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BGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - 4 StR 286/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 13.10.2005 - 4 StR 286/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 286/05
vom
13.10.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovi,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Silko B. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Marko B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten
gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom
12. August 2004 werden verworfen.
2. Jeder der Angeklagten trägt die Kosten seines Rechtsmittels;
die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten jeweils des Raubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes mit Todesfolge für
schuldig befunden und den Angeklagten Silko B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von 15 Jahren, den Angeklagten Marko B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung
beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen
dieses Urteil wenden sich die Angeklagten und - zu deren Ungunsten - die
Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen
Rechts gestützten Revisionen. Während die Angeklagten das Urteil insgesamt
zur
Überprüfung durch das Revisionsgericht stellen, erstrebt die Staatsanwaltschaft
mit ihren Rechtsmitteln die Verurteilung der Angeklagten wegen eines
vorsätzlichen Tötungsdelikts. Die Revisionen haben keinen Erfolg.
- 4 -
I.
Der Verurteilung liegt eine „Bestrafungsaktion“ der beiden Angeklagten
und mehrerer jugendlicher Mitglieder einer Clique, zu der sich häufig auch die
wesentlich älteren Angeklagten gesellten, zugrunde. Sie richtete sich gegen
den 40-jährigen homosexuell veranlagten und geistig behinderten Andreas
Oe., der wenige Tage vor dem Tatgeschehen einem der Jugendlichen Geld für
sexuelle Handlungen angeboten hatte. Am Tattag suchten die Angeklagten mit
drei der Jugendlichen das Tatopfer zunächst am Nachmittag in dessen Wohnung
auf, wo die Angeklagten mit massiven Schlägen auf den Geschädigten
einwirkten, während, von ihnen bemerkt und gebilligt, die Jugendlichen die
Wohnung nach mitnehmenswerten Gegenständen durchsuchten und die Boxen
einer Musikanlage und Bierflaschen wegnahmen. Bevor sie gemeinsam die
Wohnung verließen und dabei den zu dieser Zeit noch nicht tödlich verletzten
Geschädigten zurückließen, nahmen auch die Angeklagten mehrere Bierflaschen
an sich.
Die Angeklagten und die Jugendlichen tranken anschließend das entwendete
Bier aus. Dabei berichtete einer der Jugendlichen aus der Clique, Oe.
habe seiner jüngeren Schwester angeboten, von ihr Nacktfotos herzustellen.
Dadurch erneut in Erregung versetzt, beschlossen alle Anwesenden, den Geschädigten
auch deshalb zur Rechenschaft zu ziehen und ihm eine "tüchtige
Abreibung" zu verpassen. Gleichzeitig beschlossen die Angeklagten und die
Jugendlichen, dem Geschädigten auch seine restlichen Biervorräte zu entwenden
und die Wohnung erneut "unter Ausnutzung der geplanten Gewaltanwendung
anlässlich der Abreibung" nach Mitnehmenswertem zu durchsuchen. Als
sie daraufhin am Abend die Wohnung stürmten, saß der Geschädigte mit blut-
5 -
verschmiertem und geschwollenem Gesicht auf dem Bett im Schlafzimmer, wo
der Angeklagte Silko B. ihn sofort hochzog und ihm einen kräftigen Faustschlag
versetzte. Fast zeitgleich kamen auch der Angeklagte Marko B. und
mindestens einer der Jugendlichen in das Schlafzimmer. Gemeinsam schlugen
und traten sie im einvernehmlichen Zusammenwirken mehrfach auf den Kopf
und den Rumpf ihres Opfers ein, das aus Angst und Furcht "alles einfach über
sich ergehen ließ". Ob bei dem Geschehen die Angeklagten selbst zugetreten
haben, vermochte die Schwurgerichtskammer allerdings nicht festzustellen. Als
die Angeklagten von Oe. abließen und das Schlafzimmer verließen, lag dieser
wie leblos auf dem Fußboden. Die Angeklagten und die Jugendlichen nahmen
nunmehr "in Ausnützung der durch die massiven Verletzungen herbeigeführten
Widerstandslosigkeit" des Oe. weitere Bierflaschen sowie Lebensmittel an sich,
einer der Jugendlichen zudem, von den Angeklagten beobachtet und gebilligt,
außerdem eine Musikanlage. Sodann verließ man die Wohnung.
Der Geschädigte hatte unmittelbar nach den ihm am Abend des
21. März 2003 beigebrachten massiven Verletzungen noch gelebt; er verstarb
als Folge davon aber nach höchstens einer Stunde.
II.
Revisionen der Angeklagten
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen
weist zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat
das Landgericht insbesondere auch zu Recht im ersten Handlungsabschnitt
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einen Raubvorsatz beider Angeklagter (vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt
9) und im zweiten Handlungsabschnitt in Bezug auf den Tod des Opfers Leichtfertigkeit
im Sinne von § 251 StGB angenommen. Insoweit verweist der Senat
auf die zutreffenden Ausführungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts
vom 8.07.2005.
Auch die Anordnung der Unterbringung beider Angeklagter in einer Entziehungsanstalt
(§ 64 StGB) hat Bestand. Allerdings ist dem Generalbundesanwalt
einzuräumen, dass die Begründung im schriftlichen Urteil besorgen lassen
könnte, das Landgericht habe seiner Entscheidung, soweit sie den Angeklagten
Siko B. betrifft, einen nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1) rechtsfehlerhaften Maßstab
zugrunde gelegt und nicht beachtet, dass es entgegen der für teilnichtig erklärten
Bestimmung des § 64 Abs. 1 StGB nicht mehr genügt, dass die Behandlung
im Maßregelvollzug nur nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Dies gefährdet
hier aber den Maßregelausspruch gegen den Angeklagten Silko B.
nicht, da das Landgericht zugleich festgestellt hat, dass der Angeklagte seine
Bereitschaft bekundet hat, eine Alkoholentwöhnungstherapie zu absolvieren
und er sich bislang noch nie einer solchen Therapie oder auch nur einer Alkoholentgiftung
unterzogen hat. Dem entnimmt der Senat, dass das Landgericht
auch die für die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB vorausgesetzte hinreichend
konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges bejaht hat (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 30. Juli 2003 - 2 StR 245/03 - und vom 1. August 2003
- 2 StR 257/03).
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III.
Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen
die Verurteilung beider Angeklagten hinsichtlich der am Abend des Tattages
begangenen Tat "lediglich" wegen Raubes mit Todesfolge. Die Erwägungen,
mit denen die Schwurgerichtskammer einen (zumindest bedingten) Tötungsvorsatz
verneint hat, lassen keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
Die Beweiswürdigung ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht
kann nur eingreifen, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist.
Das ist insbesondere der Fall, wenn sie lückenhaft ist oder der Tatrichter überspannte
Anforderungen an seine Überzeugungsbildung stellt. Solche Fehler
weist das angefochtene Urteil nicht auf.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht allerdings festgestellt, dass beiden
Angeklagten nicht nur erkennbar, sondern auch bewusst war, dass der Geschädigte
durch die ihm zugefügten Misshandlungen zu Tode kommen könnte.
Dadurch ist das für den Tötungsvorsatz vorausgesetzte Wissenselement hinreichend
belegt. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass vor allem wegen
der höheren Hemmschwelle gegenüber Tötungen selbst die offen zutage
tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges
Indiz, nicht aber ein zwingender Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz
des Täters ist, der Tatrichter vielmehr gehalten ist, in seine Beweiserwägungen
alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem
Handeln mit (zumindest bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen (vgl.
BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, 37 m.w.N.). Dies hat das
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Schwurgericht im angefochtenen Urteil beachtet. Wenn es hiernach seine
Zweifel an einem bedingten Tötungsvorsatz nicht zu überwinden vermochte, es
vielmehr nach einer ausführlichen Beweiswürdigung zum Tatgeschehen und
zum Nachtatverhalten das voluntative Element des Tötungsvorsatzes in Frage
gestellt und gemeint hat, die Angeklagten hätten gehofft, der Geschädigte werde
nicht sterben, so ist dies vom Revisionsgericht hinzunehmen, auch wenn
eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre oder - wie der Beschwerdeführerin
einzuräumen ist - sogar näher gelegen hätte.
2. Auch im Übrigen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft keinen
Rechtsfehler zu Gunsten oder - was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten
hat - zu Lasten der Angeklagten ergeben.
Tepperwien Maatz RiBGH Athing ist
infolge Urlaubs an
der Unterschrift
gehindert
Tepperwien
Solin-Stojanovi Ernemann



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