BGH,
Urt. v. 13.11.2008 - 4 StR 252/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 252/08
vom
13. November 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
StGB §§ 222, 229
Zur Abgrenzung der Verantwortlichkeiten für einen
Gebäudeeinsturz bei arbeitsteiliger Erledigung der
Bauleistungen durch verschiedene Gewerke.
BGH, Urteil vom 13. November 2008 - 4 StR 252/08 - LG Schwerin
- 2 -
1.
2.
wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung
- 3 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13.
November 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Bundesanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers K. -P. B. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
I. Die Revisionen des Nebenklägers K. -P. B. gegen das Urteil
des Landgerichts Schwerin vom 2. Juli 2007 werden verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel
und die dadurch den Angeklagten W. und C. entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten W. und C. vom Vorwurf der
fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen
Körperverletzung aus tatsächlichen und rechtlichen
Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der
Nebenkläger K. -P. B. , Vater des bei dem
verfahrensgegenständlichen Bauunglück vom 13. August
2004 ums Leben gekommenen U. B. , mit seinen auf die Sachrüge
gestützten Revisionen. Diese Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1
I.
Das angefochtene Urteil betrifft ein Bauunglück vom 13. August
2004 in der Stadt G. (Landkreis P. ), bei dem fünf auf dem Bau
tätige Arbeiter zu Tode kamen und fünf weitere
Personen, darunter der Angeklagte C. , verletzt wurden, drei davon
schwer.
2
Das Landgericht hat dazu folgende Feststellungen getroffen:
3
- 5 -
Gegenstand des von der Stadt G. als Bauherrin betriebenen Bauvorhabens
war die Sanierung einer städtischen Schule, wobei u.a. im
Erdgeschoss des Südostflügels auf der Fläche
der bisher getrennten Räume R 123 und R 124 ein
größerer Musikraum entstehen sollte. Dazu war der
Abbruch der tragenden, 7,22 m langen und 3 m hohen Querwand zwischen
den beiden Räumen sowie der Einbau einer Stahlkonstruktion
geplant.
4
Den nach öffentlicher Ausschreibung erteilten Zuschlag
für die Bauhauptleistungen erhielt als Unternehmer im Sinne
der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) der vom
Landgericht in diesem Verfahren nach Verwerfung seiner Revision durch
den Senat inzwischen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe
verurteilte frühere Mitangeklagte T. , der als Bauunternehmer
eine Einzelfirma betrieb. Zum Leistungsumfang gehörten
gemäß dem dem Vertrag zu Grunde liegenden
Leistungsverzeichnis u.a. auch die Stahlbauarbeiten und
Betonschneidearbeiten. Die Stahlbauarbeiten umfassten danach u.a.
für die sog. Montageunterstützung "das Vorhalten, den
Einbau und die Beseitigung von 300 Drehsteifen für den Einbau
der Stahlträger zur Abfangung der Geschossdecken". Zu den
Betonschneidearbeiten gehörten nach dem Leistungsverzeichnis
auch das abschnittweise Abbrechen einer Wand aus bewehrtem Beton. Die
Durchführung dieser Betonschneidearbeiten
einschließlich des Abbruchs und der Entsorgung der tragenden
Wand übertrug T. im Rahmen eines Subunternehmervertrages auf
die Firma H. Betonbohr- und Sägetechnik, für die als
Niederlassungsleiter der Angeklagte W. und als deren Arbeiter der
Angeklagte C. vor Ort an der Baustelle tätig waren. Zum
Leistungsumfang der Firma H. zählten danach aber nicht die
notwendigen Absteifungsarbeiten; diese waren nach dem
Leistungsverzeichnis vielmehr ausdrücklich im Titel
"Stahlbauarbeiten" enthalten.
5
- 6 -
Nach der vom Bauplanungsbüro L. im Auftrag der Stadt G.
erstellten statischen Berechnung für den Umbau war eine
Grundabsteifung mit insgesamt 336 Stützen - davon 98
Stützen im Erdgeschoss bei einem Stützenabstand von
0,15 m - mit einer zulässigen Tragfähigkeit von
jeweils 20 kN vorgesehen. Der Angeklagte C. informierte seinen
Vorgesetzten, den Angeklagten W. , dass der vorgesehene
Stützenabstand von 0,15 m ein Arbeiten mit der für
die Betonschneidearbeiten verwendeten Wandsäge
unmöglich mache. Nachdem der Angeklagte W. vergeblich versucht
hatte, daraufhin T. zu erreichen und auf das Problem anzusprechen,
wandte sich der Angeklagte C. auf Bitten des Angeklagten W. an T. , der
darauf erwiderte, er werde bei dem Statiker nachfragen und
klären, wie vorgegangen werden könne.
Tatsächlich fragte T. bei dem Statiker aber nicht nach. Auf
eine gelegentliche Nachfrage des Bauleiters G.
äußerte sich T. jedoch dahin, dass die Hinzuziehung
eines Statikers nicht erforderlich sei, da er mit den Festlegungen der
Statik „klarkomme“, es sei alles gut beschrieben.
6
T. ließ am 4. und 5. August 2004 zwei seiner Arbeiter die
Grundabsteifung durch Aufstellen der vor Ort vorhandenen Drehsteifen in
der Weise vornehmen, dass im Erdgeschoss anstelle der in der statischen
Berechnung vorgesehenen 98 Stützen beidseitig der tragenden
Wand nur 29 Drehsteifen aufgestellt wurden, von denen auch nur eine
einzige eine Tragfähigkeit in der vorgesehenen
Größenordnung von 20 kN hatte, während die
Tragfähigkeit der übrigen Steifen geringer war und
überwiegend bei lediglich 16,5 kN lag. Insgesamt wurden von
den in allen Geschossen laut statischer Berechnung vorgesehenen 336
Steifen in dem Gebäudeteil lediglich 98 Steifen aufgestellt.
Die Abstützung der Decke in den zurückgebauten
Abschnitten nahmen die Mitarbeiter von T. durch drei oder vier
Drehsteifen anstelle der vom Statiker geforder
7
- 7 -
ten Kantholzsteifen 20/20 und durch ein 2,40 m langes Kantholz 15/25
anstelle eines Stahlunterzuges vor.
Vom 6. bis zum 12. August 2004 erledigte der Angeklagte C. den
Rückbau der Abschnitte I, II und III der Wand. Am Morgen des
13. August 2004 teilte er T. mit, dass er noch an diesem Tage mit dem
Herausschneiden des Teilstücks Abschnitt IV beginnen werde.
Dabei sah T. , dass der Abschnitt III noch "abgesteift" werden musste,
und wies seine Arbeiter an, dies zu erledigen, was unter Mithilfe des
Angeklagten C. geschah. Erst danach nahm der Angeklagte C. den Abbruch
des ca. 1,20 m breiten Abschnitts IV vor. Als er von der verbliebenen
Wandverbindung ca. 30 cm abgestemmt hatte, hörte er erste
Knackgeräusche. Unmittelbar danach kam es zum Einsturz des
gesamten Mittelteils des Südostflügels des
Schulgebäudes mit den bereits erwähnten schwer
wiegenden Folgen. Als Ursachen für den Einsturz hat das
sachverständig beratene Landgericht in erster Linie die zu
geringe Anzahl der Steifen, die unterlassene Verwendung der
für die Absteifung vorgegebenen Kantholzsteifen 20/20 und
deren Ersatz durch Drehsteifen mit zu geringer Traglast festgestellt.
8
II.
Die Revisionen des Nebenklägers, mit denen er die
Freisprüche der Angeklagten W. und C. angreift, bleiben im
Ergebnis ohne Erfolg.
9
1. Das Landgericht hat nicht übersehen, dass der Angeklagte C.
bei den durch seine Anstellungsfirma durchgeführten
Betonschneidearbeiten durch das Herausstemmen des letzten
Wandabschnitts den Einsturz des Gebäudes ausgelöst
hat. Es hat jedoch eine Garantenstellung des Angeklagten
10
- 8 -
W. , die dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit für die aus
der Bauausführung entstehenden Gefahren begründen
könnte, verneint und gemeint, dass der Angeklagte C. ebenfalls
für den Einsturz nicht verantwortlich sei.
Hinsichtlich des Angeklagten W. hat das Landgericht die Ansicht
vertreten, eine Pflicht, die Absteifung zu
überprüfen, habe für ihn weder nach dem
Subunternehmervertrag bestanden, nach dem die notwendigen Absteifungen
gerade nicht in den Aufgabenbereich Betonschneidearbeiten fielen, noch
habe sie sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben. Die
Überwachungspflicht nach den berufsgenossenschaftlichen
Unfallverhütungsvorschriften richte sich nur an die Personen,
denen die Bauleitung obliege. Zu diesem Personenkreis zähle -
anders als T. - der Angeklagte W. nicht. Ihm habe auch nicht die
Erstellung einer Abbruchanweisung oblegen. Denn es habe sich - wie der
Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator M. als Zeuge
bestätigt habe - um vergleichsweise einfache und begrenzte
Arbeiten gehandelt, von denen bei ordnungsgemäßer
Absteifung keine weiteren sicherheitstechnisch bedenklichen
Auswirkungen zu erwarten gewesen seien. Eine Koordinierungspflicht - so
das Landgericht - habe die Firma H. nur insoweit getroffen, als die
Betonschneidearbeiten nur nach entsprechender Absteifung
hätten vorgenommen werden dürfen. Dieser
Verpflichtung sei der Angeklagte W. aber dadurch nachgekommen, dass
entsprechend seiner Anweisung der Angeklagte C. die Arbeiter des T.
jeweils aufgefordert habe, die Absteifungen vor den weiteren
Betonschneidearbeiten vorzunehmen.
11
Hinsichtlich des Angeklagten C. hat das Landgericht
ausgeführt, der Angeklagte habe nicht erkannt und auch nicht
erkennen müssen, dass die Absteifung gegenüber der
statischen Berechnung unzureichend war. Ihn habe auch keine
Verpflichtung getroffen nachzuprüfen, ob die Erfordernisse der
Sta-
12
- 9 -
tik hinreichend beachtet worden seien. Ebenso sei ihm nicht
vorzuwerfen, dass er nicht realisiert habe, dass vor dem Abbruch des
Abschnitts IV ein Unterzug aus Stahl hätte eingebaut werden
müssen.
2. Diese Begründung der Freisprüche der Angeklagten
W. und C. vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung ist
nicht frei von rechtlichen Bedenken. Gleichwohl haben die
Freisprüche im Ergebnis Bestand.
13
a) Zu Unrecht hat das Landgericht eine Verantwortlichkeit dieser
Angeklagten für das Einsturzgeschehen schon aus
Rechtsgründen verneint.
14
aa) Zur Pflichtenstellung der Angeklagten W. und C. geht der Senat von
Folgendem aus:
15
Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen hat jeder, der
Gefahrenquellen schafft oder unterhält, die nach Lage der
Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer
Personen zu treffen (st. Rspr.; BGHZ 103, 338, 340; BGHR BGB §
823 Abs. 1 Verkehrssicherungspflicht 18). Diese Sicherungspflicht wird
indes nicht bereits durch jede bloß theoretische
Möglichkeit einer Gefährdung ausgelöst; da
eine absolute Sicherung gegen Gefahren und Schäden nicht
erreichbar ist und auch die berechtigten Verkehrserwartungen nicht auf
einen solchen absoluten Schutz ausgerichtet sind, beschränkt
sich die Verkehrssicherungspflicht auf das Ergreifen solcher
Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar
sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch
für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor
Schäden zu bewahren. Haftungsbegründend wirkt
demgemäß die Nichtabwendung einer Gefahr erst dann,
wenn sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe
liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer
Personen verletzt wer-
16
- 10 -
den können (st. Rspr.; vgl. BGHR BGB § 823 Abs. 1
Verkehrssicherungspflicht 31). Diese in der zivilrechtlichen
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind
maßgebend auch für die Bestimmung der
strafrechtlichen Anforderungen an die im Einzelfall gebotene
Sorgfaltspflicht. Ausgangspunkt dafür ist jeweils das
Maß der Gefahr mit der Folge, dass die Sorgfaltsanforderungen
umso höher sind, je größer bei erkennbarer
Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit
und Schadensintensität sind (zur Abhängigkeit
zwischen dem Maß der Gefahr und der Sorgfaltspflicht BGHSt
37, 184, 187; 47, 224, 230 f.; Landau, Das strafrechtliche Risiko der
am Bau Beteiligten, wistra 1999, 47, 49).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Strafkammer ihre
Prüfung verkürzt, indem sie letztlich dem
früheren Mitangeklagten T. die alleinige Verantwortung
zugewiesen hat. Richtig ist, dass in erster Linie T. die Verantwortung
für die Bauausführung trug und deshalb auch
strafrechtlich für die Sicherung der von dem Abbruch der
tragenden Wand im Erdgeschoß ausgehenden Gefahren haftete
(vgl. BGHSt 19, 286, 288). Dieser Pflichtenstellung des T. im
Verhältnis zu den Angeklagten W. und C. entsprach auch die
Aufgabenverteilung nach dem von T. mit der Firma H. geschlossenen
Subunternehmervertrag und dem diesem Vertrag zu Grunde liegenden
Leistungsverzeichnis, demzufolge die Durchführung der
Sicherung des Wandabbruchs durch die Absteifung in den Aufgabenbereich
von T. als Bauunternehmer fiel. Dieser Umstand entließ indes
die Firma H. und damit auch deren an dem Bau tätigen
Mitarbeiter, die Angeklagten W. und C. , nicht von vornherein aus der
Haftung. Denn die Firma H. war zuständig für den
Abbruch und deshalb verpflichtet, Dritte vor den durch den Abbruch
drohenden Gefahren zu schützen und die hierzu erforderlichen
Vorkehrungen zu treffen (BGH (Z) VersR 1966, 165, 166). Diese Pflicht
bestand grundsätzlich nicht nur gegenüber
Außenstehenden, etwa befugten Besuchern
17
- 11 -
der Baustelle, sondern auch gegenüber den an dem Bau
tätigen Arbeitnehmern, die hier durch den Einsturz zu Schaden
gekommen sind (vgl. BGH (Z) NJW 1971, 752, 753; OLG Naumburg (Str)
NStZ-RR 1996, 229; Palandt-Sprau BGB 67. Aufl. § 823 Rdn. 191
m.N.).
cc) Blieb aber danach neben T. die Firma H. - wenn auch
sekundär - verkehrssicherungspflichtig, so traf dies
grundsätzlich auch für ihre Arbeitnehmer, die
Angeklagten W. und C. zu, soweit diese - wie hier - den
gefahrenträchtigen Abbruch der tragenden Wand zumindest
weitgehend in eigener Verantwortung durchführten (vgl. OLG
Stuttgart, Urt. vom 12. März 1999 - 2 U 74/98, Rdn. 61 m.w.N.
[zit. nach juris]; anders u.U. für unselbständige
weisungsgebundene Arbeitnehmer BGH (Z) BB 1954, 273 f; OLG
Düsseldorf (Z) NJW-RR 1993, 1309; Palandt-Sprau aaO §
823 Rdn. 49, 191). Denn nach den in der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen sind mehrere Personen (oder Firmen), die an einer
gefahrenträchtigen Baumaßnahme beteiligt sind,
untereinander verpflichtet, sich in zumutbarer Weise gegenseitig zu
informieren und abzustimmen, um vermeidbare Risiken für Dritte
auszuschalten. Insbesondere dann, wenn erkennbar
Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, die vor Beginn der
eigentlichen gefahrträchtigen Handlung durchgeführt
werden müssen, muss sich der für die Gefahrenquelle
Verantwortliche im Rahmen des ihm Zumutbaren vergewissern, dass der
für die notwendige Sicherung Verantwortliche seine Aufgabe
erfüllt hat, und darf nicht blindlings darauf vertrauen, dass
dies auch zutrifft. Im vorliegenden Fall ergab sich dieses
Zusammenwirken von Abbruchaufgabe (Firma H. ) und Sicherungsaufgabe
(Bauunternehmen T. ) schon kraft Natur der Sache. Dabei waren die
Sorgfaltspflichten nicht etwa auf die jeweils vertraglich geschuldeten
Leistungen beschränkt, wovon das Landgericht ersichtlich
ausgegangen ist. Denn für die Begründung von
Sorgfaltspflichten genügt regelmäßig
bereits die tatsächliche
18
- 12 -
Übernahme eines entsprechenden Pflichtenkreises (vgl. BGHSt
47, 224, 229; Kühl, Anm. zu BGH NJW 2008, 1897, 1899; Fischer
StGB 55. Aufl. § 222 Rdn. 12). Das war hier für die
Firma H. schon deshalb der Fall, weil die besondere Gefahrenquelle eben
in dem Abbruch der tragenden Wand lag.
b) Ihrer hiernach bestehenden - sekundären - Sicherungspflicht
sind die Angeklagten W. und C. jedoch hinreichend nachgekommen.
19
Nachdem der Angeklagte C. auf Veranlassung des Angeklagten W. den
Bauunternehmer T. darauf hingewiesen hatte, dass bezüglich der
ursprünglich in der Statik vorgesehenen Stabilisierung der
Decken durch die seitlichen Stützen eine Veränderung
vorgenommen werden müsse, um die Wandsäge einsetzen
zu können, hatte T. zugesagt, dies zu veranlassen und sich mit
dem Statiker in Verbindung zu setzen. Auch wenn die Verringerung der
Anzahl der Stützen gegenüber der
ursprünglichen Planung erheblich war, erforderte die -
sekundäre - Verkehrssicherungspflicht der Angeklagten nicht
eine nochmalige Nachfrage, ob der Statiker die Änderungen auch
tatsächlich gebilligt habe. Dies wäre nur dann
erforderlich gewesen, wenn die mangelnde Eignung der angebrachten
Abstützung und die dadurch bedingte besondere Gefahrenlage
für die Angeklagten offensichtlich gewesen wäre.
Gerade das hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Vielmehr hat es
in Übereinstimmung mit dem Bausachverständigen
angenommen, dass ungeachtet der gegenüber der statischen
Berechnung deutlich vergrößerten
Stützenabstände jedenfalls für die
Angeklagten nicht ohne Weiteres erkennbar war, dass die Absteifung
unzureichend war. Dem entspricht, dass weder der Bauleiter G. noch der
Sicherheitskoordinator M. auf die Einhaltung der ursprünglich
vorgesehenen Stützenabstände gedrungen hatten, obwohl
der Bauleiter in einer Besprechung auf der Baustelle noch am Tag vor
dem Unglück, an der T. teilnahm, die Abstüt
20
- 13 -
zung der Decke erörtert hatte. Dass die Angeklagten W. und C.
besondere Fachkenntnisse besaßen, die sie befähigt
hätten, die Mangelhaftigkeit der von T. vorgegebenen
Abstützung zu erkennen, hat das Landgericht nicht festgestellt
und ergibt sich auch nicht allein auf Grund ihrer Erfahrungen auf dem
Gebiet von Abbrucharbeiten. Auch mussten sie nicht von einer besonderen
Unzuverlässigkeit oder Risikobereitschaft des T. ausgehen (zur
Beschränkung der Sorgfaltspflichten durch den
Vertrauensgrundsatz bei horizontaler Aufteilung einzelner
Verantwortungsbereiche im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsvorgangs
vgl. BGH (Z) NJW 1999, 1779, 1780 [zum Zusammenwirken mehrerer
Ärzte bei einer Operation]; Fischer aaO § 222 Rdn.
10, 14 m.w.N.). Dass die Angeklagten sich vielmehr ihrer Verantwortung
für die Sicherheit des Bauwerks bewusst waren, wird daran
deutlich, dass der Angeklagte C. noch am Morgen des Unfalltages
gegenüber T. den Abbruch des Teilstücks IV der Wand
ankündigte und mit der Fortsetzung seiner Tätigkeit
aus Sicherheitsgründen zuwartete, bis der Unterzug
hinsichtlich des Teilstücks III angebracht war. Unter diesen
Umständen erübrigte sich für die Angeklagten
W. und C. , bei T. noch einmal ausdrücklich nachzufragen, ob
statischerseits Bedenken gegen die Fortsetzung der Abbrucharbeiten
bestehen.
- 14 -
Fällt mithin den Angeklagten W. und C. ein strafrechtlich
relevantes Versäumnis nicht zur Last, hat es bei den
Freisprüchen des angefochtenen Urteils sein Bewenden.
21
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer |