BGH,
Urt. v. 14.10.2009 - 2 StR 205/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 205/09
vom
14. Oktober 2009
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
GG Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3; EMRK Art. 6;
StGB § 66 Abs. 1; StPO §§ 80 a, 246 a
Aus §§ 80 a, 246 a StPO oder aus
verfassungsrechtlichen Grundsätzen ergibt sich keine
selbständige Verpflichtung des Gerichts, in Fällen
der möglichen Anordnung einer Maßregel gem.
§ 66 StGB von dem zu vernehmenden Sachverständigen
stets die Vorlage eines vorbereitenden schriftlichen Gutachtens zu
verlangen.
2. Strafsenat, Urteil vom 14. Oktober 2009 g. E. - 2 StR 205/09
Landgericht Köln
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.
Oktober 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Köln vom 19. Dezember 2008 im Ausspruch über die
Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen sowie wegen gefährlicher
Körperverletzung in vier Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die
Sicherungsverwahrung angeordnet. Die in der Hauptverhandlung auf die
Maßregelanordnung beschränkte Revision des
Angeklagten hat Erfolg.
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1. Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen
§§ 80 a, 246 a StPO in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1,
20 Abs. 3 GG, Art. 6 EMRK (Grundsatz des fairen Verfahrens) greift
nicht durch.
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a) Die Revision rügt insoweit, dass das Landgericht die
Anordnung der Sicherungsverwahrung auf ein Gutachten des
Sachverständigen Dr. K. gestützt hat, welches dieser
in der Hauptverhandlung erstattet hat. Ein vorbereitendes schriftliches
Gutachten hat der Sachverständige nicht erstellt, nachdem der
Angeklagte einer Exploration nicht zugestimmt hatte; es ist auch vom
Landgericht nicht angefordert worden. Hiergegen wendet sich die
Revision, unter Berufung auf eine Entscheidung des 1. Strafsenats vom
12. Februar 2008 - 1 StR 649/07 (NStZ 2008, 418), mit der
Erwägung, aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen
ergebe sich ein Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf Vorlage einer
schriftlichen Fassung des in der Hauptverhandlung zu erstattenden
Gutachtens; dies gelte jedenfalls dann, wenn der besonders gewichtige
Eingriff einer Anordnung der Sicherungsverwahrung im Raum stehe (so
auch Schäfer, Die Praxis des Strafverfahrens 6. Aufl., Rn.
1041; Deckers/Heusel StV 2009, 7; eingeschränkt auch Krause in
Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 82 Rn. 5; aA Senge in
KK-StPO 6. Aufl. § 82 Rn. 3). Dies ergibt sich nach Ansicht
der Revision auch aus den inhaltlichen Anforderungen, die das
Bundesverfassungsgericht an Sachverständigengutachten zur
(nachträglichen) Sicherungsverwahrung gestellt hat.
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b) Der von der Revision geltend gemachte Anspruch besteht nicht.
Zutreffend sieht die Revision, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut des
§ 246 a Satz 1 StPO eine Verpflichtung zur
regelmäßigen Vorlage vorbereitender schriftlicher
Gutachten sowie ein Anspruch von Verfahrensbeteiligten hierauf nicht
ergibt. Danach ist, wenn eine Maßregelanordnung nach
§§ 63, 66, 66 a StGB in Betracht kommt, in der
Hauptverhandlung ein Sachverständiger zum Zustand des
Angeklagten und möglichen Behandlungsaussichten
mündlich zu vernehmen. Dies entspricht den allgemeinen
für die Hauptverhandlung geltenden Grundsätzen der
Unmittelbarkeit und Mündlichkeit. Ein schriftliches
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(Vor-)Gutachten ist von § 246 a StPO nicht vorausgesetzt. Ob
sich im Einzelfall aus § 244 Abs. 2 StPO etwas anderes ergeben
kann, kann hier dahinstehen.
Aus den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und
Mündlichkeit folgt, dass allein der Inhalt des
mündlich erstatteten Gutachtens der Urteilsfindung zugrunde zu
legen ist; ein vorbereitendes schriftliches Gutachten ist ein vielfach
sinnvolles, jedoch vom Gesetz nicht vorgeschriebenes Hilfsmittel des
Vortrages und der Erörterung in der Hauptverhandlung. Einer
entsprechenden Aufforderung durch das Gericht wird der
Sachverständige in der Regel nachzukommen haben, denn es
handelt sich insoweit um eine die Tätigkeit des
Sachverständigen leitende (§ 78 StPO) Anordnung, die
der Qualitätssicherung dient.
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Hieraus ergibt sich aber kein selbständiger
verfahrensrechtlicher Anspruch von Betroffenen oder anderen
Verfahrensbeteiligten auf Anfertigung und Aushändigung
vorbereitender schriftlicher Gutachten. Insoweit ist, wie der
Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, die Gesetzeslage
eindeutig; verfassungsrechtliche Grundsätze geben keinen
Anlass, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung weiter gehende formelle
Anforderungen zu stellen, die ihrerseits von vornherein in einem
Spannungsverhältnis mit den Verfahrensgrundsätzen der
Unmittelbarkeit und Mündlichkeit stünden. Auch aus
den von der Revision angeführten Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen an
Sachverständigengutachten (etwa BVerfGE 109, 133, 164 f.; 109,
190, 240 f.) ergibt sich nichts anderes. Denn diese befassen sich
allein mit den hohen inhaltlichen und qualitativen Anforderungen, die
an Prognosegutachten zur Sicherungsverwahrung zu stellen sind; sie
betreffen aber nicht formale Anforderungen der Gutachtenserstattung.
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Soweit der 1. Strafsenat die Frage offen gelassen hat (Beschl. vom 12.
Februar 2008 - 1 StR 649/07 = NStZ 2008, 418 = StV 2009, 5, 6), kam es
in
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jenem Verfahren hierauf schon deshalb nicht an, weil der
Sachverständige dort ein schriftliches Gutachten vorgelegt
hatte. Der 1. Strafsenat hat dem Hinweis, die Frage könne
offen bleiben, keine inhaltlichen Erwägungen
angefügt; vielmehr hat er in Übereinstimmung mit der
ständigen Rechtsprechung ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass allein der Inhalt des in der Hauptverhandlung
(mündlich) erstatteten Gutachtens maßgebend sei
(ebd.). Anforderungen an die Qualität sowie die
Erläuterung und Erörterung des Gutachtens in der
Hauptverhandlung, auf welche die Revision zu Recht hinweist, stehen dem
nicht entgegen und führen nicht zu einem gesetzlich nicht
vorgesehenen Anspruch auf Anfertigung vorbereitender Gutachten in allen
Fällen der Anordnung von Sicherungsverwahrung.
Soweit die Revision in der Hauptverhandlung vor dem Senat auf eine
Parallele zu dem Verfahren nach § 463 Abs. 3 Satz 3 in
Verbindung mit § 454 Abs. 2 StPO verwiesen hat, ergibt sich
hieraus der behauptete Anspruch auf Vorlage eines schriftlichen
Vorgutachtens nicht. Das Verfahren der Strafvollstreckungskammer gem.
§ 454 StPO ist in seinem Grundsatz ein schriftliches
Verfahren; die in § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO vorgeschriebene
mündliche Anhörung des Sachverständigen
dient insbesondere auch der Gewährung rechtlichen
Gehörs. Damit sind die Regeln über die
erstinstanzliche Hauptverhandlung nicht vergleichbar. Hier gelten die
Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Das
Gutachten des Sachverständigen ist in seiner Gesamtheit
mündlich zu erstatten und nur insoweit Beweismittel; der
Sachverständige hat nicht nur eine "Zusammenfassung" seines
Gutachtens vorzutragen und im Übrigen auf seine schriftlichen
Ausführungen zu verweisen. Welcher Hilfsmittel sich ein
Sachverständiger zur Vorbereitung und zum Vortrag seines
Gutachtens in der Hauptverhandlung bedient, obliegt im Grundsatz seiner
Beurteilung, im Übrigen der Anordnung des Gerichts im Rahmen
der auf die Aufklärungspflicht gestützten
Leitungsbefugnis (§ 78 StPO). Ein vorbereitendes schriftliches
Gutachten ist
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daher kein eigenständiges Beweismittel im
Strengbeweisverfahren. Dagegen ergibt sich die Pflicht zur Vorlage
eines schriftlichen Gutachtens im Rahmen des schriftlichen Verfahrens
nach § 454 Abs. 2 StPO aus der Natur der Sache.
2. Jedoch kann die Maßregelanordnung aus sachlich-rechtlichen
Gründen nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht
zutreffend angenommen, dass die formellen Voraussetzungen des
§ 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gegeben waren. Dagegen sind
die materiellen Voraussetzungen gemäß § 66
Abs. 1 Nr. 3 StGB bisher nicht hinreichend dargetan.
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a) Zweifelhaft erscheint bereits die Annahme des Landgerichts, bei dem
Angeklagten liege ein Hang zu erheblichen Straftaten (§ 66
Abs. 1 Nr. 3 StGB) vor. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist
der Angeklagte - nach mehreren Sachbehandlungen
gemäß § 45 Abs. 2 und § 47 JGG -
seit 1996 mehrfach, u. a. wegen räuberischer Erpressung,
Beförderungserschleichung, Geldfälschung, Raub,
Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger,
Menschenhandels und gefährlicher Körperverletzung
vorgeahndet. Nach seiner Inhaftierung von Juli 2000 bis November 2005
konnte er an einer geplanten Sozialtherapie nicht teilnehmen, weil eine
Kostenzusage des Leistungsträgers nicht erteilt wurde. Der
Angeklagte bemühte sich etwa eineinhalb Jahre um eine
Arbeitsaufnahme, fand jedoch keine Festanstellung; aus
Enttäuschung nahm er seinen früheren dissozialen
Lebensstil wieder auf.
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Der Verurteilung liegen in den Fällen 1 und 2
Betäubungsmittelgeschäfte des Angeklagten zugrunde.
Dieser bezog und verkaufte am 19. März 2008 50 Gramm Kokain
und 600 Gramm Amphetamin (Fall 1); am 26. März 2008 kaufte er
3 kg Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf, wurde aber auf dem
Weg zur Abholung festgenommen (Fall 2). Im Fall 3 schlug der Angeklagte
zusammen mit mehreren Mittätern zwei Personen unter Verwendung
eines lee-
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ren Bierkastens zusammen, um sich für eine vorausgegangene
Schlägerei zu rächen. In den Fällen 4 bis 6
der Urteilsgründe misshandelte der Angeklagte seine damalige -
schwangere - Lebensgefährtin an einem Abend mehrfach jeweils
erheblich durch Schläge und Tritte sowie durch Würgen
aus belanglosen Gründen. Das Landgericht hat insoweit
ausgeführt, die Vorverurteilungen sowie die Anlasstaten
zeigten einen eingeschliffenen inneren Zustand des Angeklagten im Sinne
einer dissozialen Persönlichkeitsstruktur, die ihn in rascher
Folge zur Begehung von Straftaten veranlasse. Er weise eine niedrige
Hemmschwelle gegen Gewaltanwendung und eine niedrige
Frustrationstoleranz auf; aufgrund innerer Haltlosigkeit und
Willensschwäche könne er Tatanreizen nicht
widerstehen (UA S. 80 f.).
Diese Ausführungen geben zwar die Voraussetzungen für
die Annahme eines Hangs im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB
allgemein zutreffend wieder. Zweifelhaft ist aber, ob die Anforderungen
an eine auf die Biographie und die Vorahndungen des Angeklagten
bezogene hinreichende Konkretisierung erfüllt sind. Der
Symptomcharakter der Anlasstaten, der Voraussetzung für die
Annahme eines Hangs ist (vgl. BGH NStZ 2003, 107; NStZ-RR 2007, 10 f.;
Fischer StGB 56. Aufl. § 66 Rn. 29 m.w.N.), ist vom Tatrichter
nicht konkret belegt, sondern nur in eher allgemeiner Form behauptet.
Es hätte aber jedenfalls hinsichtlich der Taten 1 und 2
näherer Darlegung bedurft; auch die Beziehungsbezogenheit der
Taten 4 bis 6 entspricht, wenngleich die Neigung zur
Gewalttätigkeit augenfällig ist, nicht ohne Weiteres
der früheren Delinquenz des Angeklagten.
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b) Vor allem aber fehlt es, wie die Revision zutreffend gerügt
hat, an einer hinreichenden Darlegung der von § 66 Abs. 1 Nr.
3 StGB vorausgesetzten Gefahrprognose. Das Landgericht hat das von dem
Sachverständigen Dr. K. mündlich erstattete Gutachten
in den Urteilsgründen wiedergegeben. Danach
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hat der Sachverständige die "Methode der kriterienorientierten
strukturierten Risikokalkulation" angewandt (UA S. 83). Diese
übertrage empirische Erkenntnisse über den
Zusammenhang kriminologischer Faktoren auf den vorliegenden Einzelfall
und bediene sich "an einem breiten Spektrum von Merkmalen, die sich als
anwendbar und valide erwiesen haben" (ebd.). Prognostisch relevante
Bereiche seien "die Anlasstaten, die bisherige
Kriminalitätsentwicklung, die
Persönlichkeitsentwicklung, eine etwaige psychische
Störung (…), die soziale Kompetenz sowie das
spezifische Konfliktverhalten des Angeklagten, seine Auseinandersetzung
mit den Taten, Therapiemöglichkeiten,
Veränderungsbereitschaft, sozialer Empfangsraum sowie
bisheriger Verlauf nach der Tat" (ebd.).
Die Beschreibung der Gutachtensmethode als "kriterienorientierte
strukturierte Risikokalkulation" ist zwar für sich relativ
nichtssagend, da jede Prognose eine Risikokalkulation darstellt und
jeder Prognoseinhalt notwendig kriterien-orientiert sein muss; welche
spezifisch methodische "Struktur" der Sachverständige
angewandt hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht.
Zutreffend ist aber, dass eine Analyse der aufgeführten, oben
zitierten "Bereiche" prognostischer Untersuchung nach gesicherter
Erfahrung in der Regel geeignet ist, zur Feststellung
prognoserelevanter Umstände zu führen. Insoweit
trifft die Einwendung der Revision, es bleibe offen, was die genannte
Methode ausmacht und was sie von anderen Methoden unterscheidet, den
Kern der Sache nicht ganz, denn jedenfalls die Kriterien der Prognose
ergeben sich aus den wiedergegebenen Darlegungen; es ist auch nicht
Aufgabe eines Gutachters, Abgrenzungen zu sämtlichen
alternativ in Betracht kommenden Untersuchungsmethoden aufzuzeigen,
wenn dies in der Sache nicht nahe liegt. Dies ist aber vorliegend nicht
der Fall, denn die von dem Sachverständigen
aufgeführten "Bereiche" prognostisch relevanter Tatsachen
entsprechen in ihrer Gesamtheit den ganz allgemein als prognoserelevant
angesehenen Kriterien.
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Als Grundlage für die Entscheidung im Einzelfall kommt es aber
darauf an, die genannten Kriterien im konkreten Fall
tatsächlich anzuwenden und ihre Beurteilung im Gutachten mit
Tatsachen zu unterlegen. Hieran mangelt es vorliegend. Das Landgericht
hat zwar die genannten Kriterien in den Urteilsgründen
abgehandelt (UA S. 83-86). Die Darlegungen erschöpfen sich
aber überwiegend in wenigen, sehr allgemein formulierten
Aussagen; eine ins Einzelne gehende, auf den Angeklagten bezogene
Analyse zu den oben genannten "Bereichen" ergibt sich hieraus nicht.
Die kurzen Ausführungen geben oft nur wieder, was schon
festgestellt ist, etwa dass die Bemühungen des Angeklagten um
eine Arbeitsstelle "letztlich ohne Erfolg geblieben" seien oder dass
die Beziehung zu der Zeugin R. nach einer Phase gemeinsamer
Zukunftspläne wieder von geringer Frustrationstoleranz und
Gewalttätigkeit des Angeklagten geprägt gewesen sei
(UA S. 84). Welche konkreten Schlussfolgerungen sich hieraus ergeben,
bleibt offen. Hinzu kommen Darlegungen der Art, eine Auseinandersetzung
des Angeklagten mit seiner Gewaltdelinquenz habe bislang
"unverschuldet" nicht stattgefunden (UA S. 86); zu anderen Kriterien
werden eher neutrale oder ambivalente Feststellungen getroffen, ohne
dass vertieft auf ihre prognostische Bedeutung eingegangen wird. In
nicht unerheblichem Umfang wiederholt die Begründung der
Gefahrprognose nur, was schon zuvor zur Feststellung eines Hangs
ausgeführt wurde.
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Auf dieser Grundlage ist die im Anschluss an den
Sachverständigen formulierte "Zusammenfassung" des
Landgerichts, wonach sich "ein Überwiegen ungünstiger
Prognosemerkmale zeige, deren Gesamtschau auf ein derzeit hohes
Rückfallrisiko für Taten der vorliegend in Rede
stehenden Art hinweist" (UA S. 87), nicht ausreichend. Sie
lässt nicht erkennen, worin die "Strukturierung" der
Risikoanalyse bestanden hat, welches Gewicht das Landgericht den
einzelnen, teilweise gegenläufigen Kriterien beigemessen hat
und wie sich die einzel-
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nen Feststellungen zu einem konkreten prognostischen Gesamtbild der
Persönlichkeit des Angeklagten integrieren lassen.
Dies wird den hohen Anforderungen, welche aufgrund des besonders
belastenden Gewichts der Maßregel an die Prognose zu stellen
sind, nicht gerecht. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die
Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vom Landgericht
zutreffend bejaht worden sind oder ob ihr Vorliegen
möglicherweise zweifelhaft war. In diesem Fall hätte
sich aber aufgedrängt, die Voraussetzungen des § 66 a
Abs. 1 StGB zu prüfen und - auch unter
Berücksichtigung des § 62 StGB und des jungen
Lebensalters des Angeklagten - in ihrer Abgrenzung zur Anordnung nach
§ 66 Abs. 1 StGB zu erörtern. Auch hieran fehlt es.
Über die Anordnung der Maßregel ist daher neu zu
entscheiden.
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3. Der Strafausspruch ist von der rechtsfehlerhaften
Maßregelanordnung nicht berührt und kann bestehen
bleiben.
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Appl Schmitt |