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BGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 14.12.2004 - 4 StR 465/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 465/04
 vom
14. Dezember 2004

in der Strafsache
gegen


 
wegen versuchten Totschlags u.a.
 
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der  Sitzung vom 14.
Dezember 2004, an der teilgenommen haben:
 Vor sitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr . Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovis,
Sost-Scheible
   als beisitzende Richter,
Bundesanwalt     
   als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt             
   als Verteidiger,
Rechtsanwalt           
   als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte     
   als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
 
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Neubr andenburg vom 4. Mai 2004 wird
verworfen.

2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten
und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er
hat jedoch die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen


Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei
Jahr en verurteilt. Mit seiner Revision rügt er die Ver letzung sachlichen Rechts.


Das Rechtsmittel ist unbegründet. Die Überprüfung des Urteils hat kei-
nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Anlaß zu weiteren
Erörterungen gibt lediglich die Frage, ob das Landgericht zu Recht einen be-
dingten Tötungsvorsatz bejaht hat. Dies ist der Fall.


1. Es hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:


Nach einem - durch das Verhalten des Angeklagten provozierten - Streit
des Angeklagten mit dem Nebenkläger schubste Martin L.   , der Begleiter
des Angeklagten, den Nebenkläger , wodurch dieser zu Fall kam. Zwischen
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L.   und dem Nebenkläger entwickelte sich eine körperliche Auseinanderset-
zung. Während L.    mit dem unter  ihm am Boden liegenden Nebenkläger
rang, stach der Angeklagte in kniender Position, kräftig ausholend und "unge-
bremst" mit einem mitgeführten Taschenmesser mit einer Klingenlänge von
7,5 cm mehrfach vor allem in Richtung des Oberkörpers und des Kopfes des
Nebenklägers ein. Er ver setzte ihm, bevor er vom Nebenkläger getrennt wer-
den konnte, sechs Stiche, wobei er ihn am Hinterkopf, zweimal im linken Nak-
kenbereich, an der Stir n sowie im hinteren Schulterblattbereich und am Ober-
schenkel traf. Der Stich in die Schulter eröffnete die Brusthöhle des Nebenklä-
ger s und war lebensgefährlich. Die übrigen Stiche führten zu eher oberflächli-
chen Wunden. Der Angeklagte, der zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration
von 2,55 ‰ aufwies und deshalb in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich ver-
mindert war, wußte, daß die Stiche tödliche Verletzungen hervorrufen konnten
und nahm diesen Erfolg billigend in Kauf.


2. Die Erwägungen, die der Feststellung eines bedingten Tötungsvor-
satzes zugrundeliegen, begegnen keinen durchgr eifenden rechtlichen
Bedenken. Sie lassen insbesondere nicht besorgen, daß die Str afkammer
wesentliche Umstände, die einen bedingten Tötungsvorsatz, vor allem das
voluntative Moment in Frage stellen könnten, bei der  gebotenen
Gesamtbetrachtung außer acht gelassen hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1
Vorsatz bedingter 51).
Die vom Tatgericht aus der besonder en Gefährlichkeit der Tathandlung
gezogene Schlußfolgerung, der Angeklagte habe die Möglichkeit der Zufügung
tödlicher Verletzungen erkannt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Ange-
klagte stach mehr fach auf das Tatopfer ein und verletzte es - mittels eines Sti-
ches lebensgefährlich - an besonders gefährdeten Körperstellen. Bei Stichen in
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den Oberkörper, in den Kopf und die Nackenseite, mithin in unmittelbare Nähe
der  Halsschlagader, liegt die ernstzunehmende Möglichkeit, daß es zu tödli-
chen Verletzungen kommt, auf der Hand. Daß beim Angeklagten trotz seiner
erheblichen Alkoholisier ung ein entsprechendes Bewußtsein vorlag, wird im
Urteil auch dadur ch belegt, daß er nach der Tat gegenüber einer Zeugin äu-
ßerte, er habe zweimal auf den Geschädigten eingestochen und diesen einmal
am Kopf und einmal am Bein getroffen.


Darüber hinaus ergeben die Feststellungen des Urteils aber auch, daß
der Angeklagte die Möglichkeit der Zufügung tödlicher Stichverletzungen billi-
gend in Kauf genommen hat. Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß er
trotz der - von ihm erkannten - Lebensgefährlichkeit seines Tuns ernsthaft und
nicht nur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 3, 24, 51) dar-
auf vertraut haben könnte, das Tatopfer werde nicht zu Tode kommen, hat das
Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch nicht na-
he. Vielmehr weist nicht nur die Bemerkung des Angeklagten gegenüber einem
Begleiter des Nebenklägers ("Lass mich, der Kunde ist dran, der hat mich an-
gemacht") darauf hin, daß dem Angeklagten trotz der Kenntnis der Lebensge-
fährlichkeit seines Angriffs, die Folgen seiner Tat gleichgültig waren, er viel-
mehr zur Erreichung seines Ziels, den Nebenkläger kampfunfähig zu machen,
auch einen tödlichen Ausgang in Kauf nahm. Auch das festgestellte Nachtat-
verhalten zeigt, daß der Angeklagte bei Tatbegehung schwerwiegende Folgen
des Angriffs in Betracht gezogen hat.
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Der Umstand, daß es sich um eine eher persönlichkeitsfremde Spontan-
tat gehandelt, der Angeklagte die Tat unter erheblicher alkoholischer Beein-
flussung begangen hat und deshalb in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich
verminder t gewesen ist, spricht bei der hier gegebenen Sachlage und
insbesondere unter  Berücksichtigung des massiven Vorgehens des
Angeklagten nicht gegen die Billigung des Todes des Nebenklägers.


Tepperwien                       Maatz                    Kuckein


             Solin-Stojanovis                Sost-Scheible



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