BGH,
Urt. v. 15.6.2005 - 1 StR 491/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 491/04
vom
15.06.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Bestechlichkeit u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Ro. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Baden-Baden vom 5. Februar 2004 mit den Feststellungen
aufgehoben,
a) hinsichtlich des Angeklagten M. , soweit er vom Vorwurf
der Bestechlichkeit in 23 Fällen freigesprochen wurde,
b) hinsichtlich der Angeklagten Ro. und W. insgesamt.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Dem Angeklagten M. liegt zur Last, als Leiter des Stadtplanungs- und
Hochbauamts der Stadt G. seine Dienstpflichten verletzt zu haben, indem
er unter Einschaltung der Mitangeklagten Ro. und W. und deren Firma
Ingenieurgemeinschaft RS ein System der Vertragsweitergabe an das
zunächst
ihm gehörende, später von seinem Sohn
weitergeführte Ingenieurbüro M.
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errichtet habe. Er habe mit den Mitangeklagten Ro. und W.
eine Vereinbarung getroffen, daß diese die von ihm vergebenen
Aufträge der
Stadt G. an das Ingenieurbüro M. weitergaben. Dafür
sollten sie sich von den auf ihre Ingenieurgemeinschaft R. ausgestellten
Rechnungen Provisionen abziehen. Das Landgericht hat den Angeklagten
M. vom Vorwurf der Bestechlichkeit in 23 Fällen und des
Betrugs in
zwei Fällen sowie die Angeklagten Ro. und W. vom Vorwurf der
Bestechung
in 23 Fällen freigesprochen. Die Revisionen der
Staatsanwaltschaft richten sich
gegen die Freisprüche vom Vorwurf der Bestechlichkeit bzw.
wegen Bestechung.
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.
Das Landgericht hat im einzelnen folgende Feststellungen getroffen.
Dem Angeklagten M. oblagen unter anderem die Auswahlentscheidungen
zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurverträgen. Die
Angeklagten
Ro. und W. standen als Gesellschafter des von ihnen geführten
Unternehmens
Ingenieurgemeinschaft R. bereits seit Anfang der 80er Jahre als
Auftragnehmer bei öffentlichen Bauvorhaben in einer festen
Geschäftsbeziehung
zur Stadt G. . Im Februar 1997 trug der Angeklagte M. den
Mitangeklagten Ro. und W. den Abschluß von zwölf
Ingenieurverträgen
über Planungsarbeiten zu Bauvorhaben der Stadt G. im Wege der
freihändigen
Auftragsvergabe an. Den Abschluß dieser
Ingenieurverträge machte
der Angeklagte M. jedoch davon abhängig, daß die
Angeklagten Ro.
und W. zugleich das Ingenieurbüro M. als Subunternehmer
mit der Durchführung der Planungsarbeiten beauftragten.
Jeweils 10 bis 15 %
des Nettohonorars sollten in jedem Falle bei der Ingenieurgemeinschaft
R.
verbleiben. Inhaber der Firma M. war - formell - der Angeklagte
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M. . Faktischer Geschäftsführer dieses Unternehmens
war sein Sohn
L. M. , der die Firma Ende des Jahres 1997, nach seiner Zulassung als
beratender Ingenieur, auch formell übernahm.
Der Angeklagte M. bezweckte damit, dem von seinem Sohn
geführten Unternehmen, das unter starkem
Umsatzrückgang und mangelnder
Auslastung litt, wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die durch die
Auftragsvergabe
bewirkten Umsätze der Firma M. kamen auch dem
Angeklagten M. selbst unmittelbar zugute. Er hatte das in seinem
Miteigentum
stehende Firmengrundstück an die Firma M. vermietet,
und die Mieteinnahmen wurden zur Bedienung des Darlehens verwendet,
das zur Finanzierung des Grundstückskaufs aufgenommen worden
war. Ihm
war, wie auch den Angeklagten Ro. und W. , klar, daß er
für eine direkte
Vergabe der Aufträge an die Firma M. - und ebensowenig
für
eine Auftragsvergabe an die Ingenieurgemeinschaft R. unter Offenlegung
der
Unterbeauftragung keinesfalls die im Rahmen der
Bewirtschaftungsbefugnisse
erforderlichen Genehmigungen - je nach Auftragsvolumen - durch den
Bauamtsleiter,
den Oberbürgermeister oder den Gemeinderat der Stadt G.
erlangt hätte.
Die Mitangeklagten Ro. und W. willigten in die Bedingung ein. Im
März 1997 kam es zum Abschluß der entsprechenden
Ingenieurverträge zwischen
der Stadt G. , vertreten durch den Angeklagten M. und
den - gutgläubigen Bauamtsleiter F. , sowie, sukzessiv, der
entsprechenden
Verträge zwischen der Ingenieurgemeinschaft R. als
Auftraggeber und der
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Firma M. als Subunternehmerin. Wie von den Angeklagten
beabsichtigt, wurden die Ingenieurleistungen überwiegend von
der Firma
M. erbracht. Die Ingenieurgemeinschaft R. übte lediglich eine
Strohmannfunktion aus. Die Abrechnungen der Ingenieurleistungen durch
die
Ingenieurgemeinschaft R. und die entsprechenden Zahlungen der Stadt
G. erfolgten sukzessiv in der Zeit ab September 1997. Die Abrechnungen
zwischen der Ingenieurgemeinschaft R. und der Subunternehmerin
M. folgten jeweils anschließend dergestalt, daß die
Ingenieurgemeinschaft
R. jeweils 10 bis 15 % des Nettohonorars für sich behielt.
In der Zeit zwischen April 1997 und Oktober 1999 kam es zum
Abschluß
entsprechender Ergänzungsaufträge zwischen der Stadt
G. und der
Ingenieurgemeinschaft R. . Zwischen Oktober 1997 und Januar 2001 vergab
der Angeklagte M. im Rahmen anderer Bauprojekte weitere
Aufträge
der Stadt G. an die durch die Angeklagten Ro. und W. vertretene
R. . In allen diesen Fällen schloß die Firma R.
jeweils entsprechende Subunternehmerverträge
mit der Firma M. . Auch die Abwicklung und
die Abrechnung dieser weiteren Verträge erfolgte jeweils nach
gleichem Muster
in der Zeit bis März 2001. Die Firma M. stellte der
Ingenieurgemeinschaft
R. in der Zeit vom 30. September 1997 bis zum 14. September
2001 für Ingenieurleistungen 981.889,75 DM in Rechnung, die
als Honorar gezahlt
wurden. Bei der Ingenieurgemeinschaft R. verblieben davon brutto
204.789,20 DM.
II.
Die Freisprüche halten revisionsrechtlicher
Überprüfung nicht stand.
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Die Beschwerdeführerin beschreibt zutreffend die von den drei
Angeklagten
vereinbarte vertragliche Konstruktion als Unrechtsvereinbarung in der
Form eines Dreiecksverhältnisses: Die pflichtwidrige
Diensthandlung des Angeklagten
M. liegt in der die Stadt G. verpflichtenden Auftragsvergabe
an die Ingenieurgemeinschaft R. vor dem Hintergrund der verheimlichten
Abrede zur Unterbeauftragung des Ingenieurbüros
M. und der Aufteilung der Honorare. Der Senat vermag dem
Landgericht nicht darin zu folgen, daß die
vermögenswerte Zuwendung an den
Sohn des Angeklagten M. "nicht als Ausfluß oder Gegenstand
einer
seitens der Mitangeklagten Ro. und W. gewährten Gegenleistung"
dargestellt
habe, sondern vielmehr "unmittelbar der vom Angeklagten M.
selbst vollzogenen pflichtwidrigen Diensthandlung" entsprungen und
deshalb
straflos sei. Die heimlich getroffene Abrede der Angeklagten
(Auftragsvergabe
nur unter der Bedingung der Beauftragung der Firma M. als
eigentlichem Auftragnehmer) begründet vielmehr das unrechte
Beziehungsverhältnis
zwischen der Diensthandlung des Angeklagten M. als Ermessensbeamten
und dem von ihm dafür geforderten Vorteil. Der von den
Angeklagten
Ro. und W. entsprechend gewährte Vorteil, die Unterbeauftragung
und die Weitergabe der vertragsgemäßen Zahlungen der
Stadt G.
abzüglich 10 bis 15 % an die Firma M. , ist die geforderte und
gewährte Gegenleistung im Sinne der §§ 332,
334 StGB (vgl. BGHSt 20, 1, 2;
BGH NStZ 1994, 191 = BGHR StGB § 332 Abs. 1 Vorteil 4; BGH
NStZ 1987,
326, 327 = NJW 1987, 1340, 1342; Jeschek in LK 11. Aufl. § 332
Rdn. 9; Cramer
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 332
Rdn. 21). Dieses Gegenleistungsverhältnis
lag auch im Interesse der Angeklagten Ro. und W. , zumal
sie als Auftragnehmer der Stadt G. an den
vertragsgemäß erfolgten
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Zahlungen in Höhe von 10 bis 15 % des Nettohonorars
profitierten. Der von
Ro. und W. gewährte (weitergegebene) Vorteil wurde
demgemäß um der
von dem Angeklagten M. angebotenen Diensthandlung willen
gewährt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterfällt damit die
zwischen den
Angeklagten M. und Mitangeklagten Ro. und W. getroffene
Unrechtsvereinbarung
in geradezu klassischer Weise dem Schutzzweck der §§
332, 334 StGB, da die Abrede der Angeklagten sich eben nicht darin
erschöpfte,
eine reine Selbstbedienung des Amtsträgers zu
ermöglichen (vgl. BGH
NStZ 1994, 488 m. Anm. Maiwald).
Soweit die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung darauf
hingewiesen
hat, der Stadt G. sei durch die Unrechtsvereinbarung kein
wirtschaftlicher Schaden entstanden, ist dies schon den
Urteilsgründen nicht
mit der hinreichenden Klarheit zu entnehmen. Wäre der Stadt G.
auch
ein Schaden (vgl. BGHSt 47, 83) entstanden, so käme eine
tateinheitlich begangene
Untreue in Betracht. Im übrigen dienen die Strafvorschriften
der Untreue
und der Bestechung unterschiedlichen Zwecken. Sie schützen
verschiedene
Rechtsgüter. Geschütztes Rechtsgut ist im Falle des
§ 266 StGB das
fremder Hand anvertraute Vermögen. Bei dem
Bestechungstatbestand des
§ 332 StGB ist das Vorliegen eines Vermögensschadens
ohne Belang, weil
hier geschütztes Rechtsgut das Vertrauen der Allgemeinheit in
die Lauterkeit
des öffentlichen Dienstes ist (BGHSt 15, 88, 96; 30, 46, 48;
BGH NStZ 1987,
326, 327; st. Rspr.).
III.
Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende Hinweise:
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Hinsichtlich der Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse
zwischen den
einzelnen Vertragsschlüssen weist der Senat auf die
Rechtsprechung in NStZ
2004, 380 hin. Für die Frage, ob die Bestechungsvorschriften
in der Fassung
des am 20. August 1997 in Kraft getretenen
Korruptionsbekämpfungsgesetzes
vom 13. August 1997 auf sämtliche Einzeltaten anzuwenden sind,
verweist der
Senat auf die zutreffenden Ausführungen des
Generalbundesanwalts in seiner
Zuschrift vom 8. November 2004.
Die Sache bedarf hinsichtlich der Bestechungsdelikte neuer Verhandlung
und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit
Gebrauch, die
Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§
354 Abs. 2 Satz 1
StPO).
Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf |