BGH,
Urt. v. 15.12.2005 - 4 StR 283/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 283/05
vom 15.12.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15.12.2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Maatz,
Athing, Dr. Ernemann, Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible als
beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das
Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Februar 2005 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten
hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die
Staatskasse. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das Landgericht hat den
Angeklagten wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung
ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die
Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung sachlichen Rechts
gestützten Revisionen. Der Angeklagte macht insbesondere
geltend, das Landgericht habe bei Auslegung der der Verurteilung
zugrunde liegenden Äußerungen gegen Art. 5 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes verstoßen. Die Staatsanwaltschaft
wendet sich mit ihrem auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkten und insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen
Rechtsmittel gegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe in
einem vermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt. Ferner beanstandet sie die
Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der
Freiheitsstrafe zur Bewährung. 1 Die Rechtsmittel haben keinen
Erfolg. 2
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I. 1. Gegenstand der Verurteilung ist eine Rede, die der Angeklagte in
seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands
Nordrhein-Westfalen der NPD anlässlich einer Demonstration am
26. Juni 2004 in Bochum hielt. Das Landgericht hat hierzu folgende
Feststellungen getroffen: 3 Die Stadt Bochum beabsichtigte, die
jüdische Gemeinde bei der Neuerrichtung einer Synagoge
finanziell zu unterstützen. Zunächst wurden zwei
gegen dieses Vorhaben gerichtete, vom Landesverband der NPD unter dem
Motto "Stoppt den Synagogenbau - 4 Millionen für das Volk!"
geplante Aufzüge mit Kundgebungen behördlich
untersagt. Auch ein weiterer Antrag des Landesverbands auf
Durchführung einer Demonstration, nunmehr unter dem Motto
"Keine Steuergelder für den Synagogenbau. Für
Meinungsfreiheit", wurde behördlicherseits nicht genehmigt.
Jedoch stellte das Bundesverfassungsgericht am 23. Juni 2004 im Wege
der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gegen die Verbotsanordnung wieder her, so dass der Aufzug am 26. Juni
2004 schließlich durchgeführt wurde. Gegen 14.00 Uhr
hielt der Angeklagte anlässlich einer Zwischenkundgebung vor
etwa 150 Demonstrationsteilnehmern, zahlreichen Gegendemonstranten und
den Demonstrati-onsverlauf beobachtenden Polizeikräften die
verfahrensgegenständliche Rede, in der er zunächst
auf die Schuldenlast der Stadt Bochum sowie auf die Vorrangigkeit der
Finanzierung anderer, städtischer Projekte hinwies und die
geplante finanzielle Unterstützung des Synagogenbaus deswegen
als Steuergeldverschwendung für eine "ausgewählte
Minderheit" bezeichnete. Sodann äußerte er sich
wörtlich: 4
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" ... Kameradinnen und Kameraden, wie bereits erwähnt, wurde
uns im Vorfeld immer wieder antijüdisches Verhalten
vorgeworfen. Beschäftigen wir uns doch einmal mit den Juden an
sich und nehmen dafür einfach einmal ein paar Fakten zur Hand.
Ich habe mich in der Vorbereitung meiner Rede mal etwas mit der
jüdischen Religions- und Wertevorstellung auseinandergesetzt
und dafür ein wenig ... im babylonischen Talmud
geschmökert. Der babylonische Talmud ist zu vergleichen mit
der Bibel der Christen, die noch heute als Gesetzbuch für
viele Gläubige gilt. So heißt es im Talmud unter
Nidda 47b: 'Das drei Jahre und einen Tag alte Mädchen wird
durch Begattung verlobt, wenn es aber unter drei Jahren ist, so ist der
Beischlaf gerade soviel, als wenn jemand mit dem Finger das Auge
berührt. Es beschädigt nicht die
Jungfräulichkeit, weil der Stempel wieder
zurückwächst.' Das heißt, dass ein
Mädchen von drei Jahren und einem Tag also zum
Geschlechtsverkehr geeignet ist. ... wenn es das ist, was in einer
Synagoge gelehrt wird, dann haben wir unser heutiges Motto viel zu
milde ausgedrückt. Wenn so was in einer Synagoge gelehrt wird,
denn möchte ich persönlich keine Synagoge noch
anderswo haben." An die Gegendemonstranten gewandt fuhr der Angeklagte
anschließend wie folgt fort: 5 "Im Weltnetz fand ich gestern
einen Antifa-Artikel, in dem uns, damit auch mir unterstellt wurde,
etwas gegen Linke, Juden, Homosexuelle, Obdachlose, Zigeuner et cetera
zu haben. ... diese Aussage stimmt nicht. Ich habe gar nichts gegen
Obdachlose." Er riet den Gegendemonstranten, falls sie in einem
"national erwachten Deutschland" nicht leben wollten, Asylantrag bei
ihren "Freunden in Israel" zu stellen, da das "deutsche Reich wohl
keine Verwendung" für sie haben werde. Seine Rede beendete er
mit den Worten: "Nichts für uns, alles für
Deutschland! Ein Volk, ein Reich, ein Glaube!" 6
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2. Das Landgericht hat den Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2
StGB in der Variante des böswilligen
Verächtlichmachens als erfüllt angesehen. Der
Angeklagte habe in seiner Rede die Menschenwürde der Juden
absichtlich angegriffen, indem er sie als unterwertige Individuen
dargestellt habe. Seine Äu-ßerungen enthielten zum
einen die konkludente Behauptung, die Mitbürger
jüdischen Glaubens billigten unter Missachtung
strafrechtlicher Schutzgüter den sexuellen Missbrauch
Minderjähriger. Zum anderen sei seinen Ausführungen
das Werturteil zu entnehmen, dass Juden deshalb unwürdig
seien, Gotteshäuser (Synagogen) zu errichten und ihnen dies
generell zu untersagen sei. 7 Zu Gunsten des Angeklagten ist das
Landgericht vom Vorliegen eines vermeidbaren Verbotsirrtums im Sinne
des § 17 StGB ausgegangen. Von der Möglichkeit einer
Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2, § 49 Abs. 1
StGB hat die Strafkammer keinen Gebrauch gemacht, sondern diesen
Gesichtspunkt lediglich im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des
Angeklagten gewertet. 8 II. 1. Revision des Angeklagten 9 a) Der
Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
Die Würdigung des Landgerichts lässt weder bei der
Auslegung der Äußerungen des Angeklagten noch bei
der Subsumtion des Geschehens unter die Vorschrift des § 130
Abs. 1 Nr. 2 StGB einen Rechtsfehler erkennen. 10
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aa) Bei der Deutung des objektiven Sinns der
Äußerungen des Angeklagten hat das Landgericht die
Anforderungen beachtet, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des
Grundgesetzes ergeben. 11 Kriterien für die Auslegung sind
neben dem Wortlaut und dem sprachlichen Kontext, in welchem die
umstrittenen Äußerungen stehen, auch für
die Zuhörer erkennbare Begleitumstände, unter denen
die Äußerungen fallen. Es ist deshalb von Bedeutung,
ob sich die Äußerungen an einen in irgendeiner
Richtung voreingenommenen Zuhörerkreis richten und ob den
Zuhörern die politische Einstellung des Angeklagten bekannt
ist. Diese Umstände können Hinweise darauf geben, wie
der durchschnittliche Zuhörer die
Äußerungen auffassen wird (vgl. BVerfGE 93, 266, 295
ff.; BVerfG NStZ 2001, 26, 27; BGHSt 40, 97, 101; BGH, Urteil vom 25.
Juli 1960 - 3 StR 23/60). 12 An diesen Grundsätzen gemessen
begegnet die Deutung des Landgerichts, der Angeklagte habe in seiner
Rede zum Ausdruck gebracht, Juden billigten ungeachtet strafrechtlicher
Verbote den sexuellen Missbrauch von Kindern und seien deshalb
unterwertige Individuen, die nicht würdig seien,
Gotteshäuser zu errichten, keinen rechtlichen Bedenken. Nach
dem Wortlaut und unter Berücksichtigung des
Erklärungszusammenhangs, in welchem die umstrittenen
Äußerungen fielen, kam vielmehr eine andere, nicht
dem Tatbestand des § 130 StGB unterfallende Auslegung nicht in
Betracht (vgl. BVerfGE aaO). 13 Bei Ermittlung des objektiven
Sinnzusammenhangs kam dem Umstand, dass sich der Angeklagte als
Funktionär der NPD und Mitveranstalter der Demonstration an
einen mehrheitlich gleichgesinnten, dem rechtsextremen politischen
Spektrum zuzurechnenden Zuhörerkreis wandte,
maßgebliche Bedeutung zu. In Anbetracht des Anlasses der
Demonstration sowie der öffentlich dis-14
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kutierten, mehrmonatigen rechtlichen Auseinandersetzungen um die
Genehmigung der Versammlung war deshalb offenkundig, dass sich der
Erwartungshorizont der Zuhörer von vornherein auf offen oder
versteckt ausgesprochene antisemitische Angriffe des Angeklagten gegen
den jüdischen Bevölkerungsanteil richteten. Zu Recht
hat das Landgericht vor diesem Hintergrund die die Rede einleitenden
Worte des Angeklagten, "das was ich sagen will, darf ich nicht sagen,
das was ich sagen darf, will ich nicht", zum einen als
Erklärung, er werde, um einer Strafbarkeit wegen
Volksverhetzung zu entgehen, seine Rede zweideutig anlegen, und zum
anderen als unmissverständliche Aufforderung an seine
Zuhörer, deshalb die Aufmerksamkeit auf
"Zwischentöne" und "konkludente Aussagen" zu richten,
ausgelegt. Schon in Anbetracht dieser Umstände lag es fern,
dass die Zuhörer die Interpretation der - jedenfalls im Kern
richtig wiedergegebenen - Stelle aus dem babylonischen Talmud durch den
Angeklagten ("Das heißt, dass ein Mädchen von drei
Jahren und einem Tag zum Geschlechtsverkehr bereit ist") als
bloße sachliche Auseinandersetzung mit der jüdischen
Glaubens- und Religionslehre auffassen würden. Aber auch der
sprachliche Kontext schließt ein solches Verständnis
aus. Der Angeklagte wandte sich in der Einleitung des umstrittenen
Redeabschnitts nämlich ausdrücklich den Juden in
ihrer Gesamtheit, nicht aber der jüdischen Glaubenslehre zu
("beschäftigen wir uns doch einmal mit den Juden an sich"). Er
sprach in diesem Zusammenhang zugleich, mithin mit Blick auf die
jüdische Bevölkerung, dem babylonischen Talmud
Verbindlichkeit im Sinne eines Gesetzbuches zu. Auch im
Übrigen spricht der Inhalt der Rede gegen die
Deutungsmöglichkeit, der Angeklagte habe lediglich zum
Ausdruck gebracht, die jüdischen Religions- und
Wertevorstellungen abzulehnen. Vielmehr bekannte er sich nicht nur
offen zu seiner ablehnenden Haltung gegenüber der
jüdischen Bevölkerung, sondern brachte
darüber hinaus seine Befürwortung nationalsozi-15
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alistischen Gedankenguts auch im Zusammenhang mit der Ausgrenzung der
Juden und anderer unter der NS-Herrschaft verfolgter Minderheiten ("
... Linke, Juden, Homosexuelle, Obdachlose, Zigeuner et cetera ... ")
aus der Gesellschaft zum Ausdruck. Er stellte damit unverkennbar einen
Bezug zu einem im Sinne der NS-Ideologie verstandenen Antisemitismus
her. Mit alledem hat sich das Landgericht auseinandergesetzt. Es ist
deshalb auf tragfähiger Grundlage zu der Überzeugung
gelangt, der umstrittene Redeabschnitt beinhalte objektiv einen Angriff
gegen die jüdische Bevölkerung, nämlich zum
einen die Aussage, Juden tolerierten auf Grund der für sie
verbindlichen Lehren im babylonischen Talmud den sexuellen
Kindesmissbrauch, und zum anderen - mit Blick auf den Anlass der
Demonstration - die Wertung, dass sie aus diesem Grunde
unwürdig seien, Synagogen zu errichten. 16 bb) Die
Äußerungen des Angeklagten erfüllen den
objektiven und subjektiven Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2
StGB in der Alternative des böswilligen
Verächtlichmachens. 17 (1) Durch die Behauptung, Juden
billigten ungeachtet strafrechtlicher Verbote wegen anderer,
für sie vorrangiger Lehren im Talmud den sexuellen Missbrauch
von Kindern, unterstellte der Angeklagte ihnen die kollektive
Missachtung der staatlichen Rechtsordnung in einem besonders
verwerflichen, von der Öffentlichkeit als
verabscheuungswürdig beurteilten
Kriminalitätsbereich. Hierdurch stellte er die Gesamtheit der
Juden als Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130
StGB (MünchKomm Miebach/Schäfer § 130 Rdn.
25 m.w.N.) als der Achtung der Staatsbürger unwert oder
unwürdig dar (vgl. BGHSt 3, 346, 348; 7, 110, 111). 18
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Zu Recht hat das Landgericht darüber hinaus in dem Verhalten
des Angeklagten einen Angriff gegen die Menschenwürde der
Betroffenen gesehen. Ein Angriff auf die Menschenwürde ist,
soweit es sich um Äußerungen handelt, die, wie hier,
die jüdische Bevölkerung betreffen, stets dann
gegeben, wenn sich der Täter mit der nationalsozialistischen
Rassenideologie identifiziert, oder seine Äußerungen
damit im Zusammenhang stehen (vgl. BGHSt 40, 97, 100; BVerfG NStZ 2001,
26, 28). So verhält es sich hier. Wer, wie der Angeklagte, vor
dem geschichtlichen Hintergrund der nationalsozialistischen
Judenverfolgung und der damit einhergehenden systematischen
Zerstörung von Synagogen in einer die NS-Ideologie
befürwortenden antisemitischen Gesinnung zum Ausdruck bringt,
Juden seien nicht würdig, Synagogen zu errichten, trifft diese
im Kernbereich ihrer Persönlichkeit. 19 Die Feststellungen
belegen schließlich, dass die Tat geeignet war, den
öffentlichen Frieden zu stören. Dieses Merkmal setzt
nicht voraus, dass der öffentliche Friede schon
gestört worden ist. Es genügt, dass berechtigte
Gründe für die Befürchtung vorliegen, der
Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche
Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der
Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet (BGHSt 16, 49,
56). Bei einem Bekenntnis zu antisemitischen Anschauungen unter
gleichzeitiger Befürwortung der NS-Ideologie im Rahmen einer
öffentlichen Versammlung steht dies außer Frage. 20
(2) Schließlich begegnen auch die Ausführungen des
Landgerichts zur inneren Tatseite keinen rechtlichen Bedenken. 21 Zu
Recht hat das Landgericht schon aus dem festgestellten Bekenntnis zu
einem an der NS-Ideologie orientierten Antisemitismus den Schluss
gezogen, der Angeklagte habe mit seiner Rede die
Herabwürdigung und Kränkung 22
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der Juden im Kernbereich ihrer Persönlichkeit bezweckt, mithin
auch in böswilliger, nämlich in feindseliger und
verwerflicher Gesinnung gehandelt (vgl. BGH NJW 1964, 1481, 1483
m.w.N.). Darauf, ob die vom Angeklagten vorgenommene Interpretation der
Talmudstelle als möglich oder zumindest hinnehmbar angesehen
werden kann und ob der Angeklagte dies gegebenenfalls angenommen hat,
kommt es deshalb, entgegen der Auffassung der Revision, bei Beurteilung
des subjektiven Tatbestandes nicht an. (3) Soweit sich der Angeklagte
zur Rechtfertigung auf ein aus § 193 StGB abgeleitetes "Recht
auf Gegenschlag" beruft, geht dieser Einwand bereits deshalb fehl, weil
in Anbetracht des absoluten Schutzes der Menschenwürde eine
Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht
stattfindet (BVerfG NStZ 2003, 655 f.; von Bubnoff in LK 11. Aufl.
§ 130 Rdn. 30). 23 2. Revision der Staatsanwaltschaft 24 Der
Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg ebenfalls versagt.
Der Rechtsfolgenausspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum
Vorteil des Angeklagten auf. 25 a) Die Annahme eines vermeidbaren
Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB
hält rechtlicher Überprüfung noch stand. 26
Das Landgericht ist unter Berücksichtigung der
äußeren Umstände der Rede zu Gunsten des
Angeklagten davon ausgegangen, dass er in Folge eines
Subsumtionsirrtums irrig annahm, seine in tatsächlicher
Hinsicht zutreffend erkannten Äußerungen seien noch
vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung 27
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gedeckt und erfüllten sonach noch nicht die normativen
Tatbestandsmerkmale des § 130 StGB. Die dieser rechtlichen
Bewertung zu Grunde liegende Würdigung des Landgerichts ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere
Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar
näher gelegen hätte. 28 Die vom Generalbundesanwalt
aufgeführten Widersprüche, Lücken und
Darlegungsmängel weist das angefochtene Urteil nicht auf. Das
Landgericht konnte aus dem Wortlaut und den äußeren
Umständen der Rede einerseits darauf schließen, der
Angeklagte habe unter dem Deckmantel bewusst mehrdeutig angelegter
Formulierungen zielgerichtet antisemitische Agitation betrieben und
andererseits gerade aus der bei der Wortwahl zu Tage getretenen
Sorgfalt zusammen mit der herausfordernden Art seines Vortrags vor den
Augen der Polizei folgern, der Angeklagte habe nicht
ausschließbar gemeint, wegen der von ihm vorgenommenen
Verschleierung seiner Aussagen noch dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes zu unterfallen. Eine solche Wertung ist auf
der Grundlage der getroffenen Feststellungen jedenfalls
möglich und vom Revisionsgericht deshalb hinzunehmen. 29
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b) Die Erwägungen der Strafkammer zur Aussetzung der
verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung lassen
Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen. 30
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible |