BGH,
Urt. v. 14.2.2001 - 3 StR 461/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 461/00
vom
14. Februar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.
Februar 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Kutzer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach,
Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter, Bundesanwalt in
der Verhandlung, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der
Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 10. April 2000 wird mit der Maßgabe
als unbegründet verworfen, daß der Angeklagte in den
Fällen 13, 14, 43, 47, 54, 56, 60, 62, 68, 77, 94, 99, 109,
113, 118, 119 und 124 der Anklage freigesprochen wird.
Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, fallen die Kosten des
Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse
zur Last.
Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Betrugs
unter Einbeziehung von 16 Einzelstrafen aus zwei Vorverurteilungen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten
verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die
Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts vom 18. Oktober 2000 unzulässig, die
Sachrüge ist unbegründet. Allerdings war der
Angeklagte hinsichtlich der nicht als erwiesen angesehenen
Einzelfälle auch formell freizusprechen.
1. Nach den Feststellungen planten die früheren Mitangeklagten
S. und St. , eine GmbH zu übernehmen, über diese
Waren zu bestellen, die gelieferten Waren jedoch nicht zu bezahlen,
sondern weiterzuverkaufen und den Erlös für sich zu
behalten. Der von St. in den betrügerischen Zweck des
Unternehmens voll eingeweihte Angeklagte veranlaßte einen
rechtskräftig verurteilten früheren Mitangeklagten,
in der GmbH die Position des Geschäftsführers
auszuüben. In der Folgezeit wurden von Mitarbeitern der GmbH,
teilweise auch vom Angeklagten selbst, in 101 Fällen Waren
bezogen, die nicht bezahlt wurden. Bei den Lieferfirmen entstand ein
Gesamtschaden von mindestens 600.000 DM.
Das Landgericht hat den Angeklagten als Mittäter eines Betrugs
angesehen. Es ist davon ausgegangen, daß er über die
von ihm selbst eingeräumten acht Fälle hinaus in
weiteren Fällen Warenbestellungen selbst vorgenommen habe. Da
die GmbH in betrügerischer Absicht übernommen worden
sei und die Tatbeteiligung des Angeklagten in der ausgeübten
Geschäftsleitung liege, stellten sich - nach Auffassung des
Landgerichts - die Betrugshandlungen gegenüber den
verschiedenen Lieferanten als ein Betrug dar.
2. Die angefochtene Entscheidung weist weder zum Schuldspruch noch zum
Strafausspruch einen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des
Angeklagten auf.
a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu den vom Angeklagten
für die GmbH entwickelten Aktivitäten und zu seiner
Beteiligung am Gesamterfolg der GmbH enthält keinen
Rechtsfehler. Die urteilsfremden Behauptungen, insbesondere zu Aussagen
von Zeugen, mit denen die Verteidigung die Beweiswürdigung
angreift, können im Rahmen der Sachrüge vom
Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden (vgl. Kuckein in
KK 4. Aufl. § 337 Rdn. 27 und § 352 Rdn. 16).
b) Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte sei
Mittäter und nicht nur Gehilfe des Betrugs gewesen,
hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Sie wird von den getroffenen Feststellungen getragen.
Der Angeklagte hat im eigenen Interesse mit seinen Mittätern S.
und St. an der Umsetzung des gemeinsamen Tatentschlusses arbeitsteilig
zusammengewirkt und für den Erfolg der Betrugshandlungen
wesentliche Tatbeiträge geleistet. In wichtigen Funktionen war
er am Aufbau, der Organisation und dem Betrieb der nach seinem
Kenntnisstand von vorneherein auf Betrug angelegten GmbH beteiligt. Er
hat nicht nur den Geschäftsführer angeworben, der
auch die Geschäftsanteile der GmbH unter falschem Namen
notariell kaufte, sondern während des gesamten Tatzeitraums
innerhalb der GmbH eine eher leitende Funktion ausgeübt. Die
Aufforderungen zur Abgabe der Angebote wurden im wesentlichen von ihm
gefertigt. Bei Rückfragen von Lieferanten, die andere
Mitarbeitern nicht sofort beantworten konnten, stand er als
Ansprechpartner zur Verfügung (UA S. 35). Teilweise hat der
Angeklagte die Bestellungen bei den Lieferanten selbst aufgegeben. Er
hat auch gefälschte, ungedeckte Schecks erstellt, die in
mehreren Fällen Lieferanten übergeben wurden, um eine
Bezahlung vorzutäuschen. Somit hatte er Tatherrschaft inne. Da
der Angeklagte mit 10 % am Bruttoumsatz und damit am Gesamterfolg der
GmbH beteiligt war, hatte er ein erhebliches Eigeninteresse am
Funktionieren des betrügerischen Systems.
c) Dem Angeklagten sind als Mittäter die unter II. 1 bis 101
der Urteilsgründe dargestellten Betrugshandlungen zuzurechnen,
so daß sie bei der Strafzumessung von der Strafkammer zu
seinen Lasten berücksichtigt werden konnten. Zwar ist dem
Generalbundesanwalt darin zuzustimmen, daß der Angeklagte
nicht in allen ihm vom Landgericht angelasteten Fällen die
Bestellungen selbst vorgenommen oder veranlaßt hat und die
Überzeugung der Strafkammer zum Umfang der von ihm selbst
durchgeführten Bestellungen auf einer kaum
tragfähigen Tatsachengrundlage beruht. Da aber die
Mittäterschaft auf dem Prinzip des arbeitsteiligen Handelns
beruht, sind ihm als Mittäter die Tatbeiträge der
anderen Tatbeteiligten und somit alle für die GmbH erfolgten
Bestellungen zuzurechnen, auch soweit er diese nicht selbst
ausgeführt hat (vgl. BGHSt 24, 286, 288; BGHR StGB §
25 II Mittäter 20; Cramer in Schönke/
Schröder, StGB 25. Aufl. § 25 Rdn. 61; Lackner, StGB
22. Aufl. § 25 Rdn. 9 und Rdn. 14).
d) Den Angeklagten beschwert es nicht, daß die Strafkammer
einen besonders schweren Fall im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB
a.F. mit zweifelhafter Begründung abgelehnt sowie
sämtliche unter II. 1 bis 101 der Urteilsgründe
mitgeteilten betrügerischen Warenbestellungen nur als eine
Betrugstat gewertet hat. Da sich die Tätigkeiten des
Angeklagten nicht in der Gründung und Leitung der GmbH
erschöpften, sondern er nach den Feststellungen auch selbst
mindestens acht Bestellungen vorgenommen hat und in weiteren
Fällen in anderen Funktionen an der Durchführung der
Betrugstaten beteiligt gewesen ist, bestehen gegen die Annahme nur
eines Falles des Betruges rechtliche Bedenken. Bei zutreffender
rechtlicher Behandlung hätten diejenigen Einzelfälle,
bei denen der Angeklagte selbst gehandelt hat, als jeweils
selbständige Betrugstaten und die übrigen
Fälle, die ihm nur auf Grund seiner allgemeinen Leitungs- und
Organisationstätigkeit innerhalb der GmbH nach
mittäterschaftlichen Grundsätzen zuzurechnen sind,
als ein weiterer Fall des Betrugs abgeurteilt werden müssen
(vgl. BGH wistra 1998, 148, 150 und 1999, 179, 180). Wenn der
Angeklagte wegen mehrerer in Tatmehrheit zueinander stehender
Betrugsfälle verurteilt worden wäre, hätten
mehrere Einzelstrafen gebildet werden müssen, so daß
gegen ihn mit Sicherheit keine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als die
ausgesprochene verhängt worden wäre.
3. Die Urteilsformel war um den teilweisen Freispruch zu
ergänzen, weil die Fälle 13, 14, 43, 47, 54, 56, 60,
62, 68, 77, 94, 99, 109, 113, 118, 119 und 124 der Anklage als
Einzeltaten des Angeklagten angeklagt waren und sich
das Tatgericht insoweit (UA S. 33, 36) zu einer
Überführung des Angeklagten außerstande
gesehen hat (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl.
§ 260 Rdn. 13).
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen |