BGH,
Urt. v. 12.10.2005 - 5 StR 315/05
5 StR 315/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
12.10.2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof K
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger,
Rechtsanwältin Gr
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des
Landgerichts
Berlin vom 8.03.2005 mit den jeweils zugehörigen
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist,
b) soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe
verurteilt
worden ist,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen
Missbrauchs eines Kindes in 28 Fällen sowie wegen sexuellen
Missbrauchs
eines Kindes in einem Fall (Fall II. 2 der Urteilsgründe)
unter Freisprechung
im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
unter Strafaussetzung
zur Bewährung verurteilt. Die auf die
Überprüfung des letztgenannten
Falls und des Teilfreispruchs wirksam beschränkte Revision des
Nebenklägers
hat mit der Sachrüge Erfolg.
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1. Nach den Urteilsfeststellungen übte der Angeklagte mit dem
am
5. Juni 1988 geborenen Nebenkläger bis zu dessen 14.
Geburtstag in mindestens
28 Fällen den Oral- und Analverkehr aus. Danach fanden noch
sieben
weitere gleich geartete sexuelle Handlungen zwischen dem Angeklagten
und dem Nebenkläger statt, wobei die letzte sexuelle Handlung
am 15. September
2002 mit Billigung des Angeklagten von einem
zwölfjährigen Freund
des Nebenklägers beobachtet wurde.
Das Landgericht hat die vor dem 14. Geburtstag des Nebenklägers
begangenen sexuellen Aktivitäten zutreffend als schweren
sexuellen Missbrauch
eines Kindes und die Vornahme des Oralverkehrs vor dem
zwölfjährigen
Freund des Nebenklägers als sexuellen Missbrauch eines Kindes
(§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB und
§ 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB jeweils
in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung) bewertet.
Hinsichtlich der
sieben nach dem 14. Geburtstag des Nebenklägers erfolgten
sexuellen
Handlungen hat das Landgericht die Annahme des sexuellen Missbrauchs
von Jugendlichen im Sinne von § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB
(Ausnutzung der
Unfähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung) abgelehnt, den
Angeklagten
insoweit in sechs Fällen freigesprochen und hinsichtlich der
Tat vom 15. September
eine zusätzliche Strafbarkeit des Angeklagten verneint.
2. Zu Recht beanstandet der Nebenkläger, dass die Strafkammer
die
nach seinem 14. Geburtstag erfolgten sexuellen Handlungen entgegen ihrer
umfassenden Kognitionspflicht nicht auch unter dem rechtlichen
Gesichtspunkt
des § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB (sexuelle Handlung gegen
Entgelt)
geprüft hat.
Dass dessen Voraussetzungen gegeben sein können, liegt nach den
Urteilsfeststellungen keineswegs fern. Danach hat der Angeklagte
deutlich
gemacht, dass es bei Ablehnung der sexuellen Kontakte keinerlei
gemeinsame
Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel Zoobesuche, Besuche im
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Schwimmbad, Einladungen zu Mc Donalds, mehr geben würde.
Ferner erhielt
der Nebenkläger Süßigkeiten, Geschenke und
auch kleinere finanzielle
Zuwendungen. Die sexuellen Handlungen hatten für den
Nebenkläger - so
die Urteilsausführungen - keine tiefere Bedeutung, sondern
wurden von ihm
lediglich als Mittel zum Zweck, Erhalt des väterlichen
Freundes, angesehen.
„Zudem folgten den sexuellen Handlungen
Freizeitaktivitäten und auch kleinere
materielle Zuwendungen, die er gern entgegennahm.“
Diese Feststellungen legen die Annahme nahe, dass der Angeklagte
die sexuellen Handlungen an dem Nebenkläger auch nach dessen
14. Geburtstag
„gegen Entgelt“ vorgenommen hat. Entgelt im Sinne
von § 182
Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB ist jede in einem Vermögensvorteil
bestehende Gegenleistung
(§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB). Tatbestandsmäßig
sind Vermögensvorteile
jedweder Art. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des
§ 182
Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB reicht es aus, dass sich Täter und
Opfer vor oder
spätestens während des sexuellen Kontaktes
darüber einig sind, dass der
Vermögensvorteil die Gegenleistung für das
Sexualverhalten des Jugendlichen
sein soll. Dabei ist es ausreichend, wenn der Jugendliche zur Duldung
oder Vornahme der sexuellen Handlung durch die Entgeltvereinbarung
wenigstens
mitmotiviert wird, da er schon hierdurch die Erfahrung der
Käuflichkeit
sexueller Handlungen macht, die seine ungestörte sexuelle
Entwicklung
nachhaltig negativ beeinflussen kann (vgl. BGHR StGB § 182
Abs. 1 Nr. 1
Entgelt 1 m.w.N.).
3. Danach kann die Freisprechung des Angeklagten keinen Bestand
haben. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die nicht unbedenkliche
Begründung des Landgerichts zur Verneinung der Voraussetzungen
des
§ 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB (UA S. 10 ff.) rechtlicher
Überprüfung standhalten
würde. Die Sache bedarf ohnehin neuer tatrichterlicher
Würdigung.
Soweit der Angeklagte wegen der Tat vom 15. September 2002 nur
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß
§ 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB
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und nicht auch wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen
gemäß
§ 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB verurteilt worden ist, kann
auch der für sich
genommen rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs
von Kindern nicht bestehen bleiben, da der sexuelle Missbrauch von
Jugendlichen
im vorliegenden Fall hierzu in Tateinheit stünde. Dies zieht
die Aufhebung
der Gesamtstrafe nach sich.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum |