BGH,
Urt. v. 12.9.2001 - 3 StR 313/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 313/01
vom
12. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
September 2001, an der teilgenommen haben: Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan als Vorsitzende, die Richter am
Bundesgerichtshof Winkler, Pfister, Becker, Richterin am
Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird
das Urteil des Landgerichts Kiel vom 15. März 2001 mit den
Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die
Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, die sich mit der
Sachrüge gegen den Strafausspruch wenden; die
Staatsanwaltschaft rügt zudem, daß eine Entscheidung
über die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist. Beide
Rechtsmittel haben nur zu dem unterbliebenen
Maßregelausspruch Erfolg.
1. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden,
daß die Strafkammer von einer alkoholbedingten erheblich
verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB
ausgegangen ist. Angesichts des festgestellten Leistungsverhaltens bei
dem sich über zwei Tage erstreckenden Tatgeschehen durfte sie
bei der geringen Aussagekraft der sich über einen langen
Zeitraum erstreckenden Berechnung des Blutalkoholwertes aufgrund der
Trinkmengenangaben des Angeklagten ohne Rechtsfehler
Schuldunfähigkeit ausschließen (vgl. BGHR StGB
§ 21 Blutalkoholkonzentration 36). Bei dieser Sachlage kann
auch offen bleiben, ob die Strafkammer statt dessen von der am zweiten
Tattag um 15.15 Uhr entnommenen Blutprobe auf den Blutalkoholwert des
Vorabends hätte zurückrechnen müssen, da
auch eine solche Rückrechnung über einen sehr langen
Zeitraum zu wenig realistischen Werten führt und zudem eine
Berücksichtigung des vom Angeklagten am zweiten Tattag
getrunkenen Alkohols erfordert hätte.
2. Die Strafzumessung weist weder zum Vorteil noch zum Nachteil des
Angeklagten durchgreifende Rechtsfehler auf. Die Strafkammer hat
entgegen der Beanstandung der Staatsanwaltschaft auch zu Lasten des
Angeklagten berücksichtigt, daß die eigentliche
Bedrohung von ihm ausgegangen war und auch er es war, der den
Teleskopschlagstock verwendete (UA S. 21); eines Eingehens auf
sämtliche Details der Tatbegehung bedurfte es dabei nicht. Ob
es geboten gewesen wäre, als bestimmenden
Strafzumessungsgesichtspunkt den Umstand zu erörtern,
daß der Angeklagte die Forderung auf die Zahlung einer
weiteren Geldsumme von 10.000 DM erhoben hatte, kann dahinstehen, da
hierauf das Urteil ersichtlich nicht beruht. Es kann nach Sachlage
ausgeschlossen werden, daß die Strafkammer bei
ausdrücklicher Berücksichtigung dieses Aspekts einen
minder schweren Fall verneint oder zu einer höheren Strafe
gelangt wäre.
3. Dagegen stellt es einen Rechtsfehler dar, daß das
Landgericht die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt nicht erörtert hat. Nach den Feststellungen
nimmt der Angeklagte seit 1999 "extensiv" Alkohol zu sich, er trinkt
"jeden 2. bis 3. Tag bis er nicht mehr kann" und hatte mitunter einen
"Filmriß" (UA S. 3). Deswegen hatte sich auch das Amtsgericht
Gemünden am Main am 23. August 1999 veranlaßt
gesehen, neben einer Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen
fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, die kurz nach dem
hier verfahrensgegenständlichen Vorfall angetreten werden
sollte. Auch bei diesem stand der Angeklagte - an beiden Tattagen -
unter ganz erheblichem Alkoholeinfluß.
Bei dieser Sachlage drängte sich eine Erörterung der
Anordnung der Unterbringung auf. Sie durfte auch nicht allein deshalb
unterbleiben, weil bereits das Amtsgericht Gemünden am Main
eine entsprechende, zwar teilweise vor der Hauptverhandlung
vollstreckte, aber noch nicht erledigte Maßregel angeordnet
hatte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB ist die
Anordnung auch dann zwingend, wenn die Maßregel schon in
einem früheren Verfahren angeordnet war (BGHR StGB §
64 Ablehnung 6 m.w.Nachw.). Mit Rechtskraft der späteren
Anordnung ist die frühere rechtlich erledigt (§ 67 f.
StGB). Dafür, daß eine Entziehungskur von vornherein
ohne ausreichende Erfolgsaussicht wäre, ist den Feststellungen
nichts zu entnehmen.
Dieser Rechtsfehler betrifft nur den Maßregelausspruch und
wirkt sich auf die Strafhöhe nicht aus, denn die Strafkammer
hat den Umstand, daß der Angeklagte ohnehin untergebracht
werden wird, bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt.
Rissing-van Saan Winkler Pfister Becker Sost-Scheible |