BGH,
Urt. v. 14.3.2007 - 2 StR 606/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 606/06
vom
14.3.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14.3.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revisionen der Angeklagten L. und H. gegen das Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2006 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten des schweren Raubes (§ 250
Abs. 1 Ziff. 1 b StGB) in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung für schuldig befunden. Es hat den
Angeklagten L. unter Einbeziehung von Freiheitsstrafen aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs
Jahren (Einzelstrafe für die hier abgeurteilte Tat:
fünf Jahre) und den Angeklagten H. - unter Anwendung des
Strafrahmens eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3
StGB - zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
verurteilt. Vier weitere Angeklagte hat es ebenfalls zu
mehrjährigen Freiheitsstrafen bzw. Jugendstrafen verurteilt.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts verabredeten die Angeklagten
mit vier weiteren Tätern, am 14. Juni 2002 in eine Lagerhalle
in Frankfurt am Main einzudringen, in der ein
Fotogerätehersteller gerade einen Sonderverkauf
durchführte, um Fotoapparate u. ä. zu entwenden. Da
das Gelände von einem Wachmann bewacht wurde, kam man
überein, diesen mittels eines Tu-
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ches, auf das zuvor Chloroform gegeben werden sollte, zu
betäuben. Die Angeklagten begaben sich in die Nähe
der Lagerhalle, wo der Angeklagte L. mit einem weiteren Täter
das Tatgeschehen aus der Ferne über Funk koordinierte,
während sich die übrigen mit dem Chloroform zu dem
Wachmann begaben, um ihn zu betäuben. Da dies misslang,
fesselten ihn die Täter mit einem mitgeführten
Klebeband an Händen und Füßen, knebelten
ihn und legten ihn mit dem Gesicht nach unten auf den Boden.
Anschließend entwendeten sie aus der Lagerhalle, in die sie
sich durch ein Fenster Zutritt verschafften, jedenfalls 190 Kisten, die
mit Kameras beladen waren. Der Wert der entwendeten Ware betrug
wenigstens 100.000,- €, der Erlös, den die
Angeklagten und die weiteren Täter durch den Verkauf
erzielten, wenigstens 30.000,- €.
Die Angeklagten L. und H. rügen mit ihrer Revision die
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Ihre Revisionen haben
keinen Erfolg.
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I.
Die Verfahrensrügen sind aus den zutreffenden Gründen
der Antragsschriften des Generalbundesanwalts jedenfalls
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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II.
Die Sachrügen bleiben im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg.
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1. Der Schuldspruch weist keine Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten auf.
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Der näheren Erörterung bedarf hier allein die
Verurteilung wegen einer tateinheitlich begangenen
gefährlichen Körperverletzung nach § 224
Abs. 1 Nr. 4 StGB. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass ein
Körperverlet-
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zungserfolg, also eine Gesundheitsbeschädigung oder eine nicht
bloß unerhebliche Beeinträchtigung des
körperlichen Wohlbefindens, im Urteil nicht
ausdrücklich festgestellt ist. Indes vermag der Senat einen
solchen noch mit hinreichender Deutlichkeit den zu dem Tatgeschehen
getroffenen Feststellungen zu entnehmen. Der Umstand, dass der Wachmann
von mehreren der Täter mittels eines Klebebandes gefesselt,
geknebelt, sodann mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gelegt und
in dieser Position von den Tätern zurückgelassen
wurde, stellt ersichtlich eine üble unangemessene Behandlung
dar, welche das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich
beeinträchtigt.
2. Der Strafausspruch bezüglich des Angeklagten L. weist
ebenfalls keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit
schließt sich der Senat den zutreffenden
Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an.
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3. Die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer hinsichtlich
des Angeklagten H. begegnen hingegen rechtlichen Bedenken. Sie weisen
Rechtsfehler sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten des Angeklagten auf.
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Zu Unrecht berücksichtigt die Strafkammer die beiden
Verurteilungen des Angeklagten zu Geldstrafen vom 17. Juni 2003 und vom
18. Juni 2003, aus denen nachträglich im Jahre 2004 eine
Gesamtgeldstrafe gebildet wurde, strafschärfend als
Vorstrafen, obwohl diese Verurteilungen zeitlich nach der hier
abgeurteilten Tat erfolgten. Zwar konnten sie für die hier
abgeurteilte Tat zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch keine Warnfunktion
entfalten. Jedoch ist der Umstand, dass der Angeklagte auch noch
später weitere Straftaten begangen hatte, ein
berücksichtigungsfähiger
Strafschärfungsgrund.
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Ob und in welcher Form die Geldstrafe möglicherweise zum
Zeitpunkt des Urteils in dieser Sache bereits vollstreckt war, teilt
die Strafkammer eben-
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falls nicht mit, so dass für das Revisionsgericht nicht
überprüfbar ist, ob ein Härteausgleich zu
Recht unterblieben ist.
Andererseits ist die von der Strafkammer zur Begründung eines
minderschweren Falles allein herangezogene Tatsache, dass der
Angeklagte H. bei der Tatbegehung gerade erst (d. h. vor drei Monaten)
das 21. Lebensjahr vollendet hatte, für sich genommen nicht
geeignet, einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3
StGB zu begründen.
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Die Strafkammer hat zudem zu Unrecht die erlittene Untersuchungshaft
strafmildernd berücksichtigt. Diesem Umstand kommt nur in
Ausnahmefällen, für deren Vorliegen hier keine
Anhaltspunkte ersichtlich sind, strafmildernde Bedeutung zu (vgl. dazu
Senat NStZ 2006, 620).
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Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es trotz der Rechtsfehler
gleichwohl nicht, weil die verhängte Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und neun Monaten im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO
jedenfalls angemessen ist.
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Rissing-van Saan Bode Otten
Fischer Roggenbuck |