BGH,
Urt. v. 15.7.2005 - 2 StR 131/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 131/05
vom
15.7.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Menschenhandels u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom
6.07.2005 in der Sitzung am 15.07.2005, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt sowie
Rechtsanwalt
für den Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Z. ,
- in der Verhandlung vom 6.07.2005 -
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
für die Nebenklägerinnen A. , T. und
Sy. ,
Rechtsanwältin
für die Nebenklägerin Ka.
in der Verhandlung am 6.07.2005,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
- 4 -
I. Auf die Revisionen der Angeklagten L. und S. wird das
Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. August 2004,
1. im Schuldspruch dahin geändert und klargestellt,
daß
a) der Angeklagte L. unter Freisprechung im übrigen
hinsichtlich
der Fälle II 2-9 schuldig ist
- des Menschenhandels in Tateinheit mit zweifacher Zuhälterei
und mit Urkundenfälschung (Fälle II 2 und 4)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und
mit Einschleusen von Ausländern (Fall II 3)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei, mit
Ausbeutung von Prostituierten und mit Einschleusen von
Ausländern (Fall II 5)
- des schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei,
mit Ausbeutung von Prostituierten und mit Einschleusen
von Ausländern (Fälle II 6-7)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei, mit
Ausbeutung von Prostituierten, mit Einschleusen von
Ausländern und mit Urkundenfälschung (Fall II 8)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und
mit Ausbeutung von Prostituierten (Fall II 9);
b) der Angeklagte S. unter Freisprechung im übrigen
schuldig ist
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- der Beihilfe zur Zuhälterei in Tateinheit mit Menschenhandel,
mit Zuhälterei, mit Ausbeutung von Prostituierten
und mit Einschleusen von Ausländern (Fälle II 2 und 8)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit zweifacher Zuhälterei,
mit zweifacher Ausbeutung von Prostituierten
und mit zweifachem Einschleusen von Ausländern (Fälle
II 5 und 6)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und
mit Ausbeutung von Prostituierten (Fall II 9);
2. im Strafausspruch
a) hinsichtlich des Angeklagten L. in den Fällen II 2, 4, 6, 7
und 8 und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe
b) hinsichtlich des Angeklagten S. in den Fällen II 2, 5, 6
und 8 und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe
jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Nebenklägerin
A. wird das vorbezeichnete Urteil im Fall II 1 der
Urteilsgründe
sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten L.
betrifft.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts Darmstadt
zurückverwiesen.
- 6 -
IV. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten L. und S.
sowie der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
V. Die Revision des Angeklagten Z. wird verworfen. Der
Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den
Nebenklägerinnen Sy. und N. dadurch entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten - unter Freisprechung im
übrigen -
wie folgt verurteilt:
1. den Angeklagten L. wegen "der gemeinschaftlichen Ausbeutung von
Prostituierten in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender
Zuhälterei
und dem Einschleusen von Ausländern in drei Fällen,
in zwei Fällen
in Tateinheit mit Menschenhandel, der ausbeuterischen
Zuhälterei in
zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit dirigierender
Zuhälterei sowie
des Menschenhandels in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender
Zuhälterei und dem Einschleusen von Ausländern, des
Menschenhandels
in Tateinheit mit ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei,
der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit
Menschenhandel sowie dirigierender Zuhälterei, des schweren
Menschenhandels
sowie der Urkundenfälschung in zwei weiteren Fällen"
zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten,
- 7 -
2. den Angeklagten S. wegen "der gemeinschaftlichen Ausbeutung von
Prostituierten in Tateinheit mit Menschenhandel, dirigierender
Zuhälterei
und dem Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen,
in einem Fall in
Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei sowie der Beihilfe
zur ausbeuterischen
Zuhälterei, der gemeinschaftlichen Ausbeutung von
Prostituierten
in Tateinheit mit Menschenhandel und dirigierender Zuhälterei,
der gemeinschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten in Tateinheit mit
ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei sowie dem
Einschleusen
von Ausländern" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
und
vier Monaten,
3. den Angeklagten Z. wegen "der Beihilfe zur gemeinschaftlichen
Ausbeutung
von Prostituierten, zum Menschenhandel und zur dirigierenden
Zuhälterei, der Beihilfe zur gemeinschaftlichen Ausbeutung von
Prostituierten,
zum Menschenhandel, zur ausbeuterischen und dirigierenden
Zuhälterei, der Beihilfe zur ausbeuterischen und dirigierenden
Zuhälterei"
zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von
neun Monaten.
Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte L. Kontakte zu
ausländischen
Mittelsmännern, die osteuropäische Frauen zwecks
Ausübung der
Prostitution nach Deutschland vermittelten. Im Zeitraum Juni 2002 bis
März
2003 nahm er nacheinander mehrere, in der Regel mit einem Touristenvisum
eingereiste und schon zur Ausübung der Prostitution
entschlossene Frauen in
Deutschland in Empfang. Die Frauen wurden durch den Angeklagten L. , der
über Kontakte zu verschiedenen Bordellbetreibern
verfügte und an einem Bordell
als stiller Teilhaber selbst beteiligt war, unter Mithilfe der
Angeklagten
S. , Z. und des früheren Mitangeklagten K. in unterschiedliche
- 8 -
Etablissements im Raum Hessen/Rheinland-Pfalz verbracht, wo sie der
Prostitution
nachgingen. Von ihren Einnahmen mußten die Frauen 50-60 % an
den
jeweiligen Bordellbetreiber und von den verbleibenden 40-50 % noch
einmal
die Hälfte an den Angeklagten L. abführen, der
entweder selbst wöchentlich
die Zahlungen entgegennahm oder dabei von dem Angeklagten S. vertreten
wurde. Darüber hinaus mußten die Frauen für
Unterkunft und Verpflegung
selbst aufkommen und von dem Angeklagten L. verauslagte Kosten
für die
Einreise oder für die Verlängerung des Visums
"abarbeiten". Während ihrer
Tätigkeiten in Deutschland unterlagen die der deutschen
Sprache weitgehend
unkundigen Frauen strengen Verhaltensregeln. So waren Kontakte mit
Kunden
außerhalb der jeweiligen Barbetriebe verboten, die
Arbeitszeit war exakt vorgegeben,
freie Tage wurden nur in Ausnahmefällen von dem Angeklagten L.
oder seinem Stellvertreter, dem Angeklagten S. , der selbst ein Bordell
führte, gewährt. Einkaufen oder Ausgehen durften die
Frauen - wenn überhaupt
- in der Regel nur in Begleitung. Teilweise wurden ihre Pässe
von dem
Angeklagten L. einbehalten. Die erforderlich werdenden
Aufenthaltsverlängerungen
bei Ablauf der Visa wurden durch ihn unter falschen Angaben beim
Ausländeramt veranlaßt, zum Teil ließ er
auch gefälschte Stempelabdrucke in
die Pässe der Frauen einbringen. Bei
Regelverstößen sowie Arbeitsverweigerung
verhängte der Angeklagte L. Geldstrafen, die die Frauen
abarbeiten
mußten. Darüber hinaus bestand die Strafandrohung
eines sogenannten "Subotniks",
worunter in russischen Kreisen verstanden wird, daß eine Frau
mehreren
Männern gleichzeitig und unentgeltlich nach deren
Wünschen sexuell zur
Verfügung stehen muß. Immer, wenn es dem Angeklagten
L. erfolgversprechend
erschien, wurden die Frauen - auch gegen ihren Willen - jeweils in einem
anderen Bordell oder auch in wechselnden "Privatwohnungen" unterge-
9 -
bracht. Dabei bediente sich der Angeklagte L. u.a. der Mithilfe des
Angeklagten
Z. .
Die Revisionen der Angeklagten L. , S. und Z. rügen die
Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte L. erhebt
darüber hinaus zwei
Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel der beiden erstgenannten
Angeklagten führen
zur teilweisen Änderung der Schuldsprüche und zur
teilweisen Aufhebung
der Strafaussprüche, bleiben im übrigen aber - wie
die Revision des Angeklagten
Z. insgesamt - ohne Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge
gestützten
Revision die Schuldsprüche hinsichtlich der Angeklagten L. ,
S. und
Z. im Fall II 6 der Urteilsgründe sowie den Schuldspruch nur
hinsichtlich
des Angeklagten L. in den Fällen II 1 und 7
einschließlich der diesen
zugrunde liegenden Einzelstrafen sowie die verhängten
Gesamtfreiheitsstrafen.
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat nur
hinsichtlich des Falles II 1 sowie des Gesamtstrafenausspruchs Erfolg,
ebenso
die Revision der Nebenklägerin A. , die - gestützt
auf die Sachrüge - die
Nichtverurteilung des Angeklagten L. auch wegen Menschenhandels im Fall
II 1 der Urteilsgründe rügt.
A) Revision des Angeklagten L.
I. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1. Erfolglos macht die Revision geltend, der absolute Revisionsgrund
des § 338 Nr. 6 StPO sei gegeben. Sie beanstandet, die
Strafkammer habe
während der Vernehmung der Zeugin Ka. rechtsfehlerhaft den
Ausschluß
der Öffentlichkeit angeordnet:
- 10 -
Die Zeugin Ka. war in Rußland von Unbekannten zu Hause
aufgesucht
und in ein Parkhaus verbracht worden, wo ihr "Probleme"
angekündigt
wurden, sollte sie ihre im Ermittlungsverfahren getätigte
Aussage in der in
Deutschland bevorstehenden Hauptverhandlung nicht "richtig stellen".
Wenn bei einer solchen Sachlage ein Tatrichter im Rahmen seines
Beurteilungsspielraums
eine Gefährdung von Leib und Leben einer Zeugin besorgt
und - gestützt auf § 172 Nr. 1 a GVG - in
Ausübung seines Ermessens
(vgl. BGH NStZ-RR 2004, 116, 118) für die Dauer der Vernehmung
dieses
Zeugen die Öffentlichkeit ausschließt,
läßt das einen Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Auch die gegen die Verwertung von Erkenntnissen aus
Telefonüberwachungen
gerichtete Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg.
Unbeschadet der Frage, ob die Verfahrensrüge - wie vom
Generalbundesanwalt
ausgeführt - den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO
hier nicht
genügt, kommt ein Verwertungsverbot nicht in Betracht, da der
Ermittlungsrichter
des Amtsgerichts bei Anordnung der Telefonüberwachung
rechtsfehlerfrei
die Voraussetzungen des § 100 a StPO für gegeben
erachtet hat (BGHSt 41,
30, 33; 47, 362, 365; 48, 240, 248). Nach dem der ersten
Telefonüberwachungsmaßnahme
zugrundeliegenden, von der Revision zudem nur unvollständig
mitgeteilten, polizeilichen Vermerk vom 31. Januar 2003 gab es konkrete
Hinweise, daß mehrere osteuropäischen Frauen mit
illegal erlangten Visa
von einer noch unbekannten Tätergruppe zwecks
Ausübung der Prostitution
nach Deutschland eingeschleust wurden. Dies begründete den
Verdacht des
gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
nach § 92 a Abs. 2 Nr. 1
AuslG, einer Katalogtat gemäß § 100 a Nr. 5
StPO.
- 11 -
II. Die Sachrüge hat teilweise Erfolg.
1. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten L. wegen Menschenhandels
in den Fällen II 3 und 4 (T. ), II 5 (Sy. ) und II 8 (Ka.
) ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision hat die
Strafkammer in diesen Fällen rechtsfehlerfrei eine
auslandsspezifische Hilflosigkeit
der Frauen im Sinne des § 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB aF
angenommen.
Auslandsspezifische Hilflosigkeit setzt voraus, daß die
betroffene Person aufgrund
der spezifischen Schwierigkeiten des Auslandsaufenthalts nach ihren
persönlichen Fähigkeiten nicht oder nur wesentlich
eingeschränkt in der Lage
ist, sich dem Verlangen nach sexueller Betätigung zu
widersetzen. Maßgebliche
Entscheidungskriterien sind u.a. mangelhafte bzw. nicht vorhandene
Deutschkenntnisse, die Verfügungsmöglichkeit
über Barmittel, das Maß der
Überwachung durch den und das Ausmaß der
persönlichen Abhängigkeit von
dem Täter sowie die Möglichkeit, die Bundesrepublik
wieder zu verlassen, die
dann eingeschränkt sein kann, wenn der Täter die
Ausweispapiere der eingereisten
Frauen an sich genommen hat (BGH NStZ 1999, 349, 350; NStZ-RR
2004, 233).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Tatrichter nicht zuletzt
unter dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck von der
Persönlichkeitsstruktur
der jeweiligen Frauen die maßgeblichen Gesichtspunkte
gegeneinander
abzuwägen und eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Hier
hat die
Strafkammer in allen von der Revision gerügten Fällen
die entscheidungsrelevanten
Kriterien herausgearbeitet. Daß sie unter
Berücksichtigung der im Rahmen
der Hauptverhandlung offenbar gewordenen
Persönlichkeitsstruktur der
Zeuginnen T. , Sy. und Ka. im Rahmen der Gesamtwürdigung
von einer auslandsspezifischen Hilflosigkeit zumindest in der
maßgebli-
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chen ersten Phase deren Aufenthalts in Deutschland (BGH NStZ-RR 2004,
233) ausgegangen ist, läßt einen Rechtsfehler nicht
erkennen.
Der Schuldspruch ist auch angesichts des § 2 Abs. 3 StGB nicht
zu beanstanden.
Der Tatrichter durfte hinsichtlich des Menschenhandels das Tatzeitrecht
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB) zugrunde legen. Durch das
37.
Strafrechtsänderungsgesetz (vom 11.02.2005; in Kraft seit dem
19. Februar
2005) wurde § 180 b StGB aufgehoben. Dies ist im
Revisionsverfahren
gemäß § 354 a StPO; § 2 Abs. 3
StGB zu beachten. Doch sind die §§ 232,
233, 233 a und 233 b StGB neu eingefügt worden, wodurch das
Verhalten des
Angeklagten jetzt erfaßt wird. § 232 StGB
(Menschenhandel zum Zwecke der
sexuellen Ausbeutung) stellt im Sinne notwendiger
Unrechtskontinuität eine
Nachfolgeregelung zu § 180 b StGB dar. Es liegt nahe,
daß der Angeklagte
hier die Voraussetzungen nicht nur des § 232 Abs. 1 StGB nF,
der einen identischen
Strafrahmen eröffnet, sondern sogar die Qualifikation des
§ 232 Abs. 3
Nr. 3 StGB nF (gewerbsmäßig) erfüllt hat.
Danach kann ausgeschlossen werden,
daß der Tatrichter einen minder schweren Fall
gemäß § 232 Abs. 5 StGB
nF angenommen hätte. Somit ist das neue Recht nicht das
mildere Recht (§ 2
Abs. 3 StGB) und es bleibt beim Tatzeitrecht.
2. Ebenso ist im Fall II 7 der Urteilsgründe - Verurteilung
des Angeklagten
L. wegen schweren Menschenhandels zum Nachteil der Zeugin N.
- § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB gegenüber dem vom
Tatrichter angewandten
§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF nicht das mildere Recht.
3. Auch die von der Revision gerügte Verurteilung des
Angeklagten L.
wegen ausbeuterischer Zuhälterei der Zeugin A.
gemäß § 181 a Abs. 1 Nr.
1 StGB im Fall II 2 der Urteilsgründe ist frei von
Rechtsfehlern. Ausbeutung
liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil
der Ein-
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nahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden
Beschränkung der persönlichen
und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit
führt, die
geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der Prostitution zu
erschweren (Tröndle/
Fischer StGB 52. Aufl. § 181 a Rdn. 7). Zwar setzt eine solche
Annahme im
Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben
der Prostituierten
voraus (BGH NStZ 1989, 67). Allerdings steht das Fehlen exakter
Feststellungen
zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer
Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn - wie hier die Zeugin
A. - eine
Prostituierte allein 60 % ihrer Einnahmen an den Bordellbetreiber zu
zahlen,
von den verbleibenden 40 % noch einmal die Hälfte an ihren
Zuhälter abzuführen
und von den ihr damit nur noch zur Verfügung stehenden 20 %
die Mietkosten
zu bestreiten und hohe Strafgelder für jegliches Fehlverhalten
zu entrichten
hat, ist ohne weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181
a Abs.
1 Nr. 1 StGB auszugehen (BGH NStZ 1999, 349, 350; BGH,
Beschluß vom 20.
April 2004 - 4 StR 67/04).
4. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer den Angeklagten L. im Fall II
9 der Urteilsgründe wegen Menschenhandels
gemäß § 180 b Abs. 2 Nr. 2
StGB zum Nachteil der Prostituierten M. verurteilt. Der Strafkammer war
es nicht verwehrt, aus den im Rahmen einer Polizeikontrolle
festgestellten
Paßeintragungen auf das Alter der Prostituierten von unter 21
Jahren zu
schließen. Konkrete Anhaltspunkte für eine
Fälschung des Reisepasses sind
nicht ersichtlich. Im übrigen hätte selbst bei einer
Paßfälschung keine Veranlassung
bestanden, das Geburtsdatum vorzudatieren, um so möglicherweise
eine Bestrafung wegen Menschenhandels zu riskieren.
5. Ebenso wenig ist die Verurteilung des Angeklagten L. wegen
Urkundenfälschung
im Fall II 8 der Urteilsgründe zu beanstanden. Die Beweis-
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würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters.
Daß die Strafkammer aufgrund
der Aussage der Zeuginnen Ka. und Ks. sowie aufgrund der
zum Paß der Zeugin T. getroffenen, durch ein
Behördengutachten gestützten
Feststellungen (Fall II 4 der Urteilsgründe) den
Schluß gezogen hat,
auch der Stempel im Paß der Zeugin Ka. sei gefälscht
gewesen, ist
möglich und im Revisionsverfahren hinzunehmen. Im
übrigen haben die Strafkammer
und sämtliche Prozeßbeteiligten - anders als die
Revision vorträgt -
den Paß der Zeugin Ka. im Verlaufe der Hauptverhandlung in
Augenschein
genommen (Bd. VII Bl. 726 der Hauptakte).
6. Keinen Bedenken unterliegt auch die von der Revision nicht im
einzelnen
gerügte Verurteilung des Angeklagten L. wegen Einschleusens von
Ausländern im Fall II 3 der Urteilsgründe. Indem der
Angeklagte - wie auch in
den Fällen II 5, 6 und 8 - eine Verlängerung des
bereits zwei Wochen nach der
Einreise abgelaufenen Visums unter Benennung eines falschen Wohnorts der
Zeugin T. bei gleichzeitigem Verschweigen ihres wahren Aufenthaltszwecks
beantragte, unterstützte er diese mit falschen Angaben
gemäß § 92
Abs. 2 Nr. 2 AuslG i.V.m. § 13 Abs. 1 AuslG, was seine
Strafbarkeit nach
§ 92 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG begründet. Der am
1.01.2005 in Kraft getretene
§ 96 Abs. 1 AufenthG, der § 92 a Abs. 1 AuslG
ersetzt, weist den gleichen
Strafrahmen auf und ist kein milderes Gesetz im Sinne des § 2
Abs. 3
StGB.
7. Teilweise rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten L. ist
hingegen
die tatrichterliche Beurteilung der Konkurrenzen.
Die Strafkammer hat nicht bedacht, daß das von dem
Angeklagten L.
jeweils verwirklichte Dauerdelikt der Zuhälterei mehrere
Handlungen zum
Nachteil verschiedener Frauen zur Tateinheit verklammern kann, wenn -
wie
- 15 -
hier - von demselben Täter zeitgleich auf mehrere
Geschädigte in demselben
Bordell eingewirkt wird (BGHSt 48, 314, 322; Tröndle/Fischer
aaO § 181 a
Rdn. 27). Das kann auch dann der Fall sein, wenn mehrere Frauen
sukzessiv
betroffen sind (BGH aaO). Ebenso kommt eine tateinheitliche Bewertung
mehrerer
zum Nachteil verschiedener Frauen begangener Straftaten des
Menschenhandels
in Betracht, allerdings nur dann, wenn die
Ausführungshandlungen
des § 180 b StGB aF gegenüber mehreren
Geschädigten teilidentisch sind
(BGH, Beschluß vom 25. August 1999 - 3 StR 290/99; Urteil vom
17. März
2004 - 2 StR 473/03, insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2004, 233;
Tröndle/
Fischer aaO § 180 b Rdn. 25). Bei § 180 b Abs. 2 Nr.
1 und 2, 1. Alt. StGB -
Einwirken mit dem Ziel der Prostitutionsausübung - handelt es
sich nämlich um
ein Unternehmensdelikt, das mit dem Beginn des Einwirkens bereits
vollendet
und spätestens mit dem Beginn der
Prostitutionsausübung beendet ist (Tröndle/
Fischer aaO § 180 b Rdn. 17 und 23). Demzufolge führt
- anders als beim
Dauerdelikt der Zuhälterei - nicht schon eine
vorübergehend gleichzeitige Anwesenheit
mehrerer Frauen in demselben Bordell zum Konkurrenzverhältnis
der Tateinheit. Vielmehr müssen sich - was hier nicht der Fall
ist - die der Prostitutionsausübung
vorgeschalteten Einwirkungshandlungen zeitlich überschneiden.
Auch § 181 a StGB kann als minder schweres Delikt die nach
alledem
selbständigen Taten des Menschenhandels zum Nachteil
verschiedener
Frauen nicht zur Tateinheit verklammern (vgl. Rissing-van Saan in LK
11. Aufl.
§ 52 Rdn. 27 ff.).
Darüber hinaus hat die Strafkammer verkannt, daß es
sich in den Fällen
II 6 und 7 der Urteilsgründe (Straftaten zum Nachteil der
Zeugin N. )
um eine Tat handelt. Das Dauerdelikt der Zuhälterei ist
nämlich erst mit der
Beendigung des rechtswidrigen Zustandes beendet (Laufhütte in
LK 11. Aufl.
vor § 174 Rdn. 20).
- 16 -
Im Ergebnis zutreffend ist hingegen die rechtliche Behandlung der
Fälle
II 3 und 4 (Straftaten zum Nachteil der Zeugin T. ) als jeweils
selbständige
Taten. Anders als die Strafkammer meint, lag die das Dauerdelikt der
Zuhälterei
unterbrechende Zäsur im Fall II 4 allerdings nicht schon in
der polizeilichen
Kontrolle, sondern erst in der einige Tage später erfolgten
Flucht der
Zeugin T. zu einem anderen Mann, wodurch sie über einen
längeren
Zeitraum dem Einflußbereich des Angeklagten L. entzogen war.
Damit ergeben sich folgende Konkurrenzen:
Die in den Fällen II 2 und 4 verwirklichten Delikte stehen
zueinander im
Verhältnis der Tateinheit, weil sich die Zuhälterei
des Angeklagten L. gleichzeitig
gegen die über einen gewissen Zeitraum gemeinsam im Bordell "C.
" tätig gewesenen Zeuginnen A. und T. richtete. Das gilt auch
für die im Fall II 4 begangene Urkundenfälschung, die
unter anderem der Aufrechterhaltung
der Zuhälterei diente. Der im Fall II 7 festgestellte schwere
Menschenhandel
steht in Tateinheit zu den gleichzeitig im Fall II 6 der
Urteilsgründe
zum Nachteil der Zeugin N. begangenen Straftaten. Die im Fall II 8
verwirklichte Urkundenfälschung steht zu den übrigen
in diesem Fall begangenen
Delikten in Tateinheit.
Im übrigen bleiben die Fälle II 3, 5 und 9, denen
jeweils zumindest auch
ein Menschenhandel zugrunde liegt, als selbständige Taten
bestehen.
Die Änderung der Konkurrenzverhältnisse und damit des
Schuldspruchs
in den Fällen II 2, 4, 6, 7 und 8 hat die Aufhebung der
zugehörigen Einzelstrafen
zur Folge. Dies entzieht auch der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
Bestehen
bleiben hingegen die Einzelstrafen in den Fällen II 3, 5 und 9.
- 17 -
B) Revision des Angeklagten S.
Die Verurteilung des Angeklagten S. in den Fällen II 5 und 8
wegen
tateinheitlich begangenen Einschleusens von Ausländern ist
nicht zu beanstanden.
Auch wenn die Strafkammer - anders als im Fall II 6 - ein
eigenhändiges
Handeln des Angeklagten S. bei den Verlängerungen der Visa
für die
Prostituierten Sy. und Ka. nicht festgestellt hat, muß dieser
sich die
Handlungen des Angeklagten L. , als dessen Stellvertreter er fungierte,
nach
den Grundsätzen der Mittäterschaft zurechnen lassen.
Seine Verurteilung nur
wegen Beihilfe zur Zuhälterei im Fall II 2 beschwert ihn nicht.
Jedoch stehen die dem Angeklagten S. zur Last gelegten Taten in
den Fällen II 2 und 8 sowie II 5 und 6 im
Konkurrenzverhältnis der Tateinheit,
weil sich die Zuhälterei jeweils gleichzeitig gegen zwei
vorübergehend im selben
Bordell gemeinsam tätig gewesene Prostituierte richtete. So
gingen die
Zeuginnen A. und Ka. im März/April 2003 im "C. "
(Fälle II 2
und 8, UA S. 17, 26, 62, 63) sowie die Zeuginnen Sy. und N.
im Februar/März 2003 im "Ti. " (Fälle II 5 und 6, UA
S. 40, 45 f.) zeitgleich
unter Aufsicht der Angeklagten L. und S. der Prostitution nach.
Dies hat zur Folge, daß die diesen Fällen zugrunde
liegenden Einzelstrafen
aufzuheben und durch eine einheitliche Strafe zu ersetzen sind. Das
erfordert
auch eine Neufestsetzung der Gesamtstrafe.
C) Revision des Angeklagten Z.
Die Verurteilung des Angeklagten Z. ist frei von Rechtsfehlern.
Insbesondere ist die Annahme von Tatmehrheit zwischen den
Fällen II
5, 6 und 9 nicht zu beanstanden. Der Angeklagte Z. hat durch drei nicht
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zeitgleiche, verschiedenartige Handlungen rechtlich
selbständige Haupttaten
(Fälle II 5, 6 und 9) unterstützt.
D) Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin A.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt, soweit sie eine
Nichtverurteilung
des Angeklagten L. im Fall II 7 auch wegen Menschenhandels und
eine entsprechende Nichtverurteilung aller Angeklagter im Fall II 6 der
Urteilsgründe
rügt, einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht auf. Die
Strafkammer
hat die eingangs bereits näher skizzierten - weder
abschließenden noch zwingenden
- maßgeblichen Kriterien für eine
auslandsspezifische Hilflosigkeit festgestellt
und abgewogen. Daß sie sich unter dem Eindruck des in der
Hauptverhandlung
gewonnenen persönlichen Eindrucks von einer
auslandsspezifischen
Hilflosigkeit der Zeugin N. nicht überzeugen konnte, ist nicht
rechtsfehlerhaft.
Die Zeugin N. verfügt über eine elfjährige
Schulausbildung,
hatte bereits ein Hochschulstudium im Bereich Finanzen teilweise
absolviert
und bei einer Bank gearbeitet. Sie war zwar der deutschen Sprache nicht
mächtig, konnte sich aber in Englisch verständigen.
Während ihrer Freizeit besuchte
sie die ebenfalls in La. im "C. " tätig gewesene Zeugin A. ,
ging joggen, später auch einkaufen und in Discos, bzw. fuhr
zusammen mit einer
Freundin mit dem Zug nach F. zum Friseur. Die vorgegebenen Arbeitszeiten
hielt sie nicht ein und nahm sich "eigenmächtig" freie Tage.
Gerade
während der ersten Phase ihres Aufenthalts verfügte
sie durchgängig über ihre
Ausweispapiere und wechselte auf eigene Initiative das Bordell, um
bessere
Verdienstmöglichkeiten zu haben. Darüber hinaus
widersetzte sie sich häufig
- auch mit Erfolg - den Weisungen des Angeklagten L. , bevor sie sich
von
ihm endgültig löste und seither in Deutschland mit
einem anderen Mann zu-
19 -
sammenlebt. Angesichts auch dieser von der Strafkammer im Rahmen ihrer
Gesamtwürdigung herangezogenen Umstände war es
vertretbar, eine auslandsspezifische
Hilflosigkeit der Zeugin N. zu verneinen.
2. Hingegen führen die Revisionen der Nebenklägerin
A. und der
Staatsanwaltschaft, soweit diese die Nichtverurteilung des Angeklagten
L. im
Fall II 1 der Urteilsgründe auch wegen Menschenhandels
rügen, insoweit und
hinsichtlich des Gesamtstrafenausspruchs zur Aufhebung und
Zurückverweisung.
Zwar war es für sich genommen nicht rechtsfehlerhaft, dem
Umstand,
daß die Zeugin A. gegen den Willen des Angeklagten L.
vorübergehend
in ihr Heimatland zurückgereist war, bei Prüfung der
auslandsspezifischen Hilflosigkeit
Bedeutung beizumessen. Auch wenn - was die ausländerspezifische
Hilflosigkeit anbelangt - grundsätzlich auf den Zeitraum der
ersten Phase des
Aufenthalts der Prostituierten abzustellen ist (BGH NStZ-RR 2004, 233),
schließt dies es jedoch nicht aus, auch einem
späteren, von Selbstbewußtsein
und einer gewissen Selbständigkeit geprägten
Verhalten einer Prostituierten
indizielle Bedeutung für das Ausmaß ihrer
Hilflosigkeit auch zu einem früheren
Zeitpunkt beizumessen. Allerdings ist allein dieses spätere
Verhalten hier angesichts
der sonstigen Umstände - insbesondere fehlende
Deutschkenntnisse,
Mittellosigkeit, strenge Überwachung durch den Angeklagten L.
- nicht geeignet,
eine auslandsspezifische Hilflosigkeit zu verneinen. Vielmehr bedarf es
insoweit einer - von der Strafkammer nicht mitgeteilten -
Abwägung und Gesamtwürdigung
aller maßgeblichen Kriterien.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
daß zu prüfen
sein wird, ob sich der Angeklagte L. im Fall II 1 der
Urteilsgründe auch
wegen Einschleusens von Ausländern gemäß
§ 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1
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Nr. 1 AuslG aF strafbar gemacht hat, indem er die aus Li. stammende
Zeugin A. , zum damaligen Zeitpunkt eine sog. Positivstaaterin, die
für ihre
Einreise zwar kein Visum benötigte, die aber ohne Erlaubnis
hier nicht arbeiten
durfte, durch Vermittlung in Bordelle bei ihrem damit illegalen
Aufenthalt unterstützte
(vgl. BGH NStZ 2005, 407 und 408; StV 2005, 330, 333). Darüber
hinaus
kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten L. wegen
Urkundenfälschung
dadurch in Betracht, daß er einen falschen Stempel in dem
Paß der Zeugin
A. anbrachte. Sollte die neu entscheidende Strafkammer
schließlich erneut
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eine auslandsspezifische Hilflosigkeit der Zeugin A. verneinen, wird sie
auch eine Strafbarkeit des Angeklagten L. wegen Menschenhandels
gemäß
§ 180 b Abs. 1 StGB aF zu erwägen haben.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
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