BGH,
Urt. v. 14.2.2002 - 4 StR 272/01
4 StR 272/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 272/01
vom
14. Februar 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 14.
Februar 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz, Dr. Kuckein die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger für den
Angeklagten S. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1.
Die Revision des Angeklagten T. gegen das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 6. Dezember 2000 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 6. Dezember 2000 dahin abgeändert, daß
dieser Angeklagte wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren verurteilt ist.
Die Sache wird, soweit der Angeklagte S. verurteilt ist, zur
Verhandlung und Entscheidung über die Aussetzung der
Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur
Bewährung sowie über die Kosten des Rechtsmittels an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der gefährlichen
Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie der
Vergewaltigung für schuldig befunden. Den Angeklagten T. hat
es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, den
Angeklagten S. zu einer solchen von zwei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die
Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel des
Angeklagten S. hat teilweise Erfolg, das des Angeklagten T. erweist
sich insgesamt als unbegründet.
A. Revision des Angeklagten T.
I.
Hinsichtlich des Angeklagten T. ist entgegen der Auffassung der
Revision im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Verurteilung wegen
gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit
Nötigung zum Nachteil des Zeugen K. )
Verfolgungsverjährung nicht eingetreten, da die
Verjährung rechtzeitig durch die Anordnung der Bekanntgabe,
daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist,
unterbrochen worden ist (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB).
Die Bekanntmachung der Einleitung der Ermittlungen bedarf keiner
besonderen Form, sie kann auch dem bevollmächtigten
Verteidiger gegenüber erfolgen (vgl. Jähnke in LK 11.
Aufl. § 78 c Rdn. 21 m.w.N.). Sie muß dem
Beschuldigten nur deutlich machen, daß gegen ihn wegen einer
bestimmten Tat ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Bereits
mit Schreiben der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Dortmund vom
14. August 1996 war dem Verteidiger des Angeklagten T. auf dessen
Akteneinsichtsgesuch unter Angabe des Aktenzeichens mitgeteilt worden,
daß gegen seinen Mandanten ein Ermittlungsverfahren
geführt wird. Zwar konnte nicht schon hierdurch die
Verjährung gemäß § 78 c Abs. 1 Nr.
1 StGB unterbrochen werden, da das Schreiben keine Angaben
über den Gegenstand der Ermittlungen enthielt. Jedoch wurden
nach weiteren erfolglosen Akteneinsichtsgesuchen auf Anordnung der
Staatsanwaltschaft vom 25. Mai 1998 und vom 24. Juni 1998 dem
Verteidiger Ablichtungen der Protokolle über die polizeilichen
und richterlichen Vernehmungen der Belastungszeuginnen Edyta C. und
Agniszka D. vom 5., 6. und 13. Juli 1995 zugesandt. Aus diesen
Protokollen ergab sich eindeutig, daß gegen den Angeklagten
T. unter anderem auch wegen des Vorfalls zum Nachteil des Zeugen K. vom
26. Januar 1995 ermittelt wurde. Mit der Anordnung der
Übersendung der Vernehmungsprotokolle wurde damit die hier
jeweils maßgebliche Verjährungsfrist von
fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) rechtzeitig vor
der am 15. Mai 2000 erfolgten Anklageerhebung unterbrochen.
II.
1. Die vom Angeklagten T. zu § 229 Abs. 1 StPO erhobene
Verfahrensrüge ist aus den Erwägungen der
Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts vom 11. Juli 2001
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2. Auch die zu § 338 Nr. 3 StPO erhobene Rüge sowie
die auf "Verstöße gegen § 29 Abs. 1 und 2
StPO i.V.m. dem Gebot des fairen Verfahrens" gestützten
Beanstandungen haben keinen Erfolg.
Diesen Rügen liegt - soweit für die Beurteilung von
Bedeutung - folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Verteidigung des Angeklagten T. hatte in der Hauptverhandlung vom
11. September 2000 die Vernehmung von insgesamt 19 in Jugoslawien
wohnhaften Zeugen zum Beweis dafür beantragt, daß
der Angeklagte sich zu den Tatzeiten in Jugoslawien aufgehalten habe.
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag wegen Unerreichbarkeit der
Beweismittel mit Beschluß vom 25. September 2000 abgelehnt,
da zum damaligen Zeitpunkt der Rechtshilfeverkehr mit der
Bundesrepublik Jugoslawien auf Tötungsdelikte
beschränkt war. Nachdem die Verteidigung mitgeteilt hatte,
daß alle 19 Alibizeugen bereit seien, bei Erteilung eines
Visums nach Deutschland zu reisen und dort vor Gericht auszusagen,
wandte sich der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer in einem
Schreiben an die zuständigen diplomatischen Stellen mit der
Bitte, den von der Verteidigung benannten Zeugen
schnellstmöglich für die Teilnahme an der
Hauptverhandlung Visa zu erteilen. Zum Hauptverhandlungstermin vom 30.
Oktober 2000 erschien daraufhin als einer der benannten Zeugen der
Zeuge Dobro Ta. . Dieser wurde vernommen und anschließend
vereidigt. Danach erklärte der Vertreter der
Staatsanwaltschaft dem Zeugen die Festnahme wegen Verdachts des
Meineides; der Zeuge wurde durch Gerichtswachtmeister
abgeführt. Zu Beginn des Fortsetzungstermins vom 6. November
2000 teilte der Verteidiger des Angeklagten T. mit, er stelle drei
weitere der bereits benannten Zeugen, nämlich nunmehr die
Zeugen M. , Ku. und Z. . Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft
beantragte daraufhin, "Beamte der Wachtmeisterei zur
Durchführung hilfspolizeilicher Maßnahmen
hinzuzuziehen". Der Vorsitzende gab diesem Antrag nach einer kurzen
Unterbrechung statt. Sodann erschienen die Zeugen M. , Ku. und Z. in
Begleitung eines deutschen Rechtsanwalts als Rechtsbeistand. Nach ihrer
Belehrung, aber noch vor Beginn ihrer Vernehmung lehnten
zunächst der Verteidiger des Angeklagten T. , danach auch der
des Mitangeklagten S. den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit
ab. Die Ablehnungsgesuche begründeten beide Angeklagten im
wesentlichen mit der Heranziehung der zwei Justizwachtmeister und den
hierdurch auf die benannten Zeugen ausgeübten
"Verfolgungsdruck". Danach wurde auf Anordnung des Vorsitzenden die
Hauptverhandlung unterbrochen und Fortsetzungstermin auf den 15.
November 2000 bestimmt. Anschließend gab der Vorsitzende eine
in der Sitzungsniederschrift festgehaltene Erklärung des
Inhalts ab, daß zwar an sich gemäß
§ 29 Abs. 2 StPO hätte weiterverhandelt werden
können, er dies aber in Anbetracht der gegebenen besonderen
Umstände nicht für angebracht halte; "über
die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit der beiden
Wachmeister [müsse] deshalb im Ablehnungsverfahren entschieden
werden". Gegen die Anordnungen des Vorsitzenden wurden ausweislich des
Sitzungsprotokolls Einwendungen nicht erhoben. Die
Sitzungsniederschrift endet mit dem Vermerk, daß angeregt
wurde, die Zeugen zu dem neuen Termin erneut zu stellen. Die
Ablehnungsgesuche wurden mit Beschluß vom 14. November 2000
als unbegründet zurückgewiesen. Die Zeugen Ku. , M.
und Z. konnten im weiteren Verfahren nicht mehr vernommen werden, da
sie weder zum Fortsetzungstermin vom 15. November 2000 noch zu einem
der weiteren Folgetermine erschienen.
a) Die zu § 338 Nr. 3 StPO erhobene Rüge greift
nicht, da die Strafkammer das gegen den Vorsitzenden gerichtete
Ablehnungsgesuch zu Recht als unbegründet
zurückgewiesen hat. Allein der Umstand, daß der
Vorsitzende als der für die Aufrechterhaltung der Ordnung in
der Sitzung Verantwortliche (vgl. § 176 GVG) dem Antrag des
Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft auf Hinzuziehung von zwei
Justizwachtmeistern entsprochen hat, vermag bei verständiger
Würdigung aus der Sicht des Angeklagten noch nicht die
Besorgnis zu rechtfertigen, der Richter habe ihm gegenüber in
der Sache selbst bereits eine innere Haltung angenommen, die seine
Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen
kann. Hieran ändert auch nichts, daß die
Justizwachtmeister der Unterstützung möglicher
staatsanwaltschaftlicher Maßnahmen gegen die erschienenen
Zeugen dienen sollten. Derartige - möglicherweise
ungeschickte, aber rechtlich zulässige - Maßnahmen
liegen im alleinigen Verantwortungsbereich des sie anordnenden
Staatsanwalts; sie können bei vernünftiger
Würdigung nicht dem die Aufgaben nach § 176 GVG
wahrnehmenden Richter zugerechnet werden.
b) Zu Unrecht sieht die Revision einen "Verstoß gegen
§ 29 Abs. 1 und 2 StPO i.V.m. dem Gebot des fairen Verfahrens"
darin, daß die Hauptverhandlung nach Stellung der
Ablehnungsgesuche unterbrochen und nicht unmittelbar mit der Vernehmung
der Zeugen fortgesetzt worden ist.
aa) Ein Verstoß gegen § 29 Abs. 1 StPO liegt nicht
vor. Nach dieser Bestimmung hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung
des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen
Aufschub gestatten. Dies ist so zu verstehen, daß er nicht
nur das Recht, sondern die Pflicht hat, unaufschiebbare Amtshandlungen
vorzunehmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl.
§ 29 Rdn. 2). Unaufschiebbar sind dabei nach allgemeiner
Ansicht Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen
können, bis ein Ersatzrichter eintritt (vgl. Wendisch in
Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 29 Rdn. 14; Pfeiffer
in KK 4. Aufl. § 29 Rdn. 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner
aaO § 29 Rdn. 4). Hierzu können auch
Zeugenvernehmungen gehören, wenn anderenfalls der Verlust des
Beweismittels droht (vgl. Wendisch aaO; Pfeiffer aaO, zum Fall der
Vernehmung eines todkranken Zeugen).
Ob eine Amtshandlung unaufschiebbar im Sinne des § 29 Abs. 1
StPO ist, unterliegt indes nur einer eingeschränkten
revisionsrechtlichen Überprüfung. Dem Richter ist bei
der Beurteilung des Begriffs der Unaufschiebbarkeit ein Spielraum
einzuräumen; es genügt, daß seine
Entscheidung vertretbar und nicht ermessensfehlerhaft ist (vgl.
Wendisch aaO § 29 Rdn. 43; Pfeiffer aaO § 29 Rdn. 14;
Paulus in KMR 8. Aufl. § 29 Rdn. 4 und 27; Lemke in HK-StPO 3.
Aufl. § 29 Rdn. 18). Gemessen an diesen Grundsätzen
ist die Verfahrensweise des Landgerichts aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden. Den drei betroffenen Zeugen, darunter zwei
Rechtsanwälten, war - nachdem der Vorsitzende die Erteilung
entsprechender Visa veranlaßt hatte - die Einreise nach
Deutschland ohne erkennbare Schwierigkeiten möglich. Die
Revision trägt selbst vor, daß sie von vorneherein
geplant hatten, noch zwei weitere Tage, das heißt bis zum 8.
November 2000, in Deutschland zu bleiben, und daß sie ihren
Aufenthalt auch noch bis zum 10. November 2000 hätten
ausdehnen können. Es mußte daher aus der Sicht der
erkennenden Strafkammer nicht die Besorgnis bestehen, die
offensichtlich aussagebereiten Zeugen könnten an dem
Erscheinen zu einem späteren Termin gehindert oder aus
sonstigen Gründen zu einer Zeugenaussage nicht mehr bereit
sein. Allein der Umstand, daß ein Zeuge von weither anreisen
muß, vermag noch nicht die Unaufschiebbarkeit seiner
Vernehmung im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO zu begründen
(vgl. auch Wendisch aaO § 29 Rdn. 15).
bb) Vergeblich rügt die Revision auch eine Verletzung des
§ 29 Abs. 2 Satz 1 StPO.
Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit dieser
Rüge, da es der Angeklagte bzw. sein Verteidiger ausweislich
der Sitzungsniederschrift unterlassen haben, die Entscheidung des
Vorsitzenden, nicht von der Möglichkeit der Fortsetzung der
Hauptverhandlung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch zu
machen, zu beanstanden und einen Gerichtsbeschluß
gemäß § 238 Abs. 2 StPO
herbeizuführen. Es entspricht allgemeiner Rechtsauffassung,
daß die Entscheidung, die Hauptverhandlung nach Stellung
eines Befangenheitsgesuchs fortzusetzen, eine Maßnahme im
Sinne des § 238 Abs. 1 StPO darstellt mit der Folge,
daß sie mit der Revision in zulässiger Weise nur
beanstandet werden kann, wenn hierüber eine Entscheidung des
Gerichts herbeigeführt worden ist (vgl. BGH, Urt. vom 3.
Dezember 1982 - 2 StR 210/82; Wendisch aaO § 29 Rdn. 33;
Pfeiffer aaO § 29 Rdn. 14; Kleinknecht/Meyer-Goßner
aaO § 29 Rdn. 16). Es liegt daher nahe, daß dies
dann auch für die - umgekehrte - Fallkonstellation zu gelten
hat, daß die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden nicht
fortgesetzt, sondern bis zur Entscheidung über das
Ablehnungsgesuch unterbrochen wird.
Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden
Entscheidung, da die Rüge jedenfalls sachlich nicht
begründet ist.
Nach § 29 Abs. 1 StPO gilt der Grundsatz, daß der
abgelehnte Richter sich aller Amtshandlungen zu enthalten hat, die
nicht unaufschiebbar sind. Zwar kann ausnahmsweise, wenn ein
erkennender Richter nach Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt wird,
diese gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO in den
dort bezeichneten zeitlichen Grenzen bis zur Entscheidung über
die Ablehnung fortgesetzt werden, falls die Entscheidung über
die Ablehnung eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erforderlich
machen würde. Zweck dieser durch das
Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingefügten
Regelung ist es, Verfahrensverzögerungen aufgrund von
ersichtlich unbegründeten oder jedenfalls im Ergebnis wenig
aussichtsreichen Ablehnungsgesuchen zu begegnen (vgl. die Begr. der
Bundesregierung zum Gesetzentwurf, BTDrucks. 8/976 S. 22/23 und 34;
Rieß NJW 1978, 2265, 2268; Schroeder NJW 1979, 1527, 1528
f.). Die Entscheidung über die Fortsetzung der
Hauptverhandlung hat der Vorsitzende im Rahmen der Sachleitung (vgl.
BTDrucks. 8/976 S. 34) nach pflichtgemäßen Ermessen
zu treffen. Die hier getroffene Entscheidung, die Hauptverhandlung
nicht fortzusetzen, sondern - dem Grundsatz des § 29 Abs. 1
StPO folgend - bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch
zu unterbrechen, läßt danach Rechtsfehler nicht
erkennen. Insbesondere kann von einer fehlerhaften
Ermessensausübung oder gar willkürlichen Entscheidung
keine Rede sein. Der Vorsitzende hat - wie seine Erklärung,
"über die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit
der beiden Wachtmeister [müsse] ... im Ablehnungsverfahren
entschieden werden", zeigt - das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch
jedenfalls nicht als offensichtlich unbegründet angesehen.
Dies sprach gegen eine Fortsetzung der Hauptverhandlung (vgl. auch
Paulus in KMR aaO § 29 Rdn. 9). Hinzu kommt, daß mit
dem Befangenheitsantrag seitens des Angeklagten gerade gerügt
worden war, der Vorsitzende übe durch die Zuziehung von zwei
Justizwachtmeistern in unzulässiger Weise Druck auf die vom
Angeklagten benannten Alibizeugen aus. In Anbetracht dieses Umstandes
konnte es auch nicht im wohlverstandenen Interesse des Angeklagten
liegen, daß nach Stellung der Ablehnungsanträge
unter der Verhandlungsleitung gerade des abgelehnten Richters mit der
Vernehmung dieser - für den Angeklagten wichtigen - Zeugen in
der mit dem Ablehnungsgesuch beanstandeten Weise fortgefahren wird. Die
Revision trägt auch selbst nicht vor, eine solche
Verfahrensweise beantragt oder auch nur angeregt zu haben.
cc) Keinen Erfolg hat auch die in diesem Zusammenhang von der Revision
weiterhin erhobene Rüge eines Verstoßes gegen den
Grundsatz des fairen Verfahrens.
Die Revision sieht den "fair trial" - Grundsatz dadurch verletzt,
daß der Vorsitzende nach Stellung der Ablehnungsgesuche im
Termin vom 6. November 2000 den Termin zur Fortsetzung der
Hauptverhandlung erst auf den 15. November 2000 anberaumt hat. Sie
vertritt die Auffassung, der erkennenden Strafkammer sei es
möglich gewesen, vorher, spätestens jedoch am
Freitag, den 10. November 2000, weiter zu verhandeln; bis zu diesem
Zeitpunkt wären - so das Revisionsvorbringen - die Zeugen
notfalls auch in Deutschland geblieben und hätten vernommen
werden können. Durch die verspätete Terminierung habe
das Gericht die Zeugen "unerreichbar gemacht".
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer jedoch in der
Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden.
Die Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung und die Bestimmung
des Termins zu ihrer Fortsetzung stellen Maßnahmen der
Verhandlungsleitung im Sinne des § 238 Abs. 1 StPO dar, die
durch den Vorsitzenden erfolgen. Gegen Entscheidungen des Vorsitzenden,
die die Verhandlungsleitungen betreffen, kann jeder
Prozeßbeteiligte, der sich durch sie sachlich beschwert
fühlt (vgl. hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO
25. Aufl. § 238 Rdn. 21; Kleinknecht/Meyer-Goßner
aaO § 238 Rdn. 13), gemäß § 238
Abs. 2 StPO das Gericht anrufen, das über die erhobenen
Beanstandungen durch Beschluß entscheidet.
Zwar trägt die Revision vor, die Anordnung des Vorsitzenden
sei von beiden Angeklagten und deren Verteidigern "unter Hinweis auf
die berufliche Situation der Zeugen ..... beanstandet [worden]". Die
Beanstandung von Maßnahmen der Verhandlungsleitung stellt
jedoch eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des §
273 Abs. 1 StPO dar und ist daher in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen
(h.M., vgl. BGHSt 3, 199, 202; Gollwitzer aaO § 238 Rdn. 37;
Engelhardt in KK 4. Aufl. § 273 Rdn. 4;
Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 238 Rdnr. 16). Da die
Sitzungsniederschrift vorliegend die Erhebung von Einwendungen gegen
die Anordnung des Vorsitzenden, die Hauptverhandlung bis zum 15.
November 2000 zu unterbrechen, nicht ausweist, ist aufgrund der
besonderen (negativen) Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO)
davon auszugehen, daß Einwendungen seitens der Verteidigung
auch nicht erhoben worden sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner
aaO § 274 Rdn. 14). Besondere Umstände, die die
Annahme rechtfertigen könnten, daß die Beweiskraft
des Protokolls entfällt, (vgl. hierzu BGH NJW 2001, 3794) sind
nicht ersichtlich; die Revision trägt solche auch nicht vor.
Dem Senat ist daher insoweit auch die - von der Revision angeregte -
Beweiserhebung im Wege des Freibeweises verwehrt.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Zulässigkeit
einer Verfahrensrüge, mit der eine Sachleitungsanordnung des
Vorsitzenden beanstandet wird, grundsätzlich voraus,
daß der Beschwerdeführer das Gericht
gemäß § 238 Abs. 2 StPO angerufen hat (vgl.
nur Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 238 Rdn. 17;
Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 238 Rdn. 22 jeweils
mit Nachweisen); wer davon absieht, verliert insoweit das Recht auf
Revision. Einer der Ausnahmefälle, in denen die Revision
unbeschadet der Nichtanrufung des Gerichts zulässig ist (vgl.
hierzu BGHSt 42, 73, 77 f.; Tolksdorf aaO § 238 Rdn. 18),
liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere war es dem
Beschwerdeführer möglich und auch zumutbar, bereits
in der Hauptverhandlung unter Hinweis auf den nunmehr im
Revisionsverfahren behaupteten drohenden Verlust der Beweismittel einen
Gerichtsbeschluß herbeizuführen. Anhaltspunkte
dafür, daß etwa durch die Dauer der Unterbrechung
eine Vernehmung der Zeugen vom Vorsitzenden "gezielt" verhindert werden
sollte, bestehen nicht.
3. Auch den übrigen Verfahrensrügen bleibt der Erfolg
versagt.
a) Soweit beanstandet wird, § 245 Abs. 1 StPO sei verletzt,
weil eine Vernehmung der Zeugen M. , Ku. und Z. im Termin vom 6.
November 2000 nicht erfolgt ist, ist die Rüge
unbegründet. Insoweit kann - ungeachtet, ob ein Anwendungsfall
des § 245 Abs. 1 StPO überhaupt gegeben ist - auf die
Ausführungen zu § 29 Abs. 1 und 2 StPO [siehe oben
unter II. 2. b)] Bezug genommen werden.
b) Die zu § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erhobene Rüge
dringt ebenfalls nicht durch.
Bedenken bestehen bereits im Hinblick auf ihre Zulässigkeit.
Die Rüge läßt nämlich nicht
eindeutig erkennen, gegen welche konkrete Handlungen oder
Unterlassungen des Gerichts der Vorwurf fehlerhafter Verfahrensweise
erhoben wird und inwiefern gegen das Gesetz verstoßen worden
sein soll (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO
§ 344 Rdn. 24 m.N.). Die allgemeine Schilderung des gesamten
Verfahrensganges verbunden mit dem Hinweis, dieser begründe
einen - nicht näher ausgeführten - Verstoß
gegen eine Verfahrensnorm, genügt grundsätzlich
nicht. Die eingangs in der Revisionsbegründung
angekündigte Konkretisierung der "Stoßrichtung" der
Rügen (RB 4) ist insoweit nicht erfolgt.
Die Rüge vermag aber - selbst wenn man sie so deutet,
daß sie sich gegen die Annahme der Unerreichbarkeit im
Beschluß des Landgerichts vom 29. November 2000 richtet -
auch in der Sache nicht durchzugreifen. Die Auffassung der Strafkammer,
daß die im Beweisantrag des Angeklagten vom 11. September
2000 benannten Zeugen unerreichbar im Sinne des § 244 Abs. 3
Satz 3 StPO sind, läßt in Anbetracht der Tatsachen,
daß ein Rechtshilfeverkehr zwischen Deutschland und der
Bundesrepublik Jugoslawien zum damaligen Zeitpunkt für die
hier fraglichen Delikte unstreitig nicht bestand und die benannten
Zeugen auch zu einer Aussage vor einem Gericht in Deutschland nicht
bereit waren, keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Zudem
durfte das Landgericht in diesem Zusammenhang den
eingeschränkten Beweiswert einer kommissarischen Vernehmung
berücksichtigen (vgl. hierzu
Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 65).
c) Die erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs.
2 StPO) genügt schließlich nicht den
Zulässigkeitsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO, weil sie bereits nicht erkennen läßt, gegen
welche konkrete Handlungen oder Unterlassungen des Gerichts der Vorwurf
der fehlerhaften Verfahrensweise erhoben wird.
III.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der allgemein erhobenen
Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben.
B. Revision des Angeklagten S.
1. Der Senat hat in der Hauptverhandlung auf Antrag des
Generalbundesanwalts durch Beschluß das Verfahren
gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit
der Angeklagte S. wegen gefährlicher Körperverletzung
in Tateinheit mit Nötigung verurteilt worden ist. Dies
führt zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs
und zum Wegfall der wegen dieser Straftaten verhängten
Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe.
2. Die weiter gehende Revision erweist sich als unbegründet.
Die - gleichlautend zu den Rügen des Angeklagten T. -
erhobenen Verfahrensrügen haben aus den bereits oben unter A.
II. genannten Gründen keinen Erfolg. Zur - nicht
ausgeführten - Sachrüge hat die Nachprüfung
des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Angeklagte ist damit wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe
von zwei Jahren verurteilt. Insoweit verweist jedoch der Senat die
Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die
Strafaussetzung zur Bewährung der erkannten Freiheitsstrafe
(§ 56 Abs. 1, 2 StGB) an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurück, da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen
werden kann, daß das Landgericht bei Verhängung
einer aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt hätte.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanovic Ernemann
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