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BGH, Urteil vom 13. Januar 2005 - 4 StR 469/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 13.1.2005 - 4 StR 469/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 469/04
vom
13.01.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes mit Todesfolge u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
- 4 -
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2003 in den Strafaussprüchen
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten und
die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete
Urteil werden verworfen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Jugendkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
- 5 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. des schweren Raubes
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen für schuldig
befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Den Angeklagten
W. hat es wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts
Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren
sechs Monaten und den Angeklagten B. wegen schweren Raubes mit
Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie weiter wegen Unterschlagung
unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom
27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren neun Monaten
verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen,
mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten Sch.
und B. auch die Verletzung formellen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft
beanstandet mit ihrer zu Ungunsten der drei Angeklagten eingelegten, auf die
Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, daß das Landgericht die
Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts
verurteilt hat. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben zu den
Strafaussprüchen Erfolg; dagegen erweisen sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft
insgesamt als unbegründet.
- 6 -
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagten gehörten zu einer Clique von Jugendlichen aus vorwiegend
sozial schwierigen Verhältnissen in Naumburg, die sich gemeinsam mit
Alkohol und Haschisch ihre Langeweile vertrieben. Das spätere Tatopfer, Andreas
Oe., wohnte mit dem Angeklagten B. im selben Haus. Oe. war homosexuell
veranlagt und geistig behindert. B. erzählte in der Clique, zu der gelegentlich
auch die wesentlich älteren Brüder Be. stießen, Oe. suche sexuelle
Kontakte zu Jugendlichen und bezahle dafür. Dies ließ unter den Angeklagten
und weiteren Mitgliedern der Clique den Entschluß reifen, die Neigung des Oe.
auszunutzen, um ihn bei einer solchen Gelegenheit zu überfallen und zu berauben.
Mit diesem Entschluß suchten die Angeklagten am Abend des 20. März
2003 Oe. auf, der jedoch nur die Angeklagten W. und Sch. in seine
Wohnung ließ. Dort täuschte Sch. dem Oe. vor, dieser dürfe ihn gegen Bezahlung
oral befriedigen. Als sich Oe. darauf vor Sch. hinkniete, trat ihm
der Angeklagte W. absprachegemäß mit dem beschuhten Fuß mit voller
Wucht ins Gesicht, wodurch Oe. zu Boden ging. Beide Angeklagte traten nunmehr
gemeinsam auf Oe. ein, der schließlich hilflos mit starkem Nasenbluten
liegen blieb, nachdem ihm bereits durch den ersten Tritt zwei Schneidezähne
herausgebrochen waren. Die Angeklagten Sch. und W. zogen ihm sodann
die Geldbörse mit 14,50 Euro aus der Hosentasche und verließen fluchtartig
die Wohnung (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
- 7 -
Am späten Nachmittag des folgenden Tages (21. März 2003) trafen sich
die Angeklagten Sch. und B. wiederum mit ihrer Clique. Sie berichteten
von dem Geschehen des Vortages. Auch wurde darüber gesprochen, Oe. mißbrauche
auch Kinder und müsse deshalb "bestraft" werden; zudem sei bei ihm
"etwas zu holen" und er könne leicht ausgeraubt werden. Sch. und B.
sowie die Brüder Be. und zwei weitere aus der Clique begaben sich daraufhin
zur Wohnung des Oe. und verschafften sich gewaltsam Zutritt. Nachdem
zunächst Silko Be. auf Oe. eingeschlagen und ihn ins Schlafzimmer gedrängt
hatte, schlugen und traten dort beide Brüder Be. weiter auf den Geschädigten
ein. "Auch die Angeklagten Sch. und B. schlugen und traten
zu, wer genau welchen Tritt und Schlag ausführte, ließ sich nicht mehr mit Sicherheit
feststellen". Während Oe. von den Be. -Brüdern im Schlafzimmer
noch weiter "traktiert" wurde, durchsuchten die Angeklagten Sch. und B.
sowie die übrigen anwesenden Mitglieder der Clique die Wohnung nach mitnehmenswerten
Gegenständen. Sch. nahm die Geldbörse des Geschädigten
mit ca. 6 Euro und auch die Wohnungsschlüssel an sich, während sie im übrigen
noch Lautsprecherboxen, eine Videocassette und 10 bis 15 Flaschen Bier
mitnahmen und damit die Wohnung verließen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
Anschließend kam die Gruppe an ihrem üblichen Treffpunkt zusammen,
wo auch der Angeklagte W. hinzustieß. Dort entschlossen sie sich, den Geschädigten
erneut aufzusuchen, da dieser "noch nicht genug geschlagen worden"
sei und sich in seiner Wohnung noch weiteres Bier und andere mitnehmenswerte
Gegenstände befänden. Die drei Angeklagten sowie die beiden
Brüder Be. begaben sich daraufhin erneut zu der Wohnung des Oe. Die
Be. -Brüder hatten sich jeder einen sog. Bikerhandschuh angezogen, deren
Handrücken und Innenflächen mit Plastikteilen verstärkt waren, "um wirkungs-
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voller auf Andreas Oe. einschlagen zu können". Die Angeklagten und die
Be. -Brüder gelangten mit Hilfe des von dem Angeklagten Sch. zuvor entwendeten
Schlüssels in die Wohnung. Sie fanden Oe. mit völlig verschwollenem
Gesicht, blutverschmiert und hilflos im Schlafzimmer liegend vor. Er konnte
sich nicht mehr wehren. Die Brüder Be. schlossen die Tür zum Schlafzimmer
und begannen sofort, erneut auf ihn einzuschlagen und einzutreten. „Derweil"
durchsuchten die Angeklagten die Wohnung nach weiteren mitnehmenswerten
Gegenständen. Ob sie auch dieses Mal selbst auf Oe. "einwirkten", ließ
sich nicht feststellen. Jedenfalls nahmen sie die Stereoanlage des Geschädigten
und weitere Bierflaschen mit und verließen die Wohnung, nachdem "alle
noch einmal einen Blick auf den zu der Zeit bäuchlings vor seinem Bett liegenden
und sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten Herrn Oe.
geworfen hatten. Sie ließen ihn liegen, obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund
seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Oe. erlitt massive Frakturen
und weitere Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich. Insbesondere
eine Halsmarkzerrung mit Zerreißung des Bandapparates zwischen Wirbelsäule
und Schädel führte "kurz danach" zum Tod des Geschädigten. Ob Oe. schon
verstarb, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren oder kurz nach ihrem
Verlassen der Wohnung, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls hätte er
nach Beibringung der Halsmarkzerrung nicht mehr gerettet werden können
(Fall II. 3 der Urteilsgründe).
Die anschließende Nacht verbrachten die Angeklagten in der Wohnung
eines der beiden Brüder Be. . Sie unterhielten sich darüber, daß Oe. "wohl
nicht überleben werde". Auch am nächsten Morgen wurde wieder darüber geredet,
daß Oe. "bestimmt tot" sei. Der Angeklagte B. und ein weiteres Mitglied
der Clique suchten nunmehr erneut die Wohnung des Oe. auf. Dort fan-
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den sie ihn tot auf dem Boden liegend vor. Sie durchsuchten die Wohnung wiederum,
nahmen den Fernseher und ein Videogerät des Oe. mit und begaben
sich zurück in die Wohnung des Be. (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer im Fall
II. 1 die Angeklagten Sch. und W. sowie im Fall II. 2 die Angeklagten
Sch. und B. jeweils des gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und
4 StGB), im Fall II. 3 alle drei Angeklagten des gemeinschaftlich begangenen
schweren Raubes mit Todesfolge (§ 251 i.V.m. § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a)
und b) StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1
Nr. 2 und 4 StGB) und im Fall II. 4 den Angeklagten B. der Unterschlagung
(§ 246 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden.
II.
Revisionen der Angeklagten
A. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen
der Angeklagten hat zu den Schuldsprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler
zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
1. Die Angeklagten Sch. und B. dringen mit den von ihnen erhobenen
Verfahrensrügen zum Schuldspruch nicht durch.
a) Sowohl der Angeklagte Sch. als auch der Angeklagte B. beanstanden,
ihren in der Hauptverhandlung anwesenden Müttern als ihren ge-
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setzlichen Vertreterinnen sei entgegen § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2
Halbsatz 2 StPO das letzte Wort nicht erteilt worden. Es kann dahinstehen, ob
die von dem Angeklagten B. erhobene Rüge schon deshalb unzulässig ist
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil dieser Beschwerdeführer verschweigt, daß die
Beweisaufnahme jeweils in Anwesenheit seiner Mutter nicht nur am letzten
Hauptverhandlungstag, dem 19. Dezember 2003, sondern bereits zuvor zunächst
am 4. Dezember und sodann ein weiteres Mal am 15. Dezember 2003
geschlossen worden war und jeweils Schlußanträge gestellt worden waren.
Jedenfalls könnte diese von den beiden Beschwerdeführern erhobene Rüge
nur zur - schon aus sachlich-rechtlichen Gründen gebotenen (s.u. II. B) - Aufhebung
der sie betreffenden Strafaussprüche führen, weil die Schuldsprüche
auf ihm nicht beruhen können. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung
nicht zur Sache eingelassen; ihre Mütter waren bei dem Tatgeschehen
nicht anwesend; deshalb ist auszuschließen, daß sie bei Erteilung des
letzten Wortes Ausführungen hätten machen können, die Einfluß auf die
Schuldsprüche hätten haben können (vgl. BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter
3 m.w.N.).
b) Die von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht
habe eine Wahrunterstellung nicht eingehalten, ist jedenfalls unbegründet. Das
Urteil setzt sich mit der unter Beweis gestellten Behauptung, der Arzt Dr. T.
habe am 21. März 2003 am Körper und im Gesicht des Geschädigten, der sich
bei ihm für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgestellt habe, aus einem
Meter Entfernung keinerlei Verletzungen am Körper oder im Gesicht, insbesondere
auch keine Zahnlücken erkannt, nicht in Widerspruch.
- 11 -
c) Die weitere, ebenfalls allein von dem Angeklagten Sch. erhobene
Rüge, das Landgericht habe entgegen dem von der Verteidigung in der Hauptverhandlung
erklärten Widerspruch die Zeugin S. , vernehmende Richterin
im Ermittlungsverfahren, über die Vernehmung des Angeklagten bei seiner
Verhaftung vernommen und ihre Aussage verwertet, obwohl weder die Mutter
des Angeklagten als Erziehungsberechtigte noch der bereits bestellte Verteidiger
bei der Vernehmung anwesend und sie auch von dem Termin nicht unterrichtet
worden seien, ist nicht zulässig ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Insoweit hätte es der vollständigen Mitteilung des bei der richterlichen Vernehmung
dem Angeklagten vorgelesenen und von ihm bestätigten Protokolls
seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. März 2003 bedurft (vgl. Kuckein in
KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 39). Daran fehlt es. Der Senat kann deshalb dahingestellt
sein lassen, ob diese Rüge auch in der Sache deshalb keinen Erfolg haben
könnte, weil nicht bewiesen ist, daß die Mutter des Angeklagten und der
von der Ermittlungsrichterin vor Beginn der Vernehmung bestellte Verteidiger
von dem Vernehmungstermin nicht unterrichtet waren. Daß sie bei der Vernehmung
nicht anwesend waren, begründet für sich keinen Verfahrensverstoß.
Im übrigen erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO unter den hier
gegebenen Umständen eine Pflicht für die Ermittlungsrichterin begründete, den
Verteidiger vor Eintritt in die Vernehmung zu benachrichtigen. Der Wortlaut der
Vorschrift („vorher“) und ihr Sinn und Zweck legen nahe, daß die Benachrichtigungspflicht
nur in der Zukunft liegende Termine erfaßt. Daran fehlt es jedoch,
wenn - wie hier - die Vorführung bereits stattfindet und erst während dieses
Termins durch die Bestellung des Verteidigers dessen Berechtigung zur Teilnahme
begründet wird. Ob Grundsätze des fairen Verfahrens in einem solchen
Fall es gebieten, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten, bis der Verteidiger
Gelegenheit hatte zu erscheinen, ist eine Frage des Einzelfalls, die hier
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nicht zu entscheiden ist, weil der Beschwerdeführer hierauf seine Rüge nicht
gestützt hat.
d) Soweit der Angeklagte Sch. schließlich rügt, die Jugendkammer habe
eine Vielzahl von Zeugen vernommen, ohne sich mit deren Aussage im Urteil
auseinanderzusetzen, ist die Rüge ebenfalls schon deshalb unzulässig
(§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt der Aussagen der im einzelnen genannten
Zeugen nicht mitgeteilt wird. Im übrigen dienen die schriftlichen Urteilsgründe
nicht dazu, die gesamte Beweisaufnahme im einzelnen wiederzugeben.
Der Tatrichter muß sich im Urteil nur mit den für die Entscheidung
maßgebenden Umständen auseinandersetzen. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt,
so ist deshalb daraus nicht zu schließen, daß es übersehen worden ist
(vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 12 m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche halten auch der sachlich-rechtlichen Nachprüfung
stand. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer ausreichenden Beweisgrundlage.
Die Beschwerdeführer erheben insoweit auch keine Einwendungen.
Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung zwar nicht zur
Sache eingelassen. Die Jugendkammer hat ihre Überzeugung vom Tatgeschehen
und der Beteiligung der Angeklagten aber - rechtlich unbedenklich - auf
die durch Angaben von Zeugen bestätigten geständigen Einlassungen der Angeklagten
bei ihren Vernehmungen durch die Polizei und die Haftrichterin gestützt.
Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt erkennen, daß die
Angeklagten im Ermittlungsverfahren das äußere Tatgeschehen im Umfang der
Feststellungen auch hinsichtlich der Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe nicht in
Abrede gestellt haben. Von den Feststellungen zum äußeren Sachverhalt wird
auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung getroffene Wertung getragen,
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für jeden Anwesenden sei "bei Anspannung der zur Verfügung stehenden intellektuellen
und geistigen Möglichkeiten klar ersichtlich" und "jedem vernünftig
Denkenden" sei klar gewesen, daß durch die Verletzungen für den Geschädigten
die Gefahr des Todes bestand.
B. Dagegen können die Strafaussprüche nicht bestehen bleiben. Sie
begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Jugendkammer gegen die Angeklagten
Jugendstrafen sowohl wegen schädlicher Neigungen als auch wegen
der Schwere der Schuld verhängt hat. Auch ist aus Rechtsgründen nichts dagegen
zu erinnern, daß die Jugendkammer gemeint hat, die zu verhängenden
Strafen müßten „äquivalent“ zur Tatschuld „im oberen Bereich“ des Strafrahmens
festgesetzt werden, „um den erzieherischen Effekt zu erzielen, daß die
Angeklagten endlich über ihre große Schuld nachdenken“. Das Landgericht hat
jedoch die Höhe der erkannten Strafen nur unzureichend begründet. Zumal
angesichts dessen, daß die Strafen dem gesetzlichen Höchstmaß nahe kommen,
hätte es eingehenderer Erörterung und Darlegung bedurft, weshalb die
Strafen in dieser Höhe zur Nachreifung der Angeklagten aus erzieherischen
Gründen erforderlich sind (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3, 7 , 8, 10).
Das von den Angeklagten in der Hauptverhandlung gezeigte „völlig coole und
überheblich-arrogante Verhalten“ läßt nicht ohne weiteres auf eine grundsätzlich
rechtsfeindliche Gesinnung schließen, sondern kann auch Ausdruck der
noch fehlenden Reife und eines gewissen gruppendynamischen Drucks sein.
Schließlich läßt der - nach dem Gesamtzusammenhang im Rahmen der Strafzumessungserwägungen
ersichtlich allein den Fall II. 3 der Urteilsgründe betreffende
- Klammerzusatz auf UA 30: „(wobei die Kammer bis zuletzt erhebli-
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che Zweifel behalten hat, ob nicht auch bei den Taten am Freitag die Angeklagten
sich selbst an den Tätlichkeiten beteiligten)“ besorgen, daß die Jugendkammer
den auch für die Strafzumessung uneingeschränkt geltenden
Grundsatz in dubio pro reo (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 195, 209; BGH StV 1986,
5) verkannt hat. Ebenfalls nicht unbedenklich erscheint in diesem Zusammenhang,
daß die Jugendkammer den Angeklagten moralisierend anlastet, daß sie
Oe. „schließlich voraussehbar töteten“, obwohl es nach den Feststellungen
nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die - nicht ausschließbar
hinter der geschlossenen Schlafzimmertür, d.h. ohne daß die Angeklagten
unmittelbare Zeugen des Geschehens waren - dem Geschädigten die letztlich
todesursächlichen Verletzungen beibrachten.
Über die Strafen ist deshalb neu zu befinden. Dabei wird der neue Tatrichter
den Eindruck zu vermeiden haben, er laste den Angeklagten auch an,
daß sie in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht
haben. Soweit es den Angeklagten Sch. betrifft, wird der neue Tatrichter auch
die im angefochtenen Urteil versehentlich unterbliebene Einbeziehung des
noch nicht erledigten Urteils vom 27. Februar 2003 (vgl. UA 31) nachholen
können.
III.
Revisionen der Staatsanwaltschaft
Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen
dagegen, daß das Landgericht (im Fall II. 3 der Urteilsgründe) die Angeklagten
nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat.
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1. Das Landgericht hat einen - auch nur bedingten - Tötungsvorsatz der
drei Angeklagten trotz der Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Vorgehens
nicht mit letzter Sicherheit festzustellen vermocht. Die Jugendkammer hat hierbei
"das Alter, die mangelnde Lebenserfahrung, die hohen Defizite der Angeklagten
auf ethischem Gebiet und die sonstigen Persönlichkeitsakzentuierungen"
berücksichtigt. Diese Wertung hält sich noch im Rahmen der dem Tatrichter
obliegenden Würdigung und ist deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen,
zumal da es - wie ausgeführt - nicht die Angeklagten, sondern die Brüder
Be. waren, die dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen
beibrachten. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu
besorgen, daß das Landgericht überhöhte Anforderungen an die Feststellung
eines (bedingten) Tötungsvorsatzes gestellt hat. Die Wendung im Urteil, "ein
ausdrückliches Bekenntnis, daß er bei den Handlungen das Risiko [erg.: eines
tödlichen Erfolges] bewußt einkalkuliert habe", habe keiner der Angeklagten
abgegeben, gibt keinen Anlaß zu der Annahme, die Jugendkammer mache allgemein
die Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes von einem Geständnis
zur subjektiven Tatseite abhängig. Vielmehr hat sie dadurch lediglich
zum Ausdruck gebracht, daß in einem solchen Fall erhöhte Anforderungen an
die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu stellen sind. Das läßt Rechtsfehler
nicht erkennen.
2. Allerdings hat - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift
vom 18. Oktober 2004 zutreffend hingewiesen hat - das Landgericht
nicht erkennbar geprüft, ob den Angeklagten nicht zumindest bedingter
Tötungsvorsatz für den Zeitpunkt zur Last fällt, in dem sie im Fall II. 3 der Urteilsgründe
durch die wieder offen stehende Schlafzimmertür den "sich nicht
mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten" Oe. bäuchlings vor seinem
- 16 -
Bett liegen sahen und sie ihn in diesem Zustand ohne Hilfe in der Wohnung
zurückließen, "obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren
Verletzungen sterben könnte". Doch führt dies hier nicht zu einem Erfolg der
Revisionen der Staatsanwaltschaft, auch wenn die Angeklagten eine Garantenpflicht
aus Ingerenz traf und sie deshalb für das Leben des Oe. einzustehen
hatten.
Vollendeter Totschlag durch Unterlassen (vgl. zu dieser Sachverhaltskonstellation
BGHSt 44, 196, 201) käme hier nach den Feststellungen schon
deshalb nicht in Betracht, weil der Geschädigte nicht ausschließbar bereits tot
war, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren. Die Feststellungen ergeben
aber auch nicht, daß die Angeklagten sich zumindest des versuchten
Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht haben. Tatsächlich war - wie
das Landgericht aufgrund des Ergebnisses des rechtsmedizinischen Gutachtens
festgestellt hat - das Leben des Geschädigten bereits aufgrund der ihm
von den Brüdern Be. beigebrachten Halsmarkzerrung nicht mehr zu retten.
Insoweit käme, bezogen auf die Angeklagten, lediglich ein untauglicher Versuch
des Totschlags durch Unterlassen in Betracht. Das setzte aber die Feststellung
voraus, daß die Angeklagten, als sie die Wohnung verließen, die Vorstellung
hatten, das Leben des Oe. könne noch durch ihnen mögliche Maßnahmen
gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert werden. Dafür
ist jedoch nichts hervorgetreten.
Tepperwien Maatz
Athing
Ernemann Sost-Scheible



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