BGH,
Urt. v. 14.9.2004 - 1 StR 202/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 202/04
vom
14. September 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
hier: Verfallsbeteiligte ,
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.
Septem-
ber 2004, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesger ichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
und
Rechtsanwalt
als Vertreter der Verfallsbeteiligten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision der Verfallsbeteiligten B. GmbH gegen
das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2003
wird verworfen.
Die Verfallsbeteiligte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tra-
gen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von einer den
Betrag von 27.966,44 € übersteigenden
Verfallsanordnun g ab-
gesehen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechts-
mittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
ver wiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten R. und W.
wegen Verstößen gegen das
Außenwirtschaftsgesetz zu Bewährungsstrafen
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verurteilt und den Angeklagten Dr. S. von dem gleichen Vorwurf
freigesprochen. Gegen die Verfallsbeteiligten B. GmbH und A.
GmbH hat es gemäß §§ 73 Abs. 3,
73a StGB den Verfall von Wer tersatz ange-
ordnet, gegen die B. GmbH in Höhe von 27.966,44
€ . Die auf die
Sachrüge gestützte Revision der B. GmbH hat keinen
Erfolg. Die Re-
vision der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge die
Anordnung eines höhe-
ren Verfallsbetrages bezüglich der B. GmbH er strebt, ist
hingegen
begründet.
I.
Die gegen die B. GmbH als Drittbegünstigte gerichtete Ver-
fallsanordnung ber uht auf der Verurteilung des Angeklagten W. , Export-
sachbearbeiter und stellver tretender Vertriebsleiter der B. GmbH, we-
gen der Lieferung von zur Herstellung großkalibriger
Rohrwaffen bestimmter
Tiefbohrwerkzeuge in den Iran ohne die erforderliche Genehmigung
(§ 34
Abs. 2 AWG i.V.m. § 5c Abs. 1 Nr. 1 AWV in der zum
Tatzeitpunkt geltenden
Fassung der 36. Änderungsverordnung zur AWV).
1. Die B. GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz
in K. . In dem hier maßgeblichen Zeitraum war ihr damaliger
Geschäfts-
führer, Dr. We. , zugleich Prokurist und Produktionsleiter der
Firma
Be. GmbH, der die B. GmbH zu 100 % gehörte, und verbrachte
deshalb 95 % seiner Arbeitszeit in H. , dem Unternehmenssitz der
Be. GmbH. Sein Vertreter, D. , führte als
kaufmännischer
Leiter mit Handlungsvollmacht die Geschäfte der B. GmbH in
K. weitgehend selbständig; über wichtige
Geschäftsvor fälle hatte er
Dr. We. zu informieren. Der Angeklagte W. war in der
Betriebsstätte
Ach. bei B. tätig.
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Den Ver trieb der tatgegenständlichen Tiefbohr werkzeuge
bearbeitete
der Angeklagte W. . Die Werkzeuge sollten zunächst an die
Firma H.
in Teheran geliefert werden, nach der en Angaben sie im
Frühjahr
1998 maßgefertigt wurden. Kurz vor der Auslieferung
veranlaßte der Ge-
schäftsführer Dr. We. , dem
außenwirtschaftsrechtliche Frühwarnungen
bezüglich der Firma H. zugegangen waren, seinen Vertreter
D. , den Versand der Werkzeuge anzuhalten. Die B. GmbH stellte
nunmehr bei dem Bundesausfuhramt einen Antrag auf Ausfuhrgenehmigung.
Das Bundes- ausfuhramt verweigerte die Genehmigung mit der
Begründung,
die Werkzeuge seien für die Herstellung
großkalibriger Rohrwaffen konstruiert,
außerdem zähle die Firma H. zu den bedeutensten
Rüstungsunter-
nehmen im Iran und unter stehe der dortigen militärischen
Beschaffungsstelle.
Der Auftrag wurde daraufhin zunächst storniert.
Im Herbst 1999 fand bei der B. GmbH eine Außenwirtschafts-
kontrolle statt. In dem Prüfbericht der OFD H. ist in bezug
auf den Vor-
gang H. festgestellt, daß eine spezielle, auf
außenwirtschaftliche
Belange ger ichtete Organisationsform, insbesondere aktuelle
Vorschriften und
die sogenannte Frühwarnliste nicht vorhanden seien.
Inzwischen hatte der Angeklagte W. Kontakt mit der Firma Al
, Dubai, wegen der Lieferung der eingelagerten Werkzeuge nach
Dubai aufgenommen. Unter Bewilligung eines Rabatts von 10 % auf den ur-
sprünglichen Preis kam eine Einigung zustande. Im Dezember
1999 wurden
die Werkzeuge nach Dubai ausgeführt. Von dort aus gelangten
sie zu der Fir-
ma H. in den Iran.
Der Angeklagte W. war sich bewußt, daß die
Lieferung nach Dubai
eine Umgehungsausfuhr dar stellte und die Werkzeuge in den Iran
gelangen
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würden. Ob dies auch der kaufmännische Leiter D.
wußte, konnte das
Landgericht "nicht sicher" feststellen. D. kannte allerdings die
Gründe für
die Versagung der Ausfuhr genehmigung durch das Bundesausfuhramt und
den
Prüfbericht der OFD H. , er bewilligte den Rabatt hinsichtlich
des neuen
Vertrages und unterzeichnete die an die Firma Al ger ichtete
Rechnung. Auch war ihm bewußt, daß die Werkzeuge
für die Fir ma H.
maßgefertigt worden waren.
Der B. GmbH flossen aus der Lieferung 109.395,20 DM
(= 55.932,88 € ) zu. Ihr Gewinn betrug 11.261,11
€ .
2. Die Verfallsanordnung gegen die B. GmbH hat das Landge-
richt damit begründet, daß ihr das Handeln ihres
Sachbearbeiter s W. zu-
zurechnen sei. Auf die Bösgläubigkeit ihrer
Verantwortungsträger komme es
nicht an. Die Höhe des Verfallsbetrages richte sich nach dem
Bruttoprinzip, so
daß der gesamte Verkaufserlös ohne Abzug von Kosten
betroffen sei. Aufgrund
der Härteregelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB sei
der Verfall jedoch lediglich
in Höhe der Hälfte des Bruttobetrages anzuordnen,
weil die B. GmbH
sich - wenn auch unzureichend - um eine
Außenwirtschaftskontrolle bemüht
habe.
3. Die Verfallsbeteiligte B. GmbH macht geltend, das Landge-
richt habe bei der Höhe des Verfalls zu Unrecht das
Bruttoprinzip angewendet.
Ferner könne ihr das Handeln des Angeklagten W. nicht
zugerechnet wer-
den, weil dieser nicht Organ der Gesellschaft gewesen sei.
Schließlich habe
das Landgericht die Härteklausel des § 73c Abs. 1
Satz 1 StGB angesichts der
Gutgläubigkeit ihres Geschäftsführers, Dr .
We. , unzureichend zur Geltung
gebracht.
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4. Die Staatsanwaltschaft erstr ebt eine höhere
Verfallsanordnung. Das
Landgericht habe an die Annahme unbilliger Härte
höhere Anforderungen stel-
len müssen.
II.
Die Revision der Verfallsbeteiligten B. GmbH hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat den Verfallsbetrag zu Recht nach dem Brutto-
prinzip ermittelt. Der Senat hat bereits mehr fach entschieden,
daß die Anwen-
dung des Bruttoprinzips auch bei der Anordnung des Verfalls gegen einen
Drittbegünstigten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken
begegnet (vgl.
BGHSt 47, 369, 372 f.; BGH wistra 2004, 227 - ebenfalls die Ver
fahrensbetei-
ligte B. GmbH betreffend -). Diese Rechtsauffassung, an der der Se-
nat festhält, entspricht inzwischen auch der Rechtspr echung
des Bundesver-
fassungsgerichts, das insbesondere bestätigt hat,
daß der Verfall auch unter
der Geltung des Bruttoprinzips keine dem Schuldgrundsatz unterliegende
straf-
ähnliche Maßnahme ist (BVerfG NJW 2004, 2073) .
2. Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, daß
der An-
geklagte W. im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB für die B.
GmbH ge-
handelt hat. Es bedurfte hierzu keiner Organstellung des W. .
Daß auch
Taten von Angestellten einer betrieblichen Organisation dieser im Sinne
des §
73 Abs. 3 StGB zugeordnet werden können - und zwar auch dann,
wenn die
Unter nehmensleitung gutgläubig ist - , hat der
Bundesgerichtshof ebenfalls be-
reits grundsätzlich entschieden (BGHSt 45, 235). Der Senat
sieht keinen An-
laß, von dieser Entscheidung, die im Einklang mit dem sich
aus den Geset-
zesmaterialien ergebenden Willen des Gesetzgebers steht, abzuweichen.
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3. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch angenommen, daß
die Ver-
fallsanordnung nicht im Hinblick auf das Wissen und Verhalten der
Verantwor-
tungsträger der B. GmbH als Drittbegünstigte nach
§ 73c Abs. 1
Satz 1 StGB einen niedrigeren Ver fallsbetrag ausweisen muß
oder gar ganz zu
unterbleiben hat. Dies wird zwar in der Regel zu pr üfen sein,
wenn der Drittbe-
günstigte bzw. die Organe einer juristischen Person
gutgläubig sind (BGHSt
47, 369, 376). Den Geschäftsführer Dr. We. trifft
auch nach den Feststel-
lungen kein die Gutgläubigkeit beseitigender Vorwurf. Es kann
jedoch nicht
außer Betracht bleiben, daß Dr. We. 95 % seiner or
ganschaftlichen Funk-
tionen seinem mit Handlungsvollmacht versehenen Vertreter D.
übertragen
hatte. In diesem Rahmen durfte D. selbständig die B. GmbH lei-
ten. Sein Handeln muß sich das Unternehmen zurechnen lassen.
Er war als
Vorgesetzter des Angeklagten W. in die
Geschäftsabläufe mit den Firmen
H.
und Al eingebunden. Daß er hätte erkennen
kön-
nen und müssen, daß eine Umgehungsausfuhr
vorgenommen wurde, hat das
Landgericht rechtsfehlerfr ei im einzelnen dargelegt.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Er folg.
Die Annahme des Landgerichts, die Härteregelung des §
73c Abs. 1
Satz 1 StGB lasse nur die Anordnung des Wertersatzver falls in
Höhe der Hälf-
te des erlangten Bruttobetrages zu, hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
Zwar ist die Anwendung dieser Vorschrift in erster Linie Sache des Tatr
ichters
(BGH wistra 2003, 424, 425). Die Gewichtung der für das
Vorliegen einer unbil-
ligen Härte maßgeblichen Umstände ist daher
der revisionsrechtlichen Bean-
standung nicht zugänglich. Mit der Revision kann aber
angegriffen wer den, daß
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das Tatbestandsmerkmal "unbillige Härte" selbst unzutr effend
ausgelegt wird
(BGH aaO).
So liegt der Fall hier. Nach ständiger Rechtsprechung sind die
Voraus-
setzungen des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nur erfüllt,
wenn die Härte "un-
ger echt" wäre und das Übermaßver bot
verletzen würde (BGH aaO; BGH NStZ-
RR 2002, 9). Die Auswirkungen der Maßnahme müssen
daher im konkreten
Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber
damit angestrebten
Zweck stehen. Es müssen dabei besondere Umstände
vorliegen, aufgrund de-
rer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des
Verfallszwecks lie-
gende zusätzliche Härte verbunden wär e, die
dem Betroffenen auch unter Be-
rücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden
kann (W.
Schmidt in LK 11. Aufl. § 73c Rdn. 7).
Diese Voraussetzungen könnten zwar unter Umständen
erfüllt sein,
wenn die Entscheidungsträger der B. GmbH gutgläubig
gewesen wä-
ren (vgl. oben zu II. 3.); dies scheidet jedoch - wie bereits dargelegt
- nach den
getroffenen Feststellungen aus. Vor dem Hintergrund der festgestellten
Umsät-
ze im Millionenber eich und der Konzerngebundenheit der B. GmbH
kann ferner von einer zu dem Verfallszweck außer
Verhältnis stehenden Exi-
stenzgefährdung des Unternehmens nicht die Rede sein. Auch
sonstige tragfä-
hige Gründe für die Annahme einer nicht zumutbaren
Härte sind nicht ersicht-
lich. Insbesondere vermag die Erwägung, nur die
Hälfte des erlangten Betr a-
ges für verfallen zu er klären, weil immerhin - wenn
auch nach den Feststellun-
gen der OFD nicht ausreichende - Bemühungen um eine
Außenwirtschaftskon-
trolle
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erfolgt sei, die Entscheidung allein nicht zu tragen, zumal die
Prüfung der OFD
in bezug auf den hier zugrundeliegenden Geschäftsvorgang
deutliche Mängel
hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Belange aufgedeckt
hat.
Die Frage der Höhe des Wertersatzverfalls bedarf daher neuer
Ent-
scheidung. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß
gegebenenfalls
Steuer zahlungen der Verfallsbeteiligten zur Vermeidung einer
Doppelbelastung
nach Maßgabe der Entscheidung des 5. Str afsenats vom 21.
März 2002
(BGHSt 47, 260, 264 ff.) bei der Anwendung der Härtevorschr
ift des § 73c
StGB zu ber ücksichtigen sind.
Wahl Boetticher Kolz
Elf Graf |