BGH,
Urt. v. 14.12.2005 - 2 StR 466/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 466/05
vom 14.12.2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14.12.2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, Richter am
Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, Bundesanwalt in
der Verhandlung, Oberstaatsanwalt bei der Verkündung als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Limburg an der Lahn vom 3. August 2005 mit den Feststellungen
aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer
des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und vier Monaten
verurteilt, zwei sichergestellte Handys sowie Betäubungsmittel
und Betäubungsmittelutensilien eingezogen. Dagegen wendet sich
die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung
materiellen Rechts. I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der
Angeklagte ist in Ostanatolien geboren, hat dort die Schule besucht und
das Abitur abgelegt. Er kam 2003 mit 17 Jahren nach Deutschland und
belegte zunächst einen Deutschkurs in W. . Nachdem er die
Aufnahmeprüfung für das von ihm angestrebte
Jurastudium in G. nicht bestanden hatte, wurde
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seine Aufenthaltserlaubnis ab Februar 2005 nicht verlängert.
Der Angeklagte, der zunächst ausreiste, kehrte mit
Unterstützung eines Bekannten illegal in die Bundesrepublik
zurück. Dieser Bekannte, den er nach seinen Angaben
zufällig in H. wieder getroffen hat, bot ihm an, für
1000 € zuzüglich Fahrkosten eine Drogenkurierfahrt zu
unternehmen. Der Angeklagte sollte Heroin und Kokain in W.
übernehmen, einen Teil davon einer unbekannt gebliebenen
Person in F. übergeben und den Rest nach H. bringen. Der
Angeklagte war damit einverstanden. Entsprechend der Vereinbarung
brachte am 18. April 2005 ein Überbringer 1003,44 g Heroin
(Wirkstoffgehalt 34,3 %) und 181,95 g Kokain (Wirkstoffgehalt 52,7 %)
auf einen Parkplatz in W. , zu dem ihn der Angeklagte telefonisch
gelotst hatte. Als sich der Angeklagte mit dem Rauschgift entfernte,
wurde er kurz darauf von der Polizei festgenommen, die den
Überbringer und das Treffen observiert hatte. II. Das
Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Soweit die Revision allerdings
vorträgt, der Angeklagte habe weder von der Art noch von der
Menge des zu transportierenden Rauschgifts Kenntnis gehabt, entfernt
sie sich von den Urteilsfeststellungen. Danach hatte der Auftraggeber
dem Angeklagten mitgeteilt, dass es sich um Heroin und Kokain handeln
sollte (UA S. 3). Die Menge konnte dem Angeklagten schon deshalb nicht
verborgen geblieben sein, weil ihm die Betäubungsmittel in
einer Plastiktüte übergeben worden sind. 2. Zu Recht
weist die Revision jedoch daraufhin, dass die Bewertung der
Kuriertätigkeit des Angeklagten als täterschaftliches
Handeltreiben schon des-
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halb Bedenken begegnet, weil die Jugendkammer eine hinreichende
Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in den
Urteilsgründen nicht vorgenommen hat. Die Annahme
täterschaftlichen Handeltreibens versteht sich für
die Tätigkeit eines Kuriers, der lediglich Drogen
transportiert, nicht von selbst. Zwar kann auch eine
eigennützige Förderung fremder
Umsatzgeschäfte den Begriff des (täterschaftlichen)
Handeltreibens erfüllen, da der weit auszulegende Begriff des
Handeltreibens jede eigennützige, den Umsatz
fördernde Tätigkeit umfasst. Dies entbindet den
Tatrichter jedoch nicht, nach allgemeinen Grundsätzen auf
Grund einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung des
Täters umfassten Umstände zu entscheiden, ob dieser
als Mittäter oder nur als Gehilfe an der Straftat beteiligt
war (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 25). Dabei sind
insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der
Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur
Tatherrschaft zu berücksichtigen. Soweit die Jugendkammer hier
darauf hingewiesen hat, dass der Angeklagte den Transport der Drogen
eigenständig durchführen sollte und zwar
zunächst über die Zwischenstation F. ,
könnte dies zwar als Hinweis auf seine Tatherrschaft
verstanden werden, die für eine täterschaftliche
Begehung spräche. Dieser Umstand wird aber
möglicherweise dadurch relativiert, dass der Angeklagte sich
in F. nicht auskannte - die zunächst für F. geplante
Übergabe des Rauschgifts an ihn wurde deshalb nach W. verlegt
-, so dass eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein
ständiger Kontakt zwischen dem Auftraggeber und dem
Angeklagten während der Kurierfahrt vorgesehen war. Dies
wäre ebenso wie der angesichts des Wertes des zu
transportierenden Rauschgifts relativ niedrige Kurierlohn in eine -
hier nicht vorgenommene - Gesamtwürdigung einzubeziehen
gewesen.
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Da die Jugendkammer diese dem Tatrichter obliegende Wertung unterlassen
hat, kann das Urteil keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht
ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht,
auch wenn bei abweichender rechtlicher Würdigung als Teilnahme
am Handeltreiben zusätzlich der unerlaubte - hier allerdings
nur wenige Minuten dauernde - Besitz von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge abzuurteilen wäre, da das Besitzen nur
dann ein unselbstständiger im Handeltreiben aufgehender
Teilakt des Geschehens ist, wenn das Handeltreiben in
Täterschaft begangen wird. Im Übrigen hätte
die Dauer der verhängten Jugendstrafe einer eingehenderen, an
den Zwecken des Jugendstrafrechts nachvollziehbar orientierten
Begründung bedurft.
Rissing-van Saan Bode Otten Rothfuß Fischer |