BGH,
Urt. v. 13.12.2005 - 1 StR 410/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 410/05
vom 13.12.2005
in der Strafsache
gegen 1. 2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
13.12.2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
Dr. Boetticher, Hebenstreit, Dr. Graf, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten C. , Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Memmingen vom 21. April 2005 mit den Feststellungen
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht
tätige Strafkammer des Landgerichts München II
zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: I. Am 7.
Januar 2004 verstarb die dreijährige K. . Nach den
Feststellungen des Landgerichts wurde das Kind vom Angeklagten A. , dem
Lebensgefährten der Mutter des Kindes, der Angeklagten C. ,
mehrere Tage lang körperlich schwer misshandelt. Die
Angeklagte schritt dagegen nicht mit der gebotenen Entschiedenheit ein;
wirkte teilweise sogar aktiv mit. Am Abend des 4. Januar 2004 versetzte
der Angeklagte K. mit solcher Gewalt einen Schlag ins Gesicht, dass sie
mit dem Kopf gegen die Zimmerwand prallte, röchelte und
bewusstlos zu Boden sank. Bemühungen der Angeklagten, K.
wieder zu Bewusstsein zu bringen, blieben erfolglos. Ärztliche
Hilfe holten sie nicht herbei. Erst am nächsten Tag verbrach-
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ten sie das immer noch ohnmächtige Mädchen gegen
14.00 Uhr in eine Toilette eines Krankenhauses, wo es dann aufgefunden
wurde. Trotz ärztlicher Intensivbehandlung war K. jedoch nicht
mehr zu retten. Auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe
hätte das Kind wahrscheinlich nicht überlebt. Die
Schwurgerichtskammer des Landgerichts Memmingen hat beide Angeklagte
wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 2,
Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Körperverletzung mit
Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) - bei der Angeklagten begangen
durch Unterlassen (§ 13 StGB) zu Freiheitsstrafen verurteilt,
den Angeklagten - wegen erheblicher Verminderung der Steuerungs- und
damit der Schuldfähigkeit zur Tatzeit ausgehend von dem nach
den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB herabgesetzten Strafrahmen
des § 227 Abs. 1 StGB - zu der Freiheitsstrafe von zehn Jahren
und drei Monaten, die Angeklagte - unter Herabsetzung des Strafrahmens
des § 227 Abs. 1 StGB gemäß
§§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB - zu der Freiheitsstrafe
von fünf Jahren und sechs Monaten. Au-ßerdem
verfügte die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in
einem psychiatrischen Krankenhaus, bei Anordnung des Vorwegvollzugs von
drei Jahren Freiheitsstrafe. Tötungsvorsatz im Zusammenhang
mit dem tödlichen Schlag hat die Strafkammer bei beiden
Angeklagten verneint. Dies, sowie die fehlende Prüfung einer
Strafbarkeit jedenfalls wegen versuchten Mordes durch Unterlassen nach
dem Schlag (keine sofortige Herbeiholung ärztlicher Hilfe)
beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten der
Angeklagten eingelegten sowie auf die Sachrüge und einige
Formalrügen gestützte Revision und erstrebt die
Aufhebung des Urteils. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat
schon mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung
zur Feststellung fehlenden bedingten Tötungsvorsatzes ist
nicht frei von Rechtsfehlern. Auf die Formalrügen kommt es
deshalb nicht mehr an.
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II. Im Einzelnen hat die Strafkammer Folgendes festgestellt: 1. Der
1973 in Deutschland geborene, hier aufgewachsene und zur Tatzeit
30-jährige Angeklagte A. konsumierte insbesondere im Alter von
12 bis 15 Jahren exzessiv gewalthaltige Videofilme und Computerspiele.
Nach der achten Klasse verließ er die Hauptschule ohne
Abschluss. Sein anschließendes Leben war bei kurzfristigen
Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen geprägt von
Drogen- und Alkoholkonsum, Arbeitslosigkeit, der Begehung von - auch
gewalttätigen - Straftaten, dadurch bedingten Haftzeiten sowie
von zahlreichen Drogentherapien beziehungsweise Therapieversuchen.
Zuletzt wurde er mit Methadon substituiert. Die zur Tatzeit
24-jährige Angeklagte C. kam im Jahre 1979 in Polen zur Welt.
Nach ihrer Schulzeit führte sie ein unstetes Leben in Polen
und Deutschland unter Erwerbstätigkeit im
Amüsierbereich. Drogen (Marihuana, Ecstasy und Kokain)
konsumierte sie zuletzt nicht mehr. Bier, Wein und Schnaps nimmt sie
seit ihrem 14. Lebensjahr regelmäßig, manchmal auch
im Übermaß, zu sich. Im Alter von 21 Jahren wurde
die Angeklagte von einem anderweitig gebundenen, etwa 15 Jahre
älteren Mann - Türsteher, Bodyguard und damals ihr
Zuhälter - ungewollt schwanger. Am 6. Dezember 2000 wurde K. ,
das spätere Tatopfer, in R. geboren. Während der
ersten drei Monate betreute die Angeklagte ihre Tochter selbst. Dann
überließ sie dies weitgehend anderen Personen,
darunter ihrer in L. wohnhaften Mutter. Der Austausch von
Zärtlichkeiten zwischen der Angeklagten und K. war die Aus-
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nahme. Das Kind wurde von der Angeklagten öfters angeschrieen
und beschimpft. Gelegentlich erhielt es Ohrfeigen. Zu weiteren
Misshandlungen kam es jedoch nicht. 2. a) Im November 2003 fanden sich
die Angeklagten und lebten von da an zusammen, zunächst in der
Wohnung der Mutter der Angeklagten. Nach einem Wutanfall des
Angeklagten - wobei er mit dem Kopf einen Spiegel zertrümmert
hatte - der Wohnung verwiesen, fanden die Angeklagten in der zweiten
Dezemberhälfte 2003 Unterschlupf im Einfamilienhaus eines
Bekannten des Angeklagten im Stadtteil B. . Zwischen den Angeklagten
gab es häufig Streit, wobei der Angeklagte seiner
Lebensgefährtin auch Ohrfeigen versetzte. Im Übrigen
verbrachten sie die Vormittage meist im Bett und die Nachmittage mit
dem Konsum von Alkohol und mit Fernsehen. K. spielte
währenddessen oder sollte schlafen. Wegen
„Nichtigkeiten“, wie Hinauszögerns des
angeordneten Mittagsschlafs, Problemen beim abendlichen Einschlafen,
langsamen Essens und ähnlicher typisch kindlicher
Verhaltensweisen ärgerte sich der Angeklagte. Er beschloss, K.
mittels Strafen zu „erziehen“. Vom 1. Januar 2004
an unterzog der Angeklagte K. deshalb einer Tortur, die am 4. Januar
2004 mit der Beifügung der zum Tode des Kindes
führenden Verletzungen endete. Die Angeklagte, die alles
miterlebte, und sich ihrer Fürsorgepflicht gegenüber
ihrer Tochter bewusst war, widersetzte sich den Ü-bergriffen
des Angeklagten nicht mit der gebotenen - und ihr zumutbaren -
Entschiedenheit. Erreichbare Hilfe, z.B. beim Wohnungsgeber oder von
anderen Personen, suchte sie nicht. Sie unternahm auch nicht den
Versuch, unter Mitnahme der Tochter auszuziehen, etwa zurück
zur Mutter. Nur gelegentlich setzte sie zum Widerstand an. In
Einzelfällen wirkte sie demgegenüber sogar aktiv an
den Misshandlungen ihrer Tochter durch den Angeklagten mit.
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Entsprechend der Forderung des Angeklagten, dass das Kind, das er immer
wieder als Bastard bezeichnete, weg müsse, hatten die
Angeklagten auch erwogen, das Kind vor einem Wohnanwesen oder in einer
Kirche auszusetzen oder nach Polen zu verbringen. „Keiner der
Angeklagten unternahm jedoch einen Versuch, einen dieser Pläne
in die Tat umzusetzen.“ Von einer Tötung des Kindes
war aber nie die Rede. b) Folgende einzelne Vorfälle vermochte
die Strafkammer dann festzustellen, wobei ihr eine genaue zeitliche
Einordnung nur teilweise möglich war. Am 1. Januar 2004
bemalte K. in der Wohnung herumliegendes Papier, was missfiel. Zur
Strafe brachte der Angeklagte K. in einen unbeheizten Raum, die so
genannte "Kalte Kammer". Dort schlug er dem Kind zunächst mit
einem Holzstab auf die Finger beider Hände, so dass jene rot
anliefen und anschwollen. Dann musste K. , nur mit einem
kurzärmligen T-Shirt und mit einer Strumpfhose bekleidet, bei
geöffnetem Fenster und bei Minustemperaturen im
Außenbereich, einige Stunden in der „Kalten
Kammer“ stehen bleiben. Nachdem sich der Angeklagte beruhigt
hatte, cremte er K. s geschwollene Hände ein und verband sie.
Zum Ärger des Angeklagten spielte K. am Morgen des 2. Januar
2004 mit der letzten gefüllten Methadonflasche, die dem
Angeklagten noch zur Verfügung stand. Er erhitze mit einem
Feuerzeug den Plastikverschluss einer leeren Methadonflasche, packte
die am Unterkörper entblößte K. am Nacken,
drückte sie mit dem Gesicht auf eine Matratze und presste die
angeschmorte Spitze des Verschlusses mit Drehungen auf das
Gesäß und die Oberschenkel des Mädchens.
Dies wiederholte der Angeklagte mehrfach so-
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wohl an diesem wie auch am nächsten Tag. Die Angeklagte half
hierbei dem Angeklagten jeweils
„weisungsgemäß“, das Kind
festzuhalten. Bei anderer Gelegenheit zwang der Angeklagte K. , sich
mit dem Bauch auf den Boden zu legen. Dann schlug er mit einem
Ledergürtel so auf das entblößte Kind ein,
dass es vom Rücken bis zu den Kniekehlen etwa sechs rote
Striemen erlitt. Nach diesem Vorfall drohte die Angeklagte dem
Angeklagten, ihn zu verlassen. Er entschuldigte sich, cremte das Kind
ein und bandagierte es. Zu einem weiteren Zeitpunkt versetze der
Angeklagte dem Kind einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht,
sodass das Mädchen mit dem Kopf gegen die Wand prallte. An
einem der Abende holte der Angeklagte K. aus dem ungeheizten Keller -
dorthin hatte er sie einige Stunden zuvor verbracht - ins Schlafzimmer,
haute ihr das schnurlose Telefon zwei Mal gegen den Kopf, setzte sich
mit der Angeklagten auf das Bett und schlug dem vor ihm stehenden Kind
mit der Hand so gegen den Hinterkopf, dass es mit dem Gesicht auf der
Kommode aufschlug und dann zu Boden fiel. Dies wiederholte er auf
ähnliche Art und Weise noch vier Mal, allerdings ohne dass
sich das Mädchen erneut an der Kommode stieß. K.
erlitt an den Ohren und im Gesicht blutende Verletzungen. Diese cremte
der Angeklagte dann zwar ein und ließ den Kopf des Kindes von
der Angeklagten in ein Tuch wickeln. Dann verbrachte er K. aber wieder
in einen unbeheizten und dunklen Kellerraum und zwang sie, sich -
Schuhe trug sie nicht - ohne Abstützen an der Wand auf einem
Bein hinzustellen. Die Angeklagte versuchte nun, telefonisch
polizeiliche Hilfe herbeizurufen. Dies unterband der Angeklagte, indem
er ihr das schnurlose Telefon entriss.
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In einer weiteren Nacht brachte der Angeklagte die bereits verletzte
und am Auge stark geschwollene K. erneut in den Keller und legte sie
bäuchlings auf einem Schrank ab. Von dort zog er sie einige
Stunden später an den Beinen fassend wieder herunter und
ließ sie in einem Nebenraum im Keller, wiederum auf einem
Bein stehend, zurück. Erst am Morgen durfte die Angeklagte das
vor Kälte zitternde Kind ins Bett bringen. Als beim Essen
Brotkrümel herunterfielen, schlug der Angeklagte K. mit der
flachen Hand gegen den Kopf, brachte das Kind in die kalte Speisekammer
und dann in den Keller. Nach einigen Stunden holte er K. - ihre Augen
waren zugeschwollen, sie blutete, ihre Haare hatte ihr der Angeklagte
teilweise, tonsurartig, ausgerissen - nach oben, indem er sie an der
Kleidung am Hals packte und so die Treppe hinauftrug, der auf dem Bett
sitzenden Angeklagten vor die Füße warf, wobei das
laut schreiende und weinende Kind mit dem Kopf am Nachttisch anschlug.
Die Angeklagte sollte das Mädchen waschen, da es eingekotet
hatte. Als K. in der Badewanne wegen eines Wasserspritzers ins Gesicht
aufschrie, schlug ihr der Angeklagte mit dem Duschkopf auf den Kopf.
Anschließend rasierten die Angeklagten dem Mädchen
die restlichen Haare vom Kopf. Kurze Zeit später schlug der
Angeklagte K. mit der flachen Hand gegen die Brust, so dass sie gegen
einen Schrank fiel und zu Boden sank. Der Angeklagte riss sie an den
Kleidern hoch und warf sie zuerst aufs Bett. Dann sollte sich K. ins
Zimmereck stellen. K. sank jedoch kraftlos zu Boden. Der Angeklagte
verweigerte dem Mädchen gleichwohl zunächst den
Schlaf, bis sie sich auf ein auf dem Boden zubereitetes Lager legen
durfte. Als der Angeklagte bemerkte, dass sie eingenässt
hatte, drückte er eine brennende Zigarette an ihrem Knie aus.
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Am Nachmittag des 4. Januar 2004 sperrte der Angeklagte K. in den
Tankraum im 2. Untergeschoss. Am Abend, nach der Rückkehr der
Angeklagten vom Besuch bei einer Nachbarin drückte der
Angeklagte den heißen Kopf eines Feuerzeugs auf die nackte
Haut des Kindes. Später öffnete er mindestens vier
Brandblasen vollends und cremte sie ein. Als der Angeklagte im weiteren
Verlauf des Abends über die Angeklagte in Wut geraten war,
reagierte er sich an K. ab. Er schlug sie mit einem
Ledergürtel ins Gesicht und auf den Kopf. Danach schlug er das
Kind mit der flachen linken Hand „mit einer Wucht von
mindestens 80 G“ seitlich gegen das Gesicht, so dass K. mit
dem Kopf gegen die Zimmerwand prallte. K. röchelte und sank
bewusstlos zu Boden. Der Angeklagte rief aus: „Das wollte ich
nicht“. Den Angeklagten gelang es nicht, K. wieder zu
Bewusstsein zu bringen. Sie hofften dennoch, der Zustand des
regelmäßig atmenden Kindes werde sich bessern. Sie
rechneten nicht mit dessen Ableben. Am Tag darauf entschlossen sich die
Angeklagten um 9.00 Uhr, K. in einer stark frequentierten Toilette
eines Krankenhauses abzulegen. Erst fünf Stunden
später setzten sie dies kurz nach 14.00 Uhr im
Stiftungskrankenhauses W. in die Tat um. Um 15.45 Uhr wurde K.
gefunden. Trotz sofortiger Intensivbehandlung erlangte sie das
Bewusstsein nicht mehr und verstarb am 7. Januar 2004 um 10.40 Uhr.
Todesursache war eine zentrale Lähmung aufgrund einer
raumgreifenden Blutung unter die harte Hirnhaut, verursacht durch den
vom Angeklagten zuletzt geführten Schlag und den Aufprall des
Kopfes von K. gegen die Wand. Dieser tödliche Ausgang
wäre auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe nicht
auszuschließen gewesen.
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c) Die Angeklagten hatten sich bereits am 6. Januar 2004, nachdem sie
im Rundfunk vom Auffinden des Kindes gehört hatten, auf
Drängen des Angeklagten auf die Flucht begeben. Bereits wenige
Tage später konnten sie in B. festgenommen werden, nachdem die
Angeklagte, die mit einer weiteren Flucht in die Türkei nicht
einverstanden war, polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen hatte. 3. -
Bedingten - Tötungsvorsatz vermochte die Strafkammer weder bei
dem Angeklagten A. noch bei der Angeklagten C. festzustellen. Der
Angeklagte habe sich unwiderlegt dahin eingelassen, dass er mit einem
tödlichen Ausgang nicht gerechnet habe. Dass derartige
Schläge gegen den Kopf wegen der dadurch ausgelösten
Rotationsbewegung „besonders“ (UA S. 37)
gefährlich sind und in Folge des Risses der
Brückenvene zu einer tödlichen Hirnblutung
führen kann, sei auch kein Allgemeinwissen (UA S. 17). Der
Angeklagte habe diese Kenntnis bestritten. Bei Schlägen mit
der flachen Hand handele es sich auch nicht um
„äußerst“ (UA S. 36)
gefährliche Gewalthandlungen und sie stünden - wie
die Vorverurteilungen erhellten - am unteren Ende der Skala von
Gewalttätigkeiten des Angeklagten. Auch habe das Kind - so die
Strafkammer weiter - auf frühere gleichartige Schläge
„nicht in einer Weise reagiert, dass der Angeklagte es
für möglich halten musste, dass derartige
Schläge tödlich sein könnten“.
Schließlich seien die Überraschung des Angeklagten
nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit und die sofort einsetzenden
hektischen Rettungsbemühungen „mit einem Wollen des
Todes des Kindes nicht vereinbar“.
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4. Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte A. im
Zustand verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB)
handelte. Bei ihm lägen, so die sachverständig
beratene Strafkammer, massive
Persönlichkeitsstörungen (dissozial - ICD 10 F 60.2 -
und emotional instabil vom Borderline-Typ ICD 10 F 60.3 -) vor, die
hier als schwere andere Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu
bewerten sind, sowie eine als krankhafte seelische Störung im
Sinne des § 20 einzuordnende Polytoxikomanie - ICD 10 F 19.2 -
mit Abhängigkeiten von Heroin und Benzodiazepinen bei
zusätzlichem chronischen Missbrauch von Alkohol vor. Dadurch
sei die Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des
Angeklagten zu den Tatzeitpunkten erheblich vermindert gewesen. III. 1.
Die Erwägungen, mit denen das Landgericht zu der Feststellung
gelangte, die Angeklagten hätten nicht mit bedingtem
Tötungsvorsatz gehandelt, halten rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Zwar ist auch insoweit die
Beweiswürdigung Sache des Tatrichters und revisionsrechtlicher
Überprüfung nur eingeschränkt
zugänglich. Wenn bei der Beantwortung der Frage, ob Angeklagte
vorsätzlich, bedingt vorsätzlich oder (bewusst)
fahrlässig gehandelt haben, allein aus
äußeren Umständen auf deren innere
Einstellung zur Tat geschlossen werden muss, bedarf es jedoch einer
umfassenden Würdigung des insoweit relevanten festgestellten
Sachverhalts (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36). Dem genügen die
Darlegungen der Strafkammer nicht; sie sind widersprüchlich
und lassen eine umfassende Auseinandersetzung mit allen für
die Bewertung der subjektiven Tatseite relevanten Umständen
sowie der Persönlichkeit der Angeklagten vermissen. Zudem hat
die Straf-
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kammer zu hohe Anforderungen an die Feststellung des bedingten
Vorsatzes gestellt. Im Ansatz zutreffend geht die Strafkammer zwar
zunächst davon aus, dass es bei
„äußerst“ gefährlichen
Gewalthandlungen grundsätzlich nahe liegt, dass der
Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer
könne dabei auch zu Tode kommen, wenn dies für sich
allein betrachtet aber noch kein zwingender Beweisgrund für
die Billigung eines Todeserfolges durch den Täter ist (sog.
voluntatives Element des Vorsatzes, vgl. BGH NStZ 2001, 475, 476).
Schon die Grundvoraussetzung - äußerst
gefährlich - verneint die Strafkammer dann aber, indem sie die
vom Angeklagten ausgeübte und von der Angeklagten hingenommene
Tathandlung lediglich als „besonders“
gefährlich bewertet. Abgesehen davon, dass allein aus dieser
Nuance bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung kaum
tragfähige Schlussfolgerungen zum Tötungsvorsatz
zuverlässig gezogen werden können, ist die
Begründung für diese Herabstufung des
Gefährlichkeitsgrads nicht tragfähig. Die Strafkammer
hebt entscheidend darauf ab, der Angeklagte habe „das Kind
unwiderlegbar lediglich mit der flachen Hand und nicht etwa mit der
Faust oder irgendwelchen Gegenständen gegen den Kopf
geschlagen“ (UA S. 36). Damit lässt das Landgericht
bei der Bewertung dieses Vorgangs im Hinblick auf die subjektive
Tatseite einen entscheidenden Teil des an anderer Stelle festgestellten
Sachverhalts außer Acht, nämlich das Aufprallen des
Kopfes auf die Wand infolge des wuchtigen Schlages. Mit dieser
verkürzten Betrachtung setzt sich die Strafkammer zudem in
Widerspruch zu den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr.
E. , „denen sich die Kammer anschließt“.
Danach „war sowohl ein Faustschlag als auch ein mit Wucht
(mindestens 80 G) geführter Schlag mit einer flachen Hand und
anschließendem Aufprall des Kopfes ge-
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gen einen festen Gegenstand geeignet, die tödliche Blutung mit
Abriss einer Brückenvene auszulösen“ (UA S.
33). Die Tathandlung des Angeklagten entsprach also einem Faustschlag
und war nicht weniger gefährlich. Das Aufschlagen des Kopfes
war auch vorhersehbar. Auch schon früher traktierte der
Angeklagte K. mehrfach so, dass deren Kopf gegen einen festen
Gegenstand (Wand, Kommode, Nachttisch) prallte. Die Strafkammer stellt
des weiteren zu hohe Anforderungen an den Umfang der Kenntnis
über die möglichen Folgen eines Schlages gegen den
Kopf, wenn sie meint, „tatsächlich gehört
es nicht zum allgemeinen Erfahrungswissen, dass seitliche
Schläge gegen den Kopf im Kieferbereich wegen der dadurch
ausgelösten Rotationsbewegungen von besonderer
Gefährlichkeit sind und zum Riss der Brückenvene mit
der Folge einer tödlichen Hirnblutung führen
können“ (UA S. 37). Es entspricht gesicherter
allgemeiner Kenntnis, dass derartige Schläge gegen den Kopf
eines kleinen Kindes mit anschließendem Aufprall gegen einen
festen Gegenstand immer äußerst schwerwiegende
Folgen bis hin zum Tod haben können. Medizinischen
Detailwissens bedarf es dazu nicht. Vor dem Hintergrund des
Allgemeinwissens über mögliche Folgen derartiger
Misshandlungen ist deshalb auch das Argument der Strafkammer,
„trotz mehrfacher gleichartiger Schläge hat das Kind
auf alle Schläge mit Ausnahme des letzten (tödlichen)
nicht in einer Weise reagiert, dass der Angeklagte es für
möglich halten musste, dass derartige Schläge
tödlich sein könnten“ (UA S. 36) nicht
tragfähig. Vielmehr lag schon bei den entsprechenden
früheren Handlungen das Vorliegen bedingten
Tötungsvorsatzes nicht fern. Ein Umstand, den die Strafkammer
nicht in ihre Erwägungen einbezog. Denn letztlich war es eher
ein Zufall, bei welcher dieser Misshandlungen K. zu Tode kam.
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Die Strafkammer hat sich zudem bei der Beurteilung der subjektiven
Tatseite zu sehr allein mit dem letzten, dem dann tödlichen
Vorfall befasst. Deshalb hat sie zu hohe Anforderungen an die
Feststellung des bedingten Tötungsvorsatzes gestellt, worauf
auch der Satz hindeutet, die Rettungsbemühungen seien mit dem
Wollen des Todes des Kindes nicht vereinbar. Das Landgericht betont
zunächst ausdrücklich - was an sich
selbstverständlich ist -, der Tötungsvorsatz
müsse sich gerade auf die Handlung beziehen, die den
tatbestandsmäßigen Erfolg verursacht hat. Das
Landgericht verweist dann auf die hohe Hemmschwelle bei
Tötungsdelikten, die beim Angeklagten nicht herabgesetzt
gewesen sei. Nun belegt zwar - wovon die Strafkammer damit im Ansatz
zutreffend ausgeht - die Indizwirkung einer offen zutage tretenden
Lebensgefährlichkeit wegen der höheren Hemmschwelle
gegenüber der Tötung eines Menschen für sich
gesehen noch nicht zwingend Handeln mit bedingtem
Tötungsvorsatz. Bedeutung kommt dem aber insbesondere bei
einmaligen Spontantaten in einer emotional aufgeladenen,
häufig alkoholbedingt enthemmten Atmosphäre zu. Der
Angeklagte misshandelte demgegenüber das Kind wiederholt
hemmungslos und gleichwohl auf geradezu systematische Art und Weise und
bedrohte das Leben des Mädchens in jedem Einzelfall in hohem
Maße. Darüber hinaus hätten aus der
viertägigen Tortur, auch soweit die teilweise geradezu
sadistischen Handlungen für sich gesehen nicht
lebensbedrohlich waren, der der Angeklagte A. K. unterwarf - bei
Duldung und teilweiser Mitwirkung der Angeklagten C. -, sowie aus der
Persönlichkeit der Angeklagten, die bei A. unter anderem durch
einen Mangel an Empathie, andauernde Verantwortungslosigkeit,
Missachtung sozialer Normen geprägt ist, weitere
Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite der
Angeklagten gezogen werden können. All dies hätte
jedenfalls eingehender Erörterung bedurft.
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Das anschließende Erschrecken, wenn sich der nach den
Feststellungen ja nicht von vornherein beabsichtigte, aber gleichwohl
in Kauf genommene Erfolg realisiert, „das habe ich nicht
gewollt“, steht bedingtem Vorsatz nicht entgegen. Vielmehr
könnte hier das weitere Verhalten der Angeklagten nach dem
Eintritt der Ohnmacht des Kindes trotz der
„hektischen“ Rettungsbemühungen, die sich
allerdings in eher untauglichen Maßnahmen, wie
Beatmungsversuchen und Bespritzen mit Wasser erschöpften,
nämlich dem Absehen von der Herbeiholung sofortiger
ärztlicher Hilfe und das heimliche Ablegen des Kindes in einer
Krankenhaustoilette tags darauf, eher dafür sprechen, dass
sich die Angeklagten - insbesondere der Angeklagte A. - von vornherein
der möglicherweise tödlichen Folgen der
Misshandlungen bewusst war, deren strafrechtlichen Konsequenzen sich
die Angeklagten zu entziehen suchten. Auch dies wäre
jedenfalls zu erörtern g Die bei der Prüfung der
subjektiven Tatseite gebotene umfassende Erörterung der
für die Tat bedeutsamen Umstände und der
Persönlichkeit der Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1999, 507, 508)
lassen die Urteilsgründe deshalb nicht ausreichend erkennen.
Bei der sich über mehrere Tage erstreckenden brutalen und
wiederholt lebensgefährlichen Behandlung liegt das voluntative
Element des - zumindest bedingten - Vorsatzes im Grunde auf der Hand.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit
haben, die Mordmerkmale, namentlich der Grausamkeit und der sonstigen
niedrigen Beweggründe, zu prüfen. Bezüglich
der Angeklagten C. wird zu erörtern sein, ob der Schwerpunkt
ihrer Handlungen beim aktiven Tun liegt.
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2. Schließlich begegnen die Darlegungen zur Annahme erheblich
verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten A. Bedenken.
Zwar sind die Eingangsmerkmale des § 20 StGB -
sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei festgestellt. Der
Generalbundesanwalt führt dann aber in seiner Antragsschrift -
wie dann auch in der Hauptverhandlung - zutreffend aus: „Das
Landgericht hat sich dem Gutachten des Sachverständigen Prof.
Dr. N. angeschlossen, nach dessen Ausführungen die
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten [deshalb] erheblich im
Sinne von § 21 StGB vermindert gewesen sei (UA S. 43 f.).
Insoweit hat die Kammer jedoch verkannt, dass die Frage, ob die
Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist,
eine Rechtsfrage ist (st. Rspr.; BGHSt 49, 45, 53 = NStZ 2004, 437,
438). Diese hat der Tatrichter ohne Bindung an
Äußerungen von Sachverständigen in eigener
Verantwortung zu beantworten. Entscheidend sind die Anforderungen,
welche die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGHSt 43, 66, 77; BGH
NStZ-RR 1999, 295, 296, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese
Anforderungen sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede
stehende Delikt ist (Senat, Urteil vom 21. März 2001 - 1 StR
32/01). Dass sich das Landgericht eigenständig und
losgelöst vom Sachverständigen mit diesen
Anforderungen und der Frage der Erheblichkeit im Sinne von §
21 StGB befasst hätte, lässt sich den
Urteilsgründen nicht entnehmen.“ Die Rechtsordnung
darf erwarten, dass Menschen mit den hier festgestellten
Störungen, ihr Verhalten so steuern, dass es nicht zu
tagelangen, grausamen, letztlich tödlichen Misshandlungen
eines kleinen Kindes kommt, wie hier bislang festgestellt.
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IV. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs.
2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes
Landgericht zurückverwiesen (vgl. Kuckein in KK, StPO 5. Aufl.
§ 354 Rdn. 37). Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf |