BGH,
Urt. v. 15.12.2005 - 3 StR 281/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 281/04
vom 15.12.2005
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StPO § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1, § 241 Abs. 2
ZSHG §§ 2, 3, 10
1. § 55 Abs. 1 StPO findet keine Anwendung, wenn sich der
Zeuge erst durch die Beantwortung der an ihn gerichteten Frage strafbar
machen kann.
2. Fragen, durch deren Beantwortung ein in ein Zeugenschutzprogramm
aufgenommener Zeuge ihm bekannt gewordene Erkenntnisse über
Zeugenschutzmaßnahmen offenbaren müsste, sind nicht
von vornherein ungeeignet oder nicht zur Sache gehörend im
Sinne des § 241 Abs. 2 StPO. Derartige Fragen können
jedoch zurückgewiesen werden, wenn ihre Beantwortung zur
Überzeugung des Tatrichters für den Schuldspruch und
den Rechtsfolgenausspruch ohne Bedeutung und daher nach den
Maßstäben der Aufklärungspflicht nicht
geboten ist.
3. Ein Zeuge erwirbt nicht allein deswegen die Stellung einer anderen
Person des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 54
Abs. 1 StPO, weil er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und
hierbei förmlich zur Verschwiegenheit über ihm
bekannt gewordene Erkenntnisse zu Zeugenschutzmaßnahmen
verpflichtet wird. Dieser Umstand begründet
demgemäß nicht die Notwendigkeit, eine
Aussagegenehmigung einzuholen, wenn an den Zeugen im Strafprozess
Fragen gerichtet werden sollen, durch deren Beantwortung Tatsachen des
Zeugenschutzes unmittelbar oder mittelbar bekannt werden
können.
BGH, Urt. vom 15.12.2005 - 3 StR 281/04 - Landgericht Wuppertal
in der Strafsache
- 2 -
gegen
wegen Vergewaltigung
- 3 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Verhandlung
vom 17. November 2005 in der Sitzung am 15.12.2005, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr.
Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler,
Becker, Hubert als beisitzende Richter, Bundesanwalt - in der
Verhandlung -, Richter am Landgericht - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung
-, Rechtsanwältin - in der Verhandlung -,
Rechtsanwältin - bei der Verkündung - als
Verteidiger, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 14. Oktober 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die
Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen
Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1 I. Nach den Feststellungen war
die in Litauen geborene und aufgewachsene Nebenklägerin von R.
überredet worden, trotz fehlender Deutschkenntnisse nach
Deutschland zu reisen, um dort eine Arbeit aufzunehmen. Kurz vor ihrer
Abreise wurde die Nebenklägerin am Busbahnhof in Litauen von
Ru. darüber informiert, dass sie - Ru. - in Deutschland
bereits als Prostituierte gearbeitet und für die Vermittlung
der Nebenklägerin 1.500 DM erhalten habe. Diese müsse
die Nebenklägerin zurückzahlen. Trotz daraufhin
aufkeimender Besorgnis, was sie in Deutschland erwarten werde, trat die
Nebenklägerin die Fahrt an. Sie wurde vom Ange-2
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klagten in K. abgeholt und in dessen Wohnung nach W. verbracht, wo er
sie noch am Abend des Ankunftstages sowie am folgenden Tag mit Gewalt
zur Duldung des Geschlechtsverkehrs sowie weiterer sexueller Handlungen
zwang. Danach wurde die Nebenklägerin auch von dem insoweit
bereits rechtskräftig abgeurteilten Ki. vergewaltigt. Am
darauf folgenden Wochenende erschien eine andere Litauerin in der
Wohnung des Angeklagten und erklärte der
Nebenklägerin, dass diese ab sofort als Prostituierte
tätig sein müsse. Dieser Aufforderung kam die
Nebenklägerin nach. Sie übte in der Folgezeit unter
anderem für den anderweitig Verfolgten Ko. die Prostitution
aus. Um ihre Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu sichern, schloss
sie im Januar 2001 eine Scheinehe mit einem deutschen
Staatsangehörigen. II. Das Urteil kann keinen Bestand haben,
denn der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass das
Landgericht bei der Zeugenvernehmung der Nebenklägerin das
Fragerecht der Verteidigung in unzulässiger Weise
beschränkt hat (§ 240 Abs. 2 Satz 1, § 241
Abs. 2, § 338 Nr. 8 StPO). Dem liegt folgendes
Verfahrensgeschehen zugrunde: 3 Nach der Verhaftung des anderweitig
Verfolgten Ko. war die Nebenklägerin "im Hinblick auf das
Verfahren gegen diesen" in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und -
nach Überzeugung des Landgerichts - hierbei förmlich
zur Verschwiegenheit verpflichtet worden. Die Nebenklägerin
wurde außerdem von der Frauenschutzorganisation "S. "
betreut. 4 In der Hauptverhandlung stellte die Verteidigerin des
Angeklagten der Nebenklägerin zahlreiche Fragen, die sich auf
die derzeitigen Lebensverhältnisse der Nebenklägerin,
die ihr und ihrer Tochter im Zeugenschutz gewährte Betreuung,
die ihr in diesem Rahmen zugute kommenden persönlichen und
wirtschaftlichen Vorteile, ihre Kontakte zu Zeugenschutz- bzw.
Ermittlungsbe-5
- 6 -
amten sowie den Inhalt der mit diesen - gegebenenfalls auch
über ihre gerichtlichen Aussagen - geführten
Gespräche, auf fortbestehende Verbindungen der
Nebenklägerin zu Personen aus dem Prostituiertenmilieu, aber
auch zu Verwandten und Bekannten in Litauen und auf eventuelle Versuche
der Nebenklägerin richteten, selbst in Litauen Prostituierte
anzuwerben. Die Nebenklägerin hat die Beantwortung dieser
Fragen im Wesentlichen unter Hinweis darauf verweigert, dass sie sich
wegen Verstoßes gegen ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit
über die Maßnahmen des Zeugenschutzes strafbar
mache, falls sie insoweit aussage. Dies hat der Vorsitzende und -
nachdem die Verteidigung dessen Entscheidung beanstandet hatte - das
Gericht für den weit überwiegenden Teil der Fragen im
Kern mit der Begründung gebilligt, der Nebenklägerin
stehe ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß
§ 55 Abs. 1 StPO zu, weil sie sich bei Beantwortung der Fragen
gemäß § 353 b Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar
mache; die Fragen seien daher gemäß § 241
Abs. 2 StPO als ungeeignet zurückzuweisen. 1. Die hiergegen
erhobene Rüge des Angeklagten entspricht zum weit
überwiegenden Teil der Fragen den
Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
und ist daher in diesem Umfang zulässig erhoben. 6 Dem steht
nicht entgegen, dass die Revisionsbegründung nicht zu allen
mitgeteilten 36 Fragen vorträgt, ob sie von der
Nebenklägerin tatsächlich unbeantwortet geblieben
sind, ob nach der vom Vorsitzenden gebilligten Verweigerung der Antwort
die Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO beantragt
worden ist und - soweit dies geschehen ist - wie diese gelautet hat;
ebenso ist unschädlich, dass einige der Fragen nach dem
eigenen Vortrag der Revision von der Nebenklägerin letztlich
doch beantwortet worden sind. All dies führt lediglich dazu,
dass die Rüge bezüglich der jeweils in Rede stehenden
Frage unzulässig bzw. schon nach dem Revisionsvorbringen von
vorneherein 7
- 7 -
unbegründet ist. Dagegen ist dem Senat bezüglich der
übrigen - unbeantwortet gebliebenen - Fragen die
revisionsrechtliche Prüfung auf der Grundlage der
Revisionsbegründung in vollem Umfang möglich. Eine
der Entscheidung BGH NStZ-RR 2002, 270 Ls. vergleichbare Fallgestaltung
liegt hier nicht vor. Die Zulässigkeit der Rüge
scheitert auch nicht daran, dass die Revision das vom Zeugen B. in der
Hauptverhandlung überreichte - nicht ausgefüllte -
Formular einer Verpflichtungserklärung nicht mitgeteilt hat;
denn dieses war weder für die Überzeugung des
Landgerichts maßgeblich, dass die Nebenklägerin bei
Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm förmlich zur
Verschwiegenheit verpflichtet worden war, noch war deren genauer
Wortlaut maß-geblich für die Beschlüsse,
durch die das Landgericht Fragen der Verteidigung an die
Nebenklägerin zurückgewiesen hat. 8 2. Die
Rüge ist auch begründet. Der Nebenklägerin
stand hinsichtlich der Fragen der Verteidigung, für die die
Revision den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
genügt, kein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55
Abs. 1 StPO zu. Die Fragen durften auch nicht aus sonstigen
Gründen ohne weiteres gemäß § 241
Abs. 2 StPO zurückgewiesen werden. Vielmehr hatte der
Vorsitzende bzw. das Gericht bezüglich jeder Frage gesondert
zu entscheiden, ob sie trotz an sich umfassender Aussagepflicht der
Nebenklägerin als ungeeignet bzw. nicht zur Sache
gehörend zurückgewiesen werden konnte. Da dies
unterblieben ist und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der
Nebenklägerin bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben, auf die
die Verurteilung des Angeklagten allein gestützt ist, bei
Beantwortung einzelner der Fragen möglicherweise anders
hätte ausfallen können, ist der Revisionsgrund nach
§ 338 Nr. 8 StPO gegeben; denn der hierfür
erforderliche konkretkausale Zusammenhang zwischen der
unzulässigen Beschränkung der Verteidigung und dem
Urteil (vgl. 9
- 8 -
BGHSt 30, 131, 135; 44, 82, 90; BGH NStZ 2000, 212, 213) liegt vor. Im
Einzelnen: a) Die Beschlüsse, mit denen das Landgericht Fragen
der Verteidigung an die Nebenklägerin nach § 241 Abs.
2 i. V. m. § 55 Abs. 1 StPO nicht zugelassen hat, sind
rechtsfehlerhaft. Zwar sind Fragen, deren Beantwortung ein Zeuge
gemäß § 55 Abs. 1 StPO berechtigt
verweigert, "ungeeignet" im Sinne des § 241 Abs. 2 StPO (vgl.
BGH NStZ 1986, 181 für den Beweisantrag auf Vernehmung des
auskunftsverweigerungsberechtigten Zeugen; in der Sache ebenso, jedoch
auf § 241 Abs. 1 StPO abstellend Meyer-Goßner, StPO
48. Aufl. § 55 Rdn. 12; Dahs in Löwe/Rosenberg, 25.
Aufl. § 55 Rdn. 19; Rogall in SK - Stand Juli 2003 -
§ 55 Rdn. 56; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 4. Aufl. Rdn.
1126). Der Nebenklägerin stand jedoch nicht das Recht zu, die
Auskunft auf die von der Verteidigung gestellten Fragen
gemäß § 55 Abs. 1 StPO zu verweigern. Dies
gilt auch dann, wenn sie sich durch die Beantwortung der Fragen - wie
das Landgericht meint - gemäß § 353 b Abs.
2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht hätte. § 55 Abs. 1 StPO
betrifft nur den Fall, dass sich der Zeuge durch eine
wahrheitsgemäße Aussage der Gefahr aussetzen
würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt
zu werden, die er bereits vor seiner Zeugenaussage begangen hat (BVerfG
NStZ 1985, 277; BGH bei Dallinger MDR 1958, 14; OLG Düsseldorf
StV 1982, 344 m. Anm. Prittwitz; OLG Zweibrücken NJW 1995,
1301, 1302; Meyer-Goßner aaO Rdn. 4; Dahs aaO Rdn. 12; Rogall
aaO Rdn. 28; aA Sommer StraFo 1998, 9 f.). 10 b) Die
Zurückweisung der Fragen erweist sich auch nicht aus anderen
Gründen im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. 11 aa) Allein der
Umstand, dass die Nebenklägerin durch die Beantwortung der
Fragen Maßnahmen des ihr gewährten Zeugenschutzes
teilweise unmittel-12
- 9 -
bar hätte offenbaren müssen oder aus ihren Antworten
im Einzelfall zumindest Rückschlüsse auf Art, Umfang
und Ausgestaltung dieser Maßnahmen möglich waren,
rechtfertigte für sich genommen die Zurückweisung der
Fragen nicht. Zwar hätte deren Beantwortung - sowohl
für die Sicherheit der Nebenklägerin als auch
für die gebotene Geheimhaltung der allgemeinen Organisation
des Zeugenschutzes - möglicherweise nachteilige Folgen haben
können. Nach dem gesetzlichen Konzept des Zeugenschutzes hat
indessen im Strafprozess die Aufklärungspflicht des Gerichts
und das Fragerecht nach § 240 Abs. 2 StPO (zum Fragerecht des
Angeklagten s. insb. auch Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK)
demgegenüber nicht von vorneherein zurückzutreten.
Die allgemeine Organisation des Zeugenschutzes sowie die Rechtsfolgen,
die durch die Aufnahme einer Person in ein Zeugenschutzprogramm
entstehen, hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Harmonisierung des
Schutzes gefährdeter Zeugen (ZSHG) vom 11. Dezember 2001
(BGBl. I S. 3510) erstmals bundeseinheitlich geregelt. In diesem Gesetz
finden sich zahlreiche Bestimmungen, durch die die notwendige
Geheimhaltung der Handhabung des Zeugenschutzes gewährleistet
werden soll. So legt insbesondere § 2 Abs. 3 Satz 2 ZSHG fest,
dass die Akten, in denen die im konkreten Fall im Zusammenhang mit dem
Zeugenschutz getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen
niedergelegt sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 ZSHG), von der
Zeugenschutzstelle geführt werden, der Geheimhaltung
unterliegen und nicht Bestandteil der strafrechtlichen Ermittlungsakte
sind. Hieraus folgt indessen nicht, dass Fragen, die im Strafprozess an
den geschützten Zeugen gestellt werden und durch deren
Beantwortung die durch § 2 Abs. 3 Satz 2 ZSHG erstrebte
Geheimhaltung der Abwicklung des Zeugenschutzes gefährdet
würde, von vorneherein rechtlich unzulässig sind und
daher gemäß § 241 Abs. 1 StPO als
ungeeignet zurückgewiesen werden müssen. Denn zum
einen befasst sich § 2 Abs. 3 ZSHG ausschließlich
mit den Geheimhaltungspflichten der Zeugenschutzstelle und der 13
- 10 -
Staatsanwaltschaft, so dass aus dieser Bestimmung
Verschwiegenheitspflichten der zu schützenden Person kaum
ableitbar sind. Zum anderen hat der Gesetzgeber die
Verschwiegenheitspflicht des geschützten Zeugen einerseits und
seine Zeugnispflichten vor Gericht andererseits ausdrücklich
gesetzlich geregelt. Diese Regelungen zeigen, dass den
geschützten Zeugen vor Gericht keine umfassende
Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der ihm bekannt gewordenen
Zeugenschutzmaßnahmen trifft. Die Geheimhaltungspflicht des
geschützten Zeugen wird durch § 3 Satz 1 ZSHG
begründet. Danach darf, "wer mit dem Zeugenschutz befasst
wird", die ihm bekannt gewordenen Erkenntnisse über
Zeugenschutzmaßnahmen nicht unbefugt offenbaren. Zwar
könnte nach dem Wortlaut der Norm zweifelhaft erscheinen, ob
auch der geschützte Zeuge selbst als eine "mit dem
Zeugenschutz befasste Person" angesehen werden kann, dies insbesondere
auch deshalb, weil nach § 5 des ursprünglichen
Bundesratsentwurfs des Gesetzes zur Regelung des Schutzes
gefährdeter Zeugen vom 23. März 1999 noch
ausdrücklich auch die Verschwiegenheitspflicht der zu
schützenden Personen und die Möglichkeit ihrer
förmlichen Verpflichtung geregelt werden sollten (BT-Drucks.
14/638 S. 6), während in § 3 ZSHG die zu
schützende Person gerade nicht gesondert erwähnt ist.
Jedoch wird aus der Begründung des überarbeiteten
Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 20. Juni 2001 (BT-Drucks.
14/6279 S. 11) sowie der Beschlussempfehlung und dem Bericht des
Innenausschusses vom 27. Juni 2001 (BT-Drucks. 14/6467 S. 10) deutlich,
dass § 3 ZSHG trotz seiner vom ursprünglichen
Gesetzentwurf abweichenden Fassung nach dem Willen des Gesetzgebers
auch weiterhin den zu schützenden Zeugen mit umfassen soll. 14
Die durch § 3 Satz 1 ZSHG grundsätzlich als umfassend
ausgestaltete Verschwiegenheitspflicht des geschützten Zeugen
wird jedoch durch § 10 15
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ZSHG für die Aussage vor Gerichten und parlamentarischen
Untersuchungsausschüssen durchbrochen. Dort hat der
Gesetzgeber, ausgehend von der grundsätzlich jedermann
treffenden Pflicht, in justizförmigen Verfahren als Zeuge
aussagen zu müssen, eine differenzierende Regelung geschaffen,
die zwischen Strafverfahren einerseits sowie anderen Gerichtsverfahren
und Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
andererseits unterscheidet. Während in den letztgenannten
Verfahren dem Interesse an der Geheimhaltung der Maßnahmen
des Zeugenschutzes in weiterem Umfang Rechnung getragen und dem
geschützten Zeugen daher gestattet wird, abweichend von den
Bestimmungen der jeweiligen Verfahrensordnung, Angaben zur Person nur
über seine frühere Identität zu machen und
unter Hinweis auf den Zeugenschutz selbst Angaben, die
Rückschlüsse auf die gegenwärtigen
Personalien sowie den Wohn- und Aufenthaltsort erlauben, zu verweigern
(§ 10 Abs. 1 Satz 1 ZSHG), bleibt es für das
Strafverfahren bei den Vorschriften der §§ 68, 110 b
Abs. 3 StPO (§ 10 Abs. 3 ZSHG). Damit ist die Entscheidung
über die Aussagepflicht des geschützten Zeugen zu
seinem Wohn- bzw. Aufenthaltsort und seiner wahren Identität
in die Hände des Strafgerichts gelegt (§ 68 Abs. 2
Satz 2, Abs. 3 Satz 1 StPO). Dieses hat zu beurteilen, ob Anlass zu der
Besorgnis besteht, dass durch die Angabe des Wohnorts der Zeuge oder
eine andere Person (§ 68 Abs. 2 StPO) gefährdet wird.
Gleiches gilt gemäß § 68 Abs. 3 StPO
für die Frage, ob die Offenbarung der Identität oder
des Wohn- bzw. Aufenthaltsortes des Zeugen diesen oder eine andere
Person Gefährdungen in dem von der Vorschrift vorausgesetzten
Sinne aussetzen würde. Selbst wenn das Strafgericht dies
bejaht, liegt es in seinem, nach den Umständen des
Einzelfalles und mit Blick auf den Umfang der möglichen
Gefahren auszuübenden Ermessens, dennoch auf die Beantwortung
entsprechender Fragen zu bestehen, wenn es dies zur Erforschung der
Wahrheit für erforderlich erachtet. Kann daher im Strafprozess
selbst die Offenbarung von Kerntatsachen des Zeugen-
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schutzes verlangt werden, so sind auch Fragen, deren Beantwortung
sonstige Umstände des Zeugenschutzes im speziellen Fall oder
im Allgemeinen - sei es unmittelbar, sei es mittelbar über
weitere Nachforschungen - aufdecken können, nicht von
vorneherein unzulässig. Der Gesetzgeber hat damit (vgl. die
Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses vom 27. Juni
2001, BT-Drucks. 14/6467 S. 13) im Interesse der Wahrheitsfindung und
einer fairen Verfahrensgestaltung für den Strafprozess den
Vorrang der Sachaufklärung vor dem durch die entsprechenden
Bestimmungen des ZSHG geschützten Interesse an der
Geheimhaltung staatlicher Zeugenschutzmaßnahmen normiert
(Hilger in Festschrift für Gössel, 2002 S. 605, 612)
und damit gleichzeitig klargestellt, dass der Beschuldigte keine
über die strafprozessualen Regelungen hinausgehenden
Beschränkungen seiner Verteidigungsmöglichkeiten
hinzunehmen hat (Soine/Engelke NJW 2002, 470, 473). Die Beantwortung
entsprechender Fragen ist dem geschützten Zeugen daher nicht
nur er- laubt, sondern - soweit sie vom Gericht gestellt oder
zugelassen werden (s. unten c)) - strafprozessual geboten. Seine
Angaben sind daher wiederum nicht unbefugt im Sinne des § 3
Satz 1 ZSHG. bb) An diesem Ergebnis ändert hier der Umstand
nichts, dass die Nebenklägerin gemäß
§ 3 Satz 2 ZSHG i. V. m. dem Gesetz über die
Verpflichtung nicht beamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2.
März 1974 (BGBl. I S. 547; i. d. F. von § 1 Nr. 4 des
Gesetzes zur Änderung des EGStGB vom 15. August 1974, BGBl. I
S. 1942) förmlich zur Verschwiegenheit über die ihr
bekannt gewordenen Erkenntnisse zu Zeugenschutzmaßnahmen
verpflichtet worden war: 16 Zunächst kann die
förmliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht weiter
reichen als die Geheimhaltungsgebote nach § 3 Satz 1 ZSHG, zu
deren 17
- 13 -
Absicherung sie dient. § 3 Satz 1 ZSHG findet jedoch in
gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Strafprozess keine Anwendung
(s. oben aa)). Unabhängig hiervon wurde durch die
förmliche Verpflichtung auch nicht die Notwendigkeit
begründet, in unmittelbarer Anwendung des § 54 Abs. 1
StPO eine Aussagegenehmigung einzuholen, bevor an die
Nebenklägerin Fragen gerichtet werden durften, deren
Beantwortung direkt oder mittelbar zur Aufdeckung von
Zeugenschutzmaßnahmen führen konnten. Die
Nebenklägerin zählt nicht zu der Gruppe der "anderen
Personen des öffentlichen Dienstes", die nach dieser
Vorschrift - neben den hier nicht in Rede stehenden Richtern und
Beamten - der Aussagegenehmigung nach "den besonderen
beamtenrechtlichen Vorschriften" bedürfen, wenn sie
über Umstände vernommen werden sollen, auf die sich
ihre Pflicht zur "Amtsverschwiegenheit" bezieht. Schon nach allgemeinem
Sprachverständnis liegt es fern, eine Person, die eher
zufällig Opfer und/oder Zeuge einer Straftat wird und daher -
entsprechend der potentiell jedermann treffenden Pflicht, im
Strafverfahren zur Tataufklärung mitzuwirken - bei
Ermittlungsbehörden und Strafgerichten aussagen muss, als
Person des öffentlichen Dienstes einzustufen, nur weil sie
aufgrund ihrer Zeugenstellung Gefährdungen ausgesetzt
erscheint, deswegen in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und
förmlich zur Verschwiegenheit über dessen
Ausgestaltung verpflichtet wird. 18 Allerdings kann der
Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 StPO, der eher eine rein
statusrechtliche Betrachtung der Dienststellung des Zeugen nahe zu
legen scheint, nach dem reinen Wortlaut der Norm nicht
zuverlässig bestimmt werden. Vielmehr ist die Auslegung der
Vorschrift maßgeblich auch nach ihrem Zweck vorzunehmen, die
öffentlichen Geheimhaltungsinteressen zu wahren. Es ist daher
eine funktionale Betrachtung geboten und in den Blick zu nehmen, ob die
jeweils in Rede stehende Person Aufgaben des öffentlichen
Dienstes wahr-19
- 14 -
nimmt, in diesem Zusammenhang mit geheimhaltungsbedürftigen
Tatsachen in Kontakt kommt und es ihr aufgrund eingegangener
Verpflichtung obliegt, über diese Verschwiegenheit zu
bewahren. Aber auch danach findet § 54 Abs. 1 StPO auf die
Nebenklägerin keine Anwendung. Sie kann insbesondere nicht dem
Kreis der für den öffentlichen Dienst besonders
Verpflichteten im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB zugerechnet
werden, die als sonstige Personen des öffentlichen Dienstes
nach § 54 Abs. 1 StPO anzusehen sind (vgl. Rogall aaO
§ 54 Rdn. 22 m. w. N.). Als für den
öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter kommt
gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB nur in
Betracht, wer - ohne Amtsträger zu sein - bei einer
Behörde oder sonstigen in § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a
oder b StGB genannten Stelle beschäftigt oder für sie
tätig ist und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner
Obliegenheiten förmlich verpflichtet wurde. Daraus folgt, dass
allein die förmliche Verpflichtung nicht die Voraussetzungen
des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllen kann. Sie muss
vielmehr stets zu der Beschäftigung bei oder der
Tätigkeit für eine der genannten Stellen hinzutreten.
Gerade dies ist bei dem Zeugen einer Straftat in aller Regel nicht der
Fall. Er macht seine Beobachtungen von der Tat - oder auch von mehreren
Taten - als "Privatmann" und kommt erst danach mit den
Ermittlungsbehörden in Kontakt. Er wird nicht für
diese tätig, sondern erfüllt diesen
gegenüber eine Pflicht, die grundsätzlich jedermann
treffen kann. Seine hierdurch im Einzelfall begründete
Gefährdung, die Maßnahmen des Zeugenschutzes
nötig macht und zu seiner förmlichen Verpflichtung
nach § 3 Satz 2 ZSHG führt, ändert hieran
nichts (aA Griesbaum NStZ 1998, 433, 435 für die Rechtslage
vor dem ZSHG). 20 Allerdings ist in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in jeweils nicht tragenden Ausführungen
darauf hingewiesen worden, dass Vertrauenspersonen der Polizei
allgemein (so möglicherweise BGHSt 32, 115, 126), jeden-21
- 15 -
falls aber dann, wenn sie förmlich nach dem
Verpflichtungsgesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet worden sind
(BGHSt 31, 148, 156 f.; BGH NStZ 1981, 70; 1984, 31, 32; unklar BGHSt
40, 211, 213), eine Aussagegenehmigung benötigen, falls sie im
Strafprozess zu Umständen aussagen sollen, auf die sich ihre
"Amtsverschwiegenheit" bezieht (ebenso OLG Celle NStZ 1983, 570; OLG
Hamburg NStZ 1994, 98; KG Beschl. vom 28. Juni 2001 - (1) 2 StE 11/00).
Dem stimmt das Schrifttum - mit unterschiedlichen Grenzziehungen im
Einzelnen - jedenfalls für die Fälle weitgehend zu,
in denen die Vertrauensperson gegen feste Bezüge
beschäftigt ist oder zumindest regelmäßig
für die Ermittlungsbehörden tätig wird und
nach dem Verpflichtungsgesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet worden
ist (so beispielsweise Meyer-Goßner aaO § 54 Rdn.
11; Rogall aaO § 54 Rdn. 27; Dahs aaO § 54 Rdn. 9;
Lemke in HK 3. Aufl. § 54 Rdn. 5; Senge in KK 5. Aufl.
§ 54 Rdn. 9; aA etwa Alsberg/Nüse/Meyer, Der
Beweisantrag im Strafprozess 5. Aufl. S. 455; Meyer ZStW 95 - 1983 -
834, 846). Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem zu folgen ist,
kann der Senat - wie schon in seinem Urteil vom 28. November 1979 (NJW
1980, 846) - offen lassen. Zwar mögen V-Leute der Polizei
vielfach sowohl hinsichtlich ihrer potentiellen Gefährdung als
auch ihrer möglichen Kenntnisse von
geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen polizeilicher
Ermittlungsarbeit einem in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommenen
Zeugen vergleichbar sein. Dennoch unterscheidet sich die Stellung des
Zeugen grundlegend von derjenigen einer Vertrauensperson. Diese wird
von der Polizei eigens als Hinweisgeber angeworben. Sie übt
daher, so sie für ihre Dienste entlohnt wird oder jedenfalls
regelmäßig mit den Ermittlungsbehörden
zusammenarbeitet, auch im Wortsinn eine Tätigkeit für
diese aus. Vor diesem Hintergrund mag es in diesen Fällen
berechtigt sein, sie über § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a
StGB den anderen Personen des öffentlichen Dienstes im Sinne
des § 54 Abs. 1 StPO zuzurechnen, wenn sie 22
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förmlich zur gewissenhaften Erfüllung ihrer
Obliegenheiten, insbesondere zur Verschwiegenheit verpflichtet worden
ist. Für den im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms
förmlich verpflichteten Zeugen lässt sich daraus
indessen nichts ableiten. Auch eine analoge Anwendung des § 54
Abs. 1 StPO scheidet aus. Zwar ist die entsprechende Anwendung
strafverfahrensrechtlicher Normen nicht grundsätzlich
ausgeschlossen. Hier ist indessen zu beachten, dass durch das
Erfordernis einer Aussagegenehmigung sowohl die gerichtliche Pflicht
zur umfassenden Erforschung der Wahrheit (vgl. § 244 Abs. 2
StPO), als auch das strafprozessual (§ 240 Abs. 2 StPO) und
konventionsrechtlich (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK)
gewährleistete Fragerecht des Angeklagten beschnitten
würde. Ein derartiger Eingriff muss der
ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers vorbehalten bleiben.
Dieser hat hiervon im ZSHG keinen Gebrauch gemacht, obwohl er sich der
Rechtsproblematik der Aussagegenehmigung zu
Zeugenschutzmaßnahmen ersichtlich bewusst war; denn obwohl
sich dies auch ohne besondere Regelung von selbst verstünde,
hat er in § 2 Abs. 3 Satz 4 ZSHG ausdrücklich
niedergelegt, dass die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und der
Zeugenschutzstelle im Strafverfahren "unter Berücksichtigung"
des § 54 StPO zur Auskunft über den Zeugenschutz
verpflichtet sind. Vor diesem Hintergrund können § 3
und § 10 Abs. 3 ZSHG nur dahin ausgelegt werden, dass
§ 54 Abs. 1 StGB auf den gemäß § 3
Satz 2 ZSHG förmlich verpflichteten Zeugen auch nicht analog
anwendbar ist. 23 c) All dies bedeutet nicht, dass das
grundsätzlich berechtigte Anliegen, Maßnahmen des
Zeugenschutzes möglichst geheim zu halten, im Strafprozess
keine Beachtung zu finden hätte. Vielmehr hat es der
Gesetzgeber im Ergebnis in die Hände der Strafgerichte gelegt,
einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Erfordernis der
Wahrheitserforschung sowie dem im Fragerecht zum Aus-24
- 17 -
druck kommenden Anspruch des Angeklagten auf effektive Verteidigung
einerseits und den Belangen wirksamen Zeugenschutzes andererseits
herzustellen. Dabei erschöpfen sich die Möglichkeiten
der Strafgerichte nicht in der Anwendung der §§ 68,
110 b Abs. 3 StPO. § 10 Abs. 3 ZSHG ist nicht etwa in dem
Sinne zu verstehen, dass andere strafprozessuale Regelungen, die neben
diesen Vorschriften ausdrücklich dem Zeugenschutz dienen (etwa
§§ 247, 247 a StPO) oder für diesen
fruchtbar gemacht werden können, nicht angewendet werden
dürfen. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der zum
Schutz des gefährdeten Zeugen im Einzelfall getroffenen
Maßnahmen sowie der allgemeinen Organisation des
Zeugenschutzes ist daher von den Strafgerichten auch bei der Auslegung
des § 241 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen. Nach dieser
Vorschrift können solche Fragen als ungeeignet
zurückgewiesen werden, die die Ermittlung der Wahrheit nicht
oder nicht in rechtlich erlaubter Weise fördern (vgl.
Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 241
Rdn. 6). Letzteres ist unter anderem dann der Fall, wenn Fragen auf die
Aufdeckung von Umständen abzielen, die einer auch im
Strafprozess zu respektierenden Geheimhaltungspflicht unterliegen, etwa
Fragen an einen Richter, die das Beratungsgeheimnis berühren,
oder an einen Beamten zu Angelegenheiten, für die er keine
Aussagegenehmigung besitzt (vgl. Gollwitzer aaO Rdn. 14). Hierauf ist
die Anwendbarkeit des § 241 Abs. 2 StPO zum Schutz
geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen indessen nicht
beschränkt. Er kann vielmehr auch dann herangezogen werden,
wenn durch die Fragen das gesetzlich anerkannte (§ 3 ZSHG),
aber im Strafprozess grundsätzlich nachrangige (§ 10
Abs. 3 ZSHG) und daher nicht zwingend zu berücksichtigende
Interesse an der Geheimhaltung von Zeugenschutzmaßnahmen
berührt wird. Hier hat der Tatrichter nach
pflichtgemäßem Ermessen darüber zu
befinden, ob die Beantwortung der Fragen zur Erforschung der Wahrheit
erforderlich ist (§ 244 Abs. 2 StPO) oder ob diese in keinem
Bezug zum Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch stehen 25
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und daher für das Urteil keine Bedeutung gewinnen
können. Dabei sind die Bedeutung und der Beweiswert der Frage
vor dem Hintergrund des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme
einerseits und die jeweilige Geheimhaltungsbedürftigkeit der
erfragten Umstände im Hinblick auf die Effektivität
des Zeugenschutzes andererseits miteinander abzuwägen. Dies
gilt namentlich, wenn die Fragen auf die Überprüfung
der Glaubwürdigkeit des geschützten Zeugen oder die
Glaubhaftigkeit seiner Angaben abzielen. Kommt der Tatrichter bei der
vorzunehmenden Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Beantwortung
der Fragen für seine Überzeugungsbildung keine
Bedeutung gewinnen wird, so kann er den Geheimhaltungsinteressen den
Vorrang einräumen und die Fragen als ungeeignet
zurückweisen, da sie nichts zur Wahrheitsfindung beitragen.
Die grundsätzliche Geheimhaltungsbedürftigkeit der
erfragten Tatsachen rechtfertigt es, in diesem Fall von dem Grundsatz
abzuweichen, dass Fragen nicht allein deshalb nach § 241 Abs.
2 StPO zurückgewiesen werden dürfen, weil sie nach
Ansicht des Gerichts nicht erheblich sind, und dieses sich vielmehr ein
Urteil darüber, ob die Antwort für die Entscheidung
von Bedeutung ist, erst dann bilden soll, wenn es die Antworten
gehört hat (vgl. BGH NStZ 1984, 133; 1985, 183, 184). Die
danach zulässige, vorweggenommene
Erheblichkeitsprüfung ist Teil der
Überzeugungsbildung des Gerichts, für die der
Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt (§ 261
StPO). Das Revisionsgericht kann in diese nur eingreifen, wenn dem
Tatrichter bei seiner Würdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
Es gelten hier dieselben Grundsätze, die auch sonst
für die Überprüfung der tatrichterlichen
Beweiswürdigung in der Revisionsinstanz Anwendung finden. 26
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Nach diesen Maßstäben wird dem Interesse an der
Geheimhaltung von Zeugenschutzmaßnahmen in weitem
Maße Rechnung getragen werden können; denn die
genaue Art und nähere Ausgestaltung dieser Maßnahmen
ist für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar ohne
Belang und wird nur in seltensten Fällen für die
Beurteilung der Glaubwürdigkeit des geschützten
Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage bestimmende Bedeutung
gewinnen. Sollte sich im Einzelfall dennoch ergeben, dass die
Geheimhaltungsbedürftigkeit eines Umstandes von solchem
Gewicht ist, dass sie die Zurückweisung einer Frage erfordert,
obgleich die Aufklärungspflicht an sich deren Beantwortung
gebieten würde, so wird der Tatrichter dieses
Aufklärungsdefizit ähnlich wie bei gesperrten Zeugen
oder sonstigen Beweismitteln durch eine besonders vorsichtige
Beweiswürdigung und gegebenenfalls die Anwendung des
Zweifelssatzes auszugleichen haben (vgl. BGHSt 49, 112). 27 III. Das
landgerichtliche Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Eines
näheren Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen
sowie die Sachrüge bedarf es daher nicht. Jedoch weist der
Senat für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Revision
auch mit der auf die Verletzung des § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO
gestützten Rüge nach § 338 Nr. 5 StPO
erfolgreich gewesen wäre, soweit sie beanstandet hat, dass der
Angeklagte während der Vernehmung des Zeugen Ki. nicht
verteidigt war. Im Übrigen wird es sich - unabhängig
davon, ob 28
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die Rügen der Verletzung von § 191 GVG, § 74
Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 2 StPO ebenfalls durchgegriffen
hätten - für die neue Hauptverhandlung empfehlen,
eine andere Dolmetscherin für die litauische Sprache
beizuziehen.
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