BGH,
Urt. v. 16.12.2004 - 1 StR 420/03
BGHR:
ja zu II. 1.-2.
BGHSt:
ja zu III. 1.
Veröffentlichung: ja
________________________
AktG § 400 Abs. 1 Nr. 1
Quartalsberichte über Umsätze und Erträge
(§§ 53, 54 BörsZulV) geben die
Verhält-
nisse der Aktiengesellschaft über den Ver mögensstand
wieder , wenn sie ein Ge-
samtbild über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft
ermöglichen und den Ein-
druck der Vollständigkeit erwecken.
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 StR 420/03 - LG München
I
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 420/03
vom
16. Dezember 2004
in der Strafsache
gegen
- 2 -
1.
2.
wegen unrichtiger Darstellung
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom
14. Dezember 2004 in der Sitzung am 16. Dezember 2004, an denen teilge-
nommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesger ichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
T. H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
F. H.
- in der Ver handlung vom 14. Dezember 2004 - ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
- 5 -
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts München I vom 8. April 2003 werden verwor fen.
2. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tr agen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht München I hat die Angeklagten wegen
unrichtiger Dar-
stellung gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu
Geldstrafen von jeweils 240 Tages-
sätzen verurteilt. Die Höhe eines Tagessatzes hat das
Landgericht für den An-
geklagten T.
H. auf 5000,--
€
und für den Angeklagten
F. H.
auf 1000,--
€
festgesetzt. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagten
mit der Sachrüge; außerdem beanstanden sie das
Verfahren. Die Rechtsmittel
haben keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten waren Vorstandsmitglieder der EM.TV &
Merchandising
AG (EM.TV). Mit Wirkung zum 12. Mai 2000 erwarb EM.TV durch den Kauf
der
„Speed Investment Ltd.“ indir ekt 50 % der Anteile
an der „SLEC“, einer Hol-
dinggesellschaft, die sämtliche Rechte an der Formel 1
(Motorsport) bündelt.
- 6 -
Am 24. August 2000 gaben die Angeklagten im Rahmen einer Ad-hoc-
Meldung, die ins Internet und die Ad-hoc-Datenbank der Deutschen
Börse ge-
stellt wurde, sowie in einer parallel dazu veröffentlichten
Pressemitteilung die
„Konzern-Halbjahreszahlen erstmals einschließlich
der Beteiligungen“ wie folgt
bekannt:
"EM.TV & Merchandising AG gibt Halbjahreszahlen 2000 be-
kannt
- Dynamisches Wachstum ungebrochen
- Konzernumsat z per 30. Juni um 195 Prozent auf 603,9 Mio. DM ge-
stiegen (teilkonsolidiert)
- EBITDA st eigt um 65,9 Prozent auf 236,0 Mio. DM
- EBIT erhöht sich um 39,8 Prozent auf 158,9 Mio. DM
- Nettoergebnis liegt mit 110,8 Mio. DM um 132,8 Prozent über
dem
Vorjahreswert
Unterföhring, 24. August 2000 EM.TV & Merchandising AG
gibt die Konzer n-
Halbjahreszahlen erstmals einschließlich der Beteiligungen an
der Tele Mün-
chen Gruppe, an der SLEC - Formel 1 Gruppe und an der Jim Henson Compa-
ny bekannt. Der Konzernumsatz stieg bis zum 30. Juni 2000 um ca. 195 Pr
o-
zent im Vorjahresvergleich von 204,8 Mio. DM auf 603,9 Mio. DM. Dieser
Be-
trag versteht sich auf teilkonsolidierter Basis. Der Einbezug der drei
oben ge-
nannten Beteiligungen erfolgte additiv auf Grundlage der jeweiligen
lokalen
gesetzlichen Berichter stattungspflichten. Den
größten Leistungsbetrag erzielte
der bisherige EM.TV-Konzern mit 223 Mio. DM vor der Formel 1
Gr uppe mit
219 Mio. DM. Mit einem Umsatz von 87 Mio. DM bei der Jim Henson Company
und 75 Mio. DM bei der Tele München Gruppe wird das Gesamtbild
abgerun-
det. Die einzelnen anteiligen Gewinn- und Verlustrechnungen der Beteili-
gungsgesellschaften sind am Ende dieser Pressemitteilung in
tabellarischer
Form aufgeschlüsselt.
Das EBITDA stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 142,2 Mio. DM
um
ca. 66 Prozent auf 236,0 Mio. DM. Die höchsten Ergebnisse
erzielte hier die
Formel 1-Gruppe mit DM 98,5 Mio. vor dem bisherigen EM.TV-Konzern mit
89,3 Mio. DM, der Tele München Gruppe mit 50,9 Mio. DM und der
Jim Henson
Company mit minus 2,7 Mio. DM.
- 7 -
Das EBIT liegt mit 158,9 Mio. DM um 40 Prozent höher als der
vergleichbare
Vorjahreswert von 113,6 Mio. DM. Auch hier kommen die
stärksten Beiträge
von der Formel 1-Gr uppe und dem bisher igen EM.TV-Konzern mit 86,6
Mio.
DM bzw. 59,1 Mio. DM. Die Tele München Gruppe folgt mit 16,8
Mio. DM vor
der Jim Henson Company mit minus 3,6 Mio. DM.
'Das Nettoergebnis unser er erweiterten Gruppe liegt mit insgesamt
110,8 Mio.
DM um 132,8 Prozent über dem Vorjahreswert von 47,6 Mio DM',
konstatiert
F. H. ,
stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand der
EM.TV.
'Diese Zahlen dokumentieren eindr ucksvoll das dynamische Wachstum der
EM.TV. Auch unsere neuen 'Familienmitglieder ' nehmen ohne
Verzögerung
das Entwicklungstempo der EM.TV auf und tr agen somit zur
raschen Umset-
zung unserer Unternehmensphilosophie bei', so
T. H. ,
Vorstandsvor-
sitzender der EM.TV. 'Die globale Präsenz der starken
Dachmarken Junior und
Jim Henson Company ermöglichen die Nutzung der noch nicht
ausgeschöpften
Potentiale jeder einzelnen Marke sowie die Schaffung von synergetischen
Ver-
netzungen untereinander'.
Gewinn- und Verlustrechnungen des EM.TV Konzerns und seiner Beteili-
gungen
Die einzelnen Gewinn- und Verlustrechnungen des bisherigen EM.TV-
Konzerns (gem. IAS) sowie erstmalig der Jim Henson Company
(100prozentiger Einbezug; gem. US-GAAP), der Formel-1-Gruppe
(50prozentiger Einbezug; gem. UK-GAAP) und der Tele München
Gruppe
(45prozentiger Einbezug; gem. IAS) sind wie folgt:
In TDM EM.TV Jim Henson Formel 1 TMG Summe
Umsatz
223.004
87.453 218.681 74.783
603.920
Materialaufwand
-83.931 -65.542
-108.413 -13.155 -271.042
Rohertrag
139.073
21.910 110.268 61.627
332.878
Sonstige
betriebliche
2.630
0
0 1.458
4.088
Erträge
Sonstiger
betrieblicher
-52.410
-24.600 -11.727
-12.215 -100.995
Aufwand
EBITDA
89.293
-2.733 98.541
50.871 235.971
Abschreibungen
-30.204
-855 -11.976
-34.018 -77.052
EBIT
59.089
-3.588 86.565
16.853 158.919
Beteiligungsergebnis
-1.059
-19.984
0 -12.979 -34.023
- 8 -
Finanzergebnis
-34.501
-1.385 -46.562
-1.701 -84.149
Ergebnis
der
23.529
-24.957
40.003
2.173
40.747
gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit
Für die Tele München Gruppe, die Formel 1 Gruppe und
die Jim Henson Com-
pany stehen aufgrund der derzeit bei PriceWaterhouseCoopers, der Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft der EM.TV, laufenden
Erstkonsolidierung die
Goodwill-Abschreibungen noch aus. Besondere außerordentliche
Effekte im
ersten Halbjahr waren die anteiligen Gewinne bei der Tele
München Gruppe,
die aus der Veräußer ung der 34 Pr
ozent-Beteiligung an dem Fernsehsender
tm3 in Höhe von 152,7 Mio. DM entstanden sind, sowie 66,5 Mio.
DM an Ber a-
tungs- und Bankprovisionsaufwendungen in Verbindung mit der Akquisition
und Finanzierung der Jim Henson Company und der For mel 1 Gruppe. Das
Nettoergebnis der EM.TV-Gruppe beläuft sich insgesamt auf
110,8 Mio. DM."
Die Zahlen der SLEC beziehen sich auf das gesamte erste
Halbjahr
2000. Tatsächlich hatte EM.TV die Beteiligung an der SLEC erst
zum 12. Mai
2000 erwor ben. Der auf den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 11. Mai
ent-
fallende Umsatzanteil beträgt 138,189 Mio. DM. Zudem
enthielten die Umsatz-
zahlen für den Bereich EM.TV einen Betrag von 60 Mio. DM aus
einem Lizenz-
vertrag zwischen EM.TV und der Junior GmbH & Co. KG, der erst
nach dem
30. Juni 2000 geschlossen wurde. Die auf die SLEC-Beteiligung
entfallenden
Beträge hätten erst ab dem Erwerbszeitpunkt (12. Mai
2000) und die auf den
Lizenzvertrag entfallenden Anteile hätten überhaupt
nicht in die Zahlen für das
erste Halbjahr aufgenommen werden dürfen.
Dies - so die landger ichtlichen Feststellungen - war den Angeklagten
bewußt. Ihnen war auch bewußt, daß die
Umsätze und Erträge für die Bewer-
tung der Aktien der EM.TV erheblich waren. Dennoch gaben sie die
falschen
- 9 -
Zahlen bekannt, um den Kurs der EM.TV-Aktien positiv zu beeinflussen.
Dieser
lag am 24. August 2000 bei 55,80
€
und nach der später en Richtigstellung der
Halbjahreszahlen, soweit sie den Formel-1-Bereich betrafen
(Ad-hoc-Mitteilung
vom 9. Oktober 2000), bei 39,90
€
.
II.
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1. Die Revisionen rügen einen Ver stoß gegen das
Gebot des fairen Ver-
fahrens.
Dazu tragen sie unter anderem vor, noch vor Beginn der Hauptverhand-
lung habe am 7. Oktober 2002 eine Besprechung zwischen allen drei
Berufs-
richtern der Strafkammer, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den
beiden
Verteidigern der Angeklagten stattgefunden. Bei diesem
Gespräch habe der
Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft verdeutlicht, daß
die Staatsanwalt-
schaft einer - von den Angeklagten angestrebten - Einstellung des
Verfahrens
nach § 153a StPO entgegentrete. Die Vorsitzende der
Strafkammer habe bei
diesem Gespräch eine Abkürzung des Verfahrens in der
Weise zu bedenken
gegeben, daß die Angeklagten eine Verurteilung wegen einer
Ordnungswidrig-
keit nach § 39 WpHG akzeptieren sollten. Als „Vor
teil“ einer solchen Lösung
habe die Vorsitzende angeführt, „daß damit
die Gefahr minimiert werde, daß
zivilrechtliche Anspruchsteller aus dem Str afurteil für ihre
Position etwas herlei-
ten könnten - was im Falle einer Verurteilung nach §
400 AktG, der als Schutz-
gesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB gelte, durchaus
drohe“. Entspr echende Ge-
spräche über eine mögliche
Verständigung seien auch später noch, parallel zur
- 10 -
Hauptverhandlung, geführt worden. Sie seien gescheitert,
nachdem der Versi-
cher er der EM.TV Merchandising AG für sämtliche
Verfahr enskosten und zivil-
rechtliche Schadensersatzanspr üche dem Verteidiger des
Angeklagten T.
H. mitgeteilt habe, daß
entsprechend den Versicherungsbedingungen der
Versicherungsschutz entfalle, falls „wissentliche
Pflichtverletzungen von versi-
cher ten Personen festgestellt werden“. Der Verteidiger habe
dies dem Bericht-
erstatter übermittelt, „zusammen mit der Nachricht,
daß unter diesen Umstän-
den beide Herr en H. nicht mehr ber eit
sein könnten, auf die Möglichkeit
einer Anfechtung des auf Geldbuße wegen einer
Ordnungswidrigkeit lautenden
Urteils zu verzichten“.
Mit alledem ist ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen
Verfahrens
schon nicht dargetan. Das Landgericht war auch auf der Grundlage des
Revi-
sionsvorbringens nicht gehindert, die Angeklagten wegen einer Straftat
nach
§ 400 Abs. 1 Nr . 1 AktG zu verurteilen. Eine bindende Zusage
der Str afkammer
dahin, daß nur eine Verurteilung wegen einer
Ordnungswidrigkeit gem. § 39
Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF (Fassung aufgrund des 4. Finanzmar
ktförder ungsgeset-
zes - BGBl I 2002 S. 2028 ff.) in Betracht komme, liegt schon deshalb
nicht vor,
weil die angestrebte ver fahrensbeendende Absprache gescheitert
war (vgl.
BGH NStZ 2004, 338 - zum Abdruck in BGHSt vorgesehen). Hinzu kommt,
daß
sämtliche Gespräche über eine
einvernehmliche Verfahrensbeendigung au-
ßerhalb der Hauptver handlung stattfanden. Derar tige
Äußerungen des Gerichts
außerhalb der Hauptverhandlung können zugunsten
der Angeklagten keinen
Vertrauensschutz begründen, der nur durch einen
förmlichen Hinweis wieder
zu beseitigen wäre ( BGH NStZ 2004, 342; BGHR StPO vor
§ 1 faires Verfahren
Vereinbarung 14; Engelhardt in KK StPO § 265 Rdn. 31a; vgl.
auch BGH StV
1999, 408). Ansonsten hätten solche - zudem noch gescheiterte
- Gespräche
- 11 -
ein stärkeres Gewicht als Vorgänge, die als
wesentliche Förmlichkeiten bereits
protokolliert sind. Vertr auensbegründend im Sinne des
Grundsatzes des fair
trial sind nur solche Absprachen oder Zusicherungen, die protokolliert
sind (vgl.
BGH NStZ 2004, 342; BGH NStZ 2004, 338; BVerfG StV 2000, 3).
Auf die
Inaussichtstellung konnten sich die Angeklagten nicht verlassen. Es
stand ih-
nen frei, durch Anrufung des Gerichts gem. § 238 Abs. 2 StPO
auf eine Offen-
legung der vermeintlichen Zusagen in der Hauptverhandlung hinzuwirken
(vgl.
BGH NStZ 2004, 342; BVerfG StV 2000, 3).
Daher kommt es nicht mehr darauf an, daß die Vorsitzende, der
Bericht-
erstatter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in ihren
dienstlichen
Erklärungen der von den Beschwerdeführern
aufgestellten Behauptung entge-
gengetreten sind, seitens des Gerichts sei geäußert
wor den, der § 400 AktG
sei „vom Tisch“.
2. Die Verfahrensrügen im Zusammenhang mit der
erfolgreichen Ableh-
nung des Sachverständigen Prof. Dr. L.
durch die Staatsanwaltschaft wegen
Besorgnis der Befangenheit bleiben erfolglos.
a.) Ein Verstoß gegen § 74 StPO liegt nicht vor. Die
Revision kann zwar
grundsätzlich darauf gestützt werden, daß
ein Ablehnungsgesuch gegen einen
Sachverständigen zu Unrecht für begründet er
klärt worden ist (vgl. Senge in
KK 5. Aufl. § 74 Rdn. 17; Meyer-Goßner, StPO 47.
Aufl. § 74 Rdn. 21). Das
Revisionsgericht prüft aber - anders als bei der
Richterablehnung - nicht nach
Beschwerdegrundsätzen, sondern nur nach revisionsrechtlichen
Gesichtspunk-
ten, ob das Ablehnungsgesuch rechtsfehlerfrei und mit ausreichender
Begrün-
- 12 -
dung beschieden worden ist (BGHR StPO § 74
Ablehnungsgrund 2). Der Be-
schluß der Kammer genügt diesen
Maßstäben.
b.) Es begr ündet auch keinen Verstoß gegen
§ 245 StPO, daß die Straf-
kammer den in der Hauptverhandlung anwesenden Sachverständigen
nicht
gehört hat.
aa.) Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit stand seiner
Verwendung als Beweismittel
„Sachverständiger“ entgegen; insofern war
die
Beweiserhebung unzulässig (vgl. Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl.
§ 245 Rdn. 29; Detter in FS für Salger S. 231, 235).
Die Kammer hätte den
Sachverständigen zwar vernehmen können, bevor sie
über das Ablehnungsge-
such entschied; das Gutachten wäre dann aber
(nachträglich) unverwertbar
geworden (Senge in KK, 5. Aufl. § 74 Rdn. 14 m.Nachw.; BGHR
StPO § 74
Abs. 1 Satz 1 Befangenheit 4).
bb.) § 245 StPO gebot auch nicht die Vernehmung des
präsenten Sach-
verständigen als Zeugen. Die erfolgreiche Ablehnung eines
Sachverständigen
hinderte die Kammer zwar nicht, ihn über die von ihm im Rahmen
seines Auf-
trags ermittelten Tatsachen als Zeugen oder sachverständigen
Zeugen zu ver-
nehmen (vgl. BGHSt 20, 222 ff.; BGHR StPO § 74 Ablehnungsgrund
7; BGH
NStZ 2002, 44). Die Beweiser hebungspflicht des § 245 Abs. 1
StPO wird aber
dur ch die Ladung bestimmt. Die Auskunftsperson (Sachver
ständiger oder Zeu-
ge) muß nur in der Eigenschaft vernommen werden, in der sie
vorgeladen wor-
den ist. Wer als Zeuge geladen ist, braucht nicht als
Sachverständiger ver-
nommen zu werden und umgekehrt (vgl. Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO
25. Aufl. § 245 Rdn. 82; Meyer-Goßner, StPO 47.
Aufl. § 245 Rdn. 6; Alsberg/
- 13 -
Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß 5. Aufl.
S. 794 f.; OLG Stuttgart
Justiz 1971, 312).
c.) Die im Zusammenhang mit der unterbliebenen Vernehmung des
Sachverständigen als sachverständigen Zeugen er
hobenen Verfahrensrügen
eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 2 StPO
genügen nicht dem von § 344
Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Tatsachenvortr ag. Die Revisionen legen
nicht
dar , welche Tatsachen Prof. L. als Zeuge bekundet
hätte.
3. Auch die Rügen einer Verletzung der
Aufklärungspflicht gemäß § 244
Abs. 2 StPO wegen der unter bliebenen „Vernehmung der Zeugen
E. ,
M. und
S. sowie
eines Sachverständigen unter Heranziehung der
in englischer Sprache abgefaßten schriftlichen
Vertragsunterlagen“ greifen
nicht durch.
a.) Hinsichtlich des Angeklagten
F.
H. ist die Rüge
unzulässig,
weil sie verspätet erhoben worden ist (§ 345 Abs. 1
StPO).
b.) Hinsichtlich des Angeklagten
T.
H. ist die Rüge zwar recht-
zeitig erhoben, jedoch fehlt es an einer ausreichenden Beweisbehauptung.
Die Revision behauptet, die unterbliebene Beweiserhebung hätte
erge-
ben, daß alle am Vertragsschluß (Formel 1)
Beteiligten „davon ausgegangen“
und darüber einig gewesen seien, daß die Einnahmen
ab 1. Januar 2000
EM.TV zustünden und von EM.TV auch ab diesem Datum in die
Gewinn- und
Verlustrechnung eingestellt werden durften. Das er wartete
Beweisergebnis be-
stand mithin in einer von den Zeugen vorzunehmenden r echtlichen
Schlußfol-
- 14 -
ger ung. Die Beweisbehauptung läßt nicht erkennen,
aufgrund welcher Tatsa-
chen die Zeugen zu dieser Wertung gelangt sein sollen. Schon deshalb
greift
die Rüge nicht durch. Im übrigen könnte
jeder der genannten Zeugen allenfalls
bekunden, welche Wertung er selbst vorgenommen hat, weil es sich
insoweit
um einen inneren Vorgang handelt. Ein Schluß auf eine
entsprechende innere
Einstellung des Angeklagten ist damit nicht hinlänglich
dargetan. Die Aufklä-
rungsrüge muß deutlich machen, weshalb ein
bestimmtes Beweismittel geeig-
net ist, die aufgestellte Behauptung unmittelbar zu belegen (vgl. BGHR
StPO
§ 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9).
Daran fehlt es hier.
III.
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen unrichter
Darstellung gem.
§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG hält rechtlicher
Nachprüfung stand.
a.) Die Angeklagten waren zur Tatzeit Vorstandsmitglieder
der EM.TV
und damit taugliche Täter dieses Tatbestands.
b.) Tathandlung war die Bekanntgabe der „ Halbjahreszahlen
2000“ vom
24. August 2000. Soweit diese eine Zusammenstellung von Zahlenmaterial
in
Tabellenform enthält, handelt es sich um eine
Übersicht, soweit die Verhältnis-
se der EM.TV und ihr er Beteiligungen in Berichtsform
wiedergegeben sind,
handelt es sich um eine Darstellung im Sinne des § 400 Abs. 1
Nr. 1 AktG (vgl.
BGH - II. Zivilsenat -, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02
[„Infomatec“ ] = ZIP
2004, 1593, 1596).
- 15 -
c.) Die Bekanntgabe bezog sich auf den Vermögensstand. Diese
Vor-
aussetzung ist erfüllt, wenn der Bericht so umfassend ist,
daß er ein Gesamt-
bild über die wir tschaftliche Lage des Unternehmens
ermöglicht und den Ein-
druck der Vollständigkeit erweckt (vgl. BGH ZIP 2004, 1593,
1596; OLG Stutt-
gart OLGR 1998, 143; Otto in Großkomm. AktG, 4. Aufl.
§ 400 Rdn. 32 ff.).
aa.) Entgegen der von der Revision in der Hauptverhandlung vertrete-
nen Auffassung ist ein solches Verständnis vom Begriff des
„Vermögensstan-
des“ vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Es trifft
insbesondere nicht zu, daß
allein eine Bilanz oder ein Vermögensstatus den
„Vermögensstand“ wiederge-
ben kann und folglich eine am möglichen Wortsinn orientierte
Auslegung dazu
führen müsse, daß letztlich nur solche
Vermögensübersichten, nicht aber eine
Darstellung der Ertragslage in einer Gewinn- und Verlustrechnung von
§ 400
Abs. 1 Nr . 1 AktG erfaßt würden. Dem steht schon
entgegen, daß selbst die
Bilanz den Vermögensstand in diesem (zu engen) Sinne nicht
vollständig wie-
der gibt, weil z.B. stille Reserven aus ihr nicht deutlich werden.
Hinzu kommt,
daß die Bilanz stichtagsbezogen erstellt wird und somit die
dynamische und -
worauf es entscheidend ankommt - die aktuelle Entwicklung eines
Unterneh-
mens nicht erfassen kann. Diese wir d aber deutlich durch die
Quartalsbericht-
erstattung. Der interessierte (potentielle)
Anleger, dessen Vertrauen in die
Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben durch
§ 400 Abs. 1 Nr. 1
AktG geschützt werden soll (vgl. BGH ZIP 2004, 1593, 1596)
kann sich anhand
der letzten Bilanz und der Bekanntgabe der Ertr agslage, wie sie sich
aus der
Gewinn- und Verlustrechnung einschließlich der Umsatzzahlen
aus dem Quar-
talsber icht ergibt, ein Gesamtbild von der Situation des Unternehmens
und der
Entwicklung des Eigenkapitals verschaffen. Dies gilt namentlich
für solche Un-
ternehmen, deren Geschäftswert wesentlich von der Ertragslage
bestimmt wird,
- 16 -
weil sie wegen der Natur des Geschäftsgegenstandes nur
über geringes Anla-
gevermögen verfügen. Der
„Vermögensstand“ solcher Unternehmen wird
maß-
geblich von der Ertragslage bestimmt. Der Schutzbereich des §
400 AktG er-
streckt sich daher entgegen der Ansicht der Revision auch auf die
Ertragslage
der Gesellschaft (vgl. Fuhr mann in
Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG
§ 400 Rdn. 16).
Auch der Gesetzgeber versteht den Begriff der „Darstellungen
oder
Übersichten über den
Vermögensstand“ nicht in dem von der Revision vertr
e-
tenen Sinne. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des
§ 331 Nr. 1
HGB, der dem § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG nachgebildet wurde. Die
Vorschrift des
§ 331 Nr. 1 HGB ist in ihrem sachlichen Anwendungsbereich
enger als § 400
Abs. 1 Nr. 1 AktG. § 331 Nr. 1 HGB erfaßt nur
falsche Darstellungen in der Er-
öffnungsbilanz, dem Jahresabschluß und dem
Lagebericht. Der Gesetzgeber
hat daneben § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG bewußt bestehen
lassen, weil § 331 Nr. 1
HGB den § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG nur im Umfang seines engeren
Inhalts erset-
zen könne (vgl. die Begründung der Bundesregierung
zum Entwurf eines Ge-
setzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der
Europäischen
Gemeinschaften zur Koor dinier ung des Gesellschaftsrechts
(Bilanzrichtlinie-
Gesetz): BTDrucks. 10/317 S. 100 zu § 286 HGB-E). Der
Gesetzgeber hat da-
bei ersichtlich auch keinen Anlaß gesehen, § 400
Abs. 1 Satz 1 AktG in seinem
Wortlaut etwa in der Weise anzupassen, daß er unter Verzicht
auf die Tatbe-
standsmerkmale der „Darstellungen und Über sichten
über den Vermögens-
stand“ den Anwendungsbereich auf von § 331 Nr. 1 HGB
nicht erfaßte sonstige
Bilanzen und Lageberichte beschränkte.
- 17 -
Das Tatbestandsmerkmal des
„Vermögensstandes“ findet sich im
übri-
gen in einer Reihe von weiteren Str afvorschriften (siehe nur
§ 264a Abs. 1
StGB; § 283 Abs. 1 Nr. 5, 7a, 8;
§ 283b Abs. 1 Nr. 1, 2, 3a; § 313 UmwG;
§ 147 GenG; § 143 VAG), ohne daß dort
auschließlich Bilanzen von dem Tat-
bestandsmerkmal erfaßt würden.
bb.) Zu den „Über sichten über den
Vermögensstand“ gehören insbeson-
der e Abschlüsse, die im Laufe eines Geschäftsjahres
aufgestellt werden (z.B.
Liquiditäts-, Zwischen- und Übersichtsbilanzen), aber
auch die Gewinn- und
Verlustrechnung (vgl. Geilen in Kölner Kommentar zum AktG
§ 400 Rdn. 43;
Otto aaO Rdn. 33; Wilhelmi in Godin/Wilhelmi AktG, 4. Aufl. §
400 Anm. 3a ),
mit Ausnahme des Jahresabschlusses, der wegen der
Subsidiaritätsklausel
des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG allein von § 331 Nr. 1
HGB erfaßt wird (vgl. OLG
Stuttgart aaO). „Darstellungen über den
Vermögensstand“ sind auch Zwi-
schenberichte für die Aktionäre und die
Öffentlichkeit (vgl. OLG Stuttgart; Otto
aaO
Rdn. 35; Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, Strafr echtliche Nebengesetze
§ 400
AktG Anm. 5).
Quartalsberichte gehören - je nach der Form ihrer Bekanntgabe
- eben-
falls zu den „ Darstellungen und Übersichten
über den Vermögensstand“. Dies
ergibt sich ohne weiteres dar aus, daß solche
Zwischenberichte Aktionären und
potentiellen Anlegern eine Beurteilung ermöglichen
müssen, wie sich die Ge-
schäftstätigkeit des Unternehmens im Ber ichtszeitr
aum entwickelt hat (siehe
dazu: Regelwerk des Neuen Marktes, Nr. II Ziffer 7.1.1;
abgedruckt bei
Potthoff/Stuhlfauth, WM 1997 Sonderbeilage Nr. 3, S. 12 ff., S. 21; zum
Halb-
jahresbericht vgl. auch § 53 ff. BörsZulV und
gleichermaßen nun auch Art. 72
- 18 -
ff. der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlarments und
des Rates
vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur
amtlichen Börsen-
notier ung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu
veröffentlichenden
Informationen). Den Quartalsbericht kennzeichnet mithin der Anspr uch
auf voll-
ständige Information der Adressaten über die Unter
nehmenssituation im Be-
richtszeitraum. Bestandteil des Quartalsberichts sind zwingend
Zahlenangaben
über die Umsatzerlöse und das Ergebnis vor und nach
Steuern (§ 54 BörsZulV;
Art. 73 Richtlinie 2001/34/EG) bzw. eine Gewinn- und Verlustrechnung (
Regel-
werk des Neuen Marktes, aaO, II. Ziffer 7.1.2 Abs. 2).
cc.) Der von der Revision in der Hauptverhandlung erhobene weitere
Einwand, Anleger und Aktionäre seien durch die
Bußgeld- und Strafvorschrif-
ten nach dem Wertpapierhandelsgesetz vor unrichtigen Darstellungen
hinrei-
chend geschützt (§ 20a Abs. 1 Satz 1; § 38;
§ 39 WpHG), so daß es einer An-
wendung des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG auf unrichtige Angaben zur
Ertragslage
nicht bedürfe, greift nicht durch. Dagegen bestehen schon
deshalb erhebliche
Bedenken, weil es sich bereits bei § 88
BörsG aF, dem Vorläufer der Vor-
schriften nach dem Wertpapierhandelsgesetz - im Gegensatz zu §
400 Abs. 1
Nr. 1 AktG - nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.
2 BGB handel-
te ( vgl. BGH ZIP 2004, 1593, 1595).
dd.) Bekanntgegeben wurden hier „Halbjahreszahlen“.
Dafür gelten die
gleichen Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden, wie für den
Jahresabschluß
(vgl. Heyd, Internationale Rechnungslegung, S. 560 ff.; Tanski,
Internationale
Rechnungslegungsstandards, S. 286; Heuser/Theile, IAS-Handbuch Rdn.
1170
ff.; siehe auch: Regelwerk des Neuen Marktes, aaO, Nr. II. Ziffer 7.1
„Quartals-
ber icht“ und Ziffer 7.1.2). Im Kern wurden die
Umsätze sowie die Gewinn- und
- 19 -
Verlustrechnung wiedergegeben, die zwingende Bestandteile des
Quartalsbe-
richts sind (s.o.) . Aus den hierin gegenüber gestellten
Erträgen und Aufwen-
dungen ergibt sich die Zu- oder Abnahme des wirtschaftlichen Nutzens
des
Unter nehmens im Berichtszeitraum. Diese Ertragskraft dient unter ander
em als
Grundlage für die Ber echnung der Verzinsung des eingesetzten
Kapitals oder
des Ergebnisses je Aktie (vgl. Kommission der Europäischen
Gemeinschaften:
Kommentare zu bestimmten Artikeln der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des
Europäischen Par larments und des Rates vom 19. Juli 2002
betreffend die An-
wendung inter nationaler Rechnungslegungsstandards und zur Vierten
Richtli-
nie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 sowie zur Siebenten
Richtlinie
83/349/EWG vom 13. Juni 1983 über Rechnungslegung Ziffern 69
ff.). Die Er-
tragskraft ist daher für den Kapitalanleger am Aktienmarkt von
wesentlicher
Bedeutung. Dem entspricht, daß es den Angeklagten bei der
Bekanntgabe der
Halbjahreszahlen dar auf ankam, den Eindruck einer günstigen
Gesamtsituation
zu erwecken, um dadurch den Kurs der EM.TV-Aktien positiv zu
beeinflussen
(UA S. 31, 39).
Unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit der Information
kommt hier
hinzu, daß die Ad-hoc-Mitteilung ausdrücklich
behauptet, damit werde das „Ge-
samtbild“ des „EM.TV-Konzerns
einschließlich seiner Beteiligungen“ abgerun-
det.
ee.) Der Umstand, daß die Angeklagten die Halbjahreszahlen im
Rah-
men einer Ad-hoc-Miteilung bekanntgaben, führ t zu keiner
anderen rechtlichen
Bewertung. Ansonsten hätte es der Täter in der Hand,
allein durch die Wahl
der Form der Bekanntgabe die Pflicht zur vollständigen und
zutr effenden Wie-
der gabe der Verhältnisse der Gesellschaft zu unterlaufen.
Soweit der II. Zivil-
- 20 -
senat im Zusammenhang mit einer unrichtigen Ad-hoc-Mitteilung
einen Ver-
stoß gegen § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG verneint hat (BGH
ZIP 2004, 1593 und
1596) lagen dem Fallgestaltungen zugrunde, bei denen - und hierauf kam
es
dor t entscheidend an - nur jeweils ein einzelner
Geschäftsabschluß bekannt-
gegeben wurde, der mittelbar Auswirkungen auf die wir tschaftliche
Situation
des Unternehmens hatte. Dies bedeutet aber nicht,
daß Darstellungen über
den Vermögensstand nur deshalb aus dem Anwendungsbereich des
§ 400
Abs. 1 Nr. 1 AktG herausfallen, weil sie in Form einer
Ad-hoc-Mitteilung abge-
geben werden.
d.) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und inwieweit Art. 103
Abs. 2 GG im Hinblick auf das nicht näher definierte
Tatbestandsmerkmal
„Verhältnisse der Gesellschaft“ eine
einschränkende Auslegung von § 400 Abs.
1 Nr . 1 AktG gebietet (zur Bestimmtheit vgl. BGHSt 30, 285; 42, 219,
221, jew.
m.w.N.). Denn die unrichtige Darstellung der Verhältnisse der
Gesellschaft in
Zwischenbilanzen und Zwischenber ichten sowie deren Wiedergabe
gegenüber
der Öffentlichkeit gehört zum den Nor madressaten
ohne weiteres erkennbaren
Kern des Anwendungsbereichs der Vorschrift, weil unrichtige Dar
stellungen im
Zusammenhang mit dem Jahresabschluß entsprechend der
Subsidiaritätsklau-
sel (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 letzter Hs. AktG) von § 331
Nr. 1 HGB erfaßt werden. Im
übr igen kann nicht außer Betracht bleiben,
daß es sich bei § 400 Abs. 1 Nr. 1
AktG um ein Sonderdelikt handelt, das sich an Vorstandsmitglieder,
Aufsichts-
ratsmitglieder und Abwickler von Aktiengesellschaften richtet. Bei
Personen
dieses Kr eises sind aufgrund ihrer Tätigkeit entsprechende
Fachkenntnisse
vorauszusetzen, die sie in die Lage versetzen, den Regelungsgehalt der
Vor-
schrift zu verstehen und die Verhaltensweisen daran auszurichten (vgl.
BVerf-
GE 48, 48, 57; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26.
Aufl. § 1 Rdn. 21). Dies gilt
- 21 -
um so mehr, als es sich um eine Vorschrift handelt, die bereits auf die
Einfüh-
rung des Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 1897 (RGBl. S. 219)
zurückgeht, im
wesentlichen der damaligen Vorschrift des § 314 HGB aF
(später § 296 Abs. 1
Nr. 1 AktG 1937) entspricht und in der Praxis auch angewandt wurde
(vgl.
Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas § 400 AktG Anm. 1 und 5 zur
Entstehungsge-
schichte und mit Beispielen aus der höchstrichterlichen
Rechtsprechung).
e.) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch die Unrichtigkeit der
Darstellung festgestellt und bejaht.
Der Einwand der Revision, die Ad-hoc- Mitteilung sei inhaltlich zutref-
fend, greift nicht durch.
aa.) Zum einen waren die Zahlen hier schon deshalb unrichtig,
weil der
Umsatz aus dem Lizenzvertrag in Höhe von 60 Mio. DM zu Unrecht
in die Halb-
jahreszahlen eingestellt wurde. Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei
und mit
tragfähiger Beweiswürdigung festgestellt,
daß dieser Vertr ag erst nach dem
30. Juni 2000 geschlossen wurde und damit das 1. Halbjahr 2000 nicht
betraf.
bb.) Aber auch hinsichtlich des Einbezugs der Zahlen der SLEC war die
Ad-hoc-Mitteilung falsch. Maßstab für die
Richtigkeit ist der Inhalt der Erklärung
selbst, wobei es darauf ankommt, wie dieser aus der Sicht eines
bilanzkundi-
gen Lesers als Erklärungsempfänger verstanden werden
durfte (vgl. Otto aaO
Rdn. 14). Die Mitteilung erweckte den Eindruck, als sei der gesamte
Umsatz
der SLEC im 1. Halbjahr zu 50 % dem EM.TV- Konzern zuzuschlagen. Sie er-
weckte aufgrund der Bezeichnung „ Halbjahreszahlen“
zudem den Eindruck, als
handele es sich um die Wiedergabe des Ergebnisses des Quar talsberichts.
- 22 -
Das war falsch, weil - in Abweichung vom eigentlichen Quartalsbericht
(UA
S. 19) - verschwiegen wur de, daß die 50 %-Beteiligung an der
Formel
1-Gruppe erst zum 12. Mai 2000 erfolgte. Die Kammer hat zu Recht darauf
ab-
gestellt, daß ohne Benennung des Stichtags bzw. des
Erwerbszeitpunkts der
Leser der Mitteilung sich auf der Grundlage der genannten Zahlen kein
zutref-
fendes Bild von der Lage des Gesamtkonzerns machen kann, weil
unklar
bleibt, ob sich die für SLEC genannten Zahlen auf den Zeitraum
ab dem Er-
werbszeitpunkt oder ab dem 1. Januar 2000 beziehen (UA S. 16; 19).
Vielmehr
wird der Eindruck erweckt, als sei der anteilige gesamte Umsatz der
SLEC be-
reits ab dem 1. Januar vom EM.TV-Konzern erwirtschaftet worden (UA S.
48).
Die Angabe des Erwer bszeitpunkts ist aber erforderlich, um
„gekaufte Ergeb-
nisse“ des erwor benen Unternehmens von denjenigen des
Erwerbers und den
nach dem Zusammenschluß (gemeinsam) erwirtschafteten
Ergebnissen abzu-
grenzen (vgl. Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS-Kommentar, 2. Aufl.
§ 31 Rdnrn.
39 und 40 f.).
Hinzu kommt, daß die Zahlen für
„Jim Henson“ (Erwerbszeitpunkt
21. März 2000) sich nur auf das 2. Quartal beziehen ( UA S.
17). Unterstellt, die
jeweiligen Er werbszeitpunkte wären allgemein bekannt gewesen,
hätte eine
richtige Darstellung für beide Beteiligungen
einheitlich entweder für das ge-
samte Halbjahr oder jeweils den Zeitraum ab dem Erwerbszeitr aum
enthalten
müssen. Auch darauf hat die Strafkammer zu Recht abgehoben (UA
S. 47).
f.) Auch im übrigen ist die Beweiswürdigung
frei von Rechtsfehlern.
Die Überzeugung des Gerichts, daß sich die
Angeklagten der Unrichtig-
keit der Ad-hoc-Mitteilung bewußt waren, beruht auf einer
tragfähigen Grundla-
- 23 -
ge. Der aus den erwiesenen Tatsachen gezogene Schluß auf
vorsätzliches
Handeln war nicht nur möglich, sondern naheliegend, zumal die
Angeklagten
die Halbjahreszahlen gerade deshalb unzutreffend darstellten, weil sie
den
Kurs der EM.TV-Aktie zu ihren Gusten positiv beeinflussen
wollten (UA S. 31;
33) .
Die Angeklagten kannten die Problematik des unterjährigen
Einbezugs
(UA S. 20). Dennoch stellten sie die Zahlen der SLEC ohne vorherige
Konsul-
tation von Fachleuten aus der eigenen Buchhaltung,
Wirtschaftsprüfern oder
des dafür zuständigen Vorstands Dr.
G. unkommentiert ab dem 1.
Januar
2000 in die Halbjahreszahlen ein (UA S. 20). Der Zeuge Dr .
G. hatte die
Halbjahreszahlen vorbereitet und war anschließend in Urlaub
gegangen. Nach
seiner Rückkehr wunderte er sich darüber,
daß hier von abweichende Zahlen
bekanntgegeben worden waren und erzwang eine Vorstandssitzung, die am
2. Oktober 2000 stattfand ( UA S. 19, 26) . Er zweifelte an
der Richtigkeit der
von den Angeklagten während seiner Abwesenheit ver
öffentlichten Halbjahr es-
zahlen, was zu deren Korrektur führte (UA S. 15). Ersichtlich
stand die Korr ek-
tur in zeitlichem Zusammenhang mit der Vorstandssitzung. Insofern
enthalten
die Urteilsgründe entgegen der Auffassung der Revision auch
ausreichende
Feststellungen zu den Umständen, die zur späteren
Korr ektur der Zahlen ge-
führt haben. Diese ergeben sich bereits aus der Einlassung des
Angeklagten
T.
H. (UA S. 15).
2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung
stand.
- 24 -
Die Strafkammer durfte die zusätzliche Verwirklichung einer
Ordnungs-
widrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20a Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 WpHG aF
strafschärfend berücksichtigen (vgl. BGHSt 19, 188,
189; BGHR StGB § 46
Abs. 2 Tatumstände 7; BGH, Beschl. v. 6. Oktober
1998 - 4 StR 391/98;
Beschl. v. 15. September 1995 - 2 StR 431/95), weil das
gemäß § 21 Abs. 1
OWiG verdrängte Gesetz gegenüber dem Tatbestand des
angewandten § 400
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG selbständiges Unrecht
enthält.
Näherer Erörterung bedar f in diesem Zusammenhang im
Hinblick auf die
von den Revisionen aufgeworfenen Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit von
§ 20a WpHG nur folgendes:
a.) Ar t. 103 Abs. 2 GG stand der Anwendung dieser Vorschrift durch die
Strafkammer nicht entgegen. Die Unrechtskontinuität zwischen
dem zur Tatzeit
geltenden § 88 Nr. 1 BörsG aF und
§§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 39 WpHG aF
ist gegeben.
§ 20a WpHG hat § 88 BörsG abgelöst
( vgl. Senat BGHSt 48, 373 ff. un-
ter Hinweis auf BT-Drucks. 14/8017 S. 83, 89). Zutreffend hat das
Landgericht
in diesem Zusammenhang zunächst geprüft, ob sich die
Angeklagten nach
§ 88 Nr. 1 BörsG strafbar gemacht haben. Das hat die
Strafkammer rechtsfeh-
lerfrei bejaht (UA S. 36-39). Sie hat dann den Tatbestand des
§ 20a Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF
geprüft und die
Ordnungswidrigkeit als das mildere Recht (§ 2 Abs. 3 StGB)
angewandt.
b.) § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF ist durch die direkte
Verweisung auf
§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF auch hinreichend bestimmt;
es handelt
- 25 -
sich hierbei um die Umsetzung von Rechtsvorgaben der EU. Soweit der
Tatbe-
stand „auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach
Abs. 2“ verwirk-
licht werden kann, bedar f die von der Revision aufgeworfene Frage der
Verfas-
sungsmäßigkeit hier keiner Erör terung,
weil die Strafkammer den ausreichend
bestimmten Tatbestand des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF -
unabhängig
von der Verordnung - als verwirklicht angesehen hat. Inzwischen ist die
Ver-
ordnung nach § 20a Abs. 2 WpHG aF ergangen (
„Verordnung zur Konkretisie-
rung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV)
“ vom 18.
November 2003 - BGBl. I 2300). Diese Verordnung, wie auch §
20a WpHG,
dient - teilweise im Vorgriff - der Umsetzung der „Richtlinie
2003/6/EG des Eu-
ropäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003
über Insider-
Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)“ -
ABl. EG L 96, S. 16
(vgl. Verordnung EG Nr.2273/2003 vom 22. Dezember 2003 - ABl. EG L 336
v.
23. Dezember 2003 S. 33; BR-Drucks. 639/03 S. 8 und
BT-Drucks. 14/8071
S.89). Die Regelung des § 20a Abs. 2 WpHG, wonach der
Verordnungsgeber
nähere Bestimmungen über
tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne des §
20a
Abs. 1 WpHG erlassen kann, findet ihre Entsprechung im
Erwägungsgrund
(21) der Richtlinie 2003/6/EG. Die Verordnung ist nicht
abschließend und wirkt
nicht strafbarkeitsbegründend. Sie hat vielmehr das Ziel, den
Marktteilnehmern
Leitlinien an die Hand zu geben, welche Handlungen und Unterlassungen
als
Kurs- und Marktpreismanipulation im Sinne des § 20a Abs. 1
WpHG einzustu-
fen sind und welche Verhaltensweisen keinen Verstoß gegen
§ 20a Abs. 1
WpHG darstellen (so ausdrücklich klarstellend die
Begründung des Veror d-
nungsgebers: vgl. BR- Drucks. 639/03 S. 8).
3. Daß die Str afkammer sich an der Anwendung des
Straftatbestandes
des § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG aF im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2
GG mangels
- 26 -
Unrechtskontinuität gehinder t gesehen hat, beschwer t die
Angeklagten nicht.
Wie der Senat bereits entschieden hat, ist nämlich entgegen
der Auffassung
des Landgerichts die Unrechtskontinuität zwischen §
88 Nr. 1 Bör sG aF und
der Straftat nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG aF gegeben, weil das
Gefährdungs-
delikt des § 88 Nr. 1 BörsG aF das Erfolgsdelikt
(§ 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG aF)
mit umfaßt (vgl. BGHSt 48, 373, 383). Die Prüfung,
ob infolge der Bekanntgabe
der unrichtigen Halbjahreszahlen eine Einwirkung auf den
Börsenpreis im Sin-
ne des Qualifikationstatbestands des § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG
eingetreten war,
lag daher nahe.
4. Die mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) vom
28. Oktober 2004 - BGBl. I 2004, S. 2630 erfolgte Herabsetzung des
Höchst-
maßes des zu verhängenden Bußgeldes von
eineinhalb Millionen Euro auf ei-
ne Million Euro (§ 39 Abs. 4 WpHG) hat der Senat
bedacht (vgl. Meyer-
Goßner, StPO 47. Aufl. § 354a Rdn. 1 ff.). Sie
nötigt nicht zu einer Aufhebung
des Strafausspruches. Die Strafkammer hat die Strafe dem Strafrahmen
von §
400 Abs. 1 Nr. 1 AktG entnommen und dort im unteren Bereich
angesiedelt.
Der
- 27 -
Senat kann ausschließen, daß die Strafkammer auf
niedrigere Geldstrafen er-
kannt hätte, wenn die Änderung des
Höchstmaßes der angedrohten Geldbuße
für die lediglich unter Strafzumessungsgesichtspunkten
berücksichtigte Or d-
nungswidrigkeit bereits bei Beratung des Urteils eingetreten gewesen
wäre.
Nack
Wahl
Boetticher
Kolz
Elf
|