BGH,
Urt. v. 15.6.2005 - 1 StR 499/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 499/04
vom
15.06.2005
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 30. April 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen
Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der
Teilfreispruch
hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage entfällt,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
der Staatsanwaltschaft, an eine Jugendschutzkammer des
Landgerichts Regensburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen
Mißbrauchs eines
Kindes in zwei Fällen und wegen sexuellen Mißbrauchs
einer Schutzbefohlenen
in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
sexueller Nötigung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung
zur Bewährung
verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer
Verfahrensrüge
und der Sachrüge. Seine Revision bleibt erfolglos.
Die Staatsanwaltschaft hat zum Nachteil des Angeklagten Revision
eingelegt
und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Sie erstrebt im
Fall B. IV.
der Urteilsgründe eine tateinheitliche Verurteilung wegen
Körperverletzung und
beanstandet den Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage sowie
die
Strafzumessung. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat teilweise
Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Das Tatopfer ist die am 5. September 1982 geborene leibliche Tochter
des Angeklagten.
Fall B. I.:
Zwischen dem 5. September 1993 und dem 4. September 1995 suchte
der Angeklagte am Abend seine damals elf oder zwölf Jahre alte
Tochter
E. in deren Kinderzimmer auf, um ihr - wie üblich - Gute Nacht
zu sagen.
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Sie lag schon im Bett. Plötzlich zog er ihr unter der
Bettdecke die Unterhose
herunter, führte einen Finger in die Scheide ein und tastete
mindestens eine
Minute lang innen die Vagina ab. Das Mädchen hatte zu diesem
Zeitpunkt bereits
eine leichte Schambehaarung.
Er erklärte seiner Tochter, er müsse nachsehen, ob
bei ihr am Unterleib
alles in Ordnung sei. Das sei ganz normal. Auch andere Väter
würden das bei
ihren Töchtern tun. Sie glaubte ihm dies. Als sie klagte,
daß es weh tue und ihn
bat aufzuhören, erwiderte er, daß sie sich den
Schmerz nur einbilde. Schließlich
hörte er doch auf.
Fall B. II.:
Zwischen dem 5. September 1995 und dem 4. September 1996 kam der
Angeklagte ins Badezimmer, als die 13jährige E. in der
Badewanne saß
und ein Vollbad nahm. Er sagte, er wolle ihr zeigen, wie man sich
richtig
wäscht. Dann nahm er einen Waschlappen und fuhr ihr damit
wiederholt über
die Scheide und auch etwas in die Schamlippen hinein. Das ganze war ihr
unangenehm
und sie dachte, das könne sie ja selber machen.
Fall B. III.:
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem
5. September 1995 und dem 4. September 1999 traf die 13, 14, 15 oder 16
Jahre alte E. im Badezimmer auf ihren nackten Vater. Er forderte sie
auf,
seinen Penis anzufassen, was sie ablehnte. Daraufhin nahm er ihre Hand,
führte
diese zu seinem Glied, so daß sie das Glied ihres Vaters in
der Hand hatte.
Als er ihre Hand losließ, ließ auch sie das Glied
sofort wieder los. Er lachte,
weil sie so "gschamig" sei.
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Fall B. IV.:
Im Oktober 1999, als der Angeklagte am Morgen eines Wochenendes
mit der 17jährigen E. allein in der Küche war, packte
er sie plötzlich von
hinten über der Bekleidung an beide Brüste und
presste sie an sich. Als sie
sich wehrte und versuchte, seine Hände wegzudrücken,
faßte er noch fester
zu, bezeichnete sie als Zicke und sagte, sie solle sich nicht so
anstellen.
Schließlich konnte sie sich losreißen,
flüchtete weinend aus der Küche an der
Mutter vorbei in ihr Zimmer. Die Mutter, die einen normalen Streit
vermutete,
schickte den Vater zur Aussprache hinterher.
In dem Gespräch sagte er seiner Tochter, "sie sei so geil und
er werde
sie eines Tages richtig nehmen". Sie machte ihm klar, daß das
so nicht weitergehe
und daß für sexuelle Dinge seine Frau
zuständig sei. Er reagierte - wie
auch sonst, wenn sie ihn zurückwies - mit Ignorieren und
behandelte sie über
Monate hinweg wie Luft.
In den Jahren 1998 bis 2000 fügte sie sich ca. zehnmal mit
einer Einwegrasierklinge
mehrere kleine blutende Schnittwunden am Arm zu. Sie wollte
sich wehtun, weil sie sich die Schuld an dem gab, was passiert war. Am
17. August 2000 zog sie aus dem Elternhaus aus.
2. Der Angeklagte bestreitet die Taten, ohne sich sonst zur Sache
einzulassen.
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen (UA
S. 13, 38 bis 44, 130 bis 132), daß die Strafkammer bei Fall
B. I. aufgrund der
für glaubhaft erachteten Aussage der Geschädigten in
der Hauptverhandlung
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einen weiteren Teilakt für erwiesen hält, wenn sie
ihn auch in die Sachverhaltsschilderung
nicht aufgenommen hat. Sie sieht folgende Angaben als erwiesen
an:
"So habe sich der Angeklagte eines Abends in ihrem Kinderzimmer vor
ihr Bett gekniet, das ziemlich niedrig gewesen sei, habe ihre Beine
gespreizt
und sei langsam mit seinem Mund zu ihrer Vagina. Dann habe er
mit der Hand ihre Schamlippen auseinandergezogen und sei mit der
Zunge in die Scheide eingedrungen. Zudem sei er mit der Zunge auch
auf ihrer Klitoris auf und ab gefahren. Dazu habe er gesagt, er wolle
ihr
Gutes tun und sie stimulieren. Ihrer Mutter würde das auch
immer gefallen
und das sei alles ganz normal. Weh getan habe es nicht. Das Ganze
sei ihr aber unangenehm und eklig gewesen" (UA S. 38).
"... sie glaube, der Vorfall mit dem Finger in der Scheide und mit der
Zunge in der Scheide sei am gleichen Abend gewesen und das mit dem
Finger in der Scheide sei das Erste gewesen. Aus heutiger Sicht komme
ihr das Ganze wie ein Vorfall vor" (UA S. 42).
Das Tatgeschehen mit dem Eindringen der Zunge war unter Ziffer 2 der
Anklage in Tatmehrheit angeklagt. Die Kammer hat nach der
Hauptverhandlung
einen einheitlichen historischen Vorgang mit Tat I. als
möglich angesehen
und meinte unter Berücksichtigung des Grundsatzes "ne bis in
idem" den Angeklagten
in diesem Punkt aus rechtlichen Gründen freisprechen zu
müssen.
II.
Die Revision des Angeklagten:
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1. Die auf § 244 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 244 Abs. 2
StPO gestützte Verfahrensrüge,
das Landgericht habe den Beweisantrag vom 1. Dezember 2003
auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens
bezüglich der Geschädigten
zu Unrecht mit eigener Sachkunde abgelehnt, hat keinen Erfolg.
Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen ist nach
ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs "ureigenste" Aufgabe des
Tatrichters
(so schon BGHSt 8, 130). Ein Ausnahmefall ist hier bei der erwachsenen
Zeugin
nicht gegeben. Die Revision argumentiert auf der Basis einer
gravierenden
Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert. In dem
Beweisantrag wurde behauptet,
daß die Zeugin ab Juli 2000 an einer solchen leide. Dazu
wurde Bezug
genommen auf die Aussage der Psychotherapeutin L. , die mit der
Geschädigten
vom 26. Juli 2000 bis zum 25. Oktober 2001 Beratungsgespräche
geführt hat. Nach den Urteilsfeststellungen hat die Zeugin L.
sich dahingehend
geäußert, E. sei das alles sichtlich peinlich
gewesen. Sie habe viel
geweint und sei sehr aufgewühlt gewesen. Sie habe Angst vor
dem Vater,
Selbstmordgedanken, Schlafstörungen und Depressionen gehabt
(UA S. 62).
Dieser Beweisantrag wurde vor der Vernehmung der Geschädigten
in der
Hauptverhandlung gestellt.
Nach deren Vernehmung beantragte der Verteidiger am 12. März
2004
ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, daß
bei der Geschädigten
keinerlei psychophysische Ausfallerscheinungen oder Erkrankungen
vorliegen,
die einen Rückschluß auf einen stattgefundenen
sexuellen Mißbrauch zulassen,
was die Kammer als wahr unterstellt hat. Damit hat die Verteidigung
selbst
die Behauptung einer gegenwärtigen
Persönlichkeitsstörung fallengelassen.
Weder die Urteilsfeststellungen zum Zustand der Geschädigten
während
der psychotherapeutischen Behandlung, zu ihrem weiteren Lebenslauf nach
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dem Auszug aus dem Elternhaus - Abschluß Wirtschaftsschule,
erfolgreiche
Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, eigene Wohnung - noch die
Unsicherheiten
in der zeitlichen Einordnung der Taten ergeben
Anknüpfungstatsachen
für eine frühere oder derzeit noch bestehende schwere
Persönlichkeitsstörung
von Krankheitswert oder sonstige besondere Umstände, die die
Kammer zur
Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich
der Geschädigten gedrängt
hätten.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge hat ebenfalls keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher
Nachprüfung stand. Die Beurteilung
der Glaubhaftigkeit der Aussage der Geschädigten ist frei von
Rechtsfehlern.
Eine vom Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete Konstellation
von "Aussage gegen Aussage" (BGH NStZ 2004, 635, 636) liegt nicht vor.
Es
gibt nämlich eine Reihe von Indizien, die die Strafkammer in
die Würdigung der
zentralen Aussagen der Geschädigten einbeziehen konnte, wie
ihre früheren
Offenbarungen gegenüber Dritten, der psychische und physische
Zustand der
Geschädigten in den Tatzeiträumen und danach sowie
die Selbstverletzungen.
Dies sind objektive Umstände von Gewicht, die die Kammer
für die Richtigkeit
der Darstellung des Opfers herangezogen hat. Gleichwohl hat sie die
Prüfungskriterien
aus der Entscheidung BGHSt 45, 164 angewandt. Sie hat eine
umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen.
Ausführlich hat sie sich damit auseinandergesetzt, ob die
Mißbrauchsvorwürfe
von der Belastungszeugin erfunden wurden, um häuslichen
Pflichten
zu entgehen, um vom Vater Unterhalt für ein freies
unabhängiges Leben zu
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erhalten, und ist zu dem nachvollziehbaren Schluß gelangt,
daß sämtliche
Übergriffe erlebnisfundiert sind und die Angst vor dem
angekündigten Geschlechtsverkehr
die Tochter aus dem Elternhaus getrieben hat. Die Aussagegenese,
die Konstanz, den Detailreichtum und die Originalität in den
jeweiligen
Bemerkungen des Vaters bei den einzelnen Taten hat die Kammer
herausgearbeitet.
Sie hat sich weiter für den Erlebnisbezug sämtlicher
Vorfälle auf die
von Zeugen bestätigten Selbstverletzungen und
Selbstvorwürfe der Geschädigten
sowie deren freiwillige, von ihren begrenzten finanziellen Mitteln
selbst
bezahlten psychotherapeutischen Gespräche gestützt.
Die Kammer hat sich
auch mit den verschobenen Tatzeiträumen im Vergleich zur
Anklage in den
Fällen B. I., II. und III. und in den früheren
Aussagen des Opfers auseinandergesetzt
und ist einerseits zum Ergebnis gelangt, daß
unabhängig vom Tatzeitraum
die Taten unverwechselbar individualisiert seien, selbst bei der
Zeitspanne
von 1995 bis 1999 im Fall III.. Insoweit befindet sie sich im Einklang
mit der
Rechtsprechung (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1
Mindestfeststellungen 6).
Andererseits sieht sie rechtsbedenkenfrei in den Problemen der Zeugin
mit der
zeitlichen Einordnung Jahre nach den Taten, die diese selbst mit einem
Verdrängungsmechanismus
erklärt hat, keinen Anlaß, an der Glaubhaftigkeit der
Kernaussagen zu zweifeln. An die Erinnerungsfähigkeit von
Zeugen, die Opfer
sexueller Serienstraftaten geworden sind (eine Vielzahl wurde
eingestellt), dürfen
keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BGHSt 40,
44, 46).
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Die Urteilsfeststellungen tragen die angestrebte tateinheitliche
Verurteilung
wegen Körperverletzung im Fall B. IV. der
Urteilsgründe nicht. Diesen
tateinheitlich angeklagten Tatbestand hat das Landgericht nicht als
erfüllt an-
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gesehen, weil die Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht
bestätigt hat,
daß sie bei diesem sexuellen Übergriff Schmerzen
erlitten habe. Ob überhaupt
eine negative Beeinträchtigung des körperlichen
Wohlbefindens herbeigeführt
wurde, wofür die Staatsanwaltschaft ein Indiz im Weinen der
Zeugin sieht, oder
ob nur das seelische Wohlbefinden berührt war, kann
offenbleiben. Jedenfalls
kommt im Falle einer Beeinträchtigung des
körperlichen Wohlbefindens dieser
kein selbstständiger Unrechtsgehalt zu, weil es sich hier um
nicht mehr als einen
zwangsläufigen Begleitumstand der sexuellen Nötigung
handelt (BGH,
Beschluß vom 2. Juli 2002 - 3 StR 201/02; BGH bei Miebach
NStZ 1995, 224).
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht den Teilfreispruch
hinsichtlich
Ziffer 2 der Anklage.
Das Landgericht, das nach der Hauptverhandlung eine Tat im Rechtssinne
zwischen dem Tatgeschehen aus Ziffer 2 der Anklage und Fall B. I. der
Urteilsgründe als möglich annimmt, hat den
Zweifelssatz zu Gunsten des Angeklagten
zutreffend auf die Konkurrenzen angewendet (BGHR StGB § 52
Abs. 1 in dubio pro reo 1 bis 4; BGH StV 1992, 54). Dann hätte
aber bei dem
für erwiesen erachteten Sachverhalt kein Teilfreispruch
ergehen dürfen
(BGHSt 44, 196). Vielmehr erhöht der zweite Teilakt - das
Eindringen mit der
Zunge in die Scheide - den Schuld- und Unrechtsgehalt im Fall B. I.
nicht unerheblich.
Er hätte bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im
engeren
Sinne berücksichtigt werden müssen.
3. Der Tatrichter hat § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. des 6.
StrRG fehlerhaft
ausgelegt und daraus fehlerhafte Schlüsse auf das als
mildestes Gesetz
anzuwendende Tatzeitgesetz (§ 2 Abs. 3 StGB) im Fall B. I.
gezogen.
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Das Eindringen mit dem Finger in die Scheide erfüllt den
Tatbestand des
schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Sinne der
zitierten Vorschrift
(BGH NJW 2000, 672). In der irrigen Annahme, dieses Geschehen
könne einen
solchen schweren sexuellen Mißbrauch nicht
begründen, hat das Landgericht
"aus dem gleichen Grund" einen unbenannten besonders schweren Fall
im Sinne des Tatzeitgesetzes nach § 176 Abs. 3 Satz 1 StGB in
der bis zum
31. März 1998 geltenden Fassung des 4. StrRG verneint (UA S.
113).
4. Die Strafzumessung zu Fall B. I., für den das Landgericht
eine Einzelstrafe
von einem Jahr und drei Monaten verhängt hat, ist danach mit
zwei
Rechtsfehlern behaftet. Der Oralverkehr blieb völlig
unberücksichtigt und das
Eindringen mit dem Finger wurde falsch bewertet.
Die aufgezeigten Mängel führen im Ergebnis nicht nur
zur Aufhebung
der eher milden Einzelstrafe für die Tat B. I., sondern auch
zur Aufhebung der
übrigen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Nach
ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs kann bei Tatmehrheit die Aufhebung eines
Einzelstrafausspruchs
zur Aufhebung der übrigen Strafaussprüche
führen, wenn nicht
auszuschließen ist, daß diese durch den
Rechtsfehler im Ergebnis beeinflußt
sind (BGH NJW 1979, 378; NJW 1981, 2204, 2206; NStZ 2001, 323). Dies
kann insbesondere dann gelten, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft
festgesetzten
Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe handelt oder wenn die
abgeurteilten
Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Beides ist hier
der Fall. Hinzu kommt, daß es sich bei der fehlerhaften
Einzelstrafe um diejenige
für die erste Tat handelt. Der Senat hat daher den
Strafausspruch insgesamt
aufgehoben.
5. Weitere den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler hat die
Überprüfung
des Urteils auf die Sachrüge der Staatsanwaltschaft nicht
ergeben.
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IV.
Der Senat sieht Anlaß zu folgenden Hinweisen:
1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat der Tatrichter
- wie hier geschehen - grundsätzlich drei unterschiedliche
Strafmilderungsgründe
zu bedenken:
a) Langer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Urteil
b) Belastungen durch lange Verfahrensdauer
c) Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1
MRK (vgl. BGH NStZ 1999, 181).
Dies gilt sowohl für die Festsetzung der Gesamtstrafe als auch
für die
Festsetzung der Einzelstrafen (BGH NStZ 2003, 601).
2. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots hat das Landgericht hier
darin gesehen, daß das Verfahren über elf Monate
nicht gefördert worden ist.
Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten
Verfahrensabschnitts führt
aber nicht ohne weiteres zu einer derartigen Verletzung (BGH NStZ 2003,
384). Es ist auf die Gesamtdauer des Verfahrens abzustellen, deren
Angemessenheit
sich nach einer Gesamtwürdigung bestimmt, in die neben Umfang
und
Schwierigkeit des Verfahrens auch das Verhalten des Beschuldigten und
seines
Verteidigers einzubeziehen ist.
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Ob Umstände vorliegen, die eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung
oder deren fehlerhafte Annahme begründen, kann das
Revisionsgericht
allerdings nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge
überprüfen (BGH NStZ
2000, 418; StV 1999, 205).
Nack Wahl Kolz
Elf Graf |