BGH,
Urt. v. 15.4.2008 - 5 StR 44/08
5 StR 44/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
15.4.2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15.
April 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin R.
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt H.
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Braunschweig vom 17. Oktober 2007 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision und die dem
Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
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Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu vier
Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die nach der
Revisionshauptverhandlung nurmehr mit einer Verfahrensrüge und
der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat
keinen Erfolg.
1. Der - nach dem Genuss von höchstens 1,3 Litern Bier leicht
angetrunkene - Angeklagte begab sich am frühen Abend des
Tattages zu einer Verabredung mit dem Nebenkläger, mit dem er
Streit um eine von ihm zutreffend für unberechtigt gehaltene
Geldforderung des Nebenklägers über 500 Euro - im
Zusammenhang mit dem Verhältnis beider Männer zu
einer Prostituierten sechs Jahre zuvor - hatte. Während der
unbewaffnete Nebenkläger sechs Begleiter zu dem Treffen
mitbrachte, hatte der Angeklagte nur zwei Männer als Beistand;
er hatte indes ein Springmesser eingesteckt und hielt in seinem
Fahrzeug einen Baseballschläger und - verborgen - ein weiteres
Springmesser griffbereit. Nach einem getrennt von den jeweiligen Be-
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gleitern geführten verbalen Streit zwischen den Kontrahenten
begab sich der Angeklagte zu seinem Fahrzeug, der Nebenkläger
folgte ihm, bemerkte den im Auto des Angeklagten liegenden
Baseballschläger, wollte ihn ergreifen, wurde daran jedoch von
einem auf dem Beifahrersitz sitzenden Begleiter des Angeklagten
gehindert, der seinerseits den Schlagstock ergriff. In dieser Situation
rief der Nebenkläger - einer Mahnung des Angeklagten
zuwiderhandelnd - seine Begleiter herbei. Als diese sich daraufhin
näherten, zog der Angeklagte das Springmesser aus der Tasche
und stach damit dem ihm in diesem Moment den Rücken
zuwendenden Nebenkläger unvermittelt zweimal in den
Rücken und sodann, als dieser sich umwandte, mit erheblicher
Gewalt zweimal tief in die Brust, schließlich, als der schwer
verletzte, am Herzbeutel getroffene Nebenkläger sich zu seinen
sich nähernden Begleitern zu schleppen anschickte, nochmals
von hinten in die Schulter. Der Angeklagte, der bei den Bruststichen
den Tod des Nebenklägers billigend in Kauf genommen hatte,
fuhr alsbald mit seinem Fahrzeug davon. Seine Begleiter
überredeten ihn erfolgreich, sich der Polizei zu stellen. Der
lebensgefährlich verletzte Nebenkläger wurde von
seinen Begleitern ins Krankenhaus gefahren und durch eine Notoperation
gerettet.
1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Zu
Wahrunterstellungen im Zusammenhang mit dem Eindruck eines
Polizeibeamten bei der freiwilligen Selbststellung hat sich das
Schwurgericht im Urteil nicht in Widerspruch gesetzt. Die in dieser
späteren Situation bemerkte enttäuschte Erwartung des
Angeklagten, der Nebenkläger werde nicht schwer verletzt sein,
stellt bei seinem beobachteten und durch die tatsächlich
erlittenen Verletzungen objektivierten Tatverhalten die Annahme
bedingten Tötungsvorsatzes und - angesichts des von Zeugen
beobachteten, selbstverständlich auch vom Angeklagten
bemerkten Erscheinungsbildes des mit bluttriefender Oberbekleidung
fortwankenden Opfers - die Annahme mangelnden Rücktritts vom
beendeten Versuch nicht in Frage.
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2. Aus diesen Gründen versagen zugleich die
sachlich-rechtlichen Einwände der Revision gegen den
Tötungsvorsatz und die Versagung eines strafbefreienden
Rücktritts. Auch sonst bleibt die Sachrüge ohne
Erfolg.
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a) Rechtswidrigkeit und Schuld stehen außer Frage. Auch die
Verneinung der Voraussetzungen des § 21 StGB durch das
Schwurgericht ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe ist
sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden.
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Zutreffend hat das Schwurgericht weder aus der leichten Alkoholisierung
des Angeklagten noch aus seiner affektiven Erregung Anhaltspunkte
für eine erhebliche Beeinträchtigung der
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten abgeleitet, der sich auf
eine Auseinandersetzung mit dem Nebenkläger durch seine
Bewaffnung vorbereitet, sich geordnet vom Ort des Geschehens
zurückgezogen und ferner eine detailreiche Erinnerung an das
Tatgeschehen hatte. Unter diesen Voraussetzungen liegt ersichtlich kein
Fall vor, in dem sich aus ungewöhnlichen Diskrepanzen zwischen
Tatbild und Täterpersönlichkeit schon
sachlich-rechtlich entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben
hätten, die dem Schwurgericht eine eigene Beurteilung der
Schuldfähigkeit ohne sachverständige Hilfe nicht
erlaubt hätten, wie es bei der Fallgestaltung gegeben war, die
dem Senatsurteil vom 30. August 2007 - 5 StR 197/07 (BGHR StGB
§ 21 Sachverständiger 13) zugrunde lag, in dem der
Generalbundesanwalt Anlass zu einem Terminsantrag gefunden hat.
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Einen auf eine relevante Beeinträchtigung der
Steuerungsfähigkeit zielenden Beweisantrag hat der Angeklagte
- anders als im Fall des weiteren vom Generalbundesanwalt
herangezogenen Senatsurteils vom 30. August 2007 - 5 StR 193/07 (BGHR
StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 13) - ebenso wenig zum
Gegenstand seiner Revision gemacht wie eine dahingehende
Aufklärungsrüge (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom
29. November 2006 - 5 StR 329/06, NStZ-RR 2007, 83). Indes
hätte auch insoweit gegolten, dass das Tatgericht in
Kapitalstrafsachen nicht stets - so
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absehbar auch nicht unbedingt im vorliegenden Fall - aus
Gründen der Aufklärungspflicht zur Hinzuziehung eines
Schuldfähigkeitsgutachters verpflichtet ist (vgl. den zur
Veröffentlichung in BGHR bestimmten Beschluss des 1.
Strafsenats vom 5.3.2008 - 1 StR 648/07).
Dies ändert freilich nichts daran, dass namentlich in
Schwurgerichtssachen, beispielsweise aber auch bei
Brandstiftungsdelikten, in der Mehrzahl der Fälle besonders
gelagerte Tatbilder und Persönlichkeitskonflikte zu beurteilen
sind, die den Tatgerichten - und bereits der Staatsanwaltschaft - schon
frühzeitig im Verfahren begründeten Anlass geben,
einen psychiatrischen Sachverständigen zur Beurteilung der
Schuldfähigkeit des Beschuldigten heranzuziehen; nicht selten
gebietet dies die Aufklärungspflicht. Auch jenseits davon wird
mit der frühzeitigen Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit in
Fällen dieser Art der zeitgerechten Sacherledigung optimal
Rechnung getragen. Es wird so nämlich vermieden, dass sich das
Tatgericht erst in der Hauptverhandlung - mehr oder weniger deutlich
vorhersehbar - mit gewichtigen seelischen Konfliktsituationen des
Angeklagten bei Begehung der Tat konfrontiert sieht, ohne dass es sich
noch selbst zutrauen dürfte, deren Auswirkungen auf die
Schuldfähigkeit beurteilen zu können.
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b) Die Strafrahmenbestimmung, insbesondere die Versagung des §
213 StGB, ist nicht zu beanstanden. Dem nicht unbeträchtlichen
Mitverschulden des Nebenklägers an der Eskalation des Streits
durch sein verwerf-
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liches Vorverhalten ist in der auch sonst nicht zu beanstandenden
Strafzumessung hinreichend Rechnung getragen worden.
Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger |