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BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - 3 StR 131/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 13.6.2001 - 3 StR 131/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 131/01
vom
13. Juni 2001
in der Strafsache gegen
wegen Bestechlichkeit
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Juni 2001, an der teilgenommen haben: Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan als Vorsitzende, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, von Lienen, Schaal als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 6. Dezember 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Voll-
streckung zur Bewährung ausgesetzt und den Verfall eines Betrages von 40.000 DM als Wertersatz angeordnet. Mit der auf die Verfallsanordnung beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft wird beanstandet, daß der Wertersatz nicht in voller Höhe des erlangten Entgelts von 50.500 DM bemessen, sondern im Wege einer Härtefallregelung nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB ein Abschlag in Höhe von ca. 20 % für die zu erwartende Belastung durch Steuernachzahlungen gewährt worden ist.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein Hochbauingenieur, im Bauordnungsamt der Stadt H. als Baugesuchsprüfer angestellt. Im Rahmen einer später genehmigten Nebentätigkeit fertigte er für Bauherren Bauzeichnungen, Berechnungen und Bauvorlagen, wobei er wußte, daß ihm diese Tätigkeit für seinen dienstlichen Zuständigkeitsbereich, dem Stadtgebiet H. , ausdrücklich untersagt war. Gleichwohl umging er dieses Verbot in zahlreichen Fällen, wobei er seine Mitwirkung verschleierte. Der Verurteilung zugrundegelegt sind 29 Bauantragsverfahren der Stadt H. , in denen der Angeklagte - nach seinem Geständnis - den Auftrag zur Fertigung von Antragsunterlagen übernommen und dabei mit den Auftraggebern vereinbart hatte, daß das vereinbarte Entgelt nicht nur für seine Architektenleistung, sondern auch für seine Mitwirkung bei der Genehmigung gezahlt werde, wobei er entweder diese selbst vornehmen oder bei Kollegen durch entsprechende Einflußnahme veranlassen werde. Er erklärte dazu, daß kleinere Mängel übersehen und erforderliche Ermessensentscheidungen zu Gunsten der Bauherren gefällt werden würden. Hierfür erlangte er insgesamt einen Betrag von 50.500 DM (UA S. 18; die Addition der in den Urteilsgründen genannten Einzelbeträge ergäbe allerdings einen Gesamtbetrag von 50.800 DM).
I. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.
1. Die Beschränkung der Revision auf die Verfallsanordnung ist hier unwirksam, weil diese nicht losgelöst vom übrigen Teil des Rechtsfolgenausspruchs einer rechtlich und tatsächlich selbständigen Prüfung zugänglich ist (vgl. Ruß in KK 4. Aufl. § 318 Rdn. 8 m.w.Nachw.). Denn was der Angeklagte aus den begangenen Taten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat und was somit zur Grundlage einer Verfallsanordnung gemacht werden kann, hängt davon ab, inwieweit die dem Angeklagten von den einzelnen Auftraggebern gezahlten Entgelte als Bestechungslohn oder als bloße Gegenleistung für erbrachte Architektenleistungen angesehen werden können. Diese Frage betrifft in gleicher Weise den Strafausspruch.
2. Fertigt ein Angestellter eines Bauordnungsamtes Bauantragsunterlagen, so handelt es sich selbst dann um eine außerdienstliche Handlung, wenn er später mit dem Genehmigungsverfahren für diesen Antrag dienstlich befaßt wird. Denn die Ausarbeitung solcher Unterlagen gehört nicht zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtes und seiner Angehörigen, sondern stellt eine Verrichtung für den Bauherren dar, die regelmäßig von freiberuflichen Architekten oder anderen fachlich Berechtigten vorgenommen wird. Wenn ein Angestellter der Behörde auf Grund seiner fachlichen Befähigung solche Arbeiten neben seinen dienstlichen Obliegenheiten vornimmt, handelt es sich um eine private Nebentätigkeit, gleich ob sie genehmigt ist oder gegen dienstliche Vorschriften verstößt (vgl. BGHSt 11, 125 ff.; 18, 263, 266 f.). Ein derartiges Verhalten eines Amtsangehörigen unterliegt daher grundsätzlich selbst dann nicht den §§ 331, 332 StGB, wenn es aus dienstrechtlichen Gründen verboten ist
(BGH GA 1962, 214 f.). Dies könnte im vorliegenden Fall bedeuten, daß nur die Vereinbarung, gegen Entgelt das Genehmigungsverfahren unter Verletzung von Dienstpflichten durchzuführen oder entsprechend zu beeinflussen, den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt und grundsätzlich nur der darauf entfallende Teil des Gesamtentgeltes als Bestechungslohn angesehen werden kann, während es sich bei dem übrigen Teil um die Gegenleistung für die Fertigung von Antragsunterlagen und damit um die private Entlohnung einer Nebentätigkeit handelt. Für den umgekehrt gelagerten Fall, daß ein Amtsträger als Gegenleistung für eine dienstliche Handlung eine werkvertragliche Leistung gegen ein vermindertes Entgelt zugewandt erhält, hat die Rechtsprechung ebenfalls angenommen, daß nur die Differenz zu einem angemessenen Werklohn als Vorteil im Sinne der §§ 331, 332 StGB gewertet werden kann (vgl. BGH ZBR 1991, 312, 313). Etwas anderes könnte aber dann gelten, wenn dem Angeklagten der Auftrag zur Fertigung von Antragsunterlagen gerade im Hinblick auf seine amtliche Stellung und seine Bereitschaft, das Genehmigungsverfahren gegebenenfalls unter Verletzung dienstlicher Pflichten durchzuführen oder durchführen zu lassen, erteilt und dies von ihm auch erkannt worden wäre (vgl. BGHSt 18, 263, 267 f.). Denn dann könnte bereits in dem Auftrag für diese Nebentätigkeit ein Vorteil im Sinne der §§ 331, 332 StGB liegen. Dazu fehlen jedoch ausreichende Feststellungen. Diese können auch nicht den Urteilsstellen UA S. 20 und S. 3 unten entnommen werden, da diese Ausführungen ersichtlich nicht im Hinblick auf die aufgezeigten Abgrenzungsprobleme getroffen worden sind.
Da somit den bisherigen Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden kann, ob das gesamte Entgelt oder nur ein Teil davon als Vorteil nach § 332 StGB angesehen werden kann, fehlt es sowohl an einer ausreichenden Bestimmung des Schuldumfangs als Grundlage für die Strafzumessung, als auch an der Feststellung dessen, was der Angeklagte aus den Taten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat, und damit ebenso an der erforderlichen Grundlage für eine Entscheidung über den Verfall nach § 73 ff. StGB. Beides kann nur einheitlich geprüft und bestimmt werden, damit eine in sich widersprüchliche Entscheidung vermieden wird; letztlich muß die Entscheidung über den aufgehobenen und den aufrechterhaltenen Teil als widerspruchsfreies Ganzes erscheinen (vgl. Ruß in KK 4. Aufl. § 318 Rdn. 8).
II. Für die neuerliche Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin:
1. Sollte sich nicht feststellen lassen, daß die jeweiligen Aufträge im Hinblick auf die Unrechtsvereinbarung erteilt worden sind, wird der Anteil am Gesamtentgelt, der für die Mitwirkung am Genehmigungsverfahren bestimmt war, zu ermitteln sein. Sollten sich dafür zuverlässige Berechnungsgrundlagen nicht ergeben, wird dieser notfalls geschätzt werden müssen (vgl. zur Zulässigkeit von Schätzungen bei der Ermittlung des Schadensumfangs BGHSt 38, 186, 193).
2. Bei der Anwendung der Härteklausel nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB wird zu beachten sein, daß an das Vorliegen einer unbilligen Härte hohe Anforderungen zu stellen sind; die Situation muß so sein , daß die Verfallsanordnung "ungerecht" wäre, daß sie das Übermaßverbot verletzen würde (BGH NStZ 1995, 495). Dabei sind auch die Vermögensverhältnisse des Angeklagten zu berücksichtigen, die hier die Anwendung der Härteklausel nur schwer vorstellbar erscheinen lassen (vgl. BGH aaO).
Zu erwartende steuerliche Nachforderungen auf Grund der zugeflossenen Entgelte sind aus mehreren Gründen regelmäßig nicht geeignet, das Vorliegen einer unbilligen Härte zu rechtfertigen:
a) Mit der Einführung des Bruttoprinzips beim Verfall durch das Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl I 372) ist die Möglichkeit entfallen, die dem Täter entstandenen Aufwendungen für Einkauf, Unkosten u.ä. abzusetzen. Damit wäre es nur schwer vereinbar, die den Täter meist weit weniger schwer treffenden steuerlichen Nachteile anders zu behandeln, worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen hat.
b) Der Gesetzgeber hat mit dieser Änderung den praktischen Schwierigkeiten begegnen wollen, die mit der Feststellung der Unkosten bei der vorzunehmenden Saldierung nach früherem Recht verbunden waren, weshalb die Gewinnabschöpfungsmöglichkeit des § 73 StGB a.F. nur geringe Bedeutung erlangt hatte (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 3, 7 m.w.Nachw.). Dieses gesetzgeberische Anliegen würde unterlaufen, wenn auf dem Umweg über die Härteklausel des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB die weitaus aufwendigere und regelmäßig nur mit steuerrechtlicher Sachverständigenhilfe zu bewerkstelligende Feststellung der steuerlichen Nachteile notwendig werden würde.
c) Die Strafkammer hat - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - bei der Berücksichtigung steuerlicher Nachteile übersehen, daß durch die steuerrechtliche Behandlung des Verfalls die steuerliche Wirkung der Steuerpflichtigkeit solcher Einnahmen regelmäßig weitgehend neutralisiert wird. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wirkt sich die Begleichung des Verfallbetrags steuermindernd aus (BFH DStRE 2000, 1187 = BFH/NV 2001/25), gegebenenfalls kann ein negatives Einkommen im Jahr der Verfallsbegleichung auch im Wege des Verlustrücktrags, bzw. des Verlustvortrags nach § 10 d Satz 1 und 4 EStG abgezogen werden. Sollten im Einzelfall gleichwohl noch gewichtige steuerliche Nachteile verbleiben, so kann dies allenfalls beim Hinzutreten anderer gewichtiger Umstände zur Begründung einer unbilligen Härte im Rahmen einer Gesamtabwägung der Auswirkungen der Verfallsanordnung im Sinne der Verletzung des Übermaßverbotes herangezogen werden.
d) Die unter der Geltung des Nettoprinzips nach § 73 StGB a.F. entwickelte Rechtsprechung zur Berücksichtigung bereits gezahlter Steuern bei der Verfallsanordnung betraf Fälle, in denen infolge dieser Zahlung der Wert des Erlangten im Vermögen des Täters insoweit nicht mehr vorhanden war, was die Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB ermöglicht hatte (vgl. BGHSt 33, 37, 40; BGHR StGB § 73 c Härte 1). Diese Alternative des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB darf jedoch nicht mit der Prüfung einer unbilligen Härte nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB vermengt werden, wie dies das Landgericht durch die rechtlich zweifelhafte Erwägung, es dürfe keinen Unterschied machen, ob die Finanzbehörden schnell gearbeitet haben oder nicht (UA S. 20), möglicherweise getan hat.
Rissing-van Saan Miebach Winkler von Lienen Schaal
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