BGH,
Urt. v. 14.12.2000 - 4 StR 334/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 334/00
vom
14. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.
Dezem-ber 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Kuckein, Athing, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle
vom 24. Januar 2000 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin
berichtigt, daß der Angeklagte im Fall II 2 der
Urteilsgründe statt wegen sexueller Nötigung wegen
Vergewaltigung verurteilt ist.
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen
Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem
Mißbrauch von Schutzbefohlenen in fünf
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller
Nötigung, sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von
Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen Vollrauschs zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen
dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der
er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge ist - wie der Generalbundesanwalt
zutreffend ausgeführt hat - sowohl unzulässig erhoben
als auch unbegründet.
2. Schuldspruch und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349
Abs. 2 StPO).
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 8. August 2000 ist im Fall II 1 der
Urteilsgründe hinsichtlich des tateinheitlich abgeurteilten
sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174
Abs. 1 Nr. 3 StGB) keine Strafverfolgungsverjährung
eingetreten. Nach den Feststellungen wurde die Tat zwischen dem 3.
September 1992 und dem 2. September 1994 in Braunsbedra
(Sachsen-Anhalt) begangen. Damit gilt Art. 315 a Abs. 2 1. Alt. EGStGB
in der Fassung des 2. und 3. Verjährungsgesetzes (BGBl 1993 I
1657; 1997 I 3223), so daß
Strafverfolgungsverjährung nicht vor Ablauf des 2. Oktober
2000 eintreten konnte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 4 StR
319/00 - und Beschluß vom 7. November 2000 - 4 StR 388/00).
Da das angefochtene Urteil vor diesem Zeitpunkt ergangen ist, kann die
Strafverfolgung nicht mehr verjähren (§ 78 b Abs. 3
StGB).
Im Fall II 2 der Urteilsgründe berichtigt der Senat den
Schuldspruch dahin, daß der Angeklagte statt wegen sexueller
Nötigung wegen Vergewaltigung verurteilt ist; denn die
Jugendkammer hat hier die rechtlich zutreffend qualifizierte Tat (UA
13, 16) im Urteilstenor unrichtig bezeichnet (vgl. BGH NStZ 1998, 510,
511).
3. Auch die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen
Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Nach den Feststellungen ist der Angeklagte alkoholkrank (UA 12, 18). Er
hatte seine ersten Erfahrungen mit Alkohol "bereits im Vorschulalter";
ab Ende 1994 trank er "durchgehend den ganzen Tag". Wegen seines
Alkoholmißbrauchs verlor er mehrere Arbeitsstellen. Seine
Alkoholabhängigkeit führte zu deutlichen
Persönlichkeitsstörungen, ethischem Abbau,
zwanghaftem Trinken-müssen, Kontrollverlust,
Persönlichkeitsabbau und Kritikminderung (UA 18/19). Die Taten
hat der Angeklagte - bedingt durch "das Zusammenwirken konkreter
Alkoholisierung mit einer durch jahrelangen Alkoholmißbrauch
hervorgerufenen Wesensänderung" (UA 11) - im Zustand erheblich
verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen.
Das Landgericht ist - sachverständig beraten - zu der
Überzeugung gelangt, daß die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) mangels
hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges "zur
Bekämpfung der Alkoholkrankheit des Angeklagten" nicht
ausreiche. Es sei vielmehr erforderlich, den Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, um weitere wegen seines
krankhaften Zustandes zu erwartende erhebliche Straftaten des
Angeklagten zu verhindern.
Diese Erwägungen tragen im Ergebnis die
Maßregelanordnung nach § 63 StGB. Dem
Generalbundesanwalt ist allerdings zuzugeben, daß im Urteil
die der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten zugrunde liegende
Störung nicht näher dargelegt ist. Der Senat entnimmt
jedoch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (UA 4, 11 f.,
18 f.), daß die Alkoholsucht des Angeklagten auf einem
(länger andauernden) pathologischen psychischen Defekt (s. UA
11: krankhafte seelische Störung) beruht, so daß
§ 63 StGB - dessen Voraussetzungen auch im übrigen
vorliegen - rechtsfehlerfrei angewendet wurde (vgl. BGHSt 44, 338, 339,
340 ff.; BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 36/99).
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |