BGH,
Urt. v. 15.4.2008 - 4 StR 42/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 42/08
vom
15.4.2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15.4.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Philipp L. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Martin U. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten André H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Mathias M. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Neubrandenburg vom 23. Mai 2007 mit den Feststellungen
aufgehoben
a) hinsichtlich der Angeklagten L. , U. und H. insgesamt,
b) hinsichtlich des Angeklagten M. , soweit dieser Angeklagte wegen
versuchter gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung
in Tateinheit mit Diebstahl verurteilt worden ist und in dem ihn
betreffenden Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten L. der versuchten
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl mit Waffen,
„Verstoß gegen das Waffengesetz“ und
Bedrohung für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe
von zwei Jahren verurteilt. Den Angeklagten U. hat es wegen versuchter
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der
Strafe aus dem Urteil des
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Amtsgerichts Neustrelitz vom 19. September 2006 zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten
H. hat es wegen versuchter räuberischer Erpressung in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und
Sachbeschädigung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn
Monaten verhängt. Den Angeklagten M. hat es wegen versuchter
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl einer
geringwertigen Sache und wegen "Verstoßes gegen das
Waffengesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der erkannten Strafen hat es
jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet
sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten
eingelegten Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Sie beanstandet insbesondere, dass die Angeklagten nicht
jeweils auch wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes verurteilt worden
sind. Dagegen greift die Beschwerdeführerin - wie der Senat
der Revisionsbegründung entnimmt - die Verurteilung des
Angeklagten M. nicht an, soweit das Landgericht ihn wegen des
Waffendelikts zu der Einzelstrafe von 70 Tagessätzen
Geldstrafe verurteilt hat. Im Umfang der Anfechtung haben die - vom
Generalbundesanwalt vertretenen - Rechtsmittel Erfolg.
1. Nach den Feststellungen verdächtigten die Angeklagten den
später geschädigten B. , bei dem Angeklagten H.
eingebrochen und dabei dessen Laptop sowie einen dem Angeklagten M.
gehörenden Arbeitsspeicher entwendet zu haben. Allerdings
waren sie sich nicht sicher, dass B. den Diebstahl verübt
hatte, zumal ihr "Informant keineswegs eine sichere Quelle" war. In der
Tatnacht suchten sie deshalb B. in seiner Wohnung auf. Während
der Fahrt dorthin reichte der Angeklagte M. seine geladene
Schreckschusspistole Walter P 99 an den Angeklagten L. weiter; beide
Angeklagten waren nicht im Besitz des sog. kleinen Waffenscheins.
Sogleich nach
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Betreten der Wohnung bezichtigten sie B. des Diebstahls und forderten
ihn auf, sofort 10.000 Euro "oder ein bisschen was" herauszugeben. Der
Angeklagte L. hielt ihm dabei die Pistole an den Kopf. Er und die
Angeklagten U. und H. schlugen mit den Fäusten auf den
Geschädigten ein. Auf dessen Bitte ließen die
Angeklagten zu, dass der heftig blutende Geschädigte sich im
Badezimmer waschen konnte, wohin ihn der Angeklagte U. begleitete.
Während "der gesamten Einwirkung" öffnete der
Angeklagte M. Schränke und Schubladen in der Wohnung des
Geschädigten, ohne dabei etwas Brauchbares zu finden. Als der
Angeklagte U. sich mit dem Geschädigten noch im Badezimmer
befand, nahm der Angeklagte L. ein Mobiltelefon des
Geschädigten an sich und steckte es ein. Zudem begannen er und
die Angeklagten M. und H. damit, den PC des Geschädigten
abzubauen und zum Abtransport bereitzustellen. B. bemerkte dies bei
seiner Rückkehr ins Wohnzimmer; er ergriff eine Eisenstange
und erklärte, die Angeklagten könnten alles
mitnehmen, nur nicht seinen Rechner. Daraufhin stürzten sich
die Angeklagten auf ihn, nahmen ihm die Eisenstange ab und verbrachten
ihn erneut auf die Couch, wobei Möbel umgeworfen wurden und in
der Wohnung weiterer Sachschaden entstand. Aus Enttäuschung
darüber, dass man nichts gefunden hatte, trat der Angeklagte
H. kräftig mit dem Fuß gegen den PC, wodurch dieser
erheblich beschädigt wurde. Unmittelbar bevor die Angeklagten
die Wohnung verließen, nahmen die Angeklagten L. und M. noch
einige PC-Zubehörteile an sich, was zumindest der Angeklagte
U. mitbekam. Beim Weggehen äußerte der Angeklagte L.
gegenüber dem Geschädigten noch: "Es ist mir egal, ob
du es warst oder nicht, finde heraus, wer das war, wir finden dich,
solange du hier wohnst", und hielt ihm dabei die Pistole unmittelbar
vor das Gesicht.
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2. Das Urteil hat bezüglich aller vier Angeklagten deshalb
keinen Bestand, weil es dem Senat nicht die Nachprüfung
erlaubt, ob das Gericht zu Recht eine Strafbarkeit der Angeklagten
wegen (tateinheitlich verwirklichten) vollendeten schweren Raubes
ausgeschlossen hat. Das Landgericht hat gemeint, für einen
dahingehenden Schuldspruch fehle es bereits an einer finalen
Verknüpfung zwischen der Gewaltanwendung und der
Wegnahmehandlung durch die Angeklagten L. und M. . Vielmehr sei die
Gewaltanwendung beendet gewesen, als der Geschädigte sich im
Bad das Blut abwaschen durfte; die Anwendung der Gewalt habe danach
auch nicht als Drohung mit Gewalt fortgewirkt. Hinsichtlich der
Angeklagten U. und H. komme hinzu, dass bei ihnen eine
täterschaftliche Begehung des Raubes schon daran scheitere,
dass sie nicht selbst mit Zueignungsabsicht gehandelt hätten.
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Letztere Überlegung ist schon deshalb verfehlt, weil sie nicht
die Rechtsänderung seit dem am 1. April 1998 in Kraft
getretenen 6. Strafrechtsreformgesetz berücksichtigt, wonach
bei den Eigentumsdelikten auch die Drittzueignung ("sich oder einem
Dritten"; §§ 242, 249 StGB) erfasst wird.
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Auch im Übrigen hält die rechtliche Beurteilung der
Nachprüfung nicht stand. Zwar ist das Landgericht im
Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass nach
ständiger Rechtsprechung die Anwendung des Raubtatbestandes
ausscheidet, wenn der Täter den Wegnahmeentschluss erst zu
einem Zeitpunkt fasst, in dem die aus anderen Gründen
verübte Gewaltanwendung selbst nicht mehr andauert, sondern
allenfalls noch in der Weise fortwirkt, dass sich das Opfer im Zustand
allgemeiner Einschüchterung befindet (BGH NStZ 1982, 380; NStZ
1999, 510; NStZ-RR 1997, 298; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung
3). Das Landgericht hat aber bei seiner Annahme, die Angeklagten L. und
M. hätten "allenfalls gelegentlich" der vorangegangenen,
allein dem Versuch
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der Abpressung von "Schadensersatz" dienenden Gewaltanwendung die
Gegenstände an sich genommen, die näheren
Umstände des Tatgeschehens nicht hinreichend bedacht. Denn
danach durfte der Geschädigte, nachdem er von den Angeklagten
U. , L. und H. verprügelt worden war, das Badezimmer nur in
Begleitung des Angeklagten U. aufsuchen. Anschließend
überwältigten ihn die Angeklagten, als er sich gegen
den Abtransport seines Computers zur Wehr setzte, und zwangen ihn auf
die Couch, von wo er das weitere Vorgehen der Angeklagten mit ansehen
musste. Hiernach liegt es nahe, dass der Geschädigte die
Wegnahme nur unter dem Eindruck der Gewalttätigkeit der
Angeklagten duldete und die Angeklagten dies auch ausnutzten.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt im Umfang der Anfechtung zur
Aufhebung des Urteils insgesamt.
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Davon abgesehen, könnte der den Angeklagten U. betreffende
Strafausspruch - was der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft
auch zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen hat
(§ 301 StPO) - auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil das
Landgericht ausweislich der Urteilsgründe keine Strafe in
dieser Sache festgesetzt hat (vgl. UA 24) und auch die Mitteilung
fehlt, welche jetzt einbezogene Strafe das Amtsgericht Neustrelitz
gegen ihn in dem Urteil vom 19. September 2006 verhängt hat.
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4. Für das weitere Verfahren verweist der Senat vorsorglich
auf die Ausführungen in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts.
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Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible |