BGH,
Urt. v. 13.7.2006 - 5 StR 106/06
5 StR 106/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
13.7.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
hier: Revision der Staatsanwaltschaft gegen Verfallsbeteiligte
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13.
Juli 2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Beistand der Verfallsbeteiligten,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 23.06.2005 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft und die insoweit der Verfallsbeteiligten
entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit im
geschäftlichen Verkehr in 30 Fällen und wegen
Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die
Anordnung des Verfalls hat das Landgericht sowohl gegen ihn als auch
gegen seine Ehefrau abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit
ihrer Revision dagegen, dass gegen die Ehefrau des Angeklagten als
Verfallsbeteiligte die Anordnung des Verfalls unterblieben ist. Das von
der Bundesanwaltschaft vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft
bleibt ohne Erfolg. Die Revision des Angeklagten hat der Senat durch
Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet
verworfen.
1
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinnahmte der Angeklagte,
der als Einkaufsdirektor bei dem Süßwarenhersteller
S. KG (künftig: S. KG) tätig war,
Schmiergeldzahlungen von
2
- 4 -
Lieferanten in den Jahren 1999 bis 2004 im Umfang von ca. 500.000 Euro,
die er in den von ihm abgegebenen Einkommensteuererklärungen
verschwieg. Die Gelder wurden in einigen Fällen bar vom
Angeklagten vereinnahmt, teilweise wurden die Gelder auf sein Betreiben
auf ein Firmenkonto seiner Ehefrau überwiesen, von wo aus der
Angeklagte die Gelder auf sein Konto umbuchen ließ. Weiterhin
übernahm der Geschäftsführer der W. KG
(künftig: W. KG) Darlehensraten eines auf den Namen der
Verfallsbeteiligten laufenden Darlehensvertrages über mehr als
120.000 DM zum Zwecke der Anschaffung eines Sportwagens sowie
Handwerkerrechnungen in Höhe von insgesamt etwa 300.000 DM,
die für den Umbau des im gemeinsamen Eigentum der Eheleute
stehenden Hausgrundstücks in Enger anfielen. Hierzu
zählte auch der Einbau einer Heizungs- und Klimaanlage. Das
Landgericht hat gegen den Angeklagten den Verfall wegen der
vorgängigen Ersatzansprüche seines Arbeitgebers und
der Finanzverwaltung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB abgelehnt.
Gegen die Verfallsbeteiligte hat es von einer Verfallsanordnung auch
deswegen abgesehen, weil der Verfall für die nach den
Feststellungen des Landgerichts gutgläubige Ehefrau eine
besondere Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB
bedeutet hätte.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist erfolglos. Der Senat kann dabei
dahinstehen lassen, ob die Revision in zulässiger Form erhoben
ist. Aus der Antragstellung und der hierfür gegebenen
Revisionsbegründung ergibt sich nämlich nicht, in
welchem Umfang das Urteil aufgehoben werden soll und insbesondere
welche Leistungen der Schmiergeldzahler Gegenstand der
Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte sein sollen. Letztlich
braucht der Senat hier jedoch nicht entscheiden, ob die
Revisionsschrift der Staatsanwaltschaft noch dem Formerfordernis des
§ 344 Abs. 1 StPO entspricht, weil das Rechtsmittel jedenfalls
unbegründet ist. Die Ablehnung einer
3
- 5 -
Verfallsanordnung gegen die Ehefrau des Angeklagten ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Die Anordnung des Verfalls gegen einen Nebenbeteiligten nach
§ 73 Abs. 3 StGB setzt - was die Beschwerdeführerin
übersieht - voraus, dass keine vorrangigen
Ersatzansprüche des Verletzten bestehen. Dies ergibt sich
schon aus der Bezugnahmeklausel in § 73 Abs. 3 StGB, die auf
die Tatbestandsvoraussetzungen der Absätze 1 und 2 verweist.
Auch nach seinem Sinngehalt erstreckt sich der Ausschlusstatbestand
nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ebenso auf die Verfallsanordnung
gegen einen Dritten. Insoweit gilt nämlich
gleichermaßen der Schutzgedanke des § 73 Abs. 1 Satz
2 StGB, wonach eine Verfallsanordnung bei Ersatzansprüchen des
Verletzten ausscheiden muss, um durch die Abschöpfung von
Vermögenswerten die Erfüllung der Ansprüche
des Verletzten nicht zu gefährden und andererseits eine
doppelte Inanspruchnahme des Ersatzpflichtigen zu vermeiden (BGHR StGB
§ 73 Verletzter 3, 4). Beide Gesichtspunkte stehen einer
Verfallsanordnung gegen einen Dritten im Sinne des § 73 Abs. 3
StGB entgegen, wenn gegen diesen aus oder wegen der Straftat
Ersatzansprüche bestehen.
4
Das Landgericht hat hier Ersatzansprüche gegen die
Verfallsbeteiligte nicht näher geprüft.
Ersatzansprüche bestehen seitens der Arbeitgeberin des
Angeklagten nach § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2,
§ 667 BGB gegen den Angeklagten selbst (vgl. BGHR StGB
§ 73 Verletzter 5). Könnte die S. KG als
Arbeitgeberin des Angeklagten auf dessen Ehefrau durchgreifen,
wäre deshalb der Verfall nach § 73 Abs. 3 i.V.m. Abs.
1 Satz 2 StGB ausgeschlossen. Ob solche Ersatzansprüche etwa
aus dem Gesichtspunkt des Bereicherungsrechts oder im Hinblick auf
für die S. KG anfechtbare Rechtshandlungen des Angeklagten
zugunsten seiner Ehefrau in Betracht kommen, kann der Senat hier
dahinstehen lassen. Selbst wenn entsprechende Ersatzansprüche
auszuschließen wären, konnte das Landgericht den
Verfall gegen die Ehefrau des Angeklagten hier rechtsfehlerfrei
ablehnen.
5
- 6 -
2. Das Landgericht hat die Annahme einer unbilligen Härte im
Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB tragfähig
begründet. Ob eine solche Härte vorliegt, hat der
Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu
prüfen. Wie er die für das Vorliegen einer unbilligen
Härte maßgeblichen Umstände im Einzelnen
gewichtet, ist der revisionsgerichtlichen Überprüfung
nicht zugänglich (BGHR StGB § 73c Härte 11).
Dies gilt jedenfalls, soweit das vom Tatrichter gefundene Ergebnis
nicht gänzlich unvertretbar erscheint. Hier hat sich das
Landgericht in erster Linie auf den Gesichtspunkt der
Gutgläubigkeit der Ehefrau des Angeklagten gestützt.
Die Gutgläubigkeit des Dritten stellt bei der
Härtefeststellung einen ganz zentralen Ermessensgesichtspunkt
dar (BGH aaO; vgl. auch BGHSt 47, 369, 376). Das Landgericht konnte
auch ohne Rechtsverstoß von einer Gutläubigkeit der
Verfallsbeteiligten ausgehen. Der Annahme der Gutgläubigkeit
widerspricht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
- nicht der Gesichtspunkt, dass die Ehefrau von einer
arbeitsrechtlichen Zweifelhaftigkeit der über ihr Konto
vereinnahmten Gelder ausgegangen ist. Nach den von der
Beschwerdeführerin nicht angegriffenen Feststellungen des
Landgerichts kannte sie jedenfalls den kriminellen Hintergrund der
über ihr Konto abgewickelten Zahlungen nicht.
6
Im Übrigen hat das Landgericht die Ablehnung einer
Verfallsanordnung nicht allein auf den Gesichtspunkt der
Gutgläubigkeit der Verfallsbeteiligten gestützt,
sondern ergänzend ausgeführt, dass das von den
Eheleuten erworbene und aufwändig umgebaute
Hausgrundstück mit Grundschulden in einer Höhe
belastet sei, die dem aktuell erzielbaren Kaufpreis entspreche. Das
Landgericht stützt sich insoweit auf eine Expertise der
finanzierenden Bank. Selbst wenn ein Großteil der erlangten
Schmiergelder insbesondere der W. KG in Luxusumbauten an diesem Haus
eingeflossen sind, verbleibt für die Verfallsbeteiligte kein
überschießender Wert. Ob einzelne Einbauten, wie z.
B. die Heizungs- und Klimaanlage, noch werterhöhend vorhanden
sind, ist unerheblich, wenn der Verkaufswert des Hauses die Belastung
durch die Grundschulden nicht übersteigt. Anhaltspunkte
für anderweitige Vermögenswerte der
Verfallsbeteiligten, die im Zusammen-
7
- 7 -
hang mit den abgeurteilten Straftaten stehen könnten, zeigt
die Revisionsbegründung nicht auf. Solche sind auch nicht
ersichtlich. Die Ablehnung der Anordnung des Verfalls wie auch des
Verfalls des Wertersatzes (§ 73a StGB) ist deshalb unter dem
Gesichtspunkt der Gutgläubigkeit der Verfallsbeteiligten und
ihrer wirtschaftlichen Situation von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat insoweit auch auf einer ausreichenden
Tatsachengrundlage entschieden.
Basdorf Häger Raum
Brause Schaal |