BGH,
Urt. v. 14.3.2007 - 5 StR 461/06
5 StR 461/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 14.3.2007
in der Strafsache
gegen
1. ,
2.
3.
4.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14.3.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Richterin
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger des Angeklagten Y. C. ,
Rechtsanwalt A.
als Verteidiger des Angeklagten C. C. ,
Rechtsanwalt B.
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt Se.
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. Mai 2006 werden verworfen.
Jedoch werden die Schuldsprüche teilweise geändert
und wie folgt neu gefasst:
a) Der Angeklagte Y. C. ist schuldig der Steuerhinterziehung in vier
Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen
Schmuggels in zehn Fällen.
b) Der Angeklagte C. C. ist schuldig der Steuerhinterziehung in drei
Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen
Schmuggels in zehn Fällen.
c) Der Angeklagte S. ist schuldig des gewerbs- und
bandenmäßigen Schmuggels in sechs Fällen.
d) Der Angeklagte G. ist schuldig der Beihilfe zum
bandenmäßigen Schmuggel.
2. Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtmittels zu tragen. Die
Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der
Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel
entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten Y. C. wegen gemeinschaftlichen
gewerbsmäßigen Schmuggels in drei Fällen,
gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen
Schmuggels in neun Fällen sowie versuchten gemeinschaftlichen
banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und
zehn Monaten verurteilt, den Angeklagten C. C. wegen gemeinschaftlichen
gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen,
gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen
Schmuggels in neun Fällen sowie versuchten gemeinschaftlichen
banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Gegen
den Angeklagten S. hat es wegen gemeinschaftlichen banden- und
gewerbsmäßigen Schmuggels in vier Fällen
sowie versuchten gemeinschaftlichen banden- und
gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen
eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten
verhängt, gegen den Angeklagten G. wegen Beihilfe zum
gemeinschaftlichen bandenmäßigen Schmuggel in neun
tateinheitlichen Fällen, hiervon zum versuchten
gemeinschaftlichen bandenmäßigen Schmuggel in zwei
tateinheitlichen Fällen, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.
1
Gegen das Urteil wenden sich, jeweils mit dem Rechtsmittel der
Revision, sowohl die Angeklagten als auch zu deren Ungunsten die
Staatsanwaltschaft. Alle Angeklagten rügen die Verletzung
materiellen Rechts. Von den Angeklagten Y. C. und C. C. wird zudem das
Verfahren beanstandet. Die Staatsanwaltschaft hat die von ihr
ausschließlich erhobene Sachrüge auf einzelne
Beschwerdepunkte beschränkt. Infolge der Herausnahme der
gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung
(§ 370a AO) aus den von der Verfolgung erfassten
Gesetzesverletzungen (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen
die Vorschrift des § 370a AO BGH wistra 2005, 30, 31 f.; NJW
2004, 2990, 2991 f.) durch Beschluss gemäß
§ 154a Abs. 2 StPO erstrecken sich die Revisionen der
Staatsanwalt-
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schaft - außer hinsichtlich des Angeklagten G. - nur noch auf
die Strafaussprüche.
Sämtliche Rechtsmittel bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Lediglich die Schuldsprüche sind, wie aus dem Tenor
ersichtlich, teilweise abzuändern und neu zu fassen.
3
I. Urteil des Landgerichts
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
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5
Der Angeklagte Y. C. beschloss im Jahr 2003 nach Absprache mit
unbekannt gebliebenen Hinterleuten, wiederholt unter Tarnladungen
versteckte unverzollte und unversteuerte Zigaretten über
Deutschland nach Großbritannien zu transportieren. Der
Einkauf der Zigaretten und deren Verkauf in England wurden von den
Hinterleuten organisiert. Diese übernahmen auch die Einfuhr
der aus der Türkei stammenden Zigaretten auf dem Landweg in
das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft und gestellten
die Zigaretten plangemäß nicht. Insgesamt wurden bis
März 2004 in vier Fällen (Fälle 1 bis 4 der
Urteilsgründe) Ladungen von 256.000, 437.400, 600.000 und 2,4
Mio. unverzollter Zigaretten in die Europäische Gemeinschaft
eingeführt.
Nachdem der Angeklagte Y. C. von dem Eintreffen der jeweiligen
Lieferung informiert worden war, ließ er die
Zigarettenladungen in Belgien (Fall 1) bzw. Österreich (Fall
2) übernehmen und mit Lkw in ein Lager in Kranzberg (Bayern)
befördern. Dort ließ er die Zigaretten umverpacken
und auf anderen Lkw - unter Nudeln oder anderen Lebensmitteln als
Tarnware versteckt - nach England bringen. In den Fällen 3 und
4 der Urteilsgründe wurden die Zigaretten von den Hinterleuten
in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland gebracht und dort
von dem Angeklagten Y.
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- 6 -
C. übernommen. Weder beim Grenzübertritt nach
Deutschland noch zu einem späteren Zeitpunkt wurden
für die Zigaretten, die nicht mit einem deutschen
Tabaksteuerzeichen (Banderole) versehen waren,
Steuererklärungen abgegeben. Hierdurch wurde deutsche
Tabaksteuer in Höhe von insgesamt rund 400.000 Euro
hinterzogen.
Ab Fall 2 der Urteilsgründe wurde Y. C. von seinem Bruder, dem
Angeklagten C. C. , unterstützt, der die Zigarettentransporte
zum Teil selbst begleitete, die Zollformalitäten hinsichtlich
der Tarnware erledigte und am Umpacken der Ware beteiligt war.
Spätestens unmittelbar vor dem Ende März 2004
durchgeführten vierten Zigarettentransport schloss sich der
anderweitig verfolgte G. Se. mit den Angeklagten Y. und C. C. mit dem
Ziel zusammen, in der Zukunft gemeinsam arbeitsteilig
Zigarettenschmuggel in der beschriebenen Weise zu betreiben. Y. C.
übernahm die Stellung des „Chefs“, dessen
Anweisungen die anderen Folge zu leisten hatten. Er hielt die Kontakte
zu den Lieferanten und den Abnehmern der Zigaretten und handelte die
Konditionen zur Durchführung der Transporte, insbesondere die
Bezahlung, aus. Später stießen zu unterschiedlichen
Zeitpunkten die anderweitig Verfolgten D. A. und O. Se. sowie die
Angeklagten G. (zwischen Ostern und Juni 2004) und S. (Oktober 2004) zu
der Gruppe hinzu und wirkten entsprechend ihrer beim Beitritt
getroffenen Absprache, zukünftig gemeinsam Zigaretten zu
schmuggeln, an den Transporten mit. C. C. übernahm die
konkrete Organisation der Transporte von Deutschland nach England,
beispielsweise die Beauftragung von Speditionsunternehmen. Auch er war
gegenüber G. und O. Se. weisungsbefugt, die das Abladen,
Lagern, Umpacken und Aufladen der Ware übernahmen. Y. und C.
C. entschieden gemeinsam, wieviel Geld jedes Bandenmitglied erhielt.
Bis auf den Angeklagten G. handelten alle Beteiligten in der Absicht,
sich selbst aus den Taten auf Dauer eine nicht unerhebliche
Einnahmequelle zu verschaffen.
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- 7 -
Mitte des Jahres 2004 vereinbarte der Angeklagte Y. C. mit den
Hinterleuten, künftig die Lieferungen nicht mehr über
den Landweg aus der Türkei durchzuführen, sondern die
Zigaretten in Seecontainern aus Asien per Schiff über die
Freihäfen Hamburg und Bremerhaven in die Bundesrepublik
Deutschland einzuschmuggeln. Gemäß dem Tatplan
wurden im Zeitraum von Juli 2004 bis März 2005 acht aus China
und Malaysia stammende Lieferungen von jeweils 3,8 Mio. (Fälle
5 bis 7 und 9 bis 12 der Urteilsgründe), einmal von 7,6 Mio.
Zigaretten (Fall 8 der Urteilsgründe) - versteckt unter
Tarnware - über den Freihafen Hamburg abgewickelt. Mit der
Zollanmeldung wurden jeweils gutgläubige Spediteure
beauftragt, die - getäuscht über den wahren Inhalt
der Container - gegenüber den Zollbehörden nur die
Tarnware (Schnellkochnudeln, Pilze bzw. Kabelschächte)
gestellten und anmeldeten. Die Zigaretten wurden anschließend
in den Lagern der Gruppierung umgepackt und unter Tarnwaren mittels Lkw
nach England weitertransportiert. Insgesamt wurden Einfuhrabgaben
(Zoll, deutsche Tabaksteuer und deutsche Einfuhrumsatzsteuer) in
Höhe von 4,67 Mio. Euro verkürzt.
8
9
Nach am 5. Oktober 2004 bei den Angeklagten Y. und C. C.
durchgeführten Durchsuchungen vereinbarten die
Gruppenmitglieder, dass diese beiden Angeklagten bei der Abwicklung der
Transporte nach au-ßen nicht mehr in Erscheinung treten
sollten. Deshalb weihte der Angeklagte C. C. noch im Oktober 2004 den
Angeklagten S. in den gesamten Organisationsablauf ein und bat ihn,
künftig seine Stellung innerhalb der Gruppierung, insbesondere
die Organisation der Zollabfertigung, der Transporte von Hamburg in ein
Lager in Freising sowie der Weitertransporte nach England zu
übernehmen. Der Angeklagte S. , der für jeden
transportierten Container 10.000 Euro erhalten sollte,
erklärte sich aufgrund seiner schwierigen finanziellen Lage
dazu bereit. Tatsächlich wurden ihm insgesamt lediglich 8.000
Euro ausgezahlt. Die von Deutschland aus agierende Gruppierung bestand
nun aus Y. und C. C. , S. , G. , O. und G. Se. sowie D. A. .
- 8 -
Im Mai 2005 führte die Gruppierung in derselben Weise noch
zwei weitere, aus Malaysia stammende Zigarettentransporte
(Fälle 13 und 14 der Urteilsgründe) durch, bei denen
unter Nudeln bzw. Kabelschächten als Tarnwaren in
Schiffscontainern versteckte Zigaretten auf dem Seeweg über
den Freihafen Bremerhaven in die Europäische Gemeinschaft
eingeschmuggelt wurden. Die Zollanmeldungen enthielten keine Angaben zu
den eingeführten Zigaretten. Infolgedessen wurden bei der
Zollabfertigung lediglich die Einfuhrabgaben für die Tarnwaren
festgesetzt. Aufgrund einer jeweils nach Erledigung der
Zollformalitäten vom Hauptzollamt Bremen angeordneten
Zollbeschau wurden die Zigaretten jedoch in beiden Fällen noch
entdeckt und beschlagnahmt, bevor sie von den Angeklagten
abtransportiert werden konnten.
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Der Angeklagte G. , der im Unterschied zu den anderen Angeklagten nicht
an den Verkaufserlösen beteiligt werden sollte,
unterstützte die Tätigkeit der Gruppe ab Juli 2004
mit verschiedenen Tatbeiträgen. So sagte er den Angeklagten Y.
und C. C. zu, ihnen beim Absatz der als Tarnware verwendeten Pilze und
Nudeln zu helfen. Im August 2004 reiste G. mit Y. C. nach China, um
dort Kontakt mit den Lieferanten der Zigaretten und der Tarnwaren
aufzunehmen. Danach übersetzte er mehrere gemeinsam mit dem
Angeklagten Y. C. an dessen Computer verfasste E-Mails, die
Zigarettentransporte betrafen, in die englische Sprache und stellte
seine Mobiltelefonnummer für Rückfragen zur
Verfügung. Im November 2004 holte der Angeklagte G.
über 20.000 englische Pfund von einem Abnehmer der Zigaretten
in England ab und übergab das Geld in Deutschland nach Abzug
der ihm für die Chinareise entstandenen Auslagen dem
Angeklagten Y. C. . Im Februar und März 2005 versuchte er bei
Problemen mit dem Absatz der Zigaretten mehrfach telefonisch, mit
Abnehmern in London in Kontakt zu treten, da weder Y. noch C. C.
englische Sprachkenntnisse hatten. Anschließend wirkte er in
London an der Erkundung und Anmietung einer geeigneten Lagerhalle mit,
die das Aufgriffsrisiko bei den Transporten verringern sollte. In
diesem Zu-
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sammenhang übergab der Angeklagte G. dem anderweitig
verfolgten D. A. 3.500 britische Pfund sowie Unterlagen für
die Anmietung des Lagers und reichte weitere 16.500 Pfund an den
Angeklagten C. C. weiter, die er in London im Zusammenhang mit diesen
Geschäften in einer Plastiktüte erhalten hatte. Er
nahm hierbei billigend in Kauf, dass diese Beträge aus dem
Verkauf von geschmuggelten Zigaretten stammten.
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung vom festgestellten
Sachverhalt im Wesentlichen auf weitgehende Teilgeständnisse
der Angeklagten Y. und C. C. sowie S. und auf die Angaben von als
Zeugen vernommenen weiteren Tatbeteiligten gestützt. Vom
Vorsatz des Angeklagten G. , der den objektiven Sachverhalt
eingeräumt hatte, hat sich das Landgericht aufgrund einer
Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände
einschließlich der vom Angeklagten G. verfassten E-Mails und
des Inhalts der von ihm geführten Telefonate
überzeugt.
12
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3. Das Landgericht hat die Angeklagten Y. und C. C. sowie S.
für jeden Zigarettentransport, an dem sie beteiligt waren,
wegen einer selbständigen Tat (§ 53 StGB) des
gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1
AO), ab Fall 4 der Urteilsgründe des gewerbs- und
bandenmä-ßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1,
Abs. 2 Nr. 3 AO) verurteilt. In den Fällen, in denen die
Zigaretten über einen anderen Mitgliedstaat der
Europäischen Gemeinschaften nach Deutschland verbracht wurden
(Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe), hat die
Strafkammer als Steuerschaden lediglich die deutsche Tabaksteuer
berücksichtigt. Soweit die eingeführten Zigaretten
nach Durchführung einer vom Hauptzollamt Bremen angeordneten
Gesamtbeschau beschlagnahmt wurden (Fälle 13 und 14 der
Urteilsgründe), hat das Landgericht - ungeachtet der
unrichtigen Festsetzung der Einfuhrabgaben vor der Beschlagnahme -
lediglich eine versuchte Tatbegehung angenommen.
Die einzelnen Tatbeiträge des Angeklagten G. konnte die
Strafkammer bestimmten Haupttaten nicht zuzuordnen; sie hat ihn deshalb
14
- 10 -
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Schmuggel in neun
tateinheitlichen Fällen - davon zwei nur versuchte Taten -,
verurteilt.
II. Revision des Angeklagten Y. C.
Die Revision des Angeklagten Y. C. führt lediglich zu der aus
dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung in den
Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe.
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1. Mit den erhobenen Verfahrensrügen zeigt der
Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler auf. Ergänzend
zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in
seiner Antragsschrift bemerkt der Senat:
16
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a) Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht Erkenntnisse aus
rechtswidrig angeordneten Telekommunikationsüberwachungen als
Beweismittel verwertet, hat keinen Erfolg.
aa) Der Angeklagte Y. C. macht geltend, das Landgericht habe gegen
seinen ausdrücklichen Widerspruch die Erkenntnisse aus
Telefonüberwachungsmaßnahmen im Urteil verwertet,
obwohl bei deren Anordnung der Verdacht einer Katalogtat des §
100a StPO nicht vorgelegen habe, insbesondere nicht der vom
Ermittlungsrichter angenommene Tatverdacht der Bildung einer
kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB).
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bb) Die Verfahrensbeanstandung entspricht nicht den Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits
unzulässig.
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Zur Begründung einer Verfahrensrüge ist der
Beschwerdeführer verpflichtet, „die den Mangel
enthaltenden Tatsachen“ anzugeben. Diese Angaben haben mit
Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass
das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungs-
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- 11 -
schrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge,
wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW
2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier, denn der
Beschwerdeführer hat den Inhalt des Zwischenberichts des
Zollfahndungsamts München vom 22. Juli 2004 nicht mitgeteilt.
Diese Mitteilung wäre schon deswegen erforderlich gewesen,
weil die regelmäßig schwierige Abgrenzung zwischen
einer (bloß) bandenmäßigen Begehung
(§ 373 Abs. 2 Nr. 3 AO) und dem Tätigwerden einer
kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) nur anhand der
Besonderheiten des Einzelfalls getroffen werden kann (vgl. dazu BGH
wistra 2006, 462). Angesichts des Umfangs und der Vielzahl sowie der
professionellen Durchführung der
verfahrensgegenständlichen Schmuggeltransporte hätte
es insbesondere auch der Mitteilung der in diesem Fahndungsbericht
enthaltenen Erkenntnisse zwingend bedurft. Ohne sie kann der Senat
nicht prüfen, ob der Tatrichter bei der Wertung, bei Anordnung
der Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung habe
der Verdacht des Tätigwerdens einer kriminellen Vereinigung
bestanden, den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum verlassen hat; nur
dann käme ein Beweisverwertungsverbot in Betracht (vgl. BGHSt
41, 30, 32 ff.; 47, 362, 365 ff.). Da die der
Telefonüberwachung zugrunde liegenden Beschlüsse des
Amtsgerichts Landshut im vorliegenden Verfahren erlassen wurden und
ihre Grundlagen daher aktenkundig sind, war der
Beschwerdeführer von der Verpflichtung zu entsprechendem
Sachvortrag nicht entbunden (vgl. BGH NStZ 2007, 117).
cc) In der Sache könnte die Verfahrensrüge ebenfalls
keinen Erfolg haben. Es kann dahinstehen, ob - was bereits nach dem
Sachvortrag der Revision und den Beschlussbegründungen des
Amtsgerichts Landshut eher fern liegt - der Ermittlungsstand die
Überwachungsanordnungen nicht gerechtfertigt hat. Jedenfalls
könnte das Urteil hier nicht auf einem etwaigen
Verstoß gegen die Vorschrift des § 100a StPO beruhen.
21
- 12 -
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der
Täterschaft der Angeklagten Y. und C. C. und den von diesen
begangenen Taten - anders als hinsichtlich der Tatbeteiligung des
Angeklagten G. (UA S. 81 ff.), der das Verfahren nicht beanstandet -
nicht auf die Erkenntnisse aus
Telefonüberwachungsmaßnahmen gestützt (UA
S. 60 ff.). Vielmehr hat es seiner Überzeugungsbildung in
erster Linie die weitgehenden, hinsichtlich einiger Taten sogar
vollumfänglichen, erst in der Hauptverhandlung abgegebenen
Geständnisse der Angeklagten Y. und C. C. sowie die
übereinstimmenden Geständnisse des Angeklagten S. und
weiterer Tatbeteiligter zugrundegelegt. Soweit die Einlassungen der
Angeklagten Y. und C. C. in einzelnen Punkten von den Feststellungen
abweichen, hat das Landgericht diese Angaben mit rechtsfehlerfrei als
glaubhaft eingestuften Aussagen der übrigen Angeklagten und
von Zeugen sowie mit den Erkenntnissen aus den in den Fällen
13 und 14 der Urteilsgründe sichergestellten Zigarettenmengen,
nicht aber unter Verwertung der Protokolle über die
Telefonüberwachung, widerlegt. Den in die Hauptverhandlung
eingeführten Tonbandaufzeichnungen kam somit - selbst im Fall
9 der Urteilsgründe (UA S. 72) - für die
Überführung der Angeklagten Y. und C. C. keine
Bedeutung zu.
22
b) Die Rüge des Beschwerdeführers, das Landgericht
habe in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe gegen
die sich aus § 265 Abs. 1 StPO ergebende Hinweispflicht
verstoßen, dringt ebenfalls nicht durch. Der
Generalbundesanwalt hat im Ergebnis zutreffend ausgeführt,
dass sich der Angeklagte Y. C. in diesen Fällen - in
Übereinstimmung mit der Anklage - der Steuerhinterziehung
durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2
AO schuldig gemacht hat; damit liegt eine Veränderung des
rechtlichen Gesichtspunkts nicht vor. Allerdings ergibt sich diese
rechtliche Würdigung für die insoweit allein noch
verfahrensgegenständliche Verkürzung deutscher
Tabaksteuer bereits aus der gebotenen Anwendung des § 19
TabStG.
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- 13 -
2. Auf die Sachrüge des Angeklagten Y. C. ändert der
Senat den diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch in den
Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe auf
Steuerhinterziehung ab; die Liste der angewendeten Vorschriften
(§ 260 Abs. 5 StPO) ist um § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu
ergänzen (vgl. BGH NJW 1986, 1116, 1117;
Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 260 Rdn. 62).
24
a) Die Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen
Schmuggels (§ 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AO) für die im
Zeitraum von 2003 bis März 2004 begangenen Taten
(Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe) hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gleichwohl führt
dieser Rechtsfehler nur zu einer Schuldspruchänderung; er
lässt die verhängten Einzelstrafen unberührt.
25
26
aa) Verfahrensgegenstand ist in diesen Fällen
ausschließlich der Tatvorwurf der Verkürzung der
beim Verbringen der Zigaretten nach Deutschland entstandenen deutschen
Tabaksteuer, weil die Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung die
Strafverfolgung hierauf beschränkt hat (Anklageschrift
Abschnitt V.2.k). Der Umstand, dass sie die Beschränkung
gemäß § 154 Abs. 1 StPO und nicht
gemäß § 154a StPO vorgenommen hat, steht
deren Wirksamkeit nicht entgegen.
bb) Die in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe
festgestellte Hinterziehung deutscher Tabaksteuer stellt keinen
Schmuggel (§ 373 AO) dar. § 373 AO erfasst diese
Verbrauchsteuer als Einfuhrabgabe nur dann, wenn die Zigaretten
unmittelbar aus einem Nicht-Mitgliedstaat der Europäischen
Gemeinschaften in die Bundesrepublik Deutschland verbracht werden (vgl.
BGH, Beschl. v. 1. Februar 2007 - 5 StR 372/06, zur
Veröffentlichung bestimmt). Dies ist bei den Transporten aus
der Türkei über den Landweg nach Deutschland nicht
der Fall.
27
cc) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen
indes, dass sich der Angeklagte Y. C. hinsichtlich der bei dem
Verbringen der Zigaretten nach Deutschland entstandenen Tabaksteuer der
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- 14 -
Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. §
19 TabStG) schuldig gemacht hat.
(1) Gemäß § 19 TabStG entsteht die deutsche
Tabaksteuer, wenn Tabakwaren unzulässigerweise entgegen
§ 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer
Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet der
Bundesrepublik Deutschland verbracht werden.
29
Die in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe
vorschriftswidrig (vgl. Art. 40 ZK) in einen anderen Mitgliedstaat der
Europäischen Gemeinschaften eingeführten Zigaretten
befanden sich dort im steuerrechtlich freien Verkehr. Das
Überführen dieser auf dem Schwarzmarkt zu
veräußernden Zigaretten nach Deutschland ohne
Inanspruchnahme des innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahrens
(§ 16 Abs. 1 Satz 1 TabStG) ist ein gewerbliches
unversteuertes Verbringen. Für die Zigaretten war deshalb
unverzüglich nach dem Verbringen in das Steuergebiet der
Bundesrepublik Deutschland eine Steuererklärung abzugeben
(§ 19 Satz 3 TabStG). Mit der Missachtung dieser Pflicht wurde
die deutsche Tabaksteuer gemäß § 370 Abs. 1
Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 AO verkürzt (vgl. zum Ganzen BGH aaO
m.w.N.).
30
(2) Der Angeklagte Y. C. war als Verbringer (Fälle 1 und 2)
bzw. als Empfänger der Zigaretten (Fälle 3 und 4)
Schuldner der entstandenen Tabaksteuer und damit
Erklärungspflichtiger.
31
Steuerschuldner ist gemäß § 19 Satz 2
TabStG derjenige, der verbringt oder versendet, und der
Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Bei
der Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale ist die Richtlinie Nr. 92/12
(EWG) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine
System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle
verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG Nr. L 76/1 -
„Systemrichtlinie“) zu beachten, denn das deutsche
Tabaksteuergesetz beruht auf dieser Richtlinie. Nach Art. 7 Abs. 3 der
Richtlinie wird die Verbrauchsteuer je nach Fallgestaltung u. a. von der
32
- 15 -
Person geschuldet, die eine Lieferung vornimmt oder die die zur
Lieferung bestimmten Waren besitzt (vgl. ferner Art. 9 Abs. 1 der
Systemrichtlinie). Steuerschuldner ist damit beim Verbringen einer
verbrauchsteuerpflichtigen Ware in das inländische
Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken jedenfalls derjenige, der beim
Verbringen der Ware oder als Empfänger einer Lieferung
Herrschaft über die Ware hat.
Diese Auslegung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom 4.
März 2004 in den Rechtssachen C-238/02 [V. ] und C-246/02 [J.
] zum Begriff des „Verbringens“ in Art. 40, 38
i.V.m. Art. 202 ZK. Art. 202 Abs. 3 ZK knüpft für die
Bestimmung des Zollschuldners alternativ an die Beteiligung am
Verbringen und an den Besitz an der in das Zollgebiet verbrachten Ware
an. Als Verbringer sieht der Gerichtshof bei einer Einfuhr mit einem
Kraftfahrzeug denjenigen an, der bei der Einfuhr die Herrschaft
über das Transportfahrzeug hat (EuGH wistra 2004, 376, 378;
vgl. hierzu BGH aaO). Wegen der Ähnlichkeit der Sachverhalte
und der inneren Verzahnung der Regelungssysteme des Zollrechts und des
Verbrauchsteuerrechts im europäischen Gemeinschaftsrecht (vgl.
§ 21 TabStG; Art. 5 Systemrichtlinie), die gemeinsam der
Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts dienen (vgl. Art.
14 EGV), liegt es nahe, in dem durch die System-, Struktur- und
Steuersatzrichtlinien weitgehend harmonisierten Verbrauchsteuerrecht
dieselben Maßstäbe anzulegen (vgl. BGHSt 48, 52, 63).
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Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte Y. C. ein ausreichendes
Maß an Sachherrschaft an den Tabakwaren bei ihrem Verbringen
nach Deutschland hatte (Fälle 1 und 2 der
Urteilsgründe) und im Übrigen als Empfänger
den Besitz über die Zigaretten ausübte
(Fälle 3 und 4 der Urteilsgründe).
34
dd) Der Senat schließt aus, dass sich der weitgehend
geständige Angeklagte Y. C. bei einem Hinweis auf die
Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265
Abs. 1 StPO) - Steuerhinterziehung gemäß
35
- 16 -
§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Grundtatbestand) statt Schmuggel
gemäß § 373 AO (unselbständige
Qualifikation) - anders als geschehen hätte verteidigen
können.
ee) Ob sich der Angeklagte Y. C. bei Verbringen der Zigaretten
über den Landweg in die Europäische Gemeinschaft auch
wegen Hinterziehung der in dem Mitgliedstaat der Einfuhr entstandenen
Einfuhrabgaben (Zollschuld, nationale Tabak- und Einfuhrumsatzsteuern)
strafbar gemacht hat (vgl. § 370 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1, Abs. 7
AO i.V.m. Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2, Art. 40, 38 ZK), hat im
Hinblick auf die vorgenommene Verfahrensbeschränkung
dahinzustehen.
36
37
Solches liegt hier freilich nahe, denn für eine Tatbeteiligung
als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens
die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich
auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung
beschränken kann (BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609).
Hierfür genügt auch ein Tatbeitrag, der erst im
Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung erbracht wird (BGH NStZ
1999, 609; vgl. auch BGHSt 48, 52, 56). Hier hat das Landgericht
festgestellt, dass die Hinterleute sowohl den Einkauf der Zigaretten
als auch deren Verkauf in England organisiert haben. Dies deutet darauf
hin, dass die von den Angeklagten Y. und C. C. geführte
deutsche Gruppierung Teil einer international agierenden
Schmuggelorganisation war und der Angeklagte Y. C. aufgrund seiner
Beteiligung gemäß dem Tatplan auch in diesen
Fällen als Mittäter die in dem anderen Mitgliedstaat
entstandenen Einfuhrabgaben hinterzogen hat.
Eine solche Tat kann, wenn sie beim Verbringen der Zigaretten in das
Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland noch nicht beendet war, mit
der Hinterziehung der deutschen Tabaksteuer tateinheitlich
zusammentreffen. Denn die „Schmuggeltat“ ist erst
dann beendet, wenn das geschmuggelte Gut in Sicherheit gebracht und
„zur Ruhe gekommen“ ist (BGH
38
- 17 -
wistra 2000, 425; BGHSt 3, 40, 44). Wann dies der Fall ist,
hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Maßgeblich für die Beendigung des Schmuggels ist, ob
die Schmuggelware die gefährliche Phase des
Grenzübertritts passiert und der Schmuggler sein Unternehmen
insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat (BGHSt 3, 40, 44 f.). In der
Regel wird der Schmuggel erst dann beendet sein, wenn das Schmuggelgut
seinen Bestimmungsort erreicht hat (vgl. zu den Einzelheiten BGH,
Beschl. v. 1. Februar 2007 - 5 StR 372/06 und BGH wistra 2000, 425).
ff) Trotz des geänderten Schuldspruchs und bei der Anwendung
des § 370 Abs. 1 AO gegenüber § 373 AO nach
unten erweiterten Strafrahmens haben die vom Landgericht insoweit
verhängten Einzelstrafen Bestand. Da diese Änderung
den Umfang der verkürzten Steuern und auch die
übrigen Strafzumessungserwägungen unberührt
lässt, schließt der Senat aus, dass sich die
fehlerhafte rechtliche Einordnung des Tatgeschehens durch das
Landgericht auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.
39
40
b) Die Überprüfung des Urteils im Übrigen
hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten Y. C. ergeben.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des
Generalbundesanwalts, auf die insbesondere hinsichtlich der Angriffe
des Beschwerdeführers gegen die Beweiswürdigung und
die Strafzumessung des Tatgerichts Bezug genommen wird, bemerkt der
Senat:
aa) Das Landgericht hat die Fälle 5 bis 14 der
Urteilsgründe, in denen die aus Asien stammenden Zigaretten
per Schiff nach Deutschland transportiert und über die
Freihäfen Hamburg und Bremerhaven eingeführt wurden,
rechtsfehlerfrei als gewerbs- und bandenmäßigen
Schmuggel (§ 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 370
Abs. 1 Nr. 1 AO) gewertet. Der Angeklagte Y. C. hat als mittelbarer
Täter bewirkt, dass durch die mit der Erledigung der
Zollformalitäten beauftragten gutgläubigen Spediteure
unvollständige Zollanmeldungen abgegeben und infolgedessen
für die eingeführten Zigaret-
41
- 18 -
ten keine Einfuhrabgaben festgesetzt wurden (§§ 373,
370 Abs. 4 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 zweite Variante StGB).
Soweit das Landgericht in den Fällen 13 und 14 der
Urteilsgründe lediglich eine Strafbarkeit wegen versuchten
Schmuggels angenommen hat, beschwert dies den Angeklagten nicht.
Die Zollschuld entstand in diesen zehn Fällen aufgrund des
vorschriftswidrigen Verbringens der Zigaretten in das Zollgebiet der
Europäischen Gemeinschaft gemäß Art. 202
Abs. 1 Buchstabe a, Art. 40, Art. 4 Nr. 19 ZK; dasselbe gilt angesichts
der Verweisungsnormen § 21 Abs. 2 UStG und § 21 Satz
1 TabStG für die Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer. Nach
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften bewirkt auch eine im Zusammenhang mit der Gestellung
abgegebene unrichtige oder unvollständige Zollanmeldung, dass
die nicht angemeldeten Schmuggelwaren von der Gestellung nicht erfasst
und damit vorschriftswidrig verbracht sind (EuGH ZfZ 2005, 192, 194,
Ziffer 31). Infolge der unvollständigen Gestellung und
Zollanmeldung wurden die Einfuhrabgaben auf die Zigaretten, die bei
steuerehrlichem Verhalten zu einem Zollverfahren (Art. 4 Nr. 16 ZK)
hätten angemeldet werden müssen, nicht festgesetzt
(Art. 217 ff., 221 ZK) und damit verkürzt (§ 370 Abs.
4 Satz 1 AO).
42
bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt
auch die Berechnungsdarstellung der hinterzogenen Einfuhrabgaben keinen
Rechtsfehler erkennen. Sie genügt den vom Senat aufgestellten
Grundsätzen (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1
Berechnungsdarstellung 10; Jäger StraFo 2006, 477, 479 ff.
m.N.). Insbesondere enthalten die Urteilsgründe neben der
Angabe der angewandten Vorschriften des Zoll- und Steuerrechts die
erforderlichen Angaben zu der - zum Teil durch Schätzung -
ermittelten Anzahl der eingeführten Zigaretten sowie zum
Zollwert und zum Kleinverkaufspreis.
43
cc) Ohne Erfolg rügt der Beschwerdeführer, in den
Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe (Schmuggel von
Zigaretten über den Freihafen Bremerhaven) habe keine
tatbestandsmäßige Handlung vorgelegen. Das
Landgericht
44
- 19 -
ist zutreffend von mittelbarer Täterschaft durch den
Angeklagten ausgegangen. Indem er vorsatzlos handelnde Spediteure bei
den Zollbehörden unvollständige Zollanmeldungen
einreichen ließ, überschritt er die Schwelle zum
Versuch des Schmuggels (vgl. BGHR AO § 373 Versuch 1).
Vielmehr rechtfertigen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen
sogar auch in diesen Fällen die Verurteilung wegen vollendeten
gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels. Denn das
Festsetzungsverfahren war nach den insoweit nicht beanstandeten
Urteilsfeststellungen bereits abgeschlossen. Infolge der
unvollständigen Zollanmeldungen waren die Einfuhrabgaben nur
auf die Tarnware, aber nicht auf die Zigaretten festgesetzt und damit
verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AO,
§ 25 Abs. 1 zweite Variante StGB i.V.m. Art. 217 ff., 221 ZK).
Erst nach der Festsetzung wurden bei Durchführung einer
Gesamtbeschau der angemeldeten Waren (vgl. Art. 68 f. ZK) die
Zigaretten entdeckt und beschlagnahmt. Der Senat ändert daher
den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht das in § 358 Abs.
2 StPO enthaltene Verbot der Schlechterstellung nicht entgegen (vgl.
Meyer-Goßner aaO § 331 Rdn. 8 m.w.N.).
45
c) Zur Vereinfachung der Urteilsformel lässt der Senat die
entbehrliche Kennzeichnung der Taten als „gemeinschaftlich
begangen“ entfallen (vgl. BGHSt 27, 287, 289; BGH, Beschl. v.
13. Dezember 2006 - 5 StR 315/06).
46
III. Revision des Angeklagten C. C.
Die mit dem Rechtsmittel des Angeklagten Y. C. inhaltlich weitestgehend
übereinstimmende Revision des Angeklagten C. C. führt
ebenfalls lediglich zur Schuldspruchänderung in den
Fällen 2 bis 4 der Urteilsgründe. Die
Ausführungen zu oben II. gelten entsprechend.
47
- 20 -
IV. Revisionen der Angeklagten S. und G.
48
Die mit näher ausgeführten Sachrügen
begründeten Revisionen der Angeklagten S. und G. haben keinen
Erfolg. Sie sind aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349
Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
49
Angesichts des Aufgabengebietes des Angeklagten S. bei der Organisation
der Schmuggeltransporte und dessen Beteiligung an den
Verkaufserlösen bedurfte es im Rahmen der Strafzumessung
keiner ausdrücklichen Erörterung der Haftung
für verkürzte Steuern nach § 71 AO als
steuerrechtlicher Folge jeder Steuerstraftat (vgl. BGHSt 48, 52, 76).
Eine sich aus der Haftung ergebende besondere Härte oder etwa
Bemühungen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung hat das
Landgericht nicht festgestellt. Auch etwaige den Angeklagten S.
treffende ausländerrechtliche Folgen waren keine
Umstände, die das Tatgericht bei der Strafzumessung zwingend
hätte erörtern müssen (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Ausländer 6 und BGH NStZ-RR 2004, 11).
50
V. Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Revisionen betreffend die Angeklagten Y. und C. C. sowie S.
51
Die zu Ungunsten der Angeklagten mit Sachrügen
geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom
Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, sind unbegründet.
52
a) Dass die Strafkammer die Angeklagten in den Fällen 13 und
14 der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft lediglich wegen
versuchten gewerbs- und ban-
53
- 21 -
denmäßigen Schmuggels verurteilt hat, wird mit der
Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet.
b) Rechtsfehlerhaft ist, dass das Landgericht in diesen beiden
Fällen der Strafzumessung als Steuerschaden lediglich die
hinterzogene Tabaksteuer, nicht aber die ebenfalls verkürzten
(vgl. § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AO, § 25 Abs.
1 zweite Variante StGB i.V.m. Art. 217 ff., 221 ZK) Zoll- und
Einfuhrumsatzsteuerschulden zugrundegelegt hat. Zwar erlischt die
Zollschuld gemäß Art. 233 Satz 1 Buchstabe d ZK -
und hieran anknüpfend nach § 21 Satz 1 TabStG die
Einfuhrumsatzsteuer -, wenn Waren, für die
gemäß Art. 202 ZK die Zollschuld entstanden ist, bei
dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder
später eingezogen werden. Diese - bereits vor dem
Erlöschen hinterzogenen - Abgaben gelten jedoch
gemäß Art. 233 Satz 2 ZK für das
Strafverfahren als nicht erloschen. Der Senat kann angesichts der vom
Landgericht in den Fällen 5 bis 12 der Urteilsgründe
verhängten Einzelstrafen ausschließen, dass sich
dieser Rechtsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund, dass - anders als in jenen
Fällen - die Zigaretten in den Fällen 13 und 14 beim
Verbringen in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft
beschlagnahmt wurden und nicht in den freien Verkehr gelangten.
54
c) Auch die im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zugunsten der
Angeklagten angeführte Erwägung des Landgerichts,
„dass bei ordnungsgemäßer Gestellung der
nach England weitergelieferten Zigaretten im Transitweg ein Schaden
nicht entstanden wäre“ (UA S. 113 u. a.),
gefährdet hier den Bestand der Strafaussprüche im
Ergebnis nicht. Mit dieser Formulierung meint das Landgericht
offensichtlich, dass dem deutschen Fiskus nur „aus formalen
Gründen“ ein Schaden entstanden sei, der
„eigentliche“ Schaden aber beim englischen Fiskus
liege, da die Zigaretten erst in England an die Endverbraucher verkauft
werden sollten. Dies ist jedoch kein strafmildernder Gesichtspunkt,
wenn die aus Drittländern eingeführte Tabakwaren -
anders als bei der Ausfuhr in Staaten außerhalb der
Europäischen Ge-
55
- 22 -
meinschaft (vgl. dazu BGHSt 48, 52, 75 f.; 48, 108, 118 f.) - im
Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft in den zollrechtlich
freien Verkehr überführt werden sollen, ohne dass die
hierfür erforderlichen Einfuhrabgaben entrichtet werden.
Ohnehin ist es die Europäische Gemeinschaft, die hinsichtlich
des hinterzogenen Zolls und des ihr zustehenden
Einfuhrumsatzsteueranteils materiell geschädigt wird, und
nicht die Bundesrepublik Deutschland oder das Königreich
Großbritannien (vgl. BGH wistra 2005, 461, 463). Dieser Teil
der Einfuhrabgaben wird nämlich von den Mitgliedstaaten
lediglich verwaltet, bevor er dem Gemeinschaftshaushalt
zufließt. Liegt die Verwaltung dieser Abgaben bei der
Bundesrepublik Deutschland, so ist deren Hinterziehung nach §
370 Abs. 1 AO strafbewehrt (vgl. § 3 Abs. 3 AO i.V.m. Art. 4
Nr. 10 ZK für den Zoll und § 3 Abs. 1 AO i.V.m.
§ 21 UStG für die Einfuhrumsatzsteuer). Beim
Schmuggel aus dem Drittlandsgebiet wollen die Täter
überhaupt keine Abgaben entrichten, und zwar
unabhängig davon, welcher Mitgliedstaat im Einzelfall die
Abgaben zu verwalten hat. Damit den Tätern der Absatz der
Tabakwaren auf dem Schwarzmarkt gelingt, werden sie diese
regelmäßig gegenüber jedem Mitgliedstaat,
den die Ware bis zum Erreichen des Bestimmungsorts passiert,
verschweigen.
56
Aber auch hinsichtlich der deutschen Tabaksteuer als nationaler
Verbrauchsteuer, die anlässlich der Einfuhr erhoben wird,
handelt es sich nicht um eine Steuerverkürzung „aus
formalen Gründen“. Denn ausschlaggebend für
das Entstehen dieser Steuer ist nicht der Verkauf an den
Endverbraucher, sondern die Überführung in den freien
Verkehr im deutschen Steuergebiet. Ein Fall, in dem die deutsche
Tabaksteuer wegen des Verbringens nach England wieder zu erstatten
wäre, liegt schon deshalb nicht vor, weil auch die dort
entstandenen Verbrauchsteuern nicht entrichtet wurden (vgl. Art. 22
Abs. 3 der Systemrichtlinie).
57
- 23 -
Die Einfuhrabgaben wären sogar dann entstanden und von den
Angeklagten zu entrichten gewesen, wenn die Zigaretten erst nach
Abschluss eines Steueraussetzungsverfahrens in England in den freien
Verkehr überführt worden wären. Selbst wenn
die Angeklagten erst zu diesem Zeitpunkt die dort entstandenen
Einfuhrabgaben hinterzogen hätten, wäre dies in
Deutschland strafbewehrt gewesen. Denn von § 370 Abs. 6 Satz 1
AO werden Einfuhrabgaben auch dann als den deutschen
Steueransprüchen gleichwertige Forderungen erfasst, wenn sie
nicht von der Bundesrepublik Deutschland, sondern von einem anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften verwaltet werden.
58
Allerdings schließt der Senat - insbesondere im Hinblick auf
die gewichtigen gegen die Angeklagten Y. und C. C. verhängten
Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und zehn Monaten bzw. sechs
Jahren - aus, dass das Landgericht ohne seine rechtsfehlerhafte
Erwägung zu noch höheren Gesamtfreiheitsstrafen
hätte gelangen können.
59
60
d) Weitere Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil (§ 301 StPO)
der Angeklagten zeigen die Revisionen nicht auf. Insbesondere
hält es rechtlicher Nachprüfung noch stand, dass das
Landgericht die Einzelstrafen nicht dem erhöhten Strafrahmen
des § 370 Abs. 3 AO entnommen hat. Die auf eine
Gesamtwürdigung der Tatumstände gestützte
Wertung der Strafkammer, es liege noch kein Handeln aus grobem
Eigennutz im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vor, ist
angesichts des Umstandes, dass ein Großteil des
Erlöses aus den Taten den Hinterleuten in der Türkei
zugeflossen ist, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch
mit der Verneinung unbenannter besonders schwerer Fälle im
Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 1 AO verlässt das
Landgericht hier trotz des „hohen und professionellen
Organisationsgrads“ und der hohen Steuerschäden noch
nicht den dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraum, zumal da
der Qualifikationstatbestand des § 373 AO ohnehin im Vergleich
zum Grundtatbestand der Steuerhinterziehung ein erhöhtes
Mindeststrafmaß vorsieht. Die Entscheidung des Landgerichts
ist da-
- 24 -
her zu respektieren, auch wenn hier eine andere Beurteilung
möglich gewesen wäre und sogar näher gelegen
hätte.
2. Revision betreffend den Angeklagten G.
61
Auch die den Angeklagten G. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft
ist unbegründet. Ergänzend zu den zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift
bemerkt der Senat:
62
a) Die vom Landgericht in wertender Betrachtung der
maßgeblichen Umstände (vgl. BGHSt 37, 289, 291
m.w.N.) vorgenommene Würdigung des Verhaltens des Angeklagten
G. als Beihilfe und nicht als Mittäterschaft hält
sich noch im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl.
BGH wistra 2005, 380, 381).
63
b) Auch die Würdigung der
Unterstützungsaktivitäten des Angeklagten G. als eine
einheitliche Beihilfe gemäß § 27 StGB ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar liegt Tatmehrheit
vor, wenn durch mehrere selbständige Hilfeleistungen mehrere
selbständige Haupttaten gefördert werden (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 27 Rdn. 13). Die
fortlaufende Förderung der Schmuggeltaten durch den
Angeklagten Greschner stellt sich hier jedoch in einer Gesamtschau als
nur eine - dauerhafte - Beihilfehandlung des Angeklagten zu neun
Haupttaten dar (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Dezember 2006 - 1 StR 556/06;
BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 9).
- 25 -
In Fällen wie dem hier vorliegenden ist es nicht erforderlich,
die Anzahl der Haupttaten, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet
hat, in den Tenor aufzunehmen. Zur Vereinfachung der Urteilsformel
ändert daher der Senat den Schuldspruch entsprechend ab (vgl.
BGH, Beschl. v. 6. Dezember 2006 - 1 StR 556/06).
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Jäger |