folgen würde, muss hier nicht
entschieden werden; denn im vorliegenden Fall war das Zusammenwirken
zwischen dem Angeklagten, dem Vermittler und dem Fälscher von
vornherein auf eine dauerhafte arbeitsteilige Zusammenarbeit im
Hinblick auf bereits verfügbares Fälschungsmaterial
gerichtet. Unter diesen Voraussetzungen hält sich die Wertung
des Landgerichts innerhalb des dem Tatrichter zustehenden
Beurteilungsspielraums (vgl. BGHSt 47, 384, 385).
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b) Die Gesamtfreiheitsstrafe kann trotz des Wegfalls der im Fall II. 1
d der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe bestehen
bleiben. Angesichts der verbleibenden 16 Einzelfreiheitsstrafen
(Einsatzstrafe: zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) und des bei
der Bildung der Gesamtstrafe vorgenommenen straffen Zusammenzuges
schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die in dem
eingestellten Fall verhängte Einzelstrafe zu einer noch
niedrigeren Gesamtstrafe gelangt wäre.
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Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Mutzbauer |