BGH,
Urt. v. 15.4.2008 - 4 StR 651/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 651/07
vom
15.4.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15.4.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein, Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Bielefeld vom 7. August 2007 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch
entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und
die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen
dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten
Revision eingelegt, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Sie
wendet sich mit der Sachrüge dagegen, dass der Angeklagte
nicht auch wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden
ist;
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außerdem beanstandet sie den Strafausspruch. Das Rechtsmittel
hat lediglich zum Schuldspruch Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Der gesondert verfolgte Bruder des Angeklagten betrieb einen Handel mit
Betäubungsmitteln. Diese ließ er sich aus den
Niederlanden nach Bielefeld liefern und verbrachte sie nach Franken, um
sie dort gewinnbringend zu verkaufen. Der Angeklagte, der arbeitslos
war und Kenntnis von der illegalen Tätigkeit seines Bruders
hatte, erklärte sich auf dessen Bitten bereit, für
diesen eine Haschischlieferung entgegenzunehmen und nach Hause zu
bringen, wo sie sein Bruder zwecks Weiterverkaufs übernehmen
wollte. Am 21. März 2007 traf er sich auf dem Kundenparkplatz
eines Möbelhauses in Bielefeld mit dem gesondert verfolgten
Rauschgiftkurier. Er stieg in dessen Fahrzeug und erhielt dort 4,88 kg
Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10,3 % ausgehändigt.
Nachdem er sich durch einen Blick in die Tüte über
deren Inhalt vergewissert hatte, trug er diese zu seinem Fahrzeug,
verstaute sie hinter dem Fahrersitz und fuhr vom Parkplatz. Unmittelbar
danach wurden der Angeklagte und der Rauschgiftkurier festgenommen, da
die Übergabe, von der die Ermittlungsbehörden auf
Grund von TÜ-Maßnahmen Kenntnis hatten, observiert
worden war.
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2. Ausgehend von diesen Feststellungen hat das Landgericht den
Angeklagten nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a
Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB) verurteilt, nicht dagegen
auch wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a
Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Dies beanstandet die Revision zu Recht.
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Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein
tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches
Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf
gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung
auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; vgl. BGHSt 27, 380 f.; BGH
NStZ-RR 1998, 148 f.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2, 4;
vgl. auch Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 1378).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht einer Strafbarkeit wegen
unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge nicht entgegen, dass die Übergabe der Drogen von dem
Kurier an den Angeklagten durch Ermittlungsbeamte observiert wurde. Wie
der Bundesgerichtshof bereits mehrfach - allerdings ohne die Frage
ausdrücklich zu thematisieren - entschieden hat, kann der
Täter auch bei einem überwachten Geschäft
die tatsächliche Sachherrschaft über die von ihm
entgegengenommenen Betäubungsmittel erlangen (vgl. BGH NStZ-RR
1998, 148 f.; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 466/05). Hier
hatte der Angeklagte trotz der Überwachung nach der
Ü-bergabe noch die Möglichkeit, das Rauschgift zu dem
von ihm geführten Fahrzeug zu bringen, darin zu verstauen und
sodann loszufahren. Er hatte somit für einen nicht
unerheblichen Zeitraum die tatsächliche Sachherrschaft.
Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall, worauf der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen
hat, von der vom Landgericht angeführten, die Frage der
Gewahrsamserlangung nach § 242 Abs. 1 StGB betreffenden
Entscheidung (BGH StV 1985, 323); dort erfolgte die Festnahme des
Täters sofort nach Entgegennahme des Geldes.
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Dass der Angeklagte den die Sachherrschaft tragenden Herrschaftswillen
hatte, ergibt sich aus seiner Einlassung.
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3. Da die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine
tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht gerin-
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ger Menge tragen, stellt der Senat in entsprechender Anwendung von
§ 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch um. § 265 Abs. 1
StPO steht dem nicht entgegen, weil sicher auszuschließen
ist, dass sich der geständige Angeklagte gegen den
geänderten Schuldspruch anders als geschehen hätte
verteidigen können.
4. Die Schuldspruchänderung lässt hier den
Strafausspruch unberührt. Zwar hat das Landgericht die
erkannte Strafe dem nach §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs.
1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29 a Abs. 2 BtMG
entnommen, während der täterschaftliche unerlaubte
Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den
vollen Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 bzw. Abs. 2 BtMG
eröffnet. Angesichts der observierten Übergabe der
Betäubungsmittel und der außerordentlich kurzen
Dauer des Besitzes kann der Senat aber ausschließen, dass das
Landgericht eine höhere Strafe verhängt
hätte, wenn es den Angeklagten auch wegen unerlaubten Besitzes
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt
hätte. Im Übrigen erachtet der Senat die erkannte
Strafe auch unter Zugrundelegung des erhöhten Strafrahmens
für tat- und schuldangemessen.
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Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann |