BGH,
Urt. v. 13.1.2005 - 4 StR 469/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 469/04
vom
13.01.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes mit Todesfolge u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13.
Januar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
- 4 -
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2003 in den
Strafaussprüchen
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten und
die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete
Urteil werden verworfen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Jugendkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. des schweren Raubes
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung sowie des Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in
zwei Fällen für schuldig
befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Den
Angeklagten
W. hat es wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in
Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des
Amtsgerichts
Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht
Jahren
sechs Monaten und den Angeklagten B. wegen schweren Raubes mit
Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung sowie wegen Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie
weiter wegen Unterschlagung
unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom
27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren neun
Monaten
verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren
Revisionen,
mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten Sch.
und B. auch die Verletzung formellen Rechts rügen. Die
Staatsanwaltschaft
beanstandet mit ihrer zu Ungunsten der drei Angeklagten eingelegten,
auf die
Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision,
daß das Landgericht die
Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht wegen eines
vorsätzlichen Tötungsdelikts
verurteilt hat. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben zu den
Strafaussprüchen Erfolg; dagegen erweisen sich die Revisionen
der Staatsanwaltschaft
insgesamt als unbegründet.
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I.
Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagten gehörten zu einer Clique von Jugendlichen aus
vorwiegend
sozial schwierigen Verhältnissen in Naumburg, die sich
gemeinsam mit
Alkohol und Haschisch ihre Langeweile vertrieben. Das spätere
Tatopfer, Andreas
Oe., wohnte mit dem Angeklagten B. im selben Haus. Oe. war homosexuell
veranlagt und geistig behindert. B. erzählte in der Clique, zu
der gelegentlich
auch die wesentlich älteren Brüder Be.
stießen, Oe. suche sexuelle
Kontakte zu Jugendlichen und bezahle dafür. Dies
ließ unter den Angeklagten
und weiteren Mitgliedern der Clique den Entschluß reifen, die
Neigung des Oe.
auszunutzen, um ihn bei einer solchen Gelegenheit zu
überfallen und zu berauben.
Mit diesem Entschluß suchten die Angeklagten am Abend des 20.
März
2003 Oe. auf, der jedoch nur die Angeklagten W. und Sch. in seine
Wohnung ließ. Dort täuschte Sch. dem Oe. vor, dieser
dürfe ihn gegen Bezahlung
oral befriedigen. Als sich Oe. darauf vor Sch. hinkniete, trat ihm
der Angeklagte W. absprachegemäß mit dem beschuhten
Fuß mit voller
Wucht ins Gesicht, wodurch Oe. zu Boden ging. Beide Angeklagte traten
nunmehr
gemeinsam auf Oe. ein, der schließlich hilflos mit starkem
Nasenbluten
liegen blieb, nachdem ihm bereits durch den ersten Tritt zwei
Schneidezähne
herausgebrochen waren. Die Angeklagten Sch. und W. zogen ihm sodann
die Geldbörse mit 14,50 Euro aus der Hosentasche und
verließen fluchtartig
die Wohnung (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
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Am späten Nachmittag des folgenden Tages (21. März
2003) trafen sich
die Angeklagten Sch. und B. wiederum mit ihrer Clique. Sie berichteten
von dem Geschehen des Vortages. Auch wurde darüber gesprochen,
Oe. mißbrauche
auch Kinder und müsse deshalb "bestraft" werden; zudem sei bei
ihm
"etwas zu holen" und er könne leicht ausgeraubt werden. Sch.
und B.
sowie die Brüder Be. und zwei weitere aus der Clique begaben
sich daraufhin
zur Wohnung des Oe. und verschafften sich gewaltsam Zutritt. Nachdem
zunächst Silko Be. auf Oe. eingeschlagen und ihn ins
Schlafzimmer gedrängt
hatte, schlugen und traten dort beide Brüder Be. weiter auf
den Geschädigten
ein. "Auch die Angeklagten Sch. und B. schlugen und traten
zu, wer genau welchen Tritt und Schlag ausführte,
ließ sich nicht mehr mit Sicherheit
feststellen". Während Oe. von den Be. -Brüdern im
Schlafzimmer
noch weiter "traktiert" wurde, durchsuchten die Angeklagten Sch. und B.
sowie die übrigen anwesenden Mitglieder der Clique die Wohnung
nach mitnehmenswerten
Gegenständen. Sch. nahm die Geldbörse des
Geschädigten
mit ca. 6 Euro und auch die Wohnungsschlüssel an sich,
während sie im übrigen
noch Lautsprecherboxen, eine Videocassette und 10 bis 15 Flaschen Bier
mitnahmen und damit die Wohnung verließen (Fall II. 2 der
Urteilsgründe).
Anschließend kam die Gruppe an ihrem üblichen
Treffpunkt zusammen,
wo auch der Angeklagte W. hinzustieß. Dort entschlossen sie
sich, den Geschädigten
erneut aufzusuchen, da dieser "noch nicht genug geschlagen worden"
sei und sich in seiner Wohnung noch weiteres Bier und andere
mitnehmenswerte
Gegenstände befänden. Die drei Angeklagten sowie die
beiden
Brüder Be. begaben sich daraufhin erneut zu der Wohnung des
Oe. Die
Be. -Brüder hatten sich jeder einen sog. Bikerhandschuh
angezogen, deren
Handrücken und Innenflächen mit Plastikteilen
verstärkt waren, "um wirkungs-
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voller auf Andreas Oe. einschlagen zu können". Die Angeklagten
und die
Be. -Brüder gelangten mit Hilfe des von dem Angeklagten Sch.
zuvor entwendeten
Schlüssels in die Wohnung. Sie fanden Oe. mit völlig
verschwollenem
Gesicht, blutverschmiert und hilflos im Schlafzimmer liegend vor. Er
konnte
sich nicht mehr wehren. Die Brüder Be. schlossen die
Tür zum Schlafzimmer
und begannen sofort, erneut auf ihn einzuschlagen und einzutreten.
„Derweil"
durchsuchten die Angeklagten die Wohnung nach weiteren mitnehmenswerten
Gegenständen. Ob sie auch dieses Mal selbst auf Oe.
"einwirkten", ließ
sich nicht feststellen. Jedenfalls nahmen sie die Stereoanlage des
Geschädigten
und weitere Bierflaschen mit und verließen die Wohnung,
nachdem "alle
noch einmal einen Blick auf den zu der Zeit bäuchlings vor
seinem Bett liegenden
und sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer
verletzten Herrn Oe.
geworfen hatten. Sie ließen ihn liegen, obwohl ihnen
bewußt war, daß er aufgrund
seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Oe. erlitt
massive Frakturen
und weitere Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich. Insbesondere
eine Halsmarkzerrung mit Zerreißung des Bandapparates
zwischen Wirbelsäule
und Schädel führte "kurz danach" zum Tod des
Geschädigten. Ob Oe. schon
verstarb, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren oder kurz nach
ihrem
Verlassen der Wohnung, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls
hätte er
nach Beibringung der Halsmarkzerrung nicht mehr gerettet werden
können
(Fall II. 3 der Urteilsgründe).
Die anschließende Nacht verbrachten die Angeklagten in der
Wohnung
eines der beiden Brüder Be. . Sie unterhielten sich
darüber, daß Oe. "wohl
nicht überleben werde". Auch am nächsten Morgen wurde
wieder darüber geredet,
daß Oe. "bestimmt tot" sei. Der Angeklagte B. und ein
weiteres Mitglied
der Clique suchten nunmehr erneut die Wohnung des Oe. auf. Dort fan-
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den sie ihn tot auf dem Boden liegend vor. Sie durchsuchten die Wohnung
wiederum,
nahmen den Fernseher und ein Videogerät des Oe. mit und begaben
sich zurück in die Wohnung des Be. (Fall II. 4 der
Urteilsgründe).
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer im Fall
II. 1 die Angeklagten Sch. und W. sowie im Fall II. 2 die Angeklagten
Sch. und B. jeweils des gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung
(§§ 249 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und
4 StGB), im Fall II. 3 alle drei Angeklagten des gemeinschaftlich
begangenen
schweren Raubes mit Todesfolge (§ 251 i.V.m. § 250
Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a)
und b) StGB) in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung (§ 224 Abs. 1
Nr. 2 und 4 StGB) und im Fall II. 4 den Angeklagten B. der
Unterschlagung
(§ 246 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden.
II.
Revisionen der Angeklagten
A. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigungen
der Angeklagten hat zu den Schuldsprüchen keinen
durchgreifenden Rechtsfehler
zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
1. Die Angeklagten Sch. und B. dringen mit den von ihnen erhobenen
Verfahrensrügen zum Schuldspruch nicht durch.
a) Sowohl der Angeklagte Sch. als auch der Angeklagte B. beanstanden,
ihren in der Hauptverhandlung anwesenden Müttern als ihren ge-
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setzlichen Vertreterinnen sei entgegen § 67 Abs. 1 JGG i.V.m.
§ 258 Abs. 2
Halbsatz 2 StPO das letzte Wort nicht erteilt worden. Es kann
dahinstehen, ob
die von dem Angeklagten B. erhobene Rüge schon deshalb
unzulässig ist
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil dieser
Beschwerdeführer verschweigt, daß die
Beweisaufnahme jeweils in Anwesenheit seiner Mutter nicht nur am letzten
Hauptverhandlungstag, dem 19. Dezember 2003, sondern bereits zuvor
zunächst
am 4. Dezember und sodann ein weiteres Mal am 15. Dezember 2003
geschlossen worden war und jeweils Schlußanträge
gestellt worden waren.
Jedenfalls könnte diese von den beiden
Beschwerdeführern erhobene Rüge
nur zur - schon aus sachlich-rechtlichen Gründen gebotenen
(s.u. II. B) - Aufhebung
der sie betreffenden Strafaussprüche führen, weil die
Schuldsprüche
auf ihm nicht beruhen können. Die Angeklagten haben sich in
der Hauptverhandlung
nicht zur Sache eingelassen; ihre Mütter waren bei dem
Tatgeschehen
nicht anwesend; deshalb ist auszuschließen, daß sie
bei Erteilung des
letzten Wortes Ausführungen hätten machen
können, die Einfluß auf die
Schuldsprüche hätten haben können (vgl. BGHR
JGG § 67 Erziehungsberechtigter
3 m.w.N.).
b) Die von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht
habe eine Wahrunterstellung nicht eingehalten, ist jedenfalls
unbegründet. Das
Urteil setzt sich mit der unter Beweis gestellten Behauptung, der Arzt
Dr. T.
habe am 21. März 2003 am Körper und im Gesicht des
Geschädigten, der sich
bei ihm für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
vorgestellt habe, aus einem
Meter Entfernung keinerlei Verletzungen am Körper oder im
Gesicht, insbesondere
auch keine Zahnlücken erkannt, nicht in Widerspruch.
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c) Die weitere, ebenfalls allein von dem Angeklagten Sch. erhobene
Rüge, das Landgericht habe entgegen dem von der Verteidigung
in der Hauptverhandlung
erklärten Widerspruch die Zeugin S. , vernehmende Richterin
im Ermittlungsverfahren, über die Vernehmung des Angeklagten
bei seiner
Verhaftung vernommen und ihre Aussage verwertet, obwohl weder die Mutter
des Angeklagten als Erziehungsberechtigte noch der bereits bestellte
Verteidiger
bei der Vernehmung anwesend und sie auch von dem Termin nicht
unterrichtet
worden seien, ist nicht zulässig ausgeführt
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Insoweit hätte es der vollständigen Mitteilung des
bei der richterlichen Vernehmung
dem Angeklagten vorgelesenen und von ihm bestätigten Protokolls
seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. März 2003 bedurft
(vgl. Kuckein in
KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 39). Daran fehlt es. Der Senat kann
deshalb dahingestellt
sein lassen, ob diese Rüge auch in der Sache deshalb keinen
Erfolg haben
könnte, weil nicht bewiesen ist, daß die Mutter des
Angeklagten und der
von der Ermittlungsrichterin vor Beginn der Vernehmung bestellte
Verteidiger
von dem Vernehmungstermin nicht unterrichtet waren. Daß sie
bei der Vernehmung
nicht anwesend waren, begründet für sich keinen
Verfahrensverstoß.
Im übrigen erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5
Satz 1 StPO unter den hier
gegebenen Umständen eine Pflicht für die
Ermittlungsrichterin begründete, den
Verteidiger vor Eintritt in die Vernehmung zu benachrichtigen. Der
Wortlaut der
Vorschrift („vorher“) und ihr Sinn und Zweck legen
nahe, daß die Benachrichtigungspflicht
nur in der Zukunft liegende Termine erfaßt. Daran fehlt es
jedoch,
wenn - wie hier - die Vorführung bereits stattfindet und erst
während dieses
Termins durch die Bestellung des Verteidigers dessen Berechtigung zur
Teilnahme
begründet wird. Ob Grundsätze des fairen Verfahrens
in einem solchen
Fall es gebieten, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten,
bis der Verteidiger
Gelegenheit hatte zu erscheinen, ist eine Frage des Einzelfalls, die
hier
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nicht zu entscheiden ist, weil der Beschwerdeführer hierauf
seine Rüge nicht
gestützt hat.
d) Soweit der Angeklagte Sch. schließlich rügt, die
Jugendkammer habe
eine Vielzahl von Zeugen vernommen, ohne sich mit deren Aussage im
Urteil
auseinanderzusetzen, ist die Rüge ebenfalls schon deshalb
unzulässig
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt der Aussagen der
im einzelnen genannten
Zeugen nicht mitgeteilt wird. Im übrigen dienen die
schriftlichen Urteilsgründe
nicht dazu, die gesamte Beweisaufnahme im einzelnen wiederzugeben.
Der Tatrichter muß sich im Urteil nur mit den für
die Entscheidung
maßgebenden Umständen auseinandersetzen. Bleibt ein
Beweismittel unerwähnt,
so ist deshalb daraus nicht zu schließen, daß es
übersehen worden ist
(vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 12
m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche halten auch der sachlich-rechtlichen
Nachprüfung
stand. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer ausreichenden
Beweisgrundlage.
Die Beschwerdeführer erheben insoweit auch keine Einwendungen.
Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung zwar nicht zur
Sache eingelassen. Die Jugendkammer hat ihre Überzeugung vom
Tatgeschehen
und der Beteiligung der Angeklagten aber - rechtlich unbedenklich - auf
die durch Angaben von Zeugen bestätigten geständigen
Einlassungen der Angeklagten
bei ihren Vernehmungen durch die Polizei und die Haftrichterin
gestützt.
Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
läßt erkennen, daß die
Angeklagten im Ermittlungsverfahren das äußere
Tatgeschehen im Umfang der
Feststellungen auch hinsichtlich der Fälle II. 2 und 3 der
Urteilsgründe nicht in
Abrede gestellt haben. Von den Feststellungen zum
äußeren Sachverhalt wird
auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung getroffene
Wertung getragen,
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für jeden Anwesenden sei "bei Anspannung der zur
Verfügung stehenden intellektuellen
und geistigen Möglichkeiten klar ersichtlich" und "jedem
vernünftig
Denkenden" sei klar gewesen, daß durch die Verletzungen
für den Geschädigten
die Gefahr des Todes bestand.
B. Dagegen können die Strafaussprüche nicht bestehen
bleiben. Sie
begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Jugendkammer gegen die
Angeklagten
Jugendstrafen sowohl wegen schädlicher Neigungen als auch wegen
der Schwere der Schuld verhängt hat. Auch ist aus
Rechtsgründen nichts dagegen
zu erinnern, daß die Jugendkammer gemeint hat, die zu
verhängenden
Strafen müßten
„äquivalent“ zur Tatschuld „im
oberen Bereich“ des Strafrahmens
festgesetzt werden, „um den erzieherischen Effekt zu
erzielen, daß die
Angeklagten endlich über ihre große Schuld
nachdenken“. Das Landgericht hat
jedoch die Höhe der erkannten Strafen nur unzureichend
begründet. Zumal
angesichts dessen, daß die Strafen dem gesetzlichen
Höchstmaß nahe kommen,
hätte es eingehenderer Erörterung und Darlegung
bedurft, weshalb die
Strafen in dieser Höhe zur Nachreifung der Angeklagten aus
erzieherischen
Gründen erforderlich sind (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2
Erziehung 3, 7 , 8, 10).
Das von den Angeklagten in der Hauptverhandlung gezeigte
„völlig coole und
überheblich-arrogante Verhalten“
läßt nicht ohne weiteres auf eine
grundsätzlich
rechtsfeindliche Gesinnung schließen, sondern kann auch
Ausdruck der
noch fehlenden Reife und eines gewissen gruppendynamischen Drucks sein.
Schließlich läßt der - nach dem
Gesamtzusammenhang im Rahmen der Strafzumessungserwägungen
ersichtlich allein den Fall II. 3 der Urteilsgründe betreffende
- Klammerzusatz auf UA 30: „(wobei die Kammer bis zuletzt
erhebli-
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che Zweifel behalten hat, ob nicht auch bei den Taten am Freitag die
Angeklagten
sich selbst an den Tätlichkeiten beteiligten)“
besorgen, daß die Jugendkammer
den auch für die Strafzumessung uneingeschränkt
geltenden
Grundsatz in dubio pro reo (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 195, 209; BGH StV
1986,
5) verkannt hat. Ebenfalls nicht unbedenklich erscheint in diesem
Zusammenhang,
daß die Jugendkammer den Angeklagten moralisierend anlastet,
daß sie
Oe. „schließlich voraussehbar
töteten“, obwohl es nach den Feststellungen
nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die -
nicht ausschließbar
hinter der geschlossenen Schlafzimmertür, d.h. ohne
daß die Angeklagten
unmittelbare Zeugen des Geschehens waren - dem Geschädigten
die letztlich
todesursächlichen Verletzungen beibrachten.
Über die Strafen ist deshalb neu zu befinden. Dabei wird der
neue Tatrichter
den Eindruck zu vermeiden haben, er laste den Angeklagten auch an,
daß sie in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht
Gebrauch gemacht
haben. Soweit es den Angeklagten Sch. betrifft, wird der neue
Tatrichter auch
die im angefochtenen Urteil versehentlich unterbliebene Einbeziehung des
noch nicht erledigten Urteils vom 27. Februar 2003 (vgl. UA 31)
nachholen
können.
III.
Revisionen der Staatsanwaltschaft
Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen
dagegen, daß das Landgericht (im Fall II. 3 der
Urteilsgründe) die Angeklagten
nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts
verurteilt hat.
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1. Das Landgericht hat einen - auch nur bedingten -
Tötungsvorsatz der
drei Angeklagten trotz der Brutalität und
Rücksichtslosigkeit des Vorgehens
nicht mit letzter Sicherheit festzustellen vermocht. Die Jugendkammer
hat hierbei
"das Alter, die mangelnde Lebenserfahrung, die hohen Defizite der
Angeklagten
auf ethischem Gebiet und die sonstigen
Persönlichkeitsakzentuierungen"
berücksichtigt. Diese Wertung hält sich noch im
Rahmen der dem Tatrichter
obliegenden Würdigung und ist deshalb vom Revisionsgericht
hinzunehmen,
zumal da es - wie ausgeführt - nicht die Angeklagten, sondern
die Brüder
Be. waren, die dem Geschädigten die letztlich
todesursächlichen Verletzungen
beibrachten. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu
besorgen, daß das Landgericht überhöhte
Anforderungen an die Feststellung
eines (bedingten) Tötungsvorsatzes gestellt hat. Die Wendung
im Urteil, "ein
ausdrückliches Bekenntnis, daß er bei den Handlungen
das Risiko [erg.: eines
tödlichen Erfolges] bewußt einkalkuliert habe", habe
keiner der Angeklagten
abgegeben, gibt keinen Anlaß zu der Annahme, die Jugendkammer
mache allgemein
die Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes von einem
Geständnis
zur subjektiven Tatseite abhängig. Vielmehr hat sie dadurch
lediglich
zum Ausdruck gebracht, daß in einem solchen Fall
erhöhte Anforderungen an
die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu stellen sind. Das
läßt Rechtsfehler
nicht erkennen.
2. Allerdings hat - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner
Antragsschrift
vom 18. Oktober 2004 zutreffend hingewiesen hat - das Landgericht
nicht erkennbar geprüft, ob den Angeklagten nicht zumindest
bedingter
Tötungsvorsatz für den Zeitpunkt zur Last
fällt, in dem sie im Fall II. 3 der Urteilsgründe
durch die wieder offen stehende Schlafzimmertür den "sich nicht
mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten" Oe.
bäuchlings vor seinem
- 16 -
Bett liegen sahen und sie ihn in diesem Zustand ohne Hilfe in der
Wohnung
zurückließen, "obwohl ihnen bewußt war,
daß er aufgrund seiner schweren
Verletzungen sterben könnte". Doch führt dies hier
nicht zu einem Erfolg der
Revisionen der Staatsanwaltschaft, auch wenn die Angeklagten eine
Garantenpflicht
aus Ingerenz traf und sie deshalb für das Leben des Oe.
einzustehen
hatten.
Vollendeter Totschlag durch Unterlassen (vgl. zu dieser
Sachverhaltskonstellation
BGHSt 44, 196, 201) käme hier nach den Feststellungen schon
deshalb nicht in Betracht, weil der Geschädigte nicht
ausschließbar bereits tot
war, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren. Die Feststellungen
ergeben
aber auch nicht, daß die Angeklagten sich zumindest des
versuchten
Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht haben.
Tatsächlich war - wie
das Landgericht aufgrund des Ergebnisses des rechtsmedizinischen
Gutachtens
festgestellt hat - das Leben des Geschädigten bereits aufgrund
der ihm
von den Brüdern Be. beigebrachten Halsmarkzerrung nicht mehr
zu retten.
Insoweit käme, bezogen auf die Angeklagten, lediglich ein
untauglicher Versuch
des Totschlags durch Unterlassen in Betracht. Das setzte aber die
Feststellung
voraus, daß die Angeklagten, als sie die Wohnung
verließen, die Vorstellung
hatten, das Leben des Oe. könne noch durch ihnen
mögliche Maßnahmen
gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert
werden. Dafür
ist jedoch nichts hervorgetreten.
Tepperwien Maatz
Athing
Ernemann Sost-Scheible |